TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/5 W111 2007098-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.09.2018
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Entscheidungsdatum

05.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W111 2007098-1/46E

W111 2007096-1/30E

W111 2017013-1/36E

W111 2017019-1/12E

W111 2017015-1/12E

W111 2125505-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX , und 6.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. RUSSISCHE FÖDERATION und vertreten durch den XXXX / XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 25.03.2014, Zl. 831793604-1763690, 2.) vom 25.03.2014, Zl. 831793702-1763681, 3.) vom 11.12.2014, Zl. 1031732509-14996351, 4.) vom 11.12.2014, Zl. 1031732400-14996445, 5.) vom 11.12.2014, Zl. 1031732302-14996386 und 6.) vom 05.04.2016, Zl. 1107056709-160317772, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG sowie § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Beide sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Sie reisten am 05.12.2013 gemeinsam in das Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer wurde am Tag der Antragstellung (auch als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers) vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 18.03.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, maskierte Männer in Militäruniformen seien im Oktober 2013 in kurzem zeitlichen Abstand zwei Mal zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihm mehrere Fotos gezeigt. Er sei gefragt worden, ob er die Leute auf den Fotos kenne und wisse, wo sie sich befänden. Er habe geantwortet, darüber nichts zu wissen und sei geschlagen worden. Beim zweiten derartigen Vorfall habe der Zweitbeschwerdeführer dem Erstbeschwerdeführer zu Hilfe kommen wollen und sei niedergeschlagen worden. Der Erstbeschwerdeführer habe seinen Sohn verteidigen wollen und sei mit einem Gewehrlauf bewusstlos geschlagen worden. Am darauffolgenden Tag hätten er und sein Sohn die Vorbereitungen für die Flucht eingeleitet und sie seien in der Folge ausgereist, weil der Erstbeschwerdeführer gewusst habe, dass ihre Lage ernst sei. In Tschetschenien würden immer wieder Menschen spurlos verschwinden. Auch für den Zweitbeschwerdeführer bestehe diese Rückkehrgefährdung. Es komme immer wieder vor, dass "Väter über deren Söhne erpresst" würden. Der Erstbeschwerdeführer legte seinen russischen Führerschein im Original vor.

2. Mit Bescheiden vom 25.03.2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und § 57 AsylG, erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte III.).

In der Begründung führte das Bundesamt unter anderem aus, das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers und damit auch die Verfolgungsgefahr für den Zweitbeschwerdeführer seien nicht glaubwürdig. So habe der Erstbeschwerdeführer bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes angegeben, bei einem Vorfall seien "sechs" bewaffnete, maskierte, uniformierte Männer zu ihm nach Hause gekommen. "Nach einer Woche" seien abermals "sechs" bewaffnete Männer zu ihm gekommen. In der späteren Einvernahme habe er hingegen von "vier oder fünf" Männern gesprochen. Widersprüchlich sei auch, dass der Erstbeschwerdeführer zunächst ausgesagt habe, nach dem ersten Vorfall "zwei Wochen" normal weitergearbeitet zu haben, später jedoch angegeben habe, der zweite Vorfall habe sich "eineinhalb bis zwei Wochen" nach dem ersten ereignet. Erstaunlich sei, dass der Erstbeschwerdeführer bei der Einvernahme vor dem Bundesamt den ersten Vorfall konkret mit dem

15. oder 16. Oktober 2013 datieren habe können, während er bei der Erstbefragung durch die Sicherheitsbehörden lediglich imstande gewesen sei, vorzubringen, dass sich der Vorfall vor "ca. eineinhalb Monaten" zugetragen habe. Widersprüchlich zur Behauptung des Erstbeschwerdeführers in der Erstbefragung, wonach man ihn auch mit dem Umbringen bedroht habe, habe er bei der Einvernahme angegeben, von den Männern lediglich nach den Personen auf den Fotos befragt worden zu sein. Die Frage, ob sich die Männer ihm gegenüber sonst noch irgendwie geäußert hätten, habe er dezidiert verneint. Einen weiteren Widerspruch erkannte die Behörde darin, dass der Erstbeschwerdeführer angegeben habe, in der Nähe seines Elternhauses in einem eigenen Haus gewohnt zu haben und "von dort aus" geflüchtet zu sein, während er an anderer Stelle angegeben habe, sich "die letzte Woche" nicht mehr zu Hause, sondern bei Verwandten mütterlicherseits aufgehalten zu haben.

Ausgehend davon gelange das Bundesamt zur Ansicht, dass der Erstbeschwerdeführer keine ihm drohende Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft gemacht habe. Damit komme auch dem Antrag des Zweitbeschwerdeführers im Familienverfahren keine Berechtigung zu.

3. In der gegen diese Bescheide erhobenen gemeinsamen Beschwerde beantragten die Erst- und Zweitbeschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und traten unter anderem den beweiswürdigenden Erwägungen der erstinstanzlichen Behörde entgegen. Zudem wurde ein unzureichender Abgleich des Vorbringens mit objektivem Länderberichtsmaterial bemängelt. In Bezug auf den Zweitbeschwerdeführer wurde in der Beschwerde überdies gerügt, das Bundesamt habe zu Unrecht eigene Fluchtgründe des Zweitbeschwerdeführer nicht überprüft und diesen zu seinen Fluchtgründen sowie jenen seines Vaters nicht einvernommen.

4. Die Beschwerdevorlage in den Verfahren der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien langte am 17.04.2014 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Mit Erkenntnissen vom 08.05.2014, Zln. W218 2007098-1 und W218 2007096-1, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revisionen erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Seine Entscheidungen begründete das BVwG im Wesentlichen damit, dem Erstbeschwerdeführer sei zwar zuzustimmen, dass die Widersprüche nicht "immens gravierend" seien und - einzeln betrachtet - auf den ersten Blick nicht unbedingt automatisch das gesamte Vorbringen unglaubwürdig erscheinen lassen würden. In Zusammenschau der einzelnen unterschiedlichen Aussagen sowie in Gesamtbetrachtung der Umstände komme das BVwG aber aus näher dargestellten Gründen zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und somit auch das gleichlautende Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers nicht den Tatsachen entspreche, im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung zu befürchten sei und die Revisionswerber lediglich aus wirtschaftlichen und somit asylfremden Gründen ausgereist seien.

