Entscheidungsdatum
06.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W251 2183573-1/32E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Clemens LAHNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2017, Zl. 1083826910 - 170796635, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 22.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 23.08.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, am XXXX geboren worden zu sein. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er Afghanistan verlassen habe, da die Sicherheitslage sehr schlecht sei. Es herrsche Krieg und seien die Taliban überall. Sein Vater sei brieflich bedroht worden, dass er seine Söhne den Taliban übergeben solle. Zur Polizei seien sie [Anm.: der Beschwerdeführer und seine Familie] nicht gegangen, sondern haben sie Afghanistan verlassen. Dies seien seine Asylgründe, andere habe er nicht.
Der Beschwerdeführer gab weiter an bereits am 12.08.2015 in Bulgarien von der Polizei aufgegriffen worden zu sein, er sei dort jedoch nicht gut behandelt worden und sei zu seinen zwei Brüdern nach Österreich weitergereist.
Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass bereits am 12.08.2015 von Bulgarien eine erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers auf Grund der Stellung eines Asylantrages gespeichert wurde.
3. Ein eingeholtes Röntgen ergab, dass sämtliche Epiphysenfugen bereits geschlossen seien, sodass sich Zweifel am vom Beschwerdeführer angegebenen Geburtsdatum ergeben haben.
Es wurde ein medizinisches Altersfeststellungsgutachten vom 14.11.2015 eingeholt. Dieses ergab, dass das höchstmögliche Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt mit 18,6 Jahren anzunehmen ist und sich ein fiktives Geburtsdatum vom XXXX ergibt. Das Mindestalter zum Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages habe sich daher auf 18,37 Jahre belaufen. Der Beschwerdeführer habe spätestens am XXXX die Volljährigkeit erreicht.
4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 09.12.2015 wurde der volljährige Bruder des Beschwerdeführers mit der Obsorge für den Beschwerdeführer betraut.
5. Mit Schriftsatz vom 28.01.2016 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er von RA Mag. LAHNER vertreten werde. Der Beschwerdeführer nahm zum Altersgutachten Stellung.
6. Am 09.03.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) zu seiner Reiseroute statt. Der Beschwerdeführer erstattete eine Stellungnahme und legte unter anderem Länderberichte vor.
7. Mit Bescheid vom 23.05.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, als unzulässig zurückgewiesen, da Bulgarien für die Prüfung des internationalen Schutzes zuständig sei. Das Bundesamt stellte fest, dass der Beschwerdeführer bereits volljährig sei.
8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen aus, dass er erst 16 Jahre alt und daher minderjährig sei, zudem leide er an anhaltenden psychischen Beschwerden.
9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.10.2016 wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Asylantrages bereits volljährig gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht führte zum Alter im Wesentlichen aus, dass für die Annahme der Minderjährigkeit keine glaubhaften oder nachvollziehbaren Anhaltspunkte bestehen würden. Das multifaktorielle Altersgutachten vom 14.11.2015 ergab ein Alter des Beschwerdeführers von über 18 Jahren. Die im Gutachten enthaltene "einfache" Wahrscheinlichkeit ergebe sich daraus, dass der Beschwerdeführer die Altersgrenze laut Gutachten nur knapp überschritten habe. Zudem seien die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Alter in sich widersprüchlich gewesen. In Bulgarien habe der Beschwerdeführer angegeben am XXXX geboren worden zu sein. In Österreich habe der Beschwerdeführer angegeben am XXXX geboren worden zu sein. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer angegeben, dass dies fälschlich protokolliert worden sei, was den Beschwerdeführer jedoch nicht daran gehindert habe, mit diesem Geburtsdatum einen Obsorgebeschluss zu erwirken. Der Beschwerdeführer habe weiter angegeben, dass er sein Alter nicht kenne, dass es aber eine Tazkira gebe, wonach er bei der Ausstellung 14 Jahre alt gewesen sei. Es sei fälschlich protokolliert worden, dass er bei der Ausstellung 14 Jahre alt gewesen sei, tatsächlich seien er und sein Zwillingsbruder 16 Jahre alt gewesen. In der Stellungnahme vom 01.02.2016 gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass in der Tazkira das Geburtsdatum des Jahres XXXX vermerkt sei. Dass man ihn bei der Ausstellung des Dokumentes jünger geschätzt habe, als er tatsächlich gewesen sei, lasse am Aussagewert des Dokumentes zweifeln. Die Angaben des Beschwerdeführers seien nicht geeignet gewesen die Glaubwürdigkeit des Gutachtens vom 14.11.2015 zu erschüttern, sodass die Beschwerde auch in diesem Punkt nicht berechtigt sei.
10. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführereine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer noch minderjährig sei. Er habe zum Beweis seiner Minderjährigkeit die Einvernahme seiner in Österreich lebenden Brüder sowie die Einholung eines DNA-Gutachtens beantragt. Das Bundesverwaltungsgericht habe jedoch den Beweisanträgen nicht entsprochen und keine mündliche Verhandlung durchgeführt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28.03.2017 wurde die Revision zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof führte im Wesentlichen aus, dass die Einvernahmen der Brüder des Beschwerdeführers objektiv nicht geeignet seien das Gutachtensergebnis - selbst wenn dieses die Volljährigkeit nur mit einfacher Wahrscheinlichkeit annahm - in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer würde mit dem Beweisantrag dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten. Die beantragte Einvernahme der Brüder sowie das zum Beweis der Verwandtschaft beantragte DNA-Gutachten seien im Hinblick auf das vorliegende multifaktorielle Gutachten nicht geeignet gewesen, über das Alter des Revisionswerbers zum Asylantragszeitpunkt einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des Sachverhaltes maßgeblich beizutragen.
11. Der Beschwerdeführer stellte am 08.05.2017 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Am 03.05.2017 sei nach einer Untersuchung des Beschwerdeführers ein ärztliches Attest ausgestellt worden. Dieses Attest werfe erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Altersfeststellungsgutachtens auf und sei die Altersbestimmung zu revidieren. Auch der behandelnde Psychotherapeut habe eine Stellungnahme zur Alterseinschätzung des Beschwerdeführers erstattet, wonach dieser maximal 17 Jahre alt sei. Zudem sei den in Österreich lebenden Brüdern des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.04.2017 der Status von Asylberechtigten zuerkannt worden, sodass der Beschwerdeführer in Österreich über ein bestehendes Familienleben verfüge.
12. Mit Erkenntnis vom 27.09.2017 wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Da das Gutachten des Arztes erst nach Abschluss des Zulassungsverfahrens entstanden sei, erfülle dieses nicht den Begriff von neu hervorgekommen Beweismitteln, es sei dies ein neu entstandenes Beweismittel. Das Gutachten stelle daher keinen Wiederaufnahmegrund dar.
13. In weiterer Folge erging ein Selbsteintritt der Republik Österreich in das Asylverfahren des Beschwerdeführers.
14. Der Beschwerdeführer wurde am 07.07.2017 erneut von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er Angst habe getötet zu werden. Ein Onkel und ein Cousin seien bereits von den Taliban getötet worden.
15. Auch für dieses Verfahren beauftragte der Beschwerdeführer RA Mag. LAHNER mit seiner Vertretung. Der Beschwerdeführer nahm mit Schriftsatz vom 07.07.2017 Stellung und führte aus, dass das in der Tazkira genannte Geburtsjahr vom XXXX sein richtiges Geburtsjahr sei, es sei daher im Zweifel vom Geburtsdatum XXXX auszugehen.
16. Am 06.12.2017 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt zu seinen Fluchtgründen einvernommen.
17. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.12.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungs-würdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft habe machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsfähiger Mann mit Berufserfahrung, der über das Unterstützungsnetz der islamischen Glaubensgemeinschaft verfüge, sodass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
18. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass aufgrund des vorliegenden Obsorgebeschlusses vom 09.12.2015 die Bevollmächtigung des Rechtsvertreters durch den Beschwerdeführer selbst nicht rechtmäßig gewesen sei. Die Zustellung des Bescheides des Bundesamtes vom 23.05.2016 an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sei daher nicht rechtmäßig erfolgt. Zudem habe das Verfahren beim Bundesamt nicht den Anforderungen des amtswegigen Ermittlungsverfahrens gemäß § 18 Abs. 1 AsylG genügt. So würden sich die getroffenen Länderfeststellungen nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen. Dem Beschwerdeführer sei auch keine Möglichkeit zur Erstattung einer schriftlichen Stellungnahme zu den Länderberichten gewährt worden. Der Antrag auf Durchführung eines DNA-Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer und seine in Österreich lebenden Brüder leibliche Brüder sind, wurde ausdrücklich aufrechterhalten. Dem Beschwerdeführer sei Asyl und jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren. Zudem würde die Abschiebung des Beschwerdeführers zu einer Verletzung seines Rechtes auf Achtung seines Privat- und Familienlebens gem. Art. 8 EMRK führen.
