Entscheidungsdatum
05.09.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W103 2183979-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2017, Zl. 1110164103-160466832, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben
und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Äthiopiens, stellte am 01.04.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist war.
Anlässlich seiner am Tag der Antragstellung durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zunächst an, der Volksgruppe der Ogaden und der moslemisch-sunnitischen Glaubensrichtung anzugehören. Er stamme aus XXXX , wo sich unverändert seine Mutter, seine drei Schwestern und neun Brüder aufhielten; sein Vater sei bereits verstorben; zwei Halbbrüder würden in Schweden leben. Seinen Herkunftsstaat habe er im Februar 2015 verlassen. In Bezug auf seinen Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, ihm sei vorgeworfen worden, Mitglied der Rebellengruppe ONLF zu sein, weshalb er bereits dreimal im Gefängnis gewesen wäre, wo er auch gefoltert worden sei. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, umgebracht zu werden.
Am 27.11.2017 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die somalische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Eingangs erklärte der Beschwerdeführer, gesund zu sein und sich auf die durchzuführende Einvernahme konzentrieren zu können, die Verständigung mit der anwesenden Dolmetscherin funktioniere sehr gut. Seine bisherigen Angaben seien wahrheitsgemäß gewesen und seien ihm diese korrektermaßen rückübersetzt worden, lediglich in Bezug auf sein Geburtsjahr sei es zu einer fälschlichen Protokollierung gekommen.
Zu seinen Lebensumständen in Äthiopien führte der Beschwerdeführer zusammenfasend aus, er sie in XXXX in Äthiopien geboren worden, wo er von 2005 bis 2013 die Schule besucht hätte. Nachdem er die Schule beendet hätte, habe er nichts Besonderes gemacht; er habe Fußball gespielt, weiters habe er als Schaffner gearbeitet und drei Monate den Beruf des Automechanikers in einer kleinen Werkstatt gelernt. 2013 sei er inhaftiert worden, danach habe er nicht mehr gearbeitet. Er gehöre dem Clan der Ogaden an. Sein Vater sei im Jahr 2010 verstorben. Er habe drei Schwestern und neun Brüder; zwei Brüder würden nunmehr in Schweden leben, zwei weitere Brüder seien bereits verstorben. Die anderen Geschwister würden alle in XXXX wohnen. Außerdem habe er Onkeln und Tanten an unterschiedlichen Orten in Äthiopien, Somalia und Kenia. Auf die Frage, wovon seine Familie im Herkunftsland lebe, gab der Beschwerdeführer an, seine Familie besitze ein großes Gebäude in XXXX , in welchem es mehrere Lagerräume gäbe, die vermietet würden. Neben den Mieteinnahmen würden sie auch Tiere besitzen, deren Milch sie verkaufen würden. Einige Tiere seien jedoch aufgrund der Dürre verstorben. Seiner Familie ginge es jedoch trotz der Dürre gut, alle seien gut versorgt. Der Beschwerdeführer entstamme einer wohlhabenden Familie. Für die Reise nach Österreich hätte er USD 9.000,- bezahlt, die Mutter habe dies durch den Verkauf einiger Tiere finanziert. Seine Ausreise habe er Mitte Februar 2015 angetreten. Er stünde in telefonischem Kontakt zu seiner Familie, über Facebook kommuniziere er mit vielen Freunden und Bekannten aus Äthiopien. Der Beschwerdeführer sei im Herkunftsland nie politisch tätig und von keinen Problemen aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit betroffen gewesen. Er habe keine gröberen Probleme mit Privatpersonen gehabt und an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen. Er habe sich in Haft befunden, im Gefängnis von XXXX .