6. Am 22.09.2014 stellten die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers, die nunmehrige Drittbeschwerdeführerin, sowie deren weitere gemeinsame minderjährige Kinder, die nunmehrige Viertbeschwerdeführerin und der nunmehrige Fünftbeschwerdeführer, infolge gemeinsamer illegaler Einreise die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Zu diesen wurde die Drittbeschwerdeführerin (auch als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen viert- und fünftbeschwerdeführenden Parteien) am Tag der Antragstellung niederschriftlich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab die Drittbeschwerdeführerin im Wesentlichen zu Protokoll, sie habe sich im Jänner 2014 zum Verlassen ihres Herkunftsstaates entschlossen, da im Oktober 2013 ca. 4 bis 5 maskierte Männer gekommen wären, welche ihren Mann geschlagen und befragt hätten. Die im Nachbarhaus lebenden Eltern ihres Mannes seien zur Hilfe gekommen. Rund eine Woche später sei es zu einem vergleichbaren Vorfall gekommen; auch ihr ältester Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, sei geschlagen worden und hätte sogar das Bewusstsein verloren. Ihr Mann hätte sich daraufhin entschlossen, gemeinsam mit dem ältesten Sohn die Flucht zu ergreifen. Die Drittbeschwerdeführerin hätte sich mit ihren beiden jüngeren Kindern bei ihren Eltern versteckt. Später habe sie Geld gesammelt, um gemeinsam mit ihren Kindern zu ihrem Mann und ihrem Sohn zu fahren. Ihre beiden mit ihr eingereisten minderjährigen Kinder hätten darüber hinaus keine eigenen Fluchtgründe. Die Drittbeschwerdeführerin fürchte um das Leben ihrer Kinder sowie ihr eigenes Leben. Sie legte ihren russischen Inlandspass sowie die russischen Geburtsurkunden der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers im Original vor.

Am 27.11.2014 wurde die Drittbeschwerdeführerin im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei brachte sie kurz zusammengefasst vor (im Detail, vgl. die Seiten 43 bis 61 des ihre Person betreffenden Verwaltungsaktes), sie sei Tschetschenin sowie Muslimin, sie sei seit dem Jahr 2000 mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet und hätte mit diesem drei gemeinsame Kinder. Sie habe ihren Herkunftsstaat gemeinsam mit den beiden jüngeren Kindern im September 2014 verlassen und habe nach wie vor zahlreiche Angehörige in Tschetschenien. Die Drittbeschwerdeführerin sei aufgrund der Probleme ihres Mannes hier und hätte in der Heimat Angst um ihre Kinder gehabt. Die Drittbeschwerdeführerin schilderte zwei Vorfälle, bei welchen unbekannte maskierte Männer zu ihnen nach Hause gekommen wären, welche den Erstbeschwerdeführer sowie den Zweitbeschwerdeführer geschlagen hätten.

7. In Stattgabe außerordentlicher Revisionen wurden die in den Verfahren des Erstbeschwerdeführers und des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers ergangenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts mit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.12.2014, Zln. Ra 2014/18/0056, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, zumal von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Unrecht Abstand genommen worden wäre.

8. Mit den nunmehr angefochtenen, im Familienverfahren ergangenen, Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 11.12.2014 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der drittbis fünftbeschwerdeführenden Parteien in Spruchpunkt I. jeweils gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz in Spruchpunkt II. jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und unter einem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkte III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität und Staatsangehörigkeit der dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien fest und traf umfangreiche Feststellungen zur Lage in deren Herkunftsstaat. Die Behörde habe nicht feststellen können, dass die dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung zu befürchten hätten, das Vorbringen zum Fluchtgrund erweise sich als nicht glaubhaft. Es habe demnach nicht festgestellt werden können, dass die Drittbeschwerdeführerin von unbekannten Männern nach dem Aufenthaltsort ihres Gatten gefragt worden wäre; dem im Wesentlichen gleichlautenden Vorbringen des Erstbeschwerdeführers sei die Glaubwürdigkeit bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgesprochen worden. Desweiteren habe nicht festgestellt werden können, dass die dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat keinen Familienanschluss oder keine Lebensgrundlage vorfinden würden.

9. Gegen diese in den Verfahren der dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien ergangenen Bescheide richtet sich die am 16.12.2014 eingebrachte Beschwerde. In dieser wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, welche sich insbesondere deshalb als erforderlich erweisen würde, da die Drittbeschwerdeführerin sich in der Sprache Russisch, in welcher ihre Einvernahme erfolgt wäre, nur unzureichend ausdrücken könne. Zudem weise selbige aufgrund der traumatisierenden Erfahrungen in Tschetschenien eine verminderte Gedächtnisleistung auf und hätte keine Möglichkeit erhalten, zu den ihr vorgeworfenen Widersprüchen Stellung zu beziehen.

10. Die Beschwerdevorlage in den Verfahren der dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien langte am 12.01.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Mit Eingabe vom 28.04.2015 übermittelte die Drittbeschwerdeführerin ein russischsprachiges Schriftstück in Kopie. Diesbezüglich erging seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit an die Drittbeschwerdeführerin gerichtetem Schreiben vom 18.05.2015 an die Drittbeschwerdeführerin die Aufforderung zur Vorlage des Dokuments im Original, desweiteren wurde um Bekanntgabe ersucht, wie sie dieses Schriftstück erhalten hätte. Mit Eingabe vom 22.06.2015 übermittelten die beschwerdeführenden Parteien zwei Ladungen des tschetschenischen Innenministeriums im Original, welche der Erstbeschwerdeführer "über die für Tschetschenien typischen Umwege" erhalten hätte. Das Bundesverwaltungsgericht veranlasste in der Folge eine Übersetzung der übermittelten Schriftstücke. Mit weiterem Schreiben des Bundesveraltungsgerichts vom 30.07.2015 wurde die Drittbeschwerdeführerin zur Präzisierung dahingehend, auf welchem Weg sie die Dokumente erhalten hätte, respektive zur Vorlage dahingehender Beweismittel, aufgefordert. Unter einem wurde sie darauf aufmerksam gemacht, dass die übermittelte Ladung einen unvollständigen Stempelaufdruck aufweisen würde und daher keiner Überprüfung hinsichtlich ihrer Echtheit zugänglich wäre. Diesbezüglich wurde seitens der beschwerdeführenden Parteien mit Eingabe vom 28.08.2015 bekanntgegeben, dass die Anfrage nicht beantwortet werden könne.

