Entscheidungsdatum
10.09.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W240 2189309-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2018, Zl. 1092284207-151623556, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.06.2018, zu Recht erkannt:
A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Die übrigen Spruchpunkte werden ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Somalia, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am 25.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 26.10.2015 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er an, ein XXXX zu sein und aus Hiiraan zu stammen. Als Ausreisegrund gab er wie folgt an:
"(...)
"Als ich erfuhr, dass mich die Terrorgruppe namens Al- Shabaab rekrutieren wollte, verließ ich meine Heimat.(...)"
Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 30.01.2018 eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer tätigte im Wesentlichen folgende relevante Angaben:
"(...)
F: Welcher Volksgruppe, Stamm, Clan gehört Ihre Frau an? A: Wir gehören dem gleichen Clan an.
F: Welcher Volksgruppe, Stamm, Clan gehören Sie an?
A: XXXX
Anm: Wird als Beil./2 in den Akt genommen.
(...)
F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie all Ihre Fluchtgründe! Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, detailliert, von sich aus, vollständig und wahrheitsgemäß.
Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren. (freie Erzählung!) Wer, wann, was, wo, wie, wieso!
A: Wie ich schon sagte, ich arbeitete in einer Werkstatt. Die Garage hat nicht mir gehört. Ich war nur ein Angestellter. Eines Nachts war ich gerade fertig, ich war auf dem Weg nachhause. Wir waren alle drei auf dem Weg nachhause zu gehen. Auf einmal hielt ein Auto neben uns an. Es waren ungefähr 7 Leute, welche maskiert waren. 3 Männer waren vorne und 4 Männer saßen hinten.
Anmerkung nach Rückübersetzung: Die 4 Männer hinten saßen nicht, sondern standen.
Die Männer die hinten waren sind alle ausgestiegen. Sie wollten uns mit Gewalt mitnehmen. Sie wollten uns in das Auto reinstecken. Der Chef sagte, dass wir nicht einsteigen. Sie haben es mit Gewalt versucht. Einige waren mit Waffen bewaffnet andere hatten einen Metallstock. Sie haben mich geschlagen. Einer hat eine lange Stange aus Stahl gehabt und hat mich an den Rippen und am Zahn geschlagen.
Anm: AW zeigt auf Zahn. Sie haben uns trotzdem mitgenommen. Sie haben uns zu ihrem Stützpunkt gebracht. Es gab so einen Container. Dort haben sie uns hingebracht. Die Hände und Füße waren gefesselt. Wir haben dort übernachtet und am nächsten Tag sind 3 Männer zu uns gekommen. Den Chef haben diese 3 Männer gehabt. Der Container hatte Löcher und wir konnten sehen, was draußen los ist. Wir konnten sehen, dass sie mit ihm geredet haben, dann haben sie ihn geschlagen und dann umgebracht. Wir konnten alles beobachten. Er hat geschrien, dass sie ihn nicht töten sollen, aber dann hat ihn einer erschossen. Ich bin erschrocken. Ich habe es das erste Mal gesehen, dass jemand getötet wurde.
Kann ich eine Pause einlegen? Ich brauche unbedingt eine Pause, ich muss auf die Toilette.
Anmerkung: Pause 11:55 Uhr - 12:00 Uhr. Auff: Fahren Sie bitte fort!
A: Wir sind dort 3 Tage geblieben, dann gab es Kämpfe. Nach drei Tagen hat al shabaab mit einer Truppe der somalischen Regierung gekämpft.
Anmerkung nach Rückübersetzung: Es war keine Truppe der somalischen Regierung, es war AMISOM.