In Bezug auf seinen Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, sein Vater habe der ONLF angehört und sei verstorben. Der Beschwerdeführer sei inhaftiert, geschlagen und dann wieder freigelassen worden. Er sei dann weggelaufen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor der XXXX Er selbst habe der ONLF nicht angehört, nur sein Vater. Er sei dreimal inhaftiert worden, bezüglich der genauen Zeiträume sei er sich nicht ganz sicher, er denke, dass die erste Inhaftierung von April bis Mai 2013 (1 Monat), die zweite Inhaftierung von Februar bis März (1,5 Monate) und die dritte Inhaftierung von September bis November 2014 stattgefunden hätte. Danach gefragt, wie es zu den Inhaftierungen gekommen wäre, erklärte der Beschwerdeführer, er sei immer beschuldigt worden, der ONLF anzugehören, es habe jedoch nie Beweise gegen ihn gegeben, weshalb er immer wieder freigelassen worden wäre. Die äthiopischen Behörden hätten dann auch eine Mitarbeit gewollt, der Beschwerdeführer habe dies jedoch abgelehnt. Im Gefängnis sei er geschlagen und gefoltert worden, es habe jedoch keine sichtbaren Verletzungen gegeben. Er denke, dass Grund der Beschuldigung, ONLF anzugehören, die Zugehörigkeit seines Vaters zu jener Organisation gewesen wäre. Zu dieser Anschuldigung sei es erstmals bei seiner Inhaftierung im Jahr 2013 gekommen, davor habe es diese Anschuldigungen nicht gegeben. Nachgefragt, habe er sämtliche Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes vollständig geschildert. In Österreich sei er insofern mit dem Gesetz in Konflikt geraten, als er betrunken mit dem Fahrrad gefahren wäre. Abschließend bestätigte der Beschwerdeführer nach erfolgter Rückübersetzung seiner Angaben die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokollierten durch seine Unterschrift.
2. Mit im Spruch angeführten Bescheid vom 07.12.2017 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Äthiopien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der beschwerdeführenden Partei zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Staatsangehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität, des Beschwerdeführers fest (vgl. Aktenseite 96) und legte seiner Entscheidung einen allgemeinen Ländervorhalt zur Lage in Äthiopien zugrunde (vgl. die Seiten 10 bis 28 des angefochtenen Bescheids). Der Beschwerdeführer sei volljährig und leide an keiner lebensbedrohlichen, behandlungsbedürftigen Krankheit. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er in Äthiopien einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliege, ebensowenig habe festgestellt werden können, dass er in Äthiopien einer ethnischen Verfolgung unterliege. Es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Heimat dort der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre. Weiters habe nichtfestgestellt werden können, dass dieser in Äthiopien in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Er sei illegal nach Österreich eingereist und verfüge im Bundesgebiet über keine Anknüpfungspunkte privater oder familiärer Natur.
In Bezug auf die vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründe wurde beweiswürdigend im Wesentlichen festgehalten, dass dessen gesamtes Vorbringen seitens der Behörde ad absurdem geführt werde. Die Behörde ginge nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich wegen einer unterstellten Mitgliedschaft bei der ONLF inhaftiert worden wäre. Der Beschwerdeführer habe seinen üblichen Tagesablauf in den Monaten vor der behaupteten Inhaftierung in der Form beschrieben, dass er bis 2013 Schüler gewesen wäre, danach als Schaffner und in einer Autowerkstatt gearbeitet und in seiner Freizeit Fußball gespielt hätte. Die Behörde ginge in diesem Zusammenhang nicht davon aus, dass es tatsächlich insgesamt dreimal zu einer willkürlichen Inhaftierung wegen einer Mitgliedschaft zu ONLF gekommen wäre, zumal er weder Mitglied der ONLF gewesen wäre, noch irgendetwas mit dieser Organisation zu tun gehabt haben wolle. Vielmehr sei davon auszugehen, dass auch die äthiopische Polizei Ermittlungen anstelle, bevor jemand willkürlich und erfolglos dreimal inhaftiert werde. Auch wenn man von einer tatsächlichen Mitgliedschaft seines Vaters bei ONLF ausgehen würde, so stünde dies nicht im zeitlichen Kontext zur behaupteten Inhaftierung des Beschwerdeführers, da dessen Vater bereits im Jahr 2010 verstorben sein soll. Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, im Gefängnis geschlagen und gefoltert worden zu sein, ohne sichtbare Verletzungen davon getragen zu haben, erscheine der Behörde nicht lebensnah. Ohne dessen Vorbringen einer weiteren Beweiswürdigung unterziehen zu müssen, ergebe sich aus der Gesamtheit seiner Angaben zweifelsfrei, dass die von ihm behauptete Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entspreche, es sich um eine konstruierte Fluchtgeschichte handle und er Äthiopien in Wahrheit aus anderen Beweggründen verlassen habe. Die Behörde ginge insbesondere aufgrund des bei der Einvernahme gewonnenen persönlichen Eindrucks davon aus, dass die Schilderung der angeblichen Bedrohungssituation offensichtlich nicht der Wahrheit entspreche, sondern lediglich der Erlangung eines Aufenthaltstitels unter Umgehung des Fremdenrechts dienen solle, was einen klaren Missbrauch des Asylrechts darstelle.