19. Mit Schriftsatz vom 26.02.2018 erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gegen die Verwendung der gutachterlichen Stellungnahme von Mag. Mahringer im Verfahren und nahm Stellung zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, wobei er diesem nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Beschwerdeführer legte unter anderem eine Todesbestätigung betreffend seinen Onkel und seinen Cousin, eine Kopie des E-Mailverkehrs eines orthopädischen Chirurgen des XXXX Krankenhauses, eine Kopie eines Schriftverkehrs mit dem Vater des Beschwerdeführers sowie ein Konvolut an Integrations-unterlagen vor.
20. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.03.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser Verhandlung wurde der Beschwerdeführer und eine Zeugin einvernommen. Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit zur fortgesetzten Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner in Österreich lebenden Brüder vertagt.
21. Mit Stellungnahme vom 17.04.2018 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen betreffend seine Integration in Österreich vor. Zudem nahm der Beschwerdeführer Stellung zur aktuellen Lage in Afghanistan und zitierte bzw. legte entsprechende Länderberichte vor.
22. Das Bundesverwaltungsgericht setzte am 20.04.2018 die mündliche Verhandlung in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers fort. Es wurde der Beschwerdeführer als Partei und seine Brüder als Zeugen einvernommen. Die Verhandlung wurde geschlossen.
23. Mit Stellungnahme vom 04.05.2018 legte der Beschwerdeführer die Kopie eines handschriftlichen Schreibens in Dari vom 26.04.2016, das Gutachten von Friedericke Stahlmann vom 28.03.2018 sowie eine Anfragebeantwortung von Amnesty International vom 08.01.2018 vor und führte im Wesentlichen aus, dass sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan verschlechtert habe.
24. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte an den Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt vom 29.06.2018 über Afghanistan.
25. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde ein Obsorgebeschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 21.06.2018 vorgelegt. Aus einem Obsorgebeschluss des Bezirksgerichts XXXX ergab sich, dass die Obsorge für den Beschwerdeführer endgültig auf den Kinder und Jugendhilfeträger XXXX übertragen wurde. Dem Obsorgebeschluss ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei, da sich nunmehr auch aus dem ZMR ergebe, dass der Beschwerdeführer am XXXX geboren sei. Zudem sei das Asylverfahren und das Verfahren betreffend das Geburtsdatum des Beschwerdeführers noch nicht abgeschlossen.
26. Der Beschwerdeführer nahm mit Schriftsatz vom 18.07.2018 Stellung zum Länderinformationsblatt und legte eine Kopie der aktuellen Verfahrenskarte des Beschwerdeführers, eine Kopie des Obsorgebeschlusses und einen Befund des XXXX vor.
27. Aus dem ZMR und einer telefonischen Auskunft beim XXXX hat sich ergeben, dass der Beschwerdeführer am 05.07.2017 persönlich beim
XXXX war und eine Asylkarte mit dem Geburtsdatum XXXX vorgelegt habe, woraufhin das Geburtsdatum vom XXXX auf den XXXX geändert wurde.
28. Der Beschwerdeführer legte am 01.08.2018 Integrationsunterlagen und einen psychologischen Befund vor.
29. Das Bundesamt gab am 02.08.2018 eine Stellungnahme betreffend die dem Beschwerdeführer ausgestellten Verfahrenskarten ab.
30. Das Bundesamt erstattete am 02.08.2018 eine weitere Stellungnahme und legte Unterlagen zu den Verfahrenskarten, eine beglaubigte Übersetzung der Tazkira, das Altersgutachten und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vor.
31. Am 24.08.2018 wurde eine mündliche Verhandlung zur Erörterung des Obsorgebeschlusses durchgeführt. In dieser Verhandlung wurde der Beschwerdeführer und eine Zeugin einvernommen.
32. Der Beschwerdeführer erstattete am 31.08.2018 eine Stellungnahme zu den Vorkommnissen beim XXXX und legte ein Schreiben der XXXX vom 12.05.2017 und erneut ein anonymisiertes Altersgutachten einer anderen Person vor.