Es war AMISOM. AMISOM hat die Tür dann bei uns aufgemacht und man hat uns raugeholt. AMISOM hat uns zu ihrem Stützpunkt mitgenommen. Sie haben einen Dolmetsch geholt und sie sagten, dass wir das Land verlassen sollen, weil sie uns das nächste Mal nicht mehr helfen können. Ich bin zu Fuß nachhause gegangen, ich habe einige Leute gesehen, die aus der Stadt kamen. Sie sagten, dass man nicht in die Stadt kann, weil al shabaab die Stadt übernommen hat. Ich habe versucht meine Mutter zu erreichen. Die Mutti sagte, dass man mich suchen würde. Die Mutti sagte, dass al shabaab mich sucht und ich solle nicht zurückkommen. Ich solle woanders leben. Ich fragte, wo ich hingehen soll. Sie sagte, dass sie jemanden schicken wird und der wird mich wohin bringen, wo es sicher ist. Es war am späten Nachmittag. Sie sagte, dass in 2 Stunden jemand zu mir kommen wird und dieser Mann hat mich nach Mogadischu gebracht. Der hat mich zu einer Busstation gebracht und sagte mir, welches Auto ich nehmen solle. Normalerweise dauert es 2 Tage mit dem Auto bis Mogadischu. Mein Onkel hat mich inzwischen angerufen und er sprach mit dem Fahrer. Sie haben die Ausstiegsstelle ausgemacht und so hat mich mein Onkel dann getroffen. Er hat mich abgeholt und ich habe ihm die ganze Geschichte erzählt. Mein Onkel sagte, dass sie auch hier sind und sie werden mich leicht finden und er würde mich aus dem Land schmuggeln. Dies wäre besser so. Dann hat er alles organisiert und so war meine Geschichte.
F: Bitte konkretisieren Sie Ihre Fluchtgründe. Machen Sie genauere Angaben! Schildern Sie Ihre Fluchtgründe detailgenau und chronologisch mit Zeitangaben! Geben Sie insbesondere an, wann die besagten Vorfälle stattgefunden haben sollen! Wer war alles beteiligt, etc!
Anm: Dolmetsch wiederholt die Frage. A: Es war Anfang August 2015.
F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?
A: Nein. Sie wollten mich rekrutieren und sie wollten, dass ich für sie arbeite. Es gab noch andere Gründe, wie der Minderheitsclan usw. Aber die Größte Sache war al shabaab und die Zwangsrekrutierung.
Auff: Machen Sie konkretere Angaben zu den Fluchtgründen betreffend Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit!
A: Also ich konnte die Schule nicht weitermachen und ich konnte keine Ausbildung machen. Ich wurde auch in der Arbeit erniedrigt. Ich hatte nicht die gleichen Chancen wie die anderen.
F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe? A: Nein.
F: Wurden Sie aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion bedroht oder verfolgt?
A: Nein.
(...)
F: Seit wann ist Al Shabaab in Ihrem Heimatdorf? A: Seit 2010
F: Seit wann ist AMISOM in Ihrem Heimatdorf vertreten? Anm:
Dolmetsch wiederholt die Frage.
A: Seit vielleicht 2011 oder 2012
F: Von wo sind die Leute von AMISOM?
A: Ich habe keine Ahnung aus verschiedenen Ländern.
F: Welche Sprache haben die gesprochen, welche Sie befreit haben?
A: Sie haben amharisch gesprochen. Sie haben ihre Sprache gesprochen.
F: Wann wollte Al Shabaab Sie rekrutieren?
A: Es war im August 2015. Es war an dem Tag an dem sie uns mitgenommen haben.
Auff: Beschreiben Sie das Auto, in dem Sie mitgenommen wurden!
A: Es war kein kleines Auto. Vorne konnten 2 Leute sitzen, dahinter 3 Leute und hinten war es frei, wo mehrere Leute sitzen konnten. Es war ein Toyota.
Vorhalt: Vorhin gaben Sie an, dass vorne 3 Leute sitzen konnten und hinten 4 Leute.
Jetzt sagen Sie, dass vorne 2 Leute sitzen können und hinten 3. Was sagen Sie dazu?
A: Ja das stimmt. Es sind 5 Leute die vorne sitzen können, aber es war nur 3. Hinten standen 4 Männer.
F: Wurden Sie persönlich von Al Shabaab angesprochen?
A: Mit mir haben Sie nicht gesprochen, sie haben mit meinem Chef gesprochen. Sie sagten, dass sie wollen, dass wir mit ihnen arbeiten. Mit mir persönlich haben sie nicht gesprochen.
F: Was konkret hat Al Shabaab zu Ihrem Chef gesagt?
A: Sie haben gesagt, dass wir einsteigen sollen und wir für sie arbeiten sollen. Sie haben nicht gesagt, was wir machen sollten.
F: Wie spät war es als Sie angesprochen wurden? Anm: Dolmetsch wiederholt die Frage.