Da dem Beschwerdeführer keine Verfolgung im Herkunftsstaat drohe und er dort über Anknüpfungspunkte verfüge, ginge die Behörde davon aus, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, welche die Erteilung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.
Mit Verfahrensanordnung vom 13.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation im Hinblick auf eine allfällige Beschwerdeerhebung zur Seite gestellt.
3. Gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die fristgerecht am 12.01.2018 eingebrachte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Unter einem wurde das im Spruch ersichtliche Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben. Begründend wurde zusammenfassend geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zur Annahme einer Unglaubwürdigkeit der vorgebrachten Gefährdungslage habe gelangen können. Die Behörde habe ihre Verpflichtung zur Bescheidbegründung verletzt. So begründe die Behörde die Unglaubwürdigkeit der Inhaftierungen willkürlich mit der Annahme, dass "auch die äthiopische Polizei Ermittlungen anstellen" würde, bevor jemand erfolglos dreimal inhaftiert würde; diese Aussage widerspreche jedoch den eigenen Feststellung, wonach "aufgrund einer tatsächlichen oder vermuteten Gegnerschaft zur
Regierung ... die Mehrzahl hiervon offenbar ohne Haftbefehl oder
wochen- bis jahrelang ohne Anklage verhaftet" würde, überdies lasse die Behörde außer Acht, dass die Inhaftierungen den Zweck verfolgt hätten, den Beschwerdeführer zu einer Zusammenarbeit mit der XXXX zu bewegen. Zu diesem Zweck sei er im Zuge der ersten Inhaftierung freigelassen und, als er der Zusammenarbeit nicht nachgekommen wäre, erneut festgenommen und aus dem gleichen Grund wieder freigelassen worden. Es hätten die dritte Inhaftierung und Rekrutierungsversuch gefolgt, wobei dem Beschwerdeführer deutlich gemacht worden wäre, dass er bei einer erneuerten Verweigerung einer Zusammenarbeit getötet werden würde. Aus diesem Grund sei der Beschwerdeführer nach seiner Freilassung umgehend aus Äthiopien geflüchtet. Die vorgebrachten Folterungen während der Inhaftierungen würden lapidar mit dem Hinweis als nicht glaubhaft gewürdigt, dass diesbezüglich keine Verletzungen (mehr) sichtbar seien. Dies sei jedoch unrichtig; es seien noch Verletzungen an den Zehen(nägeln) ersichtlich, die von Hammerschlägen herrühren würden, sowie Narben auf dem Kopf bedingt durch Schläge mit einem Knüppel. Der Beschwerdeführer habe erstere dem Referenten zeigen wollen, was dieser jedoch abgelehnt hätte. In Gesamtschau der beweiswürdigenden Argumente werde deutlich, dass diese keine taugliche Grundlage darstellen würden, um eine Unglaubwürdigkeit der vorgebrachten Gefährdungs- und Verfolgungslage begründen zu können. Überdies werde bemängelt, dass die Behörde es unterlassen habe, sich mit dem Vorbringen hinreichend auseinanderzusetzen. Aufgrund der mangelhaften Ermittlungstätigkeit beruhe der angefochtene Bescheid auf einer entscheidungsuntauglichen Grundlage und werde dadurch mit Rechtswidrigkeit behaftet. Bei hinreichender Ermittlungstätigkeit hätte die Behörde feststellen können, dass die vorgebrachte Verfolgungslage und Vorfälle der realen Situation in der Somali-Region entsprechen würden. In diesem Zusammenhang werde auf die der Beschwerdeschrift beigefügte Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 15.11.2017 zu Äthiopien:
Zwangsrekrutierungen durch die XXXX und lokale Milizen in der Somali-Region verwiesen. Aus dieser ginge hervor, dass die XXXX in der Somali Region mit äußerster Brutalität gegen ZivilistInnen vorginge, die verdächtigt würden, mit der ONLF zusammenzuarbeiten und zahlreiche Massaker und Menschenrechtsverletzungen begehen würde. Zudem werde darüber berichtet, dass zahlreiche gefangene ONLF-Kämpfer mittels einer Kombination aus Drohungen und finanziellen Anreizen "umgedreht" und für die Sonderpolizei rekrutiert worden wären. 2008 seien etwa 80 Prozent der XXXX ehemalige ONLF-Kämpfer und -Sympathisanten gewesen. Aus einem SFH-Update zu Äthiopien vom 17.06.2014 ginge hervor, dass im Ogaden-Gebiet oftmals zivile Personen festgenommen würden, die keinerlei Verbindung zur Organisation aufweisen würden. Ein Verdacht der Sicherheitsbehörden, ONLF zu unterstützen, reiche aus, um inhaftiert zu werden. Bei hinreichender Ermittlungstätigkeit, richtiger Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde zu einer anderslautenden Entscheidung gelangen und dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft aus (unterstellten) politischen Gründen zuerkennen müssen.
