TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/10 W234 1310400-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2018
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Entscheidungsdatum

10.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2

Spruch

W234 1310400-5/14E

W234 1310399-5/13E

W234 1400635-3/12E

W234 1412795-3/12E

W234 1434283-3/9E

W234 2164403-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerden von

1) XXXX (auch XXXX ), geb. XXXX ,

2) XXXX , geb. XXXX ,

3) XXXX (auch XXXX ), geb. XXXX ,

4) XXXX , geb. XXXX ,

5) XXXX , geb. XXXX ,

6) XXXX , geb. XXXX ,

alle StA. Russische Föderation, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl

1) vom 02.06.2017, Zl. 831480904/170213855,

2) vom 06.06.2017, Zl. 770072204/170213545,

3) vom 09.06.2017, Zl. 780245609/170213915,

4) vom 12.06.2017, Zl. 791218909/170213958,

5) vom 13.06.2017, Zl. 821736904/170214024,

6) vom 13.06.2017, Zl. 1143544808/170224666,

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 55 AsylG 2005, § 10 Abs. 3 AsylG

2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 3 FPG 2005 sowie §§ 52 Abs. 9 iVm 46 FPG 2005 und gemäß § 55 Abs. 2 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) und die Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ) sind Eheleute und die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer ( XXXX ). Die Beschwerdeführer sind russische Staatsangehörige und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe.

2. Mit Ausnahme des Sechstbeschwerdeführers, für den nie ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, durchliefen sämtliche Beschwerdeführer zwei Asylverfahren, die für sie zweimal mit - mittlerweile rechtskräftigen - Verpflichtungen, die Republik Österreich zu verlassen, endeten (für Einzelheiten siehe sogleich die Feststellungen).

3. Letztlich stellten sämtliche Beschwerdeführer am 17.02.2017 Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Konkret beantragten sie die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, weil sie Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllen würden.

4. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im folgenden Bundesamt) die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Unter einem wurden gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 gegen die Beschwerdeführer lassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Diese Bescheide begründet das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführer ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK im Bundesgebiet ausschließlich zueinander führen würden. Da sämtliche Familienmitglieder von Rückkehrentscheidungen betroffen seien, würden diese nicht in ihr Recht auf Achtung ihres Familienlebens eingreifen. Zwar würden die Rückkehrentscheidungen in das Recht auf Achtung des Privatlebens der Beschwerdeführer eingreifen, doch würde dieses Recht dadurch nicht verletzt. Die beachtlichen Integrationsleistungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Form von Kenntnis der deutschen Sprache und des Knüpfens freundschaftlicher Beziehungen würden dadurch relativiert, dass sie sich ihres unsicheren Aufenthaltes im Bundesgebiet hätten bewusst sein müssen, als sie diese setzten. Ferner seien Erst- wie Zweitbeschwerdeführerin strafgerichtlich verurteilt worden. Zudem hätten die erwachsenen Beschwerdeführer den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht. Unter den minderjährigen Beschwerdeführern würden vor allem die älteren infolge ihres Schul- bzw Kindergartenbesuches über ausgeprägte freundschaftliche Beziehungen verfügen. Diese könnten nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat brieflich, telefonisch, elektronisch und durch gegenseitige Besuche aufrechterhalten werden. Zudem würden die minderjährigen Beschwerdeführer gemeinsam mit ihren Eltern in den Herkunftsstaat zurückkehren und dort weitere Verwandte als soziale Anknüpfungspunkte vorfinden. Mit Blick auf diese Sachlage würde das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführer im Bundesgebiet deren Privatinteressen an einem Verbleib hier überwiegen. Daher gebiete es Art. 8 EMRK nicht, den Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufrechtzuerhalten und ihnen die begehrten Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen. Zudem seien keinerlei Gefährdungen der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat zu erwarten, welche mit Blick auf Art. 2 und 3 EMRK sowie ihrer Zusatzprotokolle Nr. 6 und 13 der Feststellung der Zulässigkeit ihre Abschiebung entgegenstehen würden. Schließlich sei eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Bescheide für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer festzulegen.

Die Bescheide wurden den Beschwerdeführern am 24.06.2017 zugestellt.

5. Gegen diese Bescheide richten sich die hier zu erledigenden gleichlautenden Beschwerden, welche beim Bundesamt am 10.07.2017 per Email einlangten. Darin rügen die Beschwerdeführer, dass das Ermittlungsverfahren des Bundesamts mangelhaft geblieben sei, was zu unrichtigen Feststellungen geführt habe. Insbesondere habe das Bundesamt die Integrationsleistungen der Beschwerdeführer nur unzureichend erhoben. Ferner würden die angefochtenen Bescheide auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhen. Insbesondere seien die Integrationsleistungen der Beschwerdeführer in Österreich derart intensiv und ihre Bindungen zum Herkunftsstaat so reduziert, dass ihnen das Bundesamt mit Blick auf Art. 8 EMRK Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen gehabt hätte.