Mit Eingaben vom 28.09.2015 wurde das im Spruch ersichtliche Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben, gleichzeitig wurde ein Konvolut an Unterlagen übermittelt. Unter diesen finden sich ein Befundbericht vom 16.07.2014 betreffend den Erstbeschwerdeführer mit der Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung, ein Empfehlungsschreiben für die Familie vom 12.08.2015, ein Schreiben der Integrationslehrerin des Zweitbeschwerdeführers, ein psychologischer Befund betreffend den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer vom 11.08.2014 (Diagnose insb. Angst- und Depressionsstörung), eine Kindergartenbesuchsbestätigung betreffend den minderjährigen Fünftbeschwerdeführer, Schulbesuchsbestätigungen betreffend den Zweitbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sowie Bestätigungen über eine aushilfsweise Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers am Bauhof einer Gemeinde aus dem Jahr 2015.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Erstbeschwerdeführer wegen §§ 127, 129 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt, welche ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

12. Für die zwischenzeitlich im Bundesgebiet als Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin geborene Sechstbeschwerdeführerin wurde durch ihren gesetzlichen Vertreter mit Eingabe vom 01.03.2016 unter gleichzeitiger Übermittlung ihrer österreichischen Geburtsurkunde ein "Antrag auf Durchführung eines Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG" gestellt. Gleichzeitig wurde bekanntgegeben, dass die minderjährige Sechstbeschwerdeführerin keine individuellen Rückkehrbefürchtungen aufweisen würde.

Am 04.04.2016 wurde der Erstbeschwerdeführer im Verfahren der Sechstbeschwerdeführerin als deren gesetzlicher Vertreter niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der minderjährigen Sechstbeschwerdeführerin in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz in Spruchpunkt II. hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Sechstbeschwerdeführerin gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die Sechstbeschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und unter einem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass in den Verfahren der gesetzlichen Vertreter der Minderjährigen eine Verfolgung nicht glaubhaft festgestellt werden habe können und für die Genannte keine individuellen Rückkehrbefürchtungen ins Treffen geführt worden wären.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom 24.04.2015 fristgerecht Beschwerde erhoben.

Die Beschwerdevorlage im Verfahren der Sechstbeschwerdeführerin langte am 29.04.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

13. Am 14.09.2016 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Gerichtsabteilung W191) statt, an welcher die beschwerdeführenden Parteien, eine Dolmetscherin für die tschetschenische Sprache sowie der bevollmächtigte Vertreter der beschwerdeführenden Parteien teilgenommen haben. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen. Diese Verhandlung wurde zwecks Einholung zweier psychiatrischer Gutachten zwecks Erörterung einer bei den erst- und drittbeschwerdeführenden Parteien allenfalls vorliegenden eingeschränkten Gedächtnisleistung unterbrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt. Vorgelegt wurde ein psychiatrischer Befundbericht vom 31.08.2018 betreffend den Erstbeschwerdeführer.

14. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurden die gegenständlichen Rechtssachen am 29.09.2017 der bisher zuständigen Gerichtsabteilung W191 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W111 neu zugewiesen.

Aus einem durch das Bundesveraltungsgericht in Auftrag gegebenen psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen Gutachten vom 16.02.2018 ergibt sich im Wesentlichen, dass sich bei der Drittbeschwerdeführerin aus psychiatrischer Sicht ein unauffälliger psychopathologischer Querschnittsbefund gefunden hätte, von dieser sei keine psychiatrische Beschwerdesymptomatik angeführt worden und es läge derzeit keine krankheitswerte psychische Störung vor. Demnach sei auch keine psychische Erkrankung fassbar, welche die drittbeschwerdeführende Partei außer Lage setzen würde, an einer Beschwerdeverhandlung teilzunehmen oder deren Einvernahmefähigkeit bzw. deren Fähigkeit, Erlebtes wiederzugeben, beeinträchtigen würde.

Einem weiteren psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen-Gutachten vom 22.02.2018 lässt sich entnehmen, dass sich auch beim Erstbeschwerdeführer aus psychiatrischer Sicht zum Untersuchungszeitpunkt ein unauffälliger psychopathologischer Querschnittsbefund gefunden hätte und eine krankheitswerte psychische Störung, insbesondere eine solche, welche ihn außer Lage setzen würde, Erlebtes wiederzugeben oder eine sonstige Beeinträchtigung seiner Einvernahmefähigkeit bewirken würde, nicht fassbar gewesen wäre. Ebensowenig habe festgestellt werden können, dass dieser zu den Zeitpunkten seiner Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seiner Einvernahmefähigkeit grundlegend beeinträchtigt gewesen wäre.

15. Am 11.04.2018 fand zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts statt, an welcher die beschwerdeführenden Parteien, eine Dolmetscherin für die russische Sprache sowie der bevollmächtigte Vertreter der beschwerdeführenden Parteien teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, verzichtete jedoch auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Die gegenständlich relevanten Teile der Befragung gestalteten sich wie folgt:

(BF1=Erstbeschwerdeführer; BF2=Drittbeschwerdeführerin;

BF3=minderjähriger Zweitbeschwerdeführer)

"(...) Der R legt die Gutachten betreffend der BF1 und BF2 vor, welche durch XXXX erstellt wurden.

BFV gibt an, dass er die Gutachten erhalten hätte. BFV bestreitet die Richtigkeit des GA nicht. Es würde sich jedoch andeuten, dass seinerzeit ein traumatisierendes Ereignis stattgefunden hat.

Diesbezüglich wird auch ein Befundbericht vom 15.05.2017 seitens eines Allgemein Mediziners vorgelegt.