A: Ungefähr gegen 18 Uhr. Wenn die Sonne untergeht. F: Wie sahen die Männer aus?
A: Da sie maskiert waren, kann ich nicht sagen wie sie ausgesehen haben. Sie waren alle maskiert.
F: Wo wurden Sie dann hingebracht?
A: Ich würde sagen, dass wir ungefähr eine halbe Stunde unterwegs waren. Weil es Abend war konnten wir nichts sehen, außerdem hatten Sie uns die Augen verbunden. Befragt gebe ich an, dass die Augen mit einem Stück Stoff verbunden wurden.
Auff. Beschreiben Sie den Container indem Sie festgehalten wurden! Wie war er ausgestattet etc?
A: Es war ein kleines Zimmer und es war leer. Es war nichts darinnen. F: Haben Sie den Container in den 3 Tagen verlassen?
A: Nein. Es hatte nur ein paar Löcher und man konnte rausschauen, man konnte sehen ob Tag oder Nacht war.
F: Wo haben Sie Ihre Notdurft verrichtet?
A: Jemand hat die Tür aufgesperrt und wir konnten rausgehen auf die Toilette. F: Was haben Sie zum Essen und Trinken bekommen?
Anm: Dolmetsch wiederholt die Frage.
A: Wir haben nur einmal am Tag etwas zu essen bekommen.
F: Als AMISOM kam, woher wussten Sie, dass es AMISOM ist? A: Weil sie eine Uniform haben. Das kennt man.
Auff. Beschreiben Sie die Uniform von AMISOM!
A: Es hat verschiedenen Farben, grün und schwarz. Ich kann es nicht genau sagen. Ich habe auf jeden Fall gesehen, dass es eine Uniform war. Ich habe es geahnt, dass es eine Uniform ist. Genau weiß ich es nicht.
F: Mit was waren Ihre Hände und Füße gefesselt? A: Mit einer Schnur.
F: Waren Sie im Container auch durchgehend gefesselt?
A: Als man uns reinbrachte, hat man die Fesseln abgenommen.
F: Was passierte mit dem Leichnam Ihres Chefs?
A: Ich glaube sie haben ihn mitgenommen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht wohin sie ihn gebracht haben.
F: Wann konkret ist AMISOM gekommen und hat sie befreit? A: Als wir 3 Tage dort waren.
F: Wo hat Sie AMISOM hingebracht? A: zu deren Stützpunkt.
F: Wo ist der Stützpunkt?
A: Es war ungefähr 4 Stunden von unserem Dorf zu Fuß entfernt. F:
Woher wissen Sie, dass es 4 Stunden zu Fuß entfernt war?
A: Weil ich zu Fuß gegangen bin.
F: Wenn Sie nicht wussten, wo Sie sind, woher wussten Sie in welche Richtung sie gehen mussten?
A: Man geht einfach nur die Straße entlang.
F: Woher wussten Sie in welche Richtung Sie gehen müssen?
A: ich habe den Dolmetsch gefragt.
F: Wie viele Tage/Wochen nachdem dieser Vorfall war, haben Sie das Land verlassen?
Anm: Dolmetsch wiederholt 2x die Frage. Anm: AW rechnet vor.
A: Ungefähr 11 Tage.
F: Wo haben Sie diese 11 Tage verbracht? A: 3 Tage waren wir in Gefangenschaft.
Anm: Frage wird wiederholt.
A: Nein, ich war nicht 3 Tage in Gefangenschaft, es waren 6 Tage. Dann bin ich nach Mogadischu gegangen. Das waren 11 Tage.
F: Wie viele Tage nachdem Sie von AMISOM gerettet wurden gingen Sie nach Mogadischu?
A: 2 Tage und eine Nacht.
F: Wie viele Tage waren Sie in Mogadischu? A: vielleicht 5 Tage.
F: Wurden Sie in den "11 Tagen" von al shabaab aufgesucht, bedroht oder verfolgt? A: Nein, ich habe ja das Land verlassen.
F: Das heißt in den 11 Tagen wurden Sie von al shabaab nicht bedroht oder verfolgt? A: Von dem Zeitpunkt als AMISOM mich befreit hat bis zu meiner Abreise habe ich niemanden gesehen.
F: Wie viele Kollegen wurden von al shabaab mitgenommen? A: Wir waren 3 Personen. Der Chef und ein Kollege.
