Entscheidungsdatum
06.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W161 2178109-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. am XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 1110159702-160466018, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.06.2018 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Äthiopien und stellte am 01.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, er heiße XXXX , geboren am XXXX . Er sei seit XXXX verheiratet und spreche Somali. Er sei Staatsangehöriger von Somalia und bekenne sich zum sunnitischen Islam. Er gehöre der Volksgruppe der Somali an. Er habe die Grundschule in XXXX (von 01.01.2007 bis 01.01.2014) besucht und keine Berufsausbildung. Er habe in Äthiopien in XXXX gelebt. Sein Zielland sei Österreich gewesen, da er hier studieren wolle. Er sei in Äthiopien geboren und über den Sudan und Libyen nach Österreich gekommen.
Als weitere Identitäten des Beschwerdeführers wurden XXXX , geboren XXXX in XXXX , Staatsangehörigkeit Somalia und XXXX , geboren XXXX in XXXX , Staatsangehörigkeit Somalia, vermerkt.
Befragt, warum er das Land verlassen habe (Fluchtgrund), gab der Beschwerdeführer an, dass ihm dies "unbekannt" sei. Bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er "nichts".
In Äthiopien ( XXXX ) würden noch sein Vater, seine Ehefrau, sein Sohn und seine Tochter leben. Seine Mutter sei bereits verstorben. Innerhalb der Europäischen Union habe er keine Familienangehörigen.
3. Am 04.05.2017 brachte der Beschwerdeführer folgende Schriftstücke in Vorlage:
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Empfehlungsschreiben des XXXX Hospitals in englischer Sprache, datiert mit 10.01.2012, umgerechnet von 10.01.2004 (AS 49).
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Äthiopisches Abschlusszeugnis der Sekundarstufe von August 2010 in englischer Sprache (AS 51).
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Abschlusszeugnis des " XXXX and Coaching Center", XXXX Campus, Diplom in "Clinical Nursing", datiert mit 23.07.2011(AS 53) plus Transkript in englischer Sprache (AS 55).
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Arbeitsbewilligung des Gesundheitsamtes Region Somali, von 01.06.2010 (umgerechnet von01.06.2002) englischer und somalischer Sprache (AS 57).
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Regular Students Transcript der " XXXX Secondary School" der 9. Und 10. Schulstufe, von 30.10.2007 (umgerechnet von 30.10.1999)
4. Am 23.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen Asyl (im Folgenden: BFA), unter Beteiligung eines Dolmetschers für Somali niederschriftlich einvernommen.
Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, sein Geburtsdatum sei der XXXX und nicht wie auf der Karte stehe der XXXX . Er sei psychisch und physisch dazu in der Lage Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen und sei gesund. Er habe bisher im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht, aber es sei falsch protokolliert worden. Das, was sie heute schon korrigiert hätten sei falsch protokolliert worden und sei auch bezüglich seines Clans nicht nachgefragt worden. Es sei auch gesagt worden, dass er eine zweite Einvernahme bekomme, wo er detaillierte Angaben machen könne. Der Schulbesuch sei auch falsch protokolliert worden. Befragt, warum er in der Erstbefragung angegeben habe, XXXX zu heißen, gab der Beschwerdeführer an, dass am Zugticket von Italien nach Österreich dieser Name gestanden sei. Das Ticket habe jemand für ihn gekauft. Nach Vorhalt der Behörde, dass auf dem Zugticket der Name " XXXX " vermerkt sei, gab der Beschwerdeführer an " XXXX " zu heißen. Ein ehemaliger Arbeitskollege vom Krankenhaus habe ihm die vorgelegten Dokumente nachgeschickt. Nach seinen Daten befragt, gab er an, traditionell verheiratet zu sein und am XXXX in XXXX geboren sei zu sein. Er sei Äthiopier und gehöre der Volksgruppe der Madhiban an. Er habe Kontakt zu seiner Familie und sein Vater sei momentan eingesperrt. Seine Familie sei im Dorf XXXX , ca. 50 Kilometer außerhalb von XXXX aufhältig. Er habe mit seiner Frau und seinen Kindern zusammengewohnt. Seinen Lebensunterhalt habe er durch seine Arbeit im Krankenhaus und der Unterstützung des Vaters bestritten. Sie hätten eine Werkstatt, ein Auto und Lagerhallen in der Stadt gehabt, welche sie vermietet hätten.
Er habe in Äthiopien keine Probleme wegen seiner Volksgruppenzughörigkeit oder Religion gehabt. Er sei in Äthiopien vorbestraft. Persönliche Problem mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei habe er nicht gehabt. Er habe für die Regierung gearbeitet.