Festgehalten wird, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei BF1 und BF2 keine krankheitswertige psychische Störung fassbar ist.

R: Möchten Sie Ihrem bisherigen Verfahren etwas hinzufügen oder korrigieren bzw. wurden Sie korrekt behandelt?

BF1 und BF2: Unsere Ausführungen waren vollständig und richtig. Wir haben nichts zu berichtigen. Das Verhalten der Beamten war korrekt.

BF3 gibt an, nie einvernommen worden zu sein.

BF2 und BF3 verlassen den Saal.

R: Bitte Schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf.

BF1: Ich bin in Tschetschenien im Dorf XXXX geboren. Ich die Schule in diesem Ort besucht. Ich habe in Folge des Krieges diese nicht abgeschlossen. Ich habe meinen Schulabschluss auf einer kostenpflichtigen Schule später gemacht. Ich habe drei Brüder und zwei Schwestern gehabt. Eine davon ist verstorben. Von 1998 bis 1999 habe ich bei der Miliz als Polizist gearbeitet. Dann war noch ein Krieg. So wie viele bin ich nach XXXX gegangen. 2003 gab es eine Generalamnestie und wir kehrten zurück. Ich habe Gelegenheitsjobs am Bau angenommen. Unsere wirtschaftliche Situation war normal. Ich konnte meine Familie ernähren. Neben dem Haus meines Vaters habe ich ein Haus gebaut. Das gehört uns. Mein Bruder ist vor einem Jahr dorthin übersiedelt, nachdem er geheiratet hatte.

R: Bitte schildern Sie mir chronologisch und detailliert, aus welchen Gründen Sie Ihre Heimat verlassen haben.

BF1: Meine Probleme begannen 2013. In der Nacht von 15. Auf 16. Oktober 2013 ca. um 22-23 Uhr schauten wir Fußball. Ich glaube eine portugiesische Mannschaft hat gespielt. Plötzlich sind vier oder fünf Leute durch die unversperrte Tür gekommen. Sie haben mir Fotos gezeigt und haben mich gefragt, ob ich die darauf abgebildeten Leute kennen würde und wo sich diese befinden. Ich kannte die Leute nur vom Sehen, aber nicht persönlich. Unser Dorf hat ca. 6000 Einwohner. Die Männer waren maskiert und hatten schwarze Uniformen ab. Sie waren bewaffnet mit automatischen Waffen. Meine Frau war zu diesem Zeitpunkt in der Küche. In dem Raum, in dem wir fernsahen, befanden sich mein jüngerer Bruder, ich und mein Sohn XXXX . Sie haben mich bedrängt. Sie haben mich hin und her gezerrt. Geschlagen haben sie mich nicht. Meine Frau begann zu schreien, als sie den Lärm hörte. Sie kam nicht ins Zimmer, sondern blieb im Korridor. Als meine Eltern die Schreie hörten, kamen sie ins Haus, aber nicht ins Zimmer. Sie blieben im Vorzimmer stehen. Vielleicht aus Respekt gegenüber älterer Leute sind sie wieder gegangen. Außer meinen Eltern kamen keine Personen. Der Vorfall dauerte etwa 15-20 Minuten.

R: In Ihrer Einvernahme vom 18.03.2014 geben Sie an, dass neben Ihren Eltern auch die Nachbarn und ein anderer Bruder gekommen wären (AS 65). Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF1: Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht erinnern.

R: Ihre Frau schildert in Ihrer Einvernahme vom 27.11.2014, dass sie "ins Wohnzimmer" gelaufen sei. Sie verneinen dies heute. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch? (AS 53)

BF1: Ich weiß das nicht. Ich wurde ja hin und her geworfen. Soweit ich mich erinnern kann, wollte man sie nicht rein lassen.

R: Bei derselben Einvernahme gab Ihre Frau an, dass man begonnen hätte Sie zu schlagen. (AS 53) Heute verneinen Sie, dass Sie geschlagen worden wären. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF1: Sie hat gedacht, dass ich geschlagen worden wäre, weil sie ja nicht im Zimmer war. Wenn mir vorgehalten wird, dass meine Frau eben gesagt hat, dass sie im Zimmer gewesen sei, gebe ich an: Ich weiß nicht, warum sie das gesagt hat.

R: Was passierte nachdem die Männer Ihre Eltern sahen?

BF1: Mein Vater hat mit ihnen laut geredet. Ich weiß nicht, was er genau gesagt hat. Er sagte unter anderem, warum sie gekommen seien. Dann sind sie gegangen. Sie sind schnell weggefahren. Damals dachte ich, dass es sich vielleicht um einen Fehler der Männer gehandelt hat. Wir sind mit den Eltern zusammengesessen. Wir dachten alle, dass es sich um ein Versehen oder um einen einmaligen Vorfall handelt. Ich kann mich nicht erinnern, ob meinen Eltern etwas aufgewartet wurde. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Eltern ungefähr 10-15 Minuten nach dem Vorfall wieder weggingen.

R: Was machte Ihr Sohn während des gesamten Vorfalls?

BF1: Meinem Bruder und meinem Sohn machten sie nichts. Diese blieben dort sitzen, wo sie waren. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Frau nach dem Vorfall geweint hat, sich aber dann beruhigt hat.

R: Fahren Sie fort.

BF1: Mein Bruder ging auch. Dann sind wir schlafen gegangen. Am nächsten Morgen bin ich in die Arbeit gegangen. Ungefähr eine Woche habe ich gearbeitet. Nachgefragt gebe ich an, dass es sich beim 15. und 16. Oktober um Wochentage handelt. Bei uns im Dorf merkt man allerdings nicht, ob es sich um Arbeitstage oder Wochenenden handelt.

R: Bitte schildern Sie mir den zweiten Vorfall.