4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 23.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A:
1.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2.
Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013)
§ 28 VwGVG Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für
eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.01.2009, 2008/07/0168; VwGH 23.5.1985, 84/08/0085).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere Folgendes ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der ‚obersten Berufungsbehörde' beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
Es besteht kein Grund zur Annahme, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die neue Rechtslage übertragen ließe. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden.
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und folgende für die Auslegung des § 28 VwGVG maßgeblichen Gesichtspunkte aufgezeigt:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, auch dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in §?28?VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im §?28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen würde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Annahme bestünden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000).
2. Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
2.1. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Asylverfahren missachtet worden, dies aus folgenden Erwägungen:
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Angehöriger der Volksgruppe der Ogaden, brachte als seinen Fluchtgrund im Wesentlichen vor, sein im Jahr 2010 verstorbener Vater sei Mitglied der ONLF gewesen. Der Beschwerdeführer sei zwischen April 2013 und November 2014 insgesamt dreimal inhaftiert worden, da er beschuldigt worden wäre, ebenfalls der ONLF anzugehören. Auch hätten die äthiopischen Behörden eine Mitarbeit von ihm verlangt, was der Beschwerdeführer nicht gewollt hätte.
Die Behörde erachtete jenes Vorbringen als unglaubwürdig und erkannte auch keine darüberhinausgehende Gefährdung, welche eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Äthiopien als Verletzung seiner Rechte nach Artikel 3 EMRK erscheinen ließe.
Fallgegenständlich ist der Behörde jedoch anzulasten, dass sich aus den Erwägungen im Rahmen des angefochtenen Bescheides und den darin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht nachvollziehbar erschließen lässt, auf welcher Grundlage sie zu jenem Ergebnis gelangt. Vielmehr ergibt sich bei Durchsicht des angefochtenen Bescheides, dass die Behörde im Hinblick auf zentrale Aspekte des Parteienvorbringens keinerlei näheren Ermittlungen durchgeführt hat und sich insgesamt in unzureichender Weise mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sowie dessen individueller Lage im Falle einer Rückkehr befasst hat.
Vorweg ist anzumerken, dass die im Rahmen des angefochtenen Bescheides beweiswürdigend getroffenen Erwägungen (siehe oben Punkt I.2.) nicht als zur Begründung einer abweisenden Entscheidung geeignet erachtet werden können. Die angefochtene Entscheidung enthält keine schlüssige Begründung für die Annahme, dass sich die Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Fluchtgründe als unglaubwürdig darstellten. Die Ausführungen des Genannten, wonach er angesichts der Mitgliedschaft seines verstorbenen Vaters bei jener Organisation wegen einer unterstellten Nahebeziehung zu ONLF mehrmals willkürlich verhaftet und gefoltert worden sei, wurden seitens der belangten Behörde pauschal als "absurd" bezeichnet, wobei der Entscheidung keine nachvollziehbaren beweiswürdigenden Argumente bzw. Ermittlungsergebnisse entnommen werden können, auf die jenes Ergebnis gestützt wird. Dabei wurde einerseits angeführt, dass der Beschwerdeführer angegeben hätte, Schüler und später als Schaffner bzw. in einer Autowerkstatt tätig gewesen zu sein und nichts mit der ONLF zu tun gehabt zu haben, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass dieser tatsächlich dreimal willkürlich inhaftiert worden wäre. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass auch die äthiopische Polizei im Vorfeld der Verhaftung einer Person Ermittlungen anstelle. Diese Beurteilung geht ohne konkrete Befassung mit der Frage, inwieweit in Äthiopien willkürliche Verhaftungen ohne tatsächliche Nachweise für eine politische Nahebeziehung üblich sind, jedenfalls ins Leere. Die belangte Behörde geht hier von in Europa herrschenden rechtsstaatlichen Standards aus und unterstellt diese ungeprüft den äthiopischen Behörden. Sofern die Behörde darüber hinaus mit einem fehlenden zeitlichen Kontext der Inhaftierung des Beschwerdeführers zum Tod seines Vaters im Jahr 2010 argumentiert, vermag auch dieses Argument ebensowenig eine Unglaubwürdigkeit der vorgebrachten Inhaftierungen zu begründen..