Befragt nach seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an:
"Der Grund ist, dass ich in einem Krankenhaus als Krankenpfleger gearbeitet habe und mein Vater Vermögen hatte in XXXX . Mein Vater war einer der Reichsten in der Gegend. Ich bin nicht freiwillig ausgereist. Der Grund ist, dass wir eines Tages am Abend im Krankenhaus einen Notfall hatten. Ein verletzter Mann wurde eingeliefert, er war angeschossen. Ich war sein Ansprechpartner, ich spritzte ihm Beruhigungsmittel und nähte seine Wunde. Ich versuchte dann, mit dem Oberarzt Kontakt aufzunehmen, wie es üblich war im Fall von Schussverletzungen. Da er nicht erreichbar war, bin ich zu ihm nach Hause gegangen. Er wohnt nicht weit weg vom Krankenhaus. Ich weckte ihn auf und wir gingen zu zweit zurück zum Krankenhaus. Als wir ins Zimmer traten, war der Patient nicht mehr im Zimmer. Der Arzt sah alles, Blutspuren, das, was ich zum Nähen verwendet hatte. Bei uns im Krankenhaus gab es auch einen Polizeiposten, kurz danach war die Polizei auch da. Nachdem der Oberarzt erzählt
hatte, was passiert war, kamen um ca. 22 Uhr Polizisten mit dem Patienten. Die Polizisten stellten fest, dass der Patient ONLF-Mitglied sei. Die Polizisten hatten den Patienten gefragt, wer ihn behandelt hätte, und der Patient hatte angegeben, dass ich, XXXX , es gewesen sei. Kurz danach kamen die Polizisten zu mir und nahmen mich mit zum Polizeiposten. Sie warfen mir vor, dass ich Sachen gemacht hätte, die ich normalerweise nicht hätte machen dürfen, ich hätte die ONLF unterstützt. Ein Polizist sagte zu mir, "du Madiban" und "ihr habt keine Rechte hier bei uns" und "Wir haben dir Arbeit gegeben und dich unterstützt und dann machst du so etwas, dass du ONLFLeute unterstützt." Ich wurde drei Monate eingesperrt, in diesen drei Monaten gab es nur einmal am Tag etwas zu essen, sie haben uns gefoltert, in dem sie uns geschlagen haben. Ich kann ihnen auch Narben zeigen, es ist noch etwas zu sehen auf meinem
Körper. Jedesmal haben sie mich gefragt, ob ich es gewusst hätte, dass der Patient, dem ich geholfen habe, ONLF-Mitglied war. Ich habe immer gesagt, dass ich es nicht gewusst habe. Eine Woche, bevor ich einen Gerichtstermin hatte, kamen Männer in meine Zelle und schlugen mich. Sie schlugen mich so sehr, dass ich bewusstlos geworden bin. Nachdem ich bewusstlos geworden war, haben sie mich ins Krankenhaus eingeliefert. Ich wurde stationär aufgenommen. (Nachgefragt:) Ja, es war jenes Krankenhaus, in dem ich gearbeitet hatte. Ich wusste nicht, dass ich im Krankenhaus war. Erst als ich eine Infusion bekam, bin ich wieder zu Bewusstsein gekommen. Ich war in einem Einzelzimmer mit verschlossener Türe. Aber das Fenster war offen. Der Wächter hat gerade gegessen, also bin ich über das Fenster hinaus. Ich
verließ das Krankenhausgelände ganz normal durch das Tor. Kurze Hosen hatte ich an und keine Schuhe. Ich ging bis XXXX zu Fuß. Dort angekommen bat ich eine einheimische Familie um Hosen und Schuhe. In der Nähe von XXXX ist eine Asphaltstraße und von dort fuhr ich mit einem Auto nach XXXX . Dort wohnt ein guter Freund von mir. Er gab mir 400 Riyal (Bir). Damit habe ich mir ein Ticket gekauft bis Addis Abeba. Ich traf einen Schlepper in Addis Abeba. Dies hatte ich bereits auf der Fahrt nach XXXX organisiert, denn derjenige, der mich mitgenommen hat, hat mir den Schlepper empfohlen und die Telefonnummer gegeben. Dann bin ich schlepperunterstützt in den Sudan ausgereist.
LA: Sie bejahten vorhin die Frage, ob Sie im Herkunftsland oder in einem anderen Land vorbestraft sind, und sagten "Ja, in Äthiopien". Aus Ihrer Schilderung geht das nicht hervor. Möchten Sie das aufklären?
VP: Ich war eingesperrt. Ich bin sieben Tage vor dem Gerichtstermin geflohen, sonst
wäre ich bestraft worden.
LA: Welcher Straftat wurden Sie beschuldigt?
VP: Ich bin Gabooye und ich habe gegen die Regierung gekämpft, indem ich einen
ONLF-Kämpfer unterstützt habe.
LA: Die Polizisten, die sie verhafteten und einsperrten, waren das Somali?
VP: Ja, es waren somalische Polizisten, Ogaden, sie arbeiten mit der äthiopischen
Regierung zusammen.
LA: Sie antworteten vorher auf die Frage "Waren Sie jemals politisch tätig?": "Ich habe
für die Regierung gearbeitet." Aus Ihrer Schilderung geht das nicht hervor. Möchten Sie
das aufklären?
VP: Ich habe im Krankenhaus gearbeitet. Das Krankenhaus gehört zur Regierung.
(Nachgefragt:) Ja, in Äthiopien ist das so. Wenn man im Krankenhaus arbeitet, ist man
Politiker. (Auch auf ein weiteres Nachfragen und der Abklärung, ob die sprachliche
Verständigung gut ist, bleibt die VP bei dieser Darstellung.)
LA: Wo waren Sie eingesperrt?
VP: XXXX Polizeirevier.
LA: Ist das bislang Vorgebrachte Ihr einziger Fluchtgrund?
VP: Ja.
LA: Sie erwähnten heute, dass ihr Vater eingesperrt sei. Warum ist er eingesperrt?
VP: Meinetwegen ist er eingesperrt.
LA: Können Sie das näher ausführen?
VP: Nachdem ich geflüchtet war, haben sie meinen Vater eingesperrt und ihm alles
weggenommen. Weil sie auch draufgekommen sind, dass er mich während meiner
Reise nach Europa finanziell unterstützt hat.
LA: Haben Sie ihr Mobiltelefon hier?
VP: Ja.
LA: Kann ich die gespeicherten Kontakte sehen?
VP: Ja, hier.
LA: Es sind sehr viele Namen mit äthiopischen Nummern gespeichert. Sind Sie mit
vielen Leuten in Äthiopien in Kontakt?
VP: Ja. Das sind meine Freunde und Arbeitskollegen.
LA: Familienmitglieder auch?
VP: Ja, zum Beispiel XXXX , sie ist die Frau meines verstorbenen Onkels.
LA: Brüder, Schwestern?
VP: Ich bin Einzelkind.
LA: Zeigen Sie mir bitte die Nummer Ihrer Frau.
VP zeigt den Eintrag " XXXX " " XXXX ".
LA: Wann waren Sie eingesperrt?