F: Was ist mit dem anderen Kollegen passiert?
A: Man hat uns beide befreit, aber jeder ist in seine Richtung gegangen. F: Das heißt Sie sind nicht in die gleiche Richtung gegangen?
A: Nein, sind wir nicht.
F: Wieso ist der Kollege nicht nachhause gekommen, sie stammen ja aus dem gleichen Dorf?
A: Das weiß ich nicht.
F: Sie haben dann mit Ihrer Mutter gesprochen. Was haben sie geprochen? A: Sie sagte ich solle nicht zurück, weil man mich suchen würde.
F: Was hat al shabaab während der Gefangenschaft zu Ihnen gesagt? A:
Sie haben mit mir nicht gesprochen, nur mit dem Chef.
F: nachdem die nicht mit Ihnen persönlich gesprochen haben, woher wussten sie wo Ihre Mutter lebt?
A: Es ist ein kleines Dorf, wo jeder jeden kennt. Es ist nicht schwer rauszufinden wo einer wohnt.
F: Woher wusste al shabaab wer Sie sind, wer Ihre Mutter ist, sie haben mit Ihnen nicht gesprochen?
A: ich glaube, dass sie das wussten. Sie wussten wo wir arbeiten. Sie haben es einfach gewusst.
F: Ist Ihnen Sold von al shabaab für eine Zusammenarbeit in Aussicht gestellt worden?
A: Das weiß ich nicht. Ich habe nicht mit ihnen gesprochen.
F: Wieso wurde alles nur mit Ihrem Chef besprochen. Es wäre doch viel einfacher und effizienter jeden persönlich zu befragen!
A: Ich weiß es nicht.
F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Somalia?
A: Sie sind noch immer dort. Es ist niemand dort der mich unterstützen wird. Ich gehöre auch einem Minderheitsclan an.
(...)"
Am 13.02.2018 langte eine Stellungnahme für den Beschwerdeführer beim BFA ein, in welcher weitere Länderberichte zu Somalia zitiert wurden, insbesondere ein Zeitungsbericht vom Juni 2016 über einen massiven Angriff auf die Stadt XXXX, einen Bericht von "Garowe Online", dass im Oktober 2016 XXXX wieder durch Al Shabaab zurückerobert worden sei, nachdem AMISOM-Truppen abgezogen worden seien. Überdies ein Bericht, wonach im Mai 2017 Al Shabaab den äthiopischen AMISOM-Stützpunkt in XXXXmassiv angegriffen habe und es wurde ein Radiobericht vom Juli 2017 wiedergegeben, wonach beim Angriff der Al Shabaab in XXXX sechs Soldaten getötet sowie viele verletzt worden seien.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2018 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und unter Spruchteil IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 2 Wochen eingeräumt.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen. Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer somalischer Staatsbürger und muslimischen Glaubens sei, seine Identität habe nicht festgestellt werden können.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, die Behörde davon zu überzeugen, dass er in seinem Heimatland einer Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder nunmehr sei. Das BFA hielt fest, dass es die Auffassung vertrete, es ergebe sich für den Beschwerdeführer gegenwärtig kein Abschiebungshindernis nach Somalia, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde, nicht gegeben sei.
3. Gegen den Bescheid des BFA wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer von der Al Shabaab verschleppt und misshandelt worden sei. Er sei Augenzeuge der Ermordung seines Vorgesetzten geworden, dies hab ihn schwer geschockt und traumatisiert. Der Beschwerdeführer sei vom Al Shabaab-Stützpunkt befreit worden durch AMISOM-Truppen, diese hätten ihm geraten, aus Somalia zu flüchten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei als nicht glaubhaft eingestuft worden, die Begründungen des BFA seien jedoch nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe in seiner Einvernahme ausführlich und deutlich seine Furcht vor Verfolgung geschildert und dargelegt, dass die heimatlichen Behörden nicht schutzwillig bzw. -fähig seien. Im Falle einer Rückkehr nach Somalia würde der Beschwerdeführer kein soziales oder familiäres Netzwerk vorfinden.
4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 06.06.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch eine Vertreterin des MigrantInnenvereins, einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde zu seinem Fluchtvorbringen, seiner Herkunft, der Lage in Somalia und zu seiner Integration befragt und ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt alle seine Gründe für die Ausreise aus Somalia sowie seine Rückkehrbefürchtungen darzulegen.
Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend weitere aktuelle Länderberichte zur Herkunftsregion und zu Clans in Somalia sowie zu Zwangsrekrutierungen durch die Al Shabaab in Somalia zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
5. In der am 18.06.2018 eingelangten Stellungnahme wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass in Somalia eine katastrophale Sicherheitslage bestehe und Existenzmöglichkeiten im Falle einer Rückkehr fehlen würden. Der Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers sei ungewiss, womit der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia mit Sicherheit kein familiäres Netzwerk habe, das ihn unterstützen könnte. Der Beschwerdeführer befürchte zurecht im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, auch aufgrund der aktuellen Hungersnot in Somalia und aufgrund der Auswirkungen der Flut. Zitiert wurden aktuelle Länderberichte zur Hungersnot und zur Flutkatastrophe in Somalia. Es bestehe die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage in Somalia.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat, wie folgt, festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia, stammt aus einem kleinen Dorf namens XXXX in Hiiraan, wo er bis kurz vor seiner Ausreise aus Somalia wohnhaft war. Mitte August 2015 ist er nach Mogadishu gegangen, wo er mithilfe eines Schleppers aus Somalia ausreiste. Er gehört dem Clan der XXXX an. Seine Identität konnte nicht festgestellt werden.
Von seiner Religion her ist er Moslem und Sunnit. Die angegebene örtliche Herkunft und seine Schulbildung erscheinen glaubhaft. Er hat acht Jahre die Grundschule und kurze Zeit die Koranschule besucht, er arbeitete in einer Autowerkstatt als Hilfsmechaniker ab 2012 bis zur Ausreise im Jahr 2012. Der Beschwerdeführer ist seit April 2015 nach traditionellem Ritus mit XXXX verheiratet, welche dem gleichen Clan angehört wie der Beschwerdeführer. Er hat mit seiner Ehefrau rund vier Monate zusammen im Haus der Eltern des Beschwerdeführers gelebt, dort haben auch seine Eltern und seine zwei Schwestern gelebt.
Zu den konkreten Fluchtgründen können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Er gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am 25.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er hat keine Kenntnis über den Aufenthalt seiner Ehefrau, seiner Mutter und seiner Schwestern. Sein Vater ist bereits verstorben. Er hat keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen oder weiteren Verwandten in Somalia. Er legte somit dar, keinerlei Kontakte mehr mit seiner Familie in Somalia zu haben bzw. nicht zu wissen, wo sich diese derzeit aufhält. Der Beschwerdeführer verfügt in Somalia über kein Eigentum wie Häuser, Grundstücke oder ähnliches und er hat auch keine sozialen Anknüpfungspunkte in Somalia.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer verneint jegliche aktuellen gesundheitlichen oder psychischen Probleme.
Zu Somalia wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt.
2. Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).
Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).
Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).
Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).
Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).
Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)
Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).
Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.
Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).
Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).
1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).
2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).
3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
-
AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017
-
BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
-
BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017
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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017
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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017
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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):
Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017
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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017
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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):
SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
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WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017
2.1. Puntland
Der so genannte Puntland State of Somalia hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Die staatlichen Organe in Puntland sind insgesamt weniger fragil als die zentralstaatlichen (AA 1.1.2017). Dabei konnte Puntland die Verwaltungskapazitäten weiter ausbauen. Gleichzeitig ist Puntland auf Bundesebene ein wichtiger Akteur. Grundlegende staatliche Dienste (z.B. Infrastruktur, Behörden) sind in Puntland gegeben. Das Verwaltungssystem ist aber urban konzentriert und reicht nicht bis in entlegene Gebiete (BS 2016).
Im Jänner 2014 kam es zum dritten Mal zu einem friedlichen Machtwechsel an der Spitze von Puntland. Allerdings fand dieser Machtwechsel nicht auf der Grundlage einer allgemeinen Wahl statt (AA 1.1.2017). Zwar war eine solche geplant, doch wurde die Wahl aufgrund gewaltsamer Proteste abgesagt. Gewählt wurde Präsident Abdiweli Mohamed Ali "Gaas" im Prinzip von Ältesten (BS 2016). Das Parlament, das den Präsidenten wählte, war unter Einbeziehung traditioneller Strukturen mit Clan-Bezug von einem durch den vorherigen Präsidenten eingesetzten Auswahlausschuss ernannt worden (AA 1.1.2017). Dabei folgte die Wahl von Präsident Gaas dem Rotationsprinzip der drei Hauptclans von Puntland (BS 2016).