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich aus dem im Akt einliegenden Protokoll der Einvernahme des Beschwerdeführers vom 27.11.2017 ergibt, dass dieser lediglich in überaus oberflächlicher Weise hinsichtlich seiner Fluchtgründe sowie seiner aktuellen Rückkehrsituation befragt worden ist und bietet jene Befragung keine geeignete Grundlage für eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers. Die Behörde tätigte zu den vorgebrachten fluchtauslösenden Vorfällen in zentralen Punkten keine Nachfragen, auf deren Basis die Beurteilung ermöglicht würde, ob der Beschwerdeführer von tatsächlich erlebten Vorfällen berichtet. So wurde dieser weder zu seinen Festnahmen, noch zu den Zeiten seiner Gefangenschaft in irgendeiner Form näher befragt. Auch wurde nicht hinterfragt, auf welche Weise dieser in der Haft misshandelt und gefoltert worden wäre, weshalb die Ansicht der Behörde, dass es als nicht lebensnah erachtet werden könne, dass der Beschwerdeführer keine sichtbaren Verletzungen durch die Misshandlungen davongetragen hätte, bereits vor diesem Hintergrund einer Grundlage entbehrt. Ebensowenig wurde der Beschwerdeführer näher zu seiner Aussage, wonach er zu einer Zusammenarbeit mit der XXXX aufgefordert worden wäre, befragt. Weiters hat die Behörde auch keinerlei Nachfragen zur Rolle des Vaters des Beschwerdeführers innerhalb der ONLF, bzw. zu den Umständen seines Todes sowie allfälligen Problemen sonstiger Familienangehöriger in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vaters des Beschwerdeführers getätigt. Auch der konkret fluchtauslösende Vorfall wurde nicht erfragt. Dem Protokoll der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl lässt sich entnehmen, dass die Einvernahme des Beschwerdeführers insgesamt - sohin inklusive der anfänglichen Belehrungen und allgemeinen Fragen zu seinen Lebensumständen sowie der Rückübersetzung des Protokolls - lediglich eine Stunde in Anspruch genommen hat (wobei die Befragung zum Fluchtgrund eine knappe A4-Seite umfasst), sodass auch vor diesem Hintergrund von keiner ausreichenden Ermittlung der Fluchtgründe des Beschwerdeführers in diesem Zeitrahmen ausgegangen werden kann, zumal sich dem Bescheid auch nicht entnehmen lässt, dass die Behörde - mit Ausnahme eines allgemeinen Ländervorhalts, dessen Inhalt in die beweiswürdigenden Erwägungen jedoch keinen Eingang fand - im Verfahren weitere Ermittlungsschritte getätigt bzw. zusätzliche Beweismittel herangezogen hätte.
Der Behörde ist sohin vorzuwerfen, dass sie den Beschwerdeführer in vollkommen unzureichender Weise zu seinen Fluchtgründen befragt hat und ihre abweisende Entscheidung respektive die Annahme der Unglaubwürdigkeit des vorgebrachten Fluchtgrundes mit lediglich pauschalen Aussagen begründete, denen es an einem konkreten Begründungswert fehlt. Ebensowenig hat die Behörde die Angaben des Beschwerdeführers in irgendeiner Form zur objektiven Situation in seinem Herkunftsstaat in Bezug gesetzt und länderspezifische Ermittlungen dahingehend getroffen, ob willkürliche Verhaftungen bzw. eine anderweitig gezielte Verfolgung von Personen, welchen etwa aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen zu einem ONLF-Mitglied, ein Naheverhältnis zu jener Organisation unterstellt wird, in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers üblich wären.
Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid auch darüber hinaus keine konkreten Länderfeststellungen zum Vorgehen der äthiopischen Sicherheitsbehörden, insbesondere der XXXX , gegenüber vermeintlichen Sympathisanten der ONLF zugrunde, ebensowenig wurden Feststellungen dahingehend getroffen, ob es zu Anwerbungsversuchen der XXXX gegenüber Zivilisten kommt.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach wiederholt aus, dass die Behörde zur Abklärung des realen Hintergrunds des seitens des Antragstellers vorgebrachten Verfolgungsszenarios verpflichtet sei und erst auf Grundlage entsprechender Informationen eine mängelfreie Würdigung des Vorbringens des Asylwerbers erfolgen könne (vgl. bspw. VwGH 30.8.2005, 2004/01/0550; VwGH 10.9.2015, Ra 2014/20/0142). Die Behörde unterließ es im gegenständlichen Fall jedoch gänzlich, das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund objektiver Länderberichte zu würdigen und belastete das Verfahren auch insofern mit einem krassen Ermittlungsmangel.