6. Im Beschwerdeverfahren hielt das Bundesveraltungsgericht am 09.05.2018 eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erst- und Viertbeschwerdeführers sowie der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin, einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch und einer durch die Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugin ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz, der dazu ergangenen Bescheide des Bundesasylamtes und des Bundesamtes sowie der Erkenntnisse des Asylgerichtshofes, der in diesen Verfahren vorgelegten Schriftsätze samt vorgelegter Unterlagen, der Einvernahmen der Beschwerdeführer sowie auf Grund der gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 17.02.2017, der Stellungnahme der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesamt, der durch diese vorgelegten Urkunden, der angefochtenen Bescheide, der gegen diese erhobenen Beschwerden, der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakte, das Zentrale Melderegister, das Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem und das Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin reisten am 20.01.2007 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Diesen Antrag begründete der Erstbeschwerdeführer - nach zum Teil wesentlichen Änderungen seines Vorbringens - letztlich unter anderem damit, dass für ihn im Herkunftsstaat aus religiösen Gründen Lebensgefahr bestehe, weil er seine Religion nicht so ausüben könne, wie er wolle. Denn man werde gezwungen, den Sufisten zu folgen. Der Erstbeschwerdeführer wolle aber dem "richtigen" Islam folgen, den Sunniten, den Vorschriften des Korans und des Propheten Mohammed. Deswegen würde er von der tschetschenischen Regierung verfolgt werden. Es herrsche Religionszwang; bei seiner Rückkehr müsse er sich entweder dem tschetschenischen Widerstand anschließen oder der tschetschenischen Regierung. Auch die Zweitbeschwerdeführerin begründete diesen Asylantrag - ebenso nach umfangreichen Modifikationen ihres ursprünglichen Vorbringens - letztlich unter anderem ebenso damit, dass sie dem "richtigen" Islam folgen wolle, was in Tschetschenien verboten sei, weswegen sie dort Repressionen erwarte.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 20.02.2007 wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung der Anträge Polen zuständig sei; unter einem wurden sie nach Polen ausgewiesen.

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats (im Folgenden UBAS) vom 16.03.2007 wurde den Berufungen des Erstbeschwerdeführers wie der Zweitbeschwerdeführerin stattgegeben und die Angelegenheiten zur Durchführung des materiellen Verfahrens zurückverwiesen.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 12.11.2007 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und sie aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Mit Bescheiden des UBAS vom 18.02.2008 wurde der gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen des Erstbeschwerdeführers wie der Zweitbeschwerdeführerin stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Am 25.02.2008 wurde die Drittbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren. Am 12.03.2008 wurde für sie ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Für sie wurden ausschließlich die Fluchtvorbringen ihrer Eltern geltend gemacht.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.07.2008 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers, der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Am XXXX wurde der Viertbeschwerdeführer im Bundesgebiet geboren. Am 05.10.2009 wurde für ihn ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Zur Begründung wurde auf das Fluchtvorbringen seiner Mutter sowie darauf verwiesen, dass die Säuglingssterblichkeit im Herkunftsstaat hoch sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 30.03.2010 für den Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen; unter einem wurde der Viertbeschwerdeführer in die Russische Föderation ausgewiesen.

Am XXXX wurde die Fünftbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren. Am 27.11.2012 wurde für sie ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 19.03.2010 für den Status der Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen; unter einem wurde die Fünftbeschwerdeführer in die Russische Föderation ausgewiesen.

Sämtliche Beschwerdeführer (mit Ausnahme des damals noch nicht geborenen Sechstbeschwerdeführers) erhoben gegen die jeweils an sie adressierten Bescheide des Bundesasylamts, mit welchen ihnen weder der Status von Asyl- noch von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und sie in die Russische Föderation ausgewiesen worden waren, Beschwerden. Die Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie des Viertbeschwerdeführers und der Fünftbeschwerdeführerin wurden durch den Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 14.05.2013 gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 aF als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen am 19.06.2013 in Rechtskraft.