BF1: Nach ca. ein bis zwei Wochen, genauer kann ich es nicht angeben, kamen sie das zweite Mal. Es war wieder zwischen 22 und 23 Uhr. Die Familie saß beisammen. Es saßen zusammen, ich meine Kinder und meine Frau, jedoch nicht meine Eltern oder Brüder. Wir sahen fern. Das Abendessen war schon vorbei. Nachgefragt gebe ich an, dass wir normalerweise zwischen 12 Uhr und halb eins schlafen gehen. Meine Kinder gehen auch erst ab 23 Uhr schlafen, obwohl z.B. XXXX erst fünf war. Auch meine nunmehr zweijährige Tochter geht jetzt erst um eins schlafen.

Sie stürmten wieder hinein. Sie waren wieder maskiert und uniformiert. Sie haben gleich begonnen mich zu schlagen. Sie haben mich zuerst ins Gesicht geschlagen und dann überall. Nachgefragt gebe ich an, dass sie mir ins Gesicht lediglich Ohrfeigen, später auch Faustschläge gaben. Sie haben mich auf den Rücken geschlagen. Auf den Rücken schlug man mich entweder durch einen Fußtritt oder einen Gewehrkolben. Genau kann ich mich nicht erinnern. Sonst hatte ich keine ernsthaften Verletzungen, nur blaue Flecken. Meine Hände waren nach hinten mit Handschellen gefesselt. Dann wollten sie mich mit nach unten gedrücktem Kopf mitnehmen. Mein Sohn XXXX ist gekommen, um mir zu helfen. Einer von den Leuten hat ihn zur Wand gestoßen. Mein Sohn ist auf den Boden gefallen und bewegte sich nicht mehr. Ich wollte mit dem Fuß nach hinten treten. Dann haben sie mich auf den Rücken geschlagen (vorher erhielt ich keine Schläge auf den Rücken). Dann habe ich das Bewusstsein verloren und ich weiß nicht, was dann passiert ist. Ich bin 5 bis 6 Meter nach der Türschwelle in Richtung des Gartentores zu mir gekommen. Mehrfach nachgefragt gebe ich an, dass meine Bewusstlosigkeit minutenlang aber nicht stundenlang gedauert hat. Ich war nass. Nachgefragt gebe ich an, dass ich auf der rechten Seite, in der Höhe der Nieren, blaue Flecken hatte. Am restlichen Köper, insbesondere im Gesicht, hatte ich keine Hämatome, sondern kleine Kratzer. Ich war ganz nass, weil man mich mit Wasser angeschüttet hatte. Ich weiß nicht, wer mich angeschüttet hat. Ich wusste, dass das nicht das letzte Mal sein wird. Ich beschloss zu flüchten. Ich bin bereits in der Nacht zu meinen Verwandten gefahren. Es waren Verwandte meiner Mutter. Es handelte sich um die Familie XXXX . Diese wohnen auch in unserem Dorf, allerdings am anderen Ende. Meine Frau ging gleichzeitig mit mir weg zu ihren Eltern. Meine Frau und ich verließen ca. um Mitternacht unser Haus. Ich wusste, wohin sie geht, aber ich habe niemandem gesagt, wohin ich gehen werde. Ich habe dann am nächsten Tag mein Auto verkauft. Die Verwandten haben mir Geld geborgt. Eine Nacht war ich noch im Dorf meiner Schwester in XXXX . Ich habe mich noch von meiner Frau verabschiedet. Der Sohn befand sich bei meiner Frau. Mein Sohn begann bei der Verabschiedung zu weinen und ich nahm ihn dann mit.

R: Sie haben soeben angegeben, dass Sie und Ihre Frau zeitgleich um Mitternacht Ihr Haus verließen. Ihre Frau hat in Ihrer Einvernahme vom 27.11.2014 (AS 55) angegeben "gleich am nächsten Tag ging ich mit unseren Kindern (...) zu meinen Eltern". Aus diesen Worten entnehme ich, dass Ihre Frau nicht unmittelbar nach dem Vorfall um Mitternacht, sondern am Morgen danach zu Ihren Eltern reiste. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF1: Ich kann den Widerspruch nicht erklären.

R: Haben Sie Ihrer Frau gesagt, wohin Sie planen zu fahren?

BF1: Ich habe meiner Frau gesagt, dass ich nach Europa will. Ich habe mir nicht überlegt in andere Teile der Russischen Föderation zu flüchten. Wenn sie mich nämlich ernsthaft gesucht hätten, hätten sie mich überall gefunden.

R: Wann hatten Sie erstmals mit Ihrer Frau wieder Kontakt?

BF1: Ich habe erst aus XXXX mit ihr gesprochen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich von der persönlichen Verabschiedung meiner Frau, erst wieder in XXXX telefonisch mit ihr Kontakt hatte. Mein Mobiltelefon hatte ich immer bei mir. Ich habe via Internet mit ihr Kontakt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich in den neun Monaten, zwischen meiner Abreise und der Abreise meiner Frau ca. ein bis zwei Mal pro Monat mit meiner Frau Kontakt hatte. Nachgefragt, wann ich mit den Ausreiseplänen meiner Frau konfrontiert wurde, gebe ich an, dass ich erst im September 2014 von ihr erfahren habe, dass sie nach Europa kommen wird.

R: Wurden Sie durch Ihre Frau von einem Vorfall mit Männern informiert, die zu Ihrer Frau gekommen sind?

BF1: Ja.

R: Wann war dieser Vorfall?

BF1: Anfang des Jahres. Ich glaube, im Jänner. Bei ihren Eltern in XXXX . Nachgefragt gebe ich an, dass meine Frau zwischen Jänner und September 2014 in XXXX lebte. Sie lebte dort bei meinen Verwandten. Dort wurde sie nicht behelligt.

R: Warum ist sie dann nach neun Monaten nach Österreich geflüchtet?

BF1: Sie war doch alleine. Sie war versteckt. Nachgefragt gebe ich an, dass sie tatsächlich nicht versteckt war, sondern ein ganz normales Leben führte. Sie war nur nicht gemeldet.

R: Wusste Ihre Frau, dass Sie zu diesem Zeitpunkt bereits eine negative Entscheidung vom BFA hatten?

BF1: Ja. Ich habe ihr gesagt, dass ich einen negativen Bescheid habe. Ich weiß allerdings nicht, ob sie das verstanden hat. Ich habe ihr das wahrscheinlich ca. 1-2 Monate vor ihrer Abreise gesagt.