VP: Von 2.2.2015 drei Monate lang.
LA: Welches Land war das Zielland Ihrer Flucht?
VP: Das erste Land, von dem ich sagen kann, es ist sicher.
LA: Vorhalt: In der Erstbefragung haben Sie angegeben, Österreich sei das Zielland
gewesen, und dass Sie nach Österreich kommen wollten, um hier zu studieren.
Möchten Sie dazu Stellung nehmen?
VP: Ja, wollte ich.
LA: Die Kosten der Reise gaben Sie in der Erstbefragung mit 6000 US-Dollar an.
Bleiben Sie bei dieser Angabe?
VP: Ja, hat mein Vater nachgeschickt.
LA: Was befürchten Sie konkret im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien?
VP: Sie würden mich töten. Sie haben meinen Vater eingesperrt nur deswegen, weil
sie bemerkt haben, dass er mich unterstützt hat.
LA: Im Rahmen der Erstbefragung gaben Sie an, im Falle einer Rückkehr nach
Äthiopien nichts zu befürchten. Sie gaben auch keinen Fluchtgrund an. Möchten Sie
dazu Stellung nehmen?
VP: Weil man mir sagte, dass es ein zweite Einvernahme geben wird. Ich habe auch
deshalb nichts gesagt, weil man mir sagte, ich müsse keine Angabe machen, warum
ich mein Heimatland verlassen habe."
Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich studieren wolle. Er wolle weiter im Bereich der Krankenpflege tätig sein. Er gehe derzeit nicht in den Deutschkurs. Er nehme Medikamente (Sertralin und Schmerztropfen) und dürfe den Kurs deshalb nicht besuchen. Die Hausärztin habe ihm Sertralin verschrieben. Er habe Stress gehabt und in der Nacht nicht schlafen können. Die Schmerztropfen nehme er gegen Kopfschmerzen.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 20.10.2017 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Äthiopien gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Das Bundesamt stellte fest, dass die Identität des Antragstellers nicht gesichert feststehe. Er sei äthiopischer Staatsangehöriger und physisch und psychisch gesund. Sein Familienstand könne nicht mit Sicherheit bestimmt werden, er gelte somit als ledig. Es werde festgestellt, dass keine asylrelevanten Fluchtgründe vorlägen. Der Beschwerdeführer habe in seinem Heimatstaat keine asylrelevanten Probleme auf Grund seiner Religionszugehörigkeit, seiner ethnischen Zugehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gehabt. Er sei im Heimatland nicht politisch tätig gewesen und habe keine asylrelevanten Probleme mit Ämtern oder Behörden in seinem Heimatland glaubhaft machen können.
Weiters traf das Bundesamt Feststellungen zur Lage in Äthiopien mit Stand 16.01.2017.
Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung überhaupt kein Bedrohungs- oder Verfolgungsszenario vorgebracht, sondern lediglich davon gesprochen nach Österreich gekommen zu sein, um hier zu studieren. Auch habe er die Frage, ob er sich im Falle der Rückkehr nach Äthiopien vor etwas fürchten würde, ausdrücklich verneint, während er dann in der niederschriftlichen Einvernahme erstmals vorgebracht habe, er sei Krankenpfleger und habe die Schussverletzung eines ONLF-Kämpfers erstversorgt, dies sei ihm von den äthiopischen Behörden zum Vorwurf gemacht worden und sei er drei Monate eingesperrt und gefoltert worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die äthiopischen Behörden ihn aufgrund des Vorwurfs einen angeschossenen ONLF-Kämpfer erstversorgt zu haben, monatelang festgehalten hätten. Auch seine Flucht aus dem Krankenhaus sei nicht plausibel. In einer Gesamtbetrachtung sei von einem konstruierten Vorbringen auszugehen.
Betreffend der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer an keiner Krankheit leide und ihm aufgrund seines Alters, seiner Sprachkenntnisse und Arbeitsfähigkeit zugemutet werden könne, seinen Lebensunterhalt in Äthiopien befriedigen zu können und dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es könne nicht erkannt werden, dass in Äthiopien aktuell eine solch extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder der dorthin zurückkehre einer Gefährdung ausgesetzt wäre. Er habe dort nach eigenen Angaben zahlreiche Freunde und Bekannte zu denen auch Kontakt bestehe. Sein Vater sei vermögend und habe dieser auch die Flucht nach Europa finanziert. Den Angaben, wonach seinem Vater alles weggenommen worden sei, werde nicht gefolgt.
Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der 1,5jährige Aufenthalt des Beschwerdeführers ausschließlich durch den Antrag auf internationalen Schutz begründet sei. Er habe keine Familienangehörigen in Österreich. Er sei illegal eingereist und sei aus dem Grad seiner Integration keine Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung abzuleiten. Er habe aufrechte Bindungen (Familie und Freunde) zum Herkunftsstaat. Er sei strafrechtlich unbescholten.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende vollinhaltliche Beschwerde. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund des Verdachtes der Verbindung zu ONLF-Terroristen von den äthiopischen Sicherheitsbehörden verfolgt worden sei. Die Behörde habe es unterlassen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln. Es gehe aus den Länderberichten hervor, dass bei vermuteter Nähe zu gewaltbereiten Gruppen wie ONLF hart durchgegriffen werde. Systematische Verhaftungen, Folter und Misshandlungen durch Polizei, Militär und andere Mitglieder der Sicherheitskräfte seien nicht auszuschließen. Zur Situation der Opposition in Äthiopien werde auf einen Bericht des "UK Home Office" von Oktober 2017 verwiesen, wonach Personen unter Terrorismusverdacht dem Risiko einer Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens ausgesetzt sein könnten. Zur Behauptung der Steigerung des Fluchtvorbringens werde darauf hingewiesen, dass Asylwerber im Zuge der Erstbefragung gar nicht näher zu ihren Fluchtgründen befragt werden dürfen und dürfe sich die Asylbehörde bei ihrer Entscheidung nicht vorrangig auf eine vermeintliche Steigerung im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und der Einvernahme stützen. Der Dolmetscher in der Erstbefragung sei ein somalischer Mann gewesen, der dem Beschwerdeführer mitgeteilt habe, dass sich er sich kurz fassen solle. Der Dolmetscher habe dem Beschwerdeführer gesagt, dass es noch eine weitere Befragung gebe und er zu den Fluchtgründen gar nichts sagen solle. Daher habe der Beschwerdeführer keine Angaben gemacht und sei "unbekannt" vermerkt worden. Das Interesse der äthiopischen Behörden, den Beschwerdeführer monatelang festzuhalten, ergebe sich aus dem Verdacht, der Beschwerdeführer stehe mit der ONLF in Verbindung. Die Länderberichte würden die Angaben des Beschwerdeführers bestätigen, dass bereits der Verdacht einer Nahebeziehung zu Terroristen die strafrechtliche Verurteilung nach dem Antiterrorgesetzt nach sich ziehe. Gegenstand des bevorstehenden Gerichttermines habe auch eine Haftprüfung sein können. Die äthiopischen Behörden hätten offensichtlich auf die Fluchtmöglichkeit über das Fenster vergessen. Der Beschwerdeführer habe sehr wohl individuelle, asylrelevante Fluchtgründe angegeben und sei sein Fluchtvorbringen glaubhaft. Zudem würde er im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien eine ernsthafte Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens des Beschwerdeführers gegeben sein. Es hätte ihm subsidiärer Schutz zuerkannt werden müssen. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich sehr gut sozial verankert sei.
7. Mit Schreiben vom 05.03.2018 wurden der Beschwerdeführer und das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.06.2018 geladen.
8. Das BFA teilte dem Bundesverwaltungsgericht am 20.03.2018 mit, dass eine Teilnahme an der Verhandlung nicht erfolgen werde.
9. Mit Schreiben vom 18.05.2018 wurden dem Beschwerdeführer und dem BFA aktuelle Länderberichte zu Äthiopien (Stand 16.01.2017) übermittelt.
10. Am 13.06.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
Der Beschwerdeführer gab an, XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Er sei Somalier, mit äthiopischer Staatsangehörigkeit. Er sei traditionell verheiratet und gehöre dem Clan der Madhiban, Subclan der XXXX , Subsubclan der XXXX an. In Äthiopien würde noch eine Tante leben. Seine Frau und die Kinder seien in Kenia. Sein Vater sei im Dezember 2017 verstorben. Der Beschwerdeführer sei in XXXX geboren und habe dort bis zu seiner Flucht gelebt. Befragt, weshalb im Akt drei verschiedene Namen vermerkt seien, gab der Beschwerdeführer an, mit dem Namen " XXXX " sei das Ticket für die Reise von Italien nach Österreich besorgt worden. Woher der Name " XXXX " könne er sich nicht mehr erinnern. Die zwei verschiedenen Geburtsdaten seien ein Missverständnis mit dem Dolmetscher, richtig sei der XXXX .
Nach seinem Leben in Äthiopien gefragt, führte der Beschwerdeführer aus, sein Vater sei wohlhabend gewesen. Sie hätten ein Auto, ein Lager und eine Werkstatt gehabt. Er habe mit seiner Frau und den Kindern in einem Haus gelebt. Der Vater habe gegenüber gelebt. Er sei Einzelkind und habe die Schule abgeschlossen. Er sei 10 Jahre lang in die Schule gegangen und habe eine Ausbildung als Krankenpfleger gemacht. Nach Abschluss habe er ein Diplom erhalten. Er sei im Jahr 2014 mit der Ausbildung fertig gewesen und habe danach im XXXX Hospital gearbeitet.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung wie folgt an:
"Ich war bei der Arbeit und um ca. 22 Uhr in der Nacht wurde ein Verletzter ins Spital gebracht. Er wurde angeschossen. Nachgefragt:
Zwei normale Zivilisten, Männer haben ihn ins Spital gebracht. Ich habe ihm eine Spritze gegeben, um die Blutung zu stoppen und eine Infusion. Ich habe dann den Arzt angerufen, dieser ist aber nicht rangegangen. Weil er im Spital gewohnt hat, habe ich seine private Nummer angerufen. Da ist er auch nicht rangegangen, dann bin ich zu Fuß zu ihm zu seiner Wohnung im Spital gegangen, da ist er dann mitgekommen.
R: Bitte schildern Sie uns, wie groß das Spital war? Größe, Anzahl der Betten, Anzahl der Ärzte etc. Gab es verschiedene Abteilungen?
BF: Es war groß. In jedem Patientenzimmer gab es 6 Betten und 6
Ärzte haben im Spital gearbeitet. Nachgefragt: Es gab viele Zimmer und mehrere Abteilungen. Wie viele kann ich nicht sagen. Es gab eine Malaria-Abteilung, eine für Kinder, für Tuberkulose-Patienten. Es gab zwei Eingänge im Spital. Es gab abgesehen von den Ärzten ca. 21 Krankenpfleger und Krankenschwestern.
R: Zu dem Zeitpunkt, als dieser Mann von den zwei Männern gebracht wurde. War da kein Arzt vor Ort?
BF: Dieser Arzt, den ich geholt habe, hatte Dienst in dieser Nacht im Spital.
R: War das üblich, dass wenn ein Arzt Dienst hatte, dass dieser in seiner Wohnung war und nicht im Spital?
BF: Ja, es ist so in Äthiopien. Die Ärzte wohnen manchmal im Spital und sie haben gesagt, wir sollen sie aufwecken, wenn etwas ist.
R: Zurück zu Ihrer Schilderung. Sie holen dann den Arzt, dieser kommt mit ihnen mit, was geschieht weiter?
BF: Der Arzt ist mit mir mitgekommen, dorthin wo der Verletzte war.