33. Der Beschwerdeführer erstattete am 05.09.2018 eine Stellungnahme und brachte vor, dass Kabul nach den neuen UNHCR Richtlinien auf Grund der Sicherheitslage nicht mehr als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen würde. Auch eine Ansiedlung in andere Städte sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar. Zudem sei der Beschwerdeführer als verwestlicht anzusehen und als "westlicher Rückkehrer" Bedrohungen ausgesetzt. Dem Beschwerdeführer würde zudem von der Sharia abweichendes Verhalten unterstellt werden. Es wurden jedoch keine weiteren Unterlagen vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache sowie weiters die Sprachen Paschtu, Englisch und Urdu und Deutsch. Der Beschwerdeführer ist weder verheiratet noch hat er Kinder (AS 5, 69 ff; Protokoll vom 01.03.2018 - OZ 4, S. 8).
Der Beschwerdeführer ist volljährig und spätestens am XXXX geboren. Das tatsächliche Geburtsdatum des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist sich bewusst, dass das in der Tazkira angegebene Geburtsjahr bzw. Alter nicht richtig ist und, dass er zum Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich am 22.08.2015 bereits volljährig war.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Logar, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen zwei älteren Brüdern, seinem Zwillingsbruder und seiner Schwester aufgewachsen (OZ 4, S. 9; Protokoll vom 20.04.2018 - OZ 8, S. 12 f). Er hat ca. 4-5 Jahre in seinem Heimatort die Schule besucht, er hat keine Berufsausbildung (AS 71; OZ 4, S. 8). Im Jänner 2015 ist der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie nach Pakistan gezogen (AS 71; OZ 8, S. 10; Dublin-Akt, S 51).
Die Familie des Beschwerdeführers hat ihren Lebensunterhalt aus der Verpachtung ihrer Grundstücke im Ausmaß von ca. XXXX Jirib bestritten. Zudem hat der Vater des Beschwerdeführers ein Grundstück im Ausmaß XXXX Jirib selbst landwirtschaftlich bewirtschaftet. Der Beschwerdeführer hat seinem Vater bei der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung geholfen. (AS 70 f, 75; OZ 4, S. 7, 10, 14; OZ 8, S. 13, 21; Beilage ./XI, S. 4; Beilage ./XIII, S. 4). Der Onkel des Beschwerdeführers hat mit Silber und Edelsteinen gehandelt. Auch der Vater und der älteste Bruder haben gemeinsam mit dem Onkel mit Silber und Edelsteinen gehandelt, es war ein Familienbetrieb (OZ 8, S. 12, S. 19). Die Familie des Beschwerdeführers war sehr wohlhabend (OZ 4, S. 14; Beilage ./XIV, S. 7 - "ziemlich reiche Leute"). Der Vater des Beschwerdeführers hat die verpachteten Grundstücke nicht verkauft. Die Familie des Beschwerdeführers verfügt nach wie vor über diese verpachteten Grundstücke im Ausmaß von ca. XXXX Jirib in Afghanistan.
Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern, seinem Zwillingsbruder und seiner Schwester, lebt derzeit in Karachi in Pakistan. Der Beschwerdeführer hat derzeit nur über seinen in Österreich lebenden Bruder Kontakt zu seiner Familie in Pakistan, davor hatte er auch selber Kontakt zu seinem Vater aufgenommen. Er kann den Kontakt zu seiner Familie jederzeit aufnehmen (OZ 4, S. 13). Die Frau seines Onkels väterlicherseits lebt in Afghanistan, zu dieser hat er keinen Kontakt (AS 72; OZ 4, S. 10).
Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest August 2015 durchgehend in Österreich auf (AS 45 ff).
Der Beschwerdeführer verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse und hat zuletzt einen Deutsch-Halbintensivkurs auf dem Niveau B1.1 absolviert (Beilage zu OZ 6). Der Beschwerdeführer hat sich für einen Deutschkurs B1.2 für die Dauer 06.08.2018 bis 30.08.2018 angemeldet (Beilagen zu OZ 22). Der Beschwerdeführer besucht seit 02.05.2016 die XXXX (OZ 4, S. 12; Schulbesuchsnachweis vom 13.05.2016 [Dublin-Akt, S. 559]; Zeugenliste der 1. Klasse der Übergangsstufe der XXXX [Dublin-Akt, S. 565]; Schulnachricht Schuljahr 2016/17 vom 03.02.2017 [Dublin-Akt, Beilage zum Wiederaufnahmeantrag vom 08.05.2017]). Der Beschwerdeführer hat eine Einstellungszusage für ein vierwöchiges Pflichtpraktikum vom 02.07.2018 bis 31.07.2018 (Beilage zu OZ 6). Der Beschwerdeführer hat ein Pflichtpraktikum vom 02.07.2018 bis 31.07.2018 absolviert (Beilage zu OZ 22).
Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Er steht zu seiner Gastmutter in XXXX in keinem Abhängigkeitsverhältnis. Der Beschwerdeführer wird von seinen Schulkollegen, seinen Lehrern und seinen Betreuern sehr geschätzt und unterstützt (zahlreiche Unterstützungsschreiben siehe insbesondere Dublin-Akt und Beilage zu OZ 6).
Der Beschwerdeführer verfügt über zwei Brüder, XXXX , geb. am XXXX (in Folge als "ältester Bruder" bezeichnet) und XXXX , geb. am XXXX (in Folge als "älterer Bruder" bezeichnet), die in Österreich in XXXX leben. Der Beschwerdeführer wohnt derzeit bei einer Gastmutter in XXXX . Der Beschwerdeführer steht weder zu seinen Brüdern noch zu seiner Gastmutter in einem Abhängigkeitsverhältnis. Darüber hinaus hat er keine weiteren Verwandte oder sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.
Die Brüder des Beschwerdeführers stellten bereits am 14.05.2015 (ältester Bruder) bzw. am 15.03.2015 (älterer Bruder) einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Diese Anträge wurden jeweils mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.09.2016 (ältester Bruder) bzw. vom 19.09.2016 (älterer Bruder) sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen sowie kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungs-würdigen Gründen erteilt und gegen die Brüder des Beschwerdeführers eine Rückkehrentscheidung erlassen. Den jeweils dagegen erhobenen Beschwerden wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 18.04.2017 stattgegeben und ihnen der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung (AS 99 f; Therapiebestätigung eines Psychotherapeuten vom 04.05.2016 und 13.09.2016 [Dublin-Akt, S. 419 und Beilage zum Wiederaufnahmeantrag vom 08.05.2017]; fachpsychiatrischer und -psychotherapeutischer Befund vom 03.05.2017 [Dublin-Akt, Beilage zum Wiederaufnahmeantrag vom 08.05.2017]), er befindet sich deshalb auch in ambulanter Behandlung (OZ 19, Bestätigung AKH vom 14.05.2018). Der Beschwerdeführer leidet auch an einer antrumbetonten, hochgradig chronischen, mäßiggradig aktiven helicobacterassoziierten Gastritis (chronisch verlaufende Entzündung des Magens durch eine Infektion mit einem Magenkeim) (AS 105; Beilage zu OZ 3). Er ist arbeitsfähig und leidet nicht an einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
1.2.1 Weder der Vater noch der Onkel des Beschwerdeführers haben Drohbriefe von den Taliban erhalten oder wurden von den Taliban aufgefordert ihre Söhne als Rekruten für die Taliban zur Verfügung zu stellen. Weder der Beschwerdeführer, noch sein Vater, noch sein Onkel, noch sein Cousin oder seine älteren Brüder wurden von den Taliban aufgefordert sich ihnen anzuschließen. Weder der Beschwerdeführer noch dessen Familie wurden von den Taliban oder von anderen Personen konkret und individuell mit der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht.
Der älteste Bruder des Beschwerdeführers wurde von den Taliban nicht geschlagen und auch nicht angegriffen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Onkel und der Cousin des Beschwerdeführers von den Taliban getötet worden sind.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan droht diesem individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung.
1.2.2. Der Beschwerdeführer gilt in Afghanistan aufgrund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat nicht als westlich orientiert. Er setzt auch kein Verhalten, dass gegen die Vorschriften der Scharia gerichtet wäre.
Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr in Afghanistan aufgrund seines Aufenthaltes in Europa weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Provinz Logar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer kann anfänglich auf die finanzielle Unterstützung seine Familie zurückgreifen und kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.
Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.4. Zum Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 22.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (Dublin-Akt, AS 47).
