Entscheidungsdatum
06.09.2018Norm
AVG §38Spruch
W208 2196257-1/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über den Antrag auf Verfahrenshilfe und die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN vom 02.02.2018, Zl. Jv 55320-33a/17, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren beschlossen:
A) Das Verfahren wird gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 9, 38 AVG bis zur Entscheidung über das beim Bezirksgericht XXXX zur Zahl XXXX anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters ausgesetzt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Zahlungsauftrag/Mandatsbescheid vom 09.10.2017, Zl XXXX - VNR 3, schrieb die Kostenbeamtin des Landesgerichtes XXXX (im Folgenden: LG) für den Präsidenten des LG der beschwerdeführende Partei (im Folgenden: bP), in einem Zivilverfahren (Amtshaftung) eine Pauschalgebühr gemäß TP 2 in Höhe von € 1.088,-- zuzüglich einer Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) in Höhe von € 8,--, in Summe € 1.096,--, vor.
2. Mit als "Vorstellung - Nachsicht" bezeichnetem Schreiben, eingebracht am 14.09.2017, wandte sich die bP einerseits gegen die Vorschreibung der Gebühr (diese sei nicht rechtskonform) und andererseits bat sie darin um Nachsicht.
3. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN vom 02.02.2018 wurde das genannte Schreiben - ausschließlich - als Nachlassantrag behandelt und dieser abgewiesen.
4. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 12.02.2018) brachte die bP am 09.03.2018 einen als "Antrag-Verfahrenshilfe zur Beschwerde-Verfahren an Bundesverwaltungsgericht gegen Bescheid obzit. Zl., hinterl. Erhalten u.a. 9.2.2018, zur Eingabegebühr" bezeichneten Schriftsatz ein, in dem Verfahrenshilfe zur Beschwerdeerhebung beantragt wurde. Überdies enthält das Schreiben auch inhaltlich gegen den Bescheid gerichtete Vorbringen. Zusammengefasst wird sinngemäß vorgebracht, dass der Nachlass nach der Mutter der bP insgesamt überschuldet sei und die bP lediglich ein Einkommen in Form der Mindestsicherung habe. Ferner sei nicht absehbar, ob und wann ein deckendes Einkommen vorhanden sein werde, zumal sich das Separationsverfahren erst in der Anfangsphase befinde und von einem jahrelangen Prozess auszugehen sei.
5. Mit Schreiben vom 17.05.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem BVwG zu Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.
Weiters wird festgestellt, dass beim Bezirksgericht XXXX (im Folgenden: BG) zur Zahl XXXX ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters (vormals: Sachwalters) für die bP anhängig ist. Das Verfahren wurde am 07.04.2015 eingeleitet und ist noch nicht rechtskräftig beendet.
Der Präsident des LG hat in einem kürzlich ebenfalls bei BVwG anhängig gemachten Verfahren W208 2204483-1 (LG Jv XXXX /18i-33) in einem vergleichbaren Sachverhalt Eintreibungsverfahren (zu Recht) ausgesetzt, bis die Prozessfähigkeit der bP geklärt ist.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum rechtserheblichen Sachverhalt konnten aufgrund der Aktenlage zum vorliegenden Verfahren und - betreffend das Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters - zum ebenfalls die bP betreffenden Verfahren W208 2204483-1 erfolgen und sind unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im GEG bzw. im GGG liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Aussetzung
3.2. Gesetzliche Grundlagen
Die einschlägigen Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lauten:
"Rechts- und Handlungsfähigkeit
§ 9. Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.
§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."
Denn das Verwaltungsgericht hat gemäß § 17 VwGVG - ausgenommen den hier nicht zutreffenden Fall, dass im VwGVG anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG neben Bestimmungen des AVG, der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl Nr 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl Nr 29/1984 (DVG), jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dazu ausgeführt (Hervorhebungen durch das BVwG):
"Die Frage der Handlungsfähigkeit und somit auch jene der Prozessfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Behörde als Vorfrage (iSd § 38 AVG) zu beurteilen. Einen Mangel der Prozessfähigkeit hat sie in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Mangelt es einem Adressaten einer Verfahrenshandlung (insbesondere auch eines Bescheides) in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit, so geht die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Die Behörde kann diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Feber 2016, Ra 2016/19/0007, mwN sowie die in Hengstschläger/Leeb, AVG I2, unter Rz 5 f zu § 9 AVG wiedergegebene weitere Judikatur)" (VwGH 12.09.2017, Ra 2017/16/0078)."
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
Derzeit ist ein bezirksgerichtliches Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die bP anhängig. Daher ist fraglich, ob die bP die erforderliche Prozessfähigkeit in Bezug auf den Verfahrensgegenstand besitzt. Das Vorhandensein der Prozessfähigkeit der bP ist jedoch Voraussetzung für die Wirksamkeit des verfahrensgegenständlichen Nachlassantrags, des Verfahrenshilfeantrags sowie der Beschwerdeerhebung durch die bP einerseits, aber auch jeder diese betreffende Verfahrenshandlung andererseits. Somit ist, abhängig vom Zeitpunkt des Eintritts einer allfälligen Prozessunfähigkeit, auch fraglich, ob der Zahlungsauftrag/Mandatsbescheid vom 09.10.2017 sowie der angefochtene Bescheid wirksam erlassen wurden.
Somit stellt die Frage der Prozessfähigkeit der bP im gegenständlichen Verfahren eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar. Da diese Vorfrage schon den Gegenstand des Verfahrens zur Überprüfung der Notwendigkeit zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters bildet, ist das BVwG berechtigt, das Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung in dem genannten Verfahren auszusetzen. Eine Beurteilung der Prozessfähigkeit unmittelbar durch das BVwG würde voraussichtlich nicht zu einer rascheren Klärung dieser Vorfrage führen, zumal diese der Beiziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung des geistigen und psychischen Gesundheitszustands der bP bedürfte und aufgrund der langen Dauer des Verfahrens beim BG (seit 2015) sowie den einschlägigen gesetzlichen Änderungen im neuen Erwachsenenschutzrecht, wohl in Kürze mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Aufgrund der Aussetzung des Verfahrens ist kein Rechtsnachteil für die bP zu erwarten (vgl oben die Aussetzungen auch des Präsidenten des LG).
Bis zur Entscheidung über das beim BG anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters wird das gegenständliche Beschwerdeverfahren daher gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 9, 38 AVG ausgesetzt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.
Schlagworte
Aussetzung, Bescheiderlassung, Beschwerdeeinbringung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W208.2196257.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.11.2018