Es gibt dort eine Polizei, die das Spital bewacht. Nachgefragt: Es gab zwei Polizisten, die das Krankenhaus immer bewacht haben. Die Polizisten haben diesen Verletzten gefragt, wer ihn behandelt hat.
R: Woher wissen Sie das, waren Sie dabei?
BF: Nein, die Polizisten sind mit ihm in unsere Abteilung gekommen.
R: Ich ersuche Sie, Ihre Angaben in chronologischer Reihenfolge anzugeben.
BF: Der Arzt ist mit mir mitgekommen. Er hat das Blut dort gesehen und die Spritze und die Infusion. Er hat mich gefragt, wo der Patient sei, den ich behandelt hatte. Der Patient war einfach verschwunden. Der Arzt ist dann zum Leiter des Spitals gegangen.
R: Wo war der Leiter des Spitals? War dieser auch ein Arzt?
BF: Sein Büro war dort im Spital. Er war kein Arzt. Der Arzt hat dort erzählt, dass ich eine unbekannte Person behandelt habe.
R: Woher wissen Sie das, waren Sie dabei? Wo waren Sie in der Zeit, sind Sie mitgegangen?BF: Nein, ich bin nicht mitgegangen.
R: Woher wissen Sie dann, was der Arzt mit dem Leiter des Spitals spricht?
BF: Der Arzt und der Leiter sind zu mir gekommen. Die zwei haben mich gefragt, wohin der Patient verschwunden ist, den ich behandelt habe. Sie haben mich aufgefordert, den Pateinten herzubringen und ihn zu zeigen. Sie haben gesagt, ich hätte sie aufgeweckt und jetzt wäre kein Patient da. Während wir das diskutiert haben ist ein Polizist mit dem Verletzen gekommen. Dieser Patient, der verletzt war, war eine gesuchte Person von ONLF. Der Polizist hat ihn gefragt, wer ihn behandelt hat und er hat auf mich mit dem Finger gezeigt. Dann haben der Leiter des Spitals und der Polizist mich gefragt, wieso ich diese Person behandelt habe. Ich sagte, dass er eine unbewaffnete Person ist und mir nicht aufgefallen ist, dass er ein Mitglied vom ONLF ist.
R: Als Sie weggegangen sind, den Arzt zu holen, wo war der Patient da genau?
BF: Er war am Gang im Spital, nicht in einem Zimmer.
R: In welchem Zustand war der Patient und wo hatte er diese Schusswunde?
BF: Am Oberarm. Es war ein Durchschuss. Es war kein Projektil. Er hatte keinen Bruch. Er hat geblutet.
R: Ist es Ihnen gelungen, die Blutung zum Stillstand zu bringen?
BF: Ja, ich habe die Wunde auch versorgt und verbunden.
R: War es im Spital üblich, dass die Daten von Patienten aufgenommen wurden? Wurden in diesem Fall auch die Daten des Patienten aufgenommen, wenn ja von wem?
BF: Es war üblich, dass der Name aufgeschrieben wurde, auch in diesem Fall habe ich den Namen vom Patienten selbst erfragt. Die Begleitpersonen sind gleich danach gegangen.
R: War der Polizist, der den Patient gebracht hat, einer von den zwei Polizisten, die das Spital bewachten oder war das ein dritter Polizist?
BF: Das war einer der beiden Polizisten.
R: Was ist dann weiter passiert?
BF: Ich habe erzählt, dass jede verletzte Person, die dort hinkommt, von mir behandelt werden wird. Er war nicht bewaffnet. Der Leiter des Spitals und der Polizist haben mich aufgefordert, meine Uniform auszuziehen. Nachgefragt: Es war ein weißes Hemd und eine weiße Hose. Der Polizist hat mich geohrfeigt und sagte, ich hätte im Spital einen Job bekommen, obwohl ich ein Madhiban bin und jetzt würde ich hier Mitglieder von ONLF behandeln. Ich wurde dann mit dem Auto vom Leiter bis zur Polizeiinspektion gebracht und dann war ich inhaftiert.
R: Wie lange und warum waren Sie inhaftiert?
BF: 3 Stunden nach der Inhaftierung ist ein vermummter Polizist zu mir gekommen. Nachgefragt: Unter vermummten Polizisten verstehe ich, dass es ein Mann mit Polizeiuniform war, sein Gesicht war maskiert, er wollte mich foltern. Das ist sind die Polizisten, die die Verhöre durchführen und die Folter. Er hat mich ausgezogen und am Boden Wasser vergossen. Dort gibt es eine Stelle, die ein wenig tiefer ist, wo sich Wasser sammeln kann.
R: Wie tief war das?
BF: Knietief. Er sagte, er würde mich freilassen, wenn ich gestehen würde, dass ich diese Person behandelt habe. Ich sagte, es stimmte, ich hätte diese Person behandelt, aber er hätte geblutet und wäre unbewaffnet gewesen. Nachdem ich das gesagt habe, hat er mich mit der Pistole am Kopf geschlagen. Der Mann hat mich elektrisiert.