R: Das heißt, Ihre Frau ist ausgereist, obwohl sie neun Monate nicht bedroht wurde und Sie beide sich der Unsicherheit Ihres Aufenthaltes bereits bewusst waren?

BF1: Ich habe aber berufen und hoffte auf eine positive Erledigung.

R: Möchten Sie zu Ihrem Fluchtvorbringen noch etwas hinzufügen?

BF1: Nein. Ich will nur, dass die Kinder alles normal haben.

BFV: Was fürchten Sie im Falle einer Rückkehr?

BF1: Ich weiß nicht, vielleicht habe ich wieder Probleme. Vielleicht sperren Sie mich ein, vielleicht bringen sie mich um. Ich habe nicht Angst um mich, sondern um meine Kinder. Hier lernen Sie Englisch und Deutsch. In Russland lernen sie nichts.

R: Können Sie sich vorstellen, warum Sie ins Visier der russischen Behörden geraten sind?

BF1: Vielleicht, weil ich bei der Miliz war. Wenn mir vorgehalten wird, dass 13 Jahre vergangen sind, kann ich keine andere Begründung finden.

BF1 verlässt den Saal. BF2 betritt diesen nach 5 minütiger Unterbrechung.

R: Bitte schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf.

BF2: Ich bin in XXXX geboren. Aufgewachsen bin ich in XXXX . Ich bin fast sieben Jahre in die Schule gegangen. Ich habe zwei Schwestern und einen Bruder. Wir haben sehr gut gelebt. Wir hatten ein eigenes Haus.

R: Bitte schildern Sie mir detailliert und chronologisch richtig was sich zugetragen hat, sodass Sie und Ihr Mann die Russische Föderation verlassen haben.

BF2: Wir sind wegen der Probleme meines Mannes hier her gekommen. Ich habe keine eigenen Probleme. Auch meine Kinder haben keine eigenen Probleme.

Am 15. oder 16. Oktober kamen Leute zu uns. Es war ca. 10 Uhr. Es war schon finster. Sie haben meinen Mann über irgendwelche Leute befragt. Ich war zum Zeitpunkt, als die Leute unser Haus betraten in der Küche. Sie haben meinen Mann beschimpft aber nicht geschlagen. Sie haben ihn erniedrigt und beschimpft. Mein hat zu diesem Zeitpunkt ferngesehen. Sie waren im Wohnzimmer, damit meine ich meinen Mann, seinen jüngeren Bruder und meinen Sohn XXXX . Alles ging sehr schnell. Ich durfte nicht in das Zimmer hinein. Es waren maskierte Männer. Ich habe geschrien. Ich war in der Küche und diese hat ein Fenster in Richtung des Hauses meiner Schwiegereltern.

R: In Ihrer Einvernahme am 27.11.2014 sagen Sie, dass Sie ins Wohnzimmer gelaufen seien. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF2: Ja, sie haben mich genommen und wieder aus dem Zimmer geworfen. Ich habe um Hilfe geschrien. Dann sind die Eltern meines Mannes gekommen und dann sind die Männer gegangen. Ca. 20 Minuten blieben die Männer. Wir dachten, dass es sich um ein Versehen gehandelt hätte. Wir haben gesprochen. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Schwiegereltern vermutlich nach zwei Stunden uns verlassen haben. Gleich gegangen sind sie jedenfalls nicht.

R: Ihr Mann hat angegeben, dass Ihre Schwiegereltern nach 5-10 Minuten gegangen sind. Sie sprechen von zwei Stunden. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF2: Ich weiß es nicht.

R: Was passierte am nächsten Tag?

BF2: Wir dachten, es war ein Fehler. Das Leben ging ganz normal weiter. Mein Mann ist am nächsten Tag normal arbeiten gegangen. Das nächste Mal nach ca. einer Woche um ca. 9 Uhr, nach dem Abendessen kamen die Männer. Als die Männer das Zimmer betraten, waren im Wohnzimmer mein Mann, mein Sohn. Ich selbst war nicht im Zimmer. Wir haben ein großes Vorzimmer, dort bin ich gesessen. Sie haben ferngesehen. Ich habe nicht ferngesehen.

R: Ihr Mann hat dazu angegeben: "die Familie saß beisammen. Es saßen zusammen, ich meine Kinder und meine Frau, jedoch nicht meine Eltern oder Brüder." Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF2: Wir sind hin und her gegangen. Die Männer stürmten hinein. Sie haben ihn geschlagen. Sie haben ihn überall geschlagen. Sie haben mich ins Nebenzimmer gesperrt.

R: Hatte Ihr Mann im Gesicht sichtbare Verletzungen?

BF2: Ja. Er hatte blaue Flecken.

BF1 betritt den Saal.

R: Wo war Ihre Frau während des zweiten Vorfalls?

BF1: Sie war im Wohnzimmer. Nachgefragt gebe ich an, dass sie in den Korridor gestoßen wurde.

BF1 verlässt den Saal.

R: Ist der Korridor das Nebenzimmer im Haus?

BF2: Ich meinte die Küche.

R: Hatte Ihr Mann außer Hämatome noch andere sichtbare Verletzungen?

BF2: Nein.

R: Hatte Ihr Mann offenen Verletzungen nach den Schlägen?

BF2: Nein.

R: Hatte er, außer im Gesicht, noch andere Hämatome?

BF2: Ja. In der Nierengegend auf der rechten Rückenseite.

R: Ihr Mann hat dazu angegeben, dass er im Gesicht keine Hämatome gehabt hätte. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF2: Er hatte Hämatome. Ich kann nicht angeben, warum mein Mann gesagt hat, dass er keine Hämatome im Gesicht hatte.

R: Wann haben Sie das Haus verlassen?

BF2: Wir sind gleich gefahren. Das heißt, gleich als die Leute weg waren. Vielleicht um 23 Uhr.

R: Warum haben Sie dann im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens angeben: "Gleich am nächsten Tag (...)"?

BF2: Ja, so habe ich das damals gesagt. Nachgefragt, warum ich heute etwas anderes gesagt habe, kann ich keine Antwort geben.