Das eingeholte Altersgutachten der medizinischen Universität Wien vom 14.11.2015 ergab, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung zumindest 18,37 Jahre alt gewesen ist und vom Mindestgeburtsdatum XXXX auszugehen ist (Dublin-Akt, AS 139ff, insb. AS 143).
Der Beschwerdeführer, dessen Gastmutter und die Brüder des Beschwerdeführers suchten RA Mag. LAHNER für die Vertretung im Dublinverfahren aus. RA Mag. LAHNER wurde beauftragt und bevollmächtigt den Beschwerdeführer im Asylverfahren zu vertreten.
Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 15.01.2016 hat das Bundesamt festgestellt, dass der Beschwerdeführer ein volljähriger Asylwerber ist und, dass das Geburtsdatum für das Mindestalter mit XXXX festgesetzt wird (Dublin-Akt, AS 161).
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.05.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache selbst einzutreten als unzulässig zurückgewiesen, da für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz Bulgarien zuständig ist (Dublin-Akt, AS 421ff). Das Bundesamt stellte im Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer volljährig ist (Dublin-Akt, AS 441).
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.10.2016 wurde die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 23.05.2016 erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung volljährig war (S. 17 des Erkenntnisses GZ XXXX ). Das Bundesverwaltungsgericht führte weiter aus, dass der Beschwerdeführer selber angegeben hat, dass das Geburtsdatum XXXX nicht richtig ist, was den Beschwerdeführer jedoch nicht daran gehindert habe mit diesem Geburtsdatum einen Obsorgebeschluss zu erwirken (S. 26 des Erkenntnisses).
Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.03.2017 (GZ XXXX ) zurück, da in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen wurden denen im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Der vom Beschwerdeführer am 08.05.2017 gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2017 abgewiesen (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2017, GZ XXXX ).
Österreich ist freiwillig in das Verfahren auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers eingetreten (AS 1). Der Beschwerdeführer füllte am 07.07.2017 nochmals einen Antrag auf internationalen Schutz aus (AS 5).
Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.03.2018, am 20.04.2018 und am 24.08.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
Dem Beschwerdeführer wurde vom Bundesamt am 24.08.2015 eine grüne Verfahrenskarte mit dem Geburtsdatum XXXX ausgestellt. Dem Beschwerdeführer wurde am 19.01.2016 eine grüne Verfahrenskarte mit dem Geburtsdatum XXXX ausgestellt. Dem Beschwerdeführer wurde am 07.07.2017 eine grüne Verfahrenskarte mit dem Geburtsdatum XXXX ausgestellt. Dem Beschwerdeführer wurde am 18.07.2017 eine weiße Verfahrenskarte mit dem Geburtsdatum XXXX ausgestellt. Mit Erhalt der jeweiligen neuen Karte wurde die vorherige ungültig (OZ 23, OZ
24 - Kartenabbildungen).
Der Beschwerdeführer gab vor dem Bezirksgericht XXXX an minderjährig zu sein. Mit Obsorgebeschluss vom 09.12.2015 des Bezirksgerichts XXXX (GZ XXXX ) wurde sein ältester Bruder mit der Obsorge betraut (AS 47).
Der Beschwerdeführer gab auch vor dem Bezirksgericht XXXX an minderjährig zu sein, legte dort seine Tazkira vor und beantragte am 27.04.2016 die Übertragung der Obsorge auf den Kinder und Jugendhilfeträger XXXX . Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 09.03.2016 (GZ XXXX ) wurde die Obsorge für den Beschwerdeführer vorläufig auf den Kinder und Jugendhilfeträger XXXX übertragen, da die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers noch in Frage gestanden habe (OZ 3).
Der Beschwerdeführer ging am 05.07.2017 mit seiner Gastmutter zum XXXX , gab dort vor noch minderjährig zu sein, legte seine Tazkira vor und erwirkte, dass im Zentralen Melderegister sein Geburtsdatum vom XXXX auf den XXXX abgeändert wurde (OZ 20; OZ 21; Beilage
./XVI).
Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 21.06.2018 (GZ XXXX ) wurde die Obsorge für den Beschwerdeführer endgültig auf den Kinder und Jugendhilfeträger XXXX übertragen. Das Obsorgegericht führte begründend aus, dass von einer Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Beschlussfassung auszugehen sei, da nunmehr auch im Zentralenmelderegister das Geburtsdatum XXXX enthalten sei (OZ 19; OZ 17).