Nachgefragt: Dort gab es dünne Kabel im Zimmer, mit diesen hat er mich elektrisiert. Ich habe nur einmal am Tag etwas zum Essen bekommen. Das Zimmer hatte keine Fenster. Man musste dort halbnackt, nur mit der Unterhose bleiben. Jede Nacht ist man zu mir hineingekommen und hat mich geschlagen und mit Wasser übergossen. Ich war ca. drei Monate dort inhaftiert. Man wollte mich vor Gericht stellen. Eine Woche vor der Verhandlung wurde ich von den Polizisten verprügelt. Dann habe ich das Bewusstsein verloren. Die Polizisten haben den Leiter des Krankenhauses angerufen, weil sie mich dorthin bringen wollten. Als ich wieder das Bewusstsein erlangt habe, habe ich mich im Spital befunden. Es war das Spital, bei dem ich vorher gearbeitet habe. Es gab eine Abteilung für die Gefangenen. Im Spital hat ein Freund von mir auch als Krankenpfleger gearbeitet. Ich wurde dann behandelt. Der Freund hat das Fenster aufgemacht und dann hat mein Freund gemeint, ich sollte flüchten, bevor ich verurteilt werde. Der Freund hat von dem Polizisten, der mich bewachte, erfahren, dass ich eine Gerichtsverhandlung haben sollte. Er hat mich auch gebeten, ihn nicht als Fluchthelfer zu verraten. Ich bin dann durch das offene Fenster geflüchtet. Ich habe dann das Gebäude verlassen und bin dann zum Tor gegangen. Das Spital hatte zwei Türen, ich bin bei dem für die Autos vorgesehenen Eingang, geflüchtet. Es war ein Sonntag und es gab nur eine Wache an dem Tag, diese befand sich beim anderen Eingang. Ich hatte nur eine kurze Hose an, keine Schuhe und ging ca. 20 km zu Fuß. Dann bin ich zu einer Nomadenfamilie gegangen, die haben in der Nähe der asphaltierten Straße gewohnt. Sie haben mir etwas zu Essen gegeben und Schuhe. Ich erzählte ihnen von meiner Flucht, nachdem sie gefragt haben, was mit mir los ist. Ich habe sie gebeten, mir zu helfen. Ich brauchte ein Auto, dass mich nach XXXX bringt. Ich fuhr dann mit einem kleinen Transporter, der Zwiebel transportiert hatte, bis nach XXXX . Dort habe ich dann einen Freund von mir gesehen. Ich habe ihm von meinen Problemen erzählt, er gab mir 400 Bir. Ich habe meinem Freund gesagt, dass ich einen Schlepper brauche, der mich weg aus dem Land bringt. Der Schlepper hat mich mit einem Bus bis nach Addis Abeba gebracht. Dann hat er mich zu einem Schlepperhaus gebracht und von dort in den Sudan. Von dort gelangte ich über Libyen nach Italien und in der Folge weiter nach Österreich.
R: Wissen Sie noch an welchem Tag oder zumindest Monat Sie Äthiopien verlassen haben?
BF: Etwa im Mai 2015.
R: Sind Sie mit den 400 Bir für Ihre Flucht ausgekommen? Wenn nein, woher hatten Sie das weitere Geld für Ihre Flucht?
BF: Nein, ich benötigte weitere 6000 USD für die Flucht nach Österreich. Das Geld wurde von meinem Vater gezahlt.
R: Wie sind Sie zu dem Geld gekommen?
BF: Das Geld wurde nach Libyen zum Schlepper geschickt.
R: Haben Sie Kontakt noch zu Ihrer Frau und den Kindern in Kenia?
BF: Ja, ich habe noch Kontakt. Die Familie ruft mich ca. 1 Mal im Monat an. Nachdem ich das Land verlassen habe, wurde meine Frau vergewaltigt und mein Vater wurde inhaftiert und ist im Gefängnis verstorben, deshalb ist meine Frau dann geflüchtet.
R: Wissen Sie von wem sie vergewaltigt wurde?
BF: Von Mitgliedern der XXXX .
R: Weswegen wurde Ihr Vater inhaftiert?
BF: Meinetwegen. Unser Besitz wurde auch von der Regierung genommen.
R: Wie viele Krankenhäuser gibt es in XXXX )?
BF: In der Stadt gab es nur ein Spital.
R: Gab es explizite Vorschriften, dass man bestimmte Leute, insbesondere Mitglieder von ONLF, nicht behandeln darf?
BF: Es gab den Befehl, dass wir Mitglieder von ONLF nicht behandeln dürfen, wenn wir sie als solche erkennen. Dieser Mann war nicht bewaffnet, deshalb habe ich ihn behandelt.
R: Ist die Bewaffnung das einzige Erkennungszeichen eines Mitglieds von ONLF?
BF: Ich glaube ihre Haare sind immer länger gewesen, weil sie nicht in der Stadt waren, sondern im Freien gewohnt haben. Sie waren bewaffnet. Oft haben sie in der Stadt ihre Haare schneiden lassen. Sonst gibt es nichts.
...
Zudem gab der Beschwerdeführer an, an keinen schweren Krankheiten zu leiden. Er habe keine österreichischen Freunde.
Nach Befragung durch den Rechtsvertreter zeigte der Beschwerdeführer eine Narbe am Knie und eine kaum sichtbare Narbe am Kopf. Zudem zeigte er weitere Stellen auf einem Unterschenkel, bei denen Strom zur Anwendung gelangt sei. Der Vorfall mit dem Patienten und die Festnahme sei am 02.02.2015 gewesen. Seine Frau habe ihm erzählt, dass sein Vater seinetwegen von der Regierung festgenommen worden sei.
Abschließend wurde in das vor der Verhandlung ausgesandte aktuelle LIB der Staatendokumentation zu Äthiopien und den Bericht des Auswärtigen Amtes vom 22.03.2018 Einsicht genommen.
Im Zuge der Verhandlung brachte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen sowie eine ergänzende schriftliche Stellungnahme in Vorlage:
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Referenzschreiben des XXXX , wonach der Beschwerdeführer im Asylwerberquartier bei Einkäufen und kleineren Reperaturen helfe.
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Kursbestätigung vom 11.06.2018, wonach der Beschwerdeführer den Deutschkurs für Asylwerbende A1/1 besucht habe.
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Terminkarte des ÖIF, wonach der Beschwerdeführer für einen Werte- und Orientierungskurs, datiert mit 18.07.2018 vorgemerkt sei.