R: Hat Ihr Mann Ihnen gesagt, wohin er fahren wird?

BF2: Nein.

R: Wann hat Ihnen Ihr Mann gesagt, dass er die Russische Föderation verlassen wird?

BF2: Ungefähr nach einer Woche. Mein hat keinerlei Angaben gemacht, wohin er fahren wird.

R: Er machte nicht einmal ungefähre Angaben hinsichtlich der Richtung?

BF2: Nein.

R: Ihr Mann hat angeben, dass er Sie informiert hätte, dass er nach Europa fährt.

BF2: Nein, das hat er nicht.

R: Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF2: Ich kann dazu nichts sagen.

R: Wann hatten Sie nach Ihrer persönlichen Verabschiedung von Ihrem Mann wieder Kontakt mit ihm?

BF2: Einige Monate danach. Aus Österreich hat er mich angerufen.

R: Wann haben Sie Ihren Mann das erste Mal mit Ihren Ausreiseplänen bzw. mit Ihren Reiseplänen nach Österreich konfrontiert?

BF2: Es war von Anfang klar, dass ich nachkommen werde. Ich wollte dort nicht bleiben. Als mein Mann in Österreich angekommen ist, wurde klar, dass ich nachkommen werde.

R: Wann wurde Ihr Mann mit Ihren Ausreiseplänen konfrontiert?

BF2: Gleich, nachdem er das erste Mal angerufen hat, habe ich ihn gefragt, wann wir kommen können. Nachgefragt, in welchem Monat das war, gebe ich an, es war ungefähr Februar, vielleicht auch einen Monat davor, vielleicht auch ein Monat später.

R: Ihr Mann hat aber von September 2014 gesprochen, als er das erste Mal von Ihren Ausreiseplänen erfahren hat. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF2: Im September hatte ich schon alles beisammen.

R: Wann wurden Sie von den Männern alleine aufgesucht?

BF2: Im Jänner 2014 im Haus meiner Eltern.

R: Haben Sie noch etwas hinsichtlich Ihrer Fluchtgeschichte hinzuzufügen?

BF2: Nein.

BFV: Nein.

BF1 und BF3 betreten den Saal.

R: Ihre Frau hat angegeben, dass weder Sie selbst (BF2) noch Ihre gemeinsamen Kinder gemeinsame Fluchtgründe haben. Ist das richtig?

BF1: Ja.

R: Ihre Einvernahmen haben grobe Widersprüche ergeben. Möchten Sie sich dazu äußern?

BF1 und BF2 schweigen.

Die folgenden Fragen werden an alle anwesenden BF gerichtet, wobei der BF1 die Fragen für die minderjährigen Kinder beantwortet.

R: Leiden Sie unter schweren oder chronischen Krankheiten?

BF1: Nein, weder ich noch meine Kinder.

BF2: Nein.

R: Gesetzt den Fall, Sie müssten in die Russische Föderation zurückkehren, wo würden Sie dann leben bzw. welche Lebensumstände würden Sie erwarten?

BF1: Ich weiß nicht, ob wir Chancen hätten. Nachgefragt, nach meinem Haus gebe ich an, dass ich natürlich dort wohnen könnte.

BF2: Es war alles normal in unserer Heimat. Wir hatten genug von allem. Wir sind nur wegen dieser Vorfälle weggefahren.

R: Möchten Sie noch ein Vorbringen vortragen, welches im Hinblick auf Gewährung von subsidiärem Schutz relevant ist?

BFV: Nein.

R: Sprechen Sie Deutsch bzw. haben Sie Deutschprüfungen abgelegt?

BF1: Ich habe keine Prüfungen gemacht.

BF2: Ich habe keine Prüfung gemacht. Zwei bis drei Mal im Monat kommt eine Deutschlehrerin zu uns in die Pension.

Festgehalten wird, dass eine Konversation in deutscher Sprache mit BF1 und BF2 sehr eingeschränkt bis kaum möglich ist.

BF3: Ja, ich habe eine A1 Prüfung gemacht. Ich habe die Hauptschule nicht positiv abgeschlossen. Ich war ein Integrationskind, ich wurde nicht benotet.

R: Haben Sie das Polytechnikum abgeschlossen?

BF3: Ja, jedoch nicht positiv. 2017 habe ich das Poly gemacht.

Festgehalten wird, dass eine Konversation mit BF3 möglich ist.

R: Was machen Sie seit dem Abschluss des Polytechnikums?

BF3: Ich habe die A1 Prüfung gemacht. Ich wollte weiter Prüfungen machen, aber mein Platz war schon vergeben. Nachgefragt, was ich den ganzen Tag mache, gebe ich an, dass ich zwar letzten Freitag den Mopedführerschein gemacht habe, aber sonst nichts mache. Ich gehe manchmal Fußball spielen, jeden Tag boxen.

Einsicht genommen wird in die Strafregisterauszüge. Festgehalten wird, dass der BF1 eine Eintragung aufweist zu §§ 127, 129 Z 1 StGB aufweist.

R: Möchten Sie sich dazu äußern?

BF1: Ich war ein Monat in Untersuchungshaft. Ich habe geglaubt, dass man von dem Lagerplatz weggeworfene Dinge wegnehmen könne.

R: Wovon leben Sie?

BF1: Wir leben von öffentlichen Mitteln. Ich habe einmal zwei, drei Monate 2016 gearbeitet.

BF2: Keine Antwort.

R: Gesetzt den Fall, Sie hätten eine Arbeitserlaubnis, hätten Sie schon einen Arbeitgeber?

BF1: Wenn ich einen österreichischen Führerschein hätte, könnte ich in einer Firma arbeiten. Ich kann zwar nicht sagen, wie die Firma heißt, aber dort arbeiten viele Tschetschenen.

R: Welche Sprache sprechen Sie zu Hause mit Ihren Kindern?

BF1: Tschetschenisch. Nachgefragt gebe ich an, dass alle Kinder tschetschenisch sprechen. Miteinander sprechen die Kinder Deutsch.