Mit 30.07.2018 wurde das Geburtsdatum des Beschwerdeführers im Zentralen Melderegister wieder auf den XXXX geändert (Beilage ./XVI).
Dem Beschwerdeführer war vor beiden Bezirksgerichten und beim XXXX bewusst, dass seine Tazkira nicht sein richtiges Geburtsjahr bzw. Alter angibt und, dass er bereits zum Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich im August 2015 volljährig war.
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 - LIB 29.06.2018, S. 20).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 29.06.2018, S. 20).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 29.06.2018, S. 24).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 29.06.2018, S. 32).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 29.06.2018, S. 25).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 29.06.2018, S. 25). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 29.06.2018, S. 26 ff, 30).
Logar
Die Provinzhautstadt Logars ist Pole Alam. Im Norden grenzt die Provinz Kabul an Logar, im Süden Paktia, im Osten Nangarhar und im Westen die Provinz (Maidan) Wardak. Stämme der Pashtunen, Tadschiken und Hazara leben in der Provinz (LIB 29.06.2018, S. 147).
Logar gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Nähe zu den Außendistrikten der Stadt Kabul, fanden in Logar heftige Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften statt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 156 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 29.06.2018, S. 148).
Die Konfliktsituation der Provinz Logar ist eine der volatilsten und eine der am schnellsten ändernde in der Zentralregion. Daraus hat sich ein "aufständischer Highway" von Pakistan nach Kabul entwickelt, der über die schlecht bewachte Grenze in der Nähe des Distrikt Azra führt. Die Unruhen haben in Logar im Jahr 2005 begonnen, insbesondere in den Distrikten Kharwar, Charkh und Baraki Barak. Später haben sich die Aufstände in der gesamten Provinz ausgebreitet. Dennoch sind diese drei Distrikte die am meisten von den Taliban betroffenen (Beilage ./IV, S. 192).
Die Taliban haben eine starke Präsenz in Logar. Die Distrikte Kharwar, Charkh und Azra sind fast vollkommen unter der Kontrolle der Taliban. Die meisten Zonen dieser Distrikte sind bereits Ende 2014 unter die Kontrolle der Taliban gefallen. Die Taliban haben Checkpoints am "Kabul-Gardez Highway" errichtet und um nach Personen und Autos zu suchen. Die Sicherheitslage hat sich 2017 verschlechtert und fremde Kämpfer wurden an der Seite der lokalen Taliban gesehen. Im Distrikt Azra waren im Juli 2017 nur vier Dörfer und das Distriktzentrum unter der Kontrolle der Regierung. Alle vier Straßen dieses Distrikts sind seit den letzten 13 Jahren für den Verkehr gesperrt. Abgesehen von der unsicheren Lage, leidet der Distrikt Azra auch an einem Mangeln an medizinischer Versorgung (Beilage ./IV, S. 192 f).
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf
4.679.648 geschätzt (LIB 29.06.2018, S. 46).
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (LIB 29.06.2018, S. 46).
Kabul ist durch einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB 29.06.2018, S. 47, 221 f).
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (LIB 29.06.2018, S. 47).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 29.06.2018, S. 48).
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungs-institutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (LIB 29.06.2018, S. 49).
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 29.06.2018, S. 49).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (LIB 29.06.2018, S. 49).
Mazar-e Sharif:
Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 29.06.2018, S. 65).
In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 29.06.2018, S. 65).
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 29.06.2018, S. 66).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 29.06.2018, S. 65f).
Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 29.06.2018, S. 101).
Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand, sodass die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 29.06.2018, S. 101, 222 f).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (LIB 29.06.2018, S. 101).
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 29.06.2018, S. 102).
Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 29.06.2018, S. 103).
Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 29.06.2018, S. 103).
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 29.06.2018, S. 104).
Medizinische Versorgung
Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 30.01.2018, S. 200 ff).
Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 30.01.2018, S. 200 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 29.06.2018, S. 318).
Wirtschaft
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 29.06.2018, S. 311).
Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 29.06.2018, S. 312).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./VIII, S. 29 - 30).
In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./VIII, S. 31).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 29.06.2018, S. 324 f).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 29.06.2018, S. 326 f).
IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 29.06.2018, S. 327 f).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 29.06.2018, S. 328).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 29.06.2018, S. 329 f).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 29.06.2018, S. 330).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Beka