In der Stellungnahme wird ausgeführt, dass die Länderberichte die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse in Äthiopien bestätigen würden. Die Länderberichte seien hinsichtlich der humanitären Lage unzureichend und nicht geeignet, die tatsächliche humanitäre Lage in Äthiopien zu beurteilen. Ergänzend dazu werde auf Berichte (aus 2016 und April sowie Mai 2017) verwiesen. Dem Beschwerdeführer stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da er außerhalb seiner Heimatregion über keinerlei familiäres Netzwerk verfüge und ihn seine Familie in seiner Heimatregion nicht bei sich aufnehmen könne. Es drohe ihm ein Leben auf der Straße. Aufgrund der Hungersnot wäre es auch nicht möglich, sich selbst zu versorgen. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Äthiopien sei eine reale Gefahr seiner in Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte.
11. Am 27.06.2018 langte eine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er im Zuge der mündlichen Verhandlung glaubhaft, widerspruchsfrei und detailreich dargelegt habe, in seinem Herkunftsstaat Äthiopien asylrelevanter Verfolgung aus politischen Gründen ausgesetzt zu sein, da ihm unterstellt werde, wissentlich ein Mitglied der ONLF behandelt zu haben bzw. mit den ONLF-Rebellen und somit mit Angehörigen einer terroristischen Organisation zusammenzuarbeiten. Es drohe ihm Verfolgung von staatlicher Seite (äthiopischen Sicherheitskräften). Den Schutz des Landes könne er nicht in Anspruch nehmen. Auch der Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien bestätige die vom Beschwerdeführe geschilderten Ereignisse.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Äthiopiens, bekennt sich zum muslimischen Glauben (Sunnit) und gehört der somalischen Volksgruppe (Clan der Madhiban, Subclan der XXXX , Subsubclan der XXXX ) an. Er stammt aus XXXX ), wo er bis zu seiner Ausreise nach Europa lebte. In Äthiopien halten sich eine Tante des Beschwerdeführers sowie Freunde und Bekannte auf. Die Ehefrau, mit welcher der Beschwerdeführer traditionell verheiratet ist, hält sich mit den beiden gemeinsamen Kindern in Kenia auf. Der Beschwerdeführer hat in Äthiopien die Schule besucht.
Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels der Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer hat Äthiopien etwa im Mai 2015 verlassen und gelangte über den Sudan und Libyen nach Italien und von dort weiter nach Österreich, wo er am 01.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der in Österreich unbescholtene Beschwerdeführer hält sich seit etwa zwei Jahren und fünf Monaten im Bundesgebiet auf. Er bezieht laufend Leistungen auf der Grundversorgung, geht keiner Beschäftigung nach und wohnt in einer Unterkunft für Asylwerber. Er hat den Deutschkurs A1/1 besucht, bis dato aber noch keine Bestätigung über eine absolvierte Prüfung vorgelegt. Zudem wurde er für den Werte- und Orientierungskurs vorgemerkt, hat aber auch diesbezüglich keine Bestätigung vorgebracht, wonach er den Kurs schon besucht hätte. Er hat in seinem Asylwerberquartier bei Einkäufen und kleineren Reparaturen geholfen. Der Beschwerdeführer gehört keinem Verein, keiner religiösen Verbindung und keiner sonstigen Gruppierung in Österreich an. In Österreich halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers auf.
Nicht festgesellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Äthiopien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft gemacht. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Äthiopien aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität, aus Furcht vor Inhaftierung oder unmenschlicher Behandlung oder aus Furcht wegen Lebensgefahr verlassen hat.
Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Äthiopien in seinem Recht auf Leben gefährdet wäre, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wäre oder von der Todesstrafe bedroht wäre.
Der Beschwerdeführer hat vor dem BFA angegeben das Medikament Sertralin (Mittel zur Verminderung depressiver Symptome) sowie Schmerztropfen gegen Kopfweh einzunehmen. Medizinische Unterlagen dazu wurden nicht in Vorlage gebracht. Abgesehen davon hat er stets vorgebracht gesund zu sein und hat er auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angegeben an keinen (schweren) Krankheiten zu leiden, weshalb davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer gesund ist. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an schweren physischen oder psychischen Erkrankungen leidet, welche einer Rückkehr nach Äthiopien iSd Art. 3 EMRK unzulässig machen würden.
Bei einer Rückkehr nach Äthiopien und einer Ansiedlung in seiner Heimatstadt XXXX kann der Beschwerdeführer seine grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. In Äthiopien halten sich nach wie vor eine Tante des Beschwerdeführers, sowie Freunde und Bekannte auf, mit welchen er auch in regelmäßigem Kontakt steht.
Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr in die Stadt XXXX wieder Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1. Länderberichte zur Situation in Äthiopien
Zur maßgeblichen Situation in Äthiopien wird festgestellt:
Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat Äthiopien:
Politische Lage
Entsprechend der 1995 in Kraft getretenen Verfassung ist Äthiopien ein demokratischer Bundesstaat. Die Einführung eines föderalen Systems bedeutete eine Abkehr von der Tradition starker Zentralisierung (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a) und der früheren Dominanz der Volksgruppe der Amharen (AA 8.2016). Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zwar zugelassen werden, jedoch faktisch in ihren Handlungsoptionen stark eingeschränkt sind (AA 8.2016). Der Präsident hat eine weitgehend repräsentative Rolle und darf keiner Partei angehören (AA 8.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die politische Macht liegt beim Premierminister, der die Exekutive leitet, dem Ministerrat vorsitzt und die Streitkräfte befehligt (AA 8.2016; vgl. CIA 14.12.2016; GIZ 1.2017a).
Nach dem Tod des Premierministers Meles Zenawi im August 2012 ging die Führung des Landes friedlich an den damaligen Außenminister Hailemariam Desalegn über. Unter seiner Führung haben sich Regierung und Partei zur Erhaltung des Status Quo und der politischen Kontinuität bekannt (AA 24.3.2016).