R: Können Sie, abgesehen von dem Umstand, dass BF3 bis BF5 nunmehr einige Jahre in Österreich waren bzw. zu Schule gegangen sind, irgendetwas angeben, was auf eine positive Integration hindeuten lässt?

BF2: Wenn mein Kind in den Kindergarten geht, werde ich einen Deutschkurs machen.

BF1: Ich helfe den Leuten in der Nachbarschaft.

BFV weist auf die positiven Integrationsunterlagen hin, welche auf guten Kontakt zur Wohnbevölkerung hindeuten, in der die Familie lebt.

Vorgelegt wird das LIB der Staatendokumentation betreffend die Russische Föderation Stand 21.07.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 19.03.2018. Ein Exemplar wird dem BFV übergeben und eine Stellungnahmefrist von 14 Tagen eingeräumt. Kopie verbleibt im Akt.

Festgehalten wird, dass der BFV sämtliche BF vertritt.

R: Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

BF1: Schauen Sie nicht auf unsere Fehler. Geben Sie uns eine Chance.

BF2: Keine Aussage.

BF3: Ich habe nichts zu sagen. Mein Leben ist nur in Österreich. Ich habe meine Freunde in meiner Heimat vergessen.

BFV: Keine Stellungnahme. (...)"

Die beschwerdeführenden Parteien brachten die folgenden Unterlagen in Vorlage:

* Befundbericht eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 10.05.2017 mit der Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung betreffend den Erstbeschwerdeführer,

* Referenzschreiben betreffend den Erstbeschwerdeführer aus seinem privaten Umfeld vom 02.11.2015,

* Bestätigung der XXXX über die Mithilfe des Erstbeschwerdeführers bei der Spendenausgabe in einem Flüchtlingslager,

* Schreiben durch die Betreiber eines Gasthauses vom 24.08.2016 und vom 09.04.2018,

* Unterschriftenliste zur Unterstützung der Familie,

* Bestätigungen über die Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers auf dem Bauhof einer Gemeinde aus dem Jahr 2015,

* Bestätigungen über die Teilnahme an einer Deutsch-Kommunikationsgruppe durch den Erstbeschwerdeführer sowie Absolvierung einer Deutschprüfung A1 durch den Zweitbeschwerdeführer;

Mit Eingabe vom 25.04.2018 gab der bevollmächtigte Vertreter der beschwerdeführenden Parteien bekannt, dass auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den anlässlich der Verhandlung ausgehändigten Länderberichten verzichtet werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz vom 05.12.2013 (Erst- und Zweitbeschwerdeführer), vom 22.09.2014 (Drittbeschwerdeführerin, Viertbeschwerdeführerin und Fünftbeschwerdeführer) und vom 01.03.2016 (Sechstbeschwerdeführerin), der Einvernahmen der erst- und drittbeschwerdeführenden Parteien durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Zentrale Fremdenregister, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem, der in den Verfahren des Erstbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin eingeholten psychiatrischen Sachverständigen-Gutachten sowie der Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.04.2018 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1. Die BeschwerdeführerInnen sind Staatsangehörige der Russischen Föderation aus der Teilrepublik Tschetschenien und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe sowie des islamischen Glaubens. Der Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin sind verheiratet und Eltern der minderjährigen Zweit-, Viert-, Fünft- und SechstbeschwerdeführerInnen.

Der Erstbeschwerdeführer stellte am 05.12.2013 für sich und den gemeinsam mit ihm illegal ins Bundesgebiet eingereisten minderjährigen Zweitbeschwerdeführer die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Die Drittbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit den minderjährigen viert- und fünftbeschwerdeführenden Parteien illegal in das Bundesgebiet ein und suchte am 22.09.2014 um die Gewährung internationalen Schutzes für sich und die minderjährigen viert- und fünftbeschwerdeführenden Parteien an. Für die im Bundesgebiet geborene Sechstbeschwerdeführerin wurde durch ihren gesetzlichen Vertreter am 01.03.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.2. Die beschwerdeführenden Parteien waren in ihrem Herkunftsstaat in der Vergangenheit keiner Bedrohung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten ausgesetzt und droht ihnen eine solche auch in Zukunft nicht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären. Die beschwerdeführenden Parteien leiden jeweils an keinen schwerwiegenden oder chronischen Erkrankungen und verfügen über zahlreiche verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in der Russischen Föderation.

1.3. Der Erstbeschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX , wegen §§ 127, 129 Z1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, welche ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Die übrigen beschwerdeführenden Parteien sind strafgerichtlich unbescholten.

1.4.Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration der beschwerdeführenden Parteien in Österreich vorliegt. Diese leben von der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Außerhalb ihrer Kernfamilie verfügen die beschwerdeführenden Parteien über keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bezugspunkte im Bundesgebiet. Die beschwerdeführenden Parteien zeigten während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keine maßgeblichen Integrationsbemühungen. Weder der Erstbeschwerdeführer, noch die Drittbeschwerdeführerin legten einen Nachweis über erworbene Deutschkenntnisse vor und konnten sich anlässlich der Beschwerdeverhandlung nur sehr eingeschränkt auf Deutsch verständigen. Der Erstbeschwerdeführer half im Jahr 2015 fallweise auf einem Gemeinde-Bauhof aus. Die minderjährigen Zweit-, Viert- und FünftbeschwerdeführerInnen besuchten im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht die Schule im Bundesgebiet. Der Zweitbeschwerdeführer besuchte eine Hauptschule sowie ein Polytechnikum, hat jedoch keinen positiven Abschluss erlangt. Er eignete sich grundlegende Deutschkenntnisse an und absolvierte eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1. Die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien haben gegenwärtig jeweils keine Arbeitsstelle in Aussicht, absolvieren keine Ausbildung und gehen keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie haben Bekanntschaften in ihrer Wohngemeinde geknüpft. Der Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin waren sich der Unsicherheit eines dauerhaften Aufenthalts während ihrer gesamten Aufenthaltsdauer bewusst.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.2.1. Die aktuelle politische und menschenrechtliche Situation in der Russischen Föderation (Tschetschenien) stellt sich dar wie folgt:

Wie erwartet ist Russlands Präsident Putin bei der Präsidents

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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