Damit fehlt dem Bundesverwaltungsgericht jedenfalls die maßgebliche Entscheidungsgrundlage für eine abschließende Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers in asylrechtlicher Hinsicht sowie in Hinblick auf die Gewährung subsidiären Schutzes.
Dabei wird nicht verkannt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert wird, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl. grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 6.7.2016, Ra 2015/01/0123, und 14.12.2016, Ro 2016/19/0005, je mwN; zuletzt VwGH 20.02.2018, Ra 2017/20/0498).
Im vorliegenden Fall kann nicht erkannt werden, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geeignete Schritte zu einer Erhebung des fluchtrelevanten Sachverhaltes gesetzt hat, sondern den Beschwerdeführer lediglich in oberflächlicher Weise befragte und anhand dieser Einvernahme keine stichhaltigen beweiswürdigenden Argumente aufzeigte respektive einen Abgleich der vorgebrachten Fluchtgründe mit objektivem Länderberichtsmaterial vorgenommen hat. Das Bundesamt hat die Fluchtgründe des Beschwerdeführers damit nur im Ansatz erhoben. Würde man in einem solchen Fall eine meritorische Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts annehmen, würde dies zum Ergebnis führen, dass im Wesentlichen das gesamte Ermittlungsverfahren - mit Ausnahme der vor der Behörde stattgefundenen, eine knappe A4-Seite umfassenden ansatzweisen Befragung zum Fluchtgrund, welche mangels Detailliertheit jedoch kaum eine geeignete Grundlage für den Abgleich späterer Angaben in Bezug auf deren Glaubwürdigkeit bildet - vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde, was dessen Funktion einer gerichtlichen Kontrollinstanz letztlich unterlaufen würde.
Insofern bedarf es jedenfalls detaillierter Erhebungen der die Person des Beschwerdeführers treffenden Sachlage, um zu einer haltbaren Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und zu einer tragbaren Entscheidung überhaupt im Verfahren gelangen zu können.
Folgt man den Ausführungen unter Punkt 1.3. hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bloß ansatzweise Ermittlungen getätigt, sodass eine Zurückverweisung der Sache an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schon unter diesem Gesichtspunkt als gerechtfertigt erscheint.
2.2. Die belangte Behörde hat unter Verstoß gegen den Grundsatz der Offizialmaxime, der sie zur amtswegigen Erhebung des gesamten wahren Sachverhaltes verpflichtet, keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können.
Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.
Von einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Parteivorbringens kann im vorliegenden Fall somit nicht gesprochen werden und sind die im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend angeführten Argumente im zu beurteilenden Fall keinesfalls zur Begründung einer negativen Entscheidung geeignet.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in umfassender Weise auseinanderzusetzen zu haben. Im Rahmen einer ergänzenden detaillierten Befragung des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und nach ergänzenden Länderfeststellungen wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die oben angesprochenen Punkte einer Klärung zuzuführen zu haben.
Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Bedrohung von Seiten der Al Shabaab, und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers in Hinblick auf den Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten wie oben dargelegt als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen diesbezüglich unerlässlich erscheinen.
2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs 3 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Fallgegenständlich kann nicht davon gesprochen werden, dass (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen sind, sodass die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG liegt (vgl. VwGH 22.06.2017, Ra 2017/20/0011 mwN).
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
2.4. Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu Spruchpunkt B:
2.5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. VwGH 26.?6.?2014, 2014/03/0063). Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Behebung und Zurückverweisung eines angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG wegen Ermittlungsmängel folgt konzeptionell im Wesentlichen der Bestimmung des § 66 Abs. Abs. 2 AVG (bzw. des § 41 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012). Die zu diesen Bestimmungen ergangene Judikatur ist ausführlich und auf den hier in Betracht kommenden § 28 Abs. 3 2. Satz VwGG infolge seiner konzeptionellen Ausgestaltung anwendbar (vergl. z.B. 17. 10. 2006, 2005/20/0459 und grundsätzlich zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG in Asylverfahren VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315, 2000/20/0084 und insbesondere VwGH vom 21. 6. 2010, 2008/19/0379, wo der VwGH ausdrücklich einen Vergleich zwischen den beiden Normen § 66 Abs. 2 AVG und § 41 Abs. 3 ASylG 2005 zieht).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aktuelle Länderfeststellungen, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W103.2183979.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.11.2018