Dominierende politische Kraft ist die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier Parteien zusammensetzt, der Tigray People's Liberation Front (TPLF), der Amhara National Democratic Movement (ANDM), der Oromo People's Democratic Organisation (OPDO) und der Southern Ethiopian Peoples' Democratic Movement (SEPDM) (AA 8.2016). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die den Befreiungskrieg gegen das Derg-Regime anführte (AA 24.5.2016). Die Opposition ist ideologisch, ethnisch und regional breit gefächert und gilt nach den Parlamentswahlen 2015 weiterhin als geschwächt. Ihr Handlungsspielraum bleibt eingeschränkt (AA 8.2016).
Das Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Oberhaus "House of Federation" mit 108 Sitzen, die für eine fünfjährige Amtszeit von der Versammlungen der Regionalstaaten ernannt werden, und dem Unterhaus "House of Peoples' Representatives" mit 547 Sitzen, die für eine ebenfalls fünfjährige Amtszeit vom Volk gewählt werden (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Seit den letzten Parlamentswahlen im Mai 2015 hält die EPRDF alle 547 Sitze (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die EU kritisierte im Vorfeld der Wahl die massiven Einschüchterungsversuche gegen Oppositionsparteien und Verhaftungen unabhängiger Journalisten (GIZ 1.2017a). Der Premierminister wird nach den Parlamentswahlen von der Partei ernannt, die die Wahlen für sich entscheiden konnte (CIA 14.12.2016). Der Präsident wird von den beiden Parlamentskammern für eine sechsjährige Amtszeit gewählt. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober 2013 wurde Teshome Wirtu MULATU gewählt (CIA 14.12.2016).
Seit Ende des Jahres 2015 gab es immer wieder Proteste gegen den so genannten "Masterplan" für Addis Abeba, der eine Vergrößerung der Hauptstadt in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vorsah. Im Januar 2016 gab die äthiopische Regierung nach anhaltenden (teils gewalttätigen) Protesten die Rücknahme des "Masterplans" bekannt. Die regierungskritischen Proteste hatten sich in 2016 stetig ausgeweitet. Angehörige der ethnischen Gruppen der Oromo und Amhara protestierten gegen die Korruption und die politische Dominanz der regierenden EPRDF, forderten eine bessere Verteilung der Früchte des Wirtschaftswachstums und mehr politische Mitbestimmung. Die Regierung ging weiterhin rigide gegen die Proteste vor. Hunderte Personen kamen ums Leben, Tausende sollen im Rahmen des im Oktober 2016 verhängten Ausnahmezustandes verhaftet worden sein. Es ist davon auszugehen, dass die Regierung durch ihre Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustandes die Lage weitestgehend wieder unter ihre Kontrolle gebracht hat. Inwieweit politische Maßnahmen wie der Austausch des Regierungskabinetts durch Premierminister Hailemariam langfristig zu einer Harmonisierung beitragen können, bleibt abzuwarten (GIZ 1.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien
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AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Länderinformationen - Äthiopien - Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aethiopien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016
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CIA - Central Intelligence Agency (14.12.2016): The World Factbook
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Ethiopia,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/et.html, Zugriff 3.1.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017a): Äthiopien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/aethiopien/geschichte-staat/#c74, Zugriff 3.1.2017
Sicherheitslage
Die äthiopische Regierung hat am 9. Oktober 2016 den Ausnahmezustand verhängt. Vorausgegangen waren Massendemonstrationen und teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung, überwiegend in den Regionen Oromia und Amhara (AA 3.1.2017). Diese hatten bereits Ende des Jahres 2015 begonnen, als die Hauptstadt Addis Abeba in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vergrößert werden sollte. Die Proteste erweiterten sich später mit Forderungen nach einem Ende willkürlicher Festnahmen und ethnischer Ausgrenzung sowie gegen die Dominanz der Regierungspartei und mit der Forderung nach mehr politischer Mitbestimmung. Die Regierung ging rigide gegen die Proteste vor wobei mehrere hundert (AI: 800, GIZ: 400) Personen durch Sicherheitskräfte getötet wurden (AI 9.11.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Nachdem sich die Sicherheitssituation in den Provinzen Oromia und Amhara und im Gebiet Konso in der SNNPR (Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker) zwischen Juli und Anfang Oktober 2016 zeitweise massiv verschlechtert hat, ist in der Provinz Amhara nunmehr eine gewisse Beruhigung eingetreten. In der Provinz Oromia sowie im Konso-Gebiet bleibt die Lage jedoch weiterhin angespannt. Mit einem Wiederaufflammen gewalttätiger Proteste und einer erneuten Verschlechterung der Sicherheitslage in den Provinzen Oromia und Amhara muss gerechnet werden (BMEIA 3.1.2017a).
Die Grenze zu Eritrea ist gesperrt und die Lage im Grenzgebiet ist angespannt (BMEIA 3.1.2017b). Bei Fahrten in das direkte Grenzgebiet zu Eritrea und in die Danakilsenke in Nord-Afar können Überfälle durch Banditen und örtliche Untergrundorganisationen sowie Entführungen nicht ausgeschlossen werden (AA 3.1.2017).
In den letzten Jahren gab es vereinzelte (versuchte) Sprengstoffanschläge in Addis Abeba. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Äthiopien auch zukünftig Ziel von Anschlägen sein wird (AA 3.1.2017). In vielen Regionen Äthiopiens sind Minen verlegt, vor allem bis 80 km innerhalb der Grenzen zu Eritrea, Somalia, Sudan, Südsudan und Kenia (Borana Region); aber auch das Landesinnere ist teilweise vermint (BMEIA 3.1.2017b).
Als weitere Sicherheitsbedrohung gilt eine Reihe von bewaffneten Gruppen die von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, wie die Oromo Liberation Front (OLF), die Ogaden National Liberation Front (ONLF) und Ginbot 7 (DCR 18.5.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (3.1.2017): Länderinformationen - Äthiopien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AethiopienSicherheit_node.html, Zugriff 3.1.2017