Obwohl das Parlament schon im Jahr 2012 eine Verfassung beschlossen hat, die ein Mehrparteiensystem vorsieht (USDOS 3.3.2017), hat Puntland noch keine wirklich demokratischen Strukturen geschaffen. Präsident und Parlament werden durch den Beschluss von Ältesten entschieden (BS 2016).
Politische Auseinandersetzungen werden in der Regel zwar nicht gewaltsam ausgetragen, aber die Sicherheitslage ist im Umfeld der Wahlen sehr angespannt. Staatliche Sicherheitskräfte agieren mit Sondervollmachten (AA 1.1.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
3. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).
Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).
Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:
Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die
Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden (Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8.2017):
a) Alle auf irgendeine Art und Weise mit der somalischen Regierung verbundenen und gleichzeitig gegen al Shabaab gestellten Kräfte wurden als "anti-al-Shabaab Forces" zusammengefasst. Diese Kategorie umfasst neben Bundeskräften (SNA) auch Kräfte der Bundesstaaten (etwa Jubaland, Galmudug, Puntland) sowie AMISOM und bi-lateral eingesetzte Truppen (und damit de facto auch die Liyu Police).
b) Die ASWJ wurde nicht in diese Kategorie aufgenommen, da sie zwar gegen al Shabaab kämpft, die Verbindung zur Bundesregierung aber momentan unklar ist.
c) Einige Clans verfügen über relative Eigenständigkeit, die auch mit Milizen abgesichert ist. Dies betrifft in erster Linie die Warsangeli (Sanaag), Teile der Dulbahante (Sool) und die Macawusleey genannte Miliz in Hiiraan. Keine dieser Milizen ist mit Somaliland, einem somalischen Bundesstaat, mit der somalischen Bundesregierung oder al Shabaab verbunden; sie agieren eigenständig, verfügen aber nur über eingeschränkte Ressourcen.
Operational Areas
d) Operationsgebiete, in welchen die markierten Parteien über relevanten Einfluss verfügen (einfarbig): Dort können die Parteien auf maßgebliche Mittel (Bewaffnung, Truppenstärke, Finanzierung, Struktur, Administration u.a.) zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Es sind dies die Republik Somaliland;
Puntland; teilweise auch Galmudug; AMISOM in Tandem mit der somalischen Regierung bzw. mit Bundesstaaten; äthiopische Kräfte im Grenzbereich; al Shabaab; Ahlu Sunna Wal Jama'a in Zentralsomalia;
e) Einige Gebiete (schraffiert) - vorwiegend in Süd-/Zentralsomalia - unterliegen dabei dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien.
f) Alle in der Karte eingetragenen Städte und Orte wurden einer der o. g. Parteien zugeordnet. Sie gelten als nicht schraffiert, die Kommentare unter 4.1.2 sind zu berücksichtigen. Soweit bekannt wurden den Städten AMISOM-Stützpunkte oder Garnisonen bi-lateral eingesetzter Truppen zugeordnet. In den Städten ohne eine derartige Präsenz gibt es eine SNA-Präsenz, oder aber Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten; oder Somalilands.
g) Operationsgebiete, in welchen kleinere Parteien über eingeschränkten Einfluss verfügen (strichliert): Dort sind neben den o. g. relevanten Parteien noch weitere Parteien mit eingeschränkter Ressourcenlage aktiv. Ihr Einfluss in diesen Operationsgebieten ist von wechselnder Relevanz und hängt von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen und deren Einsatz ab (BFA 8.2017).
Al Shabaab (AS)
Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016). Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Dabei ist auch die al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (BFA 8.2017).
Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 7.2017). Die al Shabaab stellt aber weiterhin eine potente Bedrohung dar (UNSC 9.5.2017). Die Stärke der al Shabaab wird im Schnitt mit ungefähr 7.000 Mann beziffert (BFA 8.2017; vgl. LI 20.12.2017). Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt die al Shabaab mit dem Amniyad über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BFA 8.2017). Die Gruppe hat sich bei Rückschlägen in der Vergangenheit als resilient und anpass