Am 14.10.2013 stellten sämtliche Beschwerdeführer (mit Ausnahme des damals noch nicht geborenen Sechstbeschwerdeführers) neuerliche Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Der Erstbeschwerdeführer begründete seinen Folgeantrag im Wesentlichen damit, dass er und die übrigen Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Repressionen ausgesetzt wären, weil er kein Sufist sei und deswegen nicht über einen Vermittler, sondern direkt zu Gott bete. Wegen seiner religiösen Überzeugung habe er im Herkunftsstaat staatliche Repressionen, insbesondere auch seitens des Bruders seines Schwiegervaters, welcher der tschetschenischen Regierung angehöre, zu erwarten. Auch wegen der Politik und weil der Erstbeschwerdeführer dort kein Recht auf eine eigene Meinung hätte, könne er nicht in die Russische Föderation zurückkehren. Auch die Zweitbeschwerdeführerin behauptete im Wesentlichen, sie und ihre Familie habe Repressionen der tschetschenischen Regierung - motiviert vor allem durch ihren Onkel, der für diese tätig sei und über das Asylverfahren in Österreich und dessen Ausgang bescheid wisse - zu erwarten. Denn sie würde sich nicht zu der in Tschetschenien vorherrschenden Richtung des Islam bekennen, weil diese Heiligenverehrung einschließe; sie bekenne sich zu einer anderen Richtung des Islam. Auch dürfte sich die Zweitbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat nicht wie in Österreich verschleiern.

Für die minderjährigen Beschwerdeführer wurden ausschließlich die Fluchtvorbringen ihrer Eltern ins Treffen geführt.

Diese Folgeanträge vom 14.10.2013 wurden mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 09.11.2013 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Erstbeschwerdeführer, die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie der Viertbeschwerdeführer und die Fünftbeschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin, des Viertbeschwerdeführers und der Fünftbeschwerdeführerin wurden durch den Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 06.12.2013 als unbegründet abgewiesen. Denn es seien keine Vorbringen erstattet worden, die neue Rechtssachen hätte entstehen lassen; über die gesamten Vorbringen zu den Anträgen auf internationalen Schutz vom 14.10.2013 sei schon zuvor mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 14.05.2013 abgesprochen worden. Ferner würden weder die Integration der Beschwerdeführer in Österreich noch Rückkehrhindernisse im Herkunftsstaat ihrer Ausweisung entgegenstehen. Unter einem wurde die Durchführung der Ausweisungen der Beschwerdeführer bis 07.05.2014 aufgeschoben, weil die Zweitbeschwerdeführerin schwanger war und sich nach ihrer Niederkunft bis zum 07.05.2014 erholen werde müssen, um Schäden an ihrer Gesundheit durch die Abschiebung zu vermeiden. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

Am XXXX wurde der Sechstbeschwerdeführer im Bundesgebiet geboren. Für ihn wurde kein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Am 17.02.2017 stellten sämtliche Beschwerdeführer Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Konkret beantragten sie die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, weil sie Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllen würden.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden wurden diese Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen. Unter einem wurden gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 gegen die Beschwerdeführer lassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 11.08.2008 wurde gegen den Erstbeschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen. Über Antrag des Erstbeschwerdeführers wurde dieses mit Bescheid des Bundesamts vom 20.10.2016 aufgehoben.

Am XXXX wurde das jüngste Kind von Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin, XXXX , im Bundesgebiet geboren. Für dieses wurde weder ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt noch ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 beantragt. Mit von Amts wegen erlassenem Bescheid des Bundesamtes vom 26.06.2018 wurden XXXX Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt; unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt; einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.2. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern der übrigen Beschwerdeführer. Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Operation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und weisen die im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichneten Identitäten auf. Im Herkunftsstaat lebten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor ihrer Ausreise zuletzt in Alchan-Jurt in Tschetschenien.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin halten sich seit dem 20.01.2007 durchgehend im Bundesgebiet auf; die übrigen Beschwerdeführer wurden bereits im Bundesgebiet geboren und haben dieses noch nie verlassen.

Sämtliche Beschwerdeführer sind gesund. Die volljährigen Beschwerdeführer sind arbeitsfähig.

Sämtliche Beschwerdeführer leben in Österreich in einem Haushalt; auch XXXX wohnt dort.

Ein Onkel des Erstbeschwerdeführers hält sich im Bundesgebiet auf. Zu ihm steht der Erstbeschwerdeführer telefonisch in Kontakt, trifft ihn jedoch selten persönlich. Die übrigen Beschwerdeführer haben zu diesem Onkel nahezu keinen Kontakt. Während der Haftstrafe des Erstbeschwerdeführers unterstützte er die Beschwerdeführer finanziell; derzeit erhalten die Beschwerdeführer keine finanzielle Unterstützung mehr durch diesen Onkel. Der Onkel lebt mit den Beschwerdeführern nicht in einem Haushalt.

Im Herkunftsstaat halten sich nach wie vor der Vater, die Mutter, der Bruder, zwei Schwestern, sieben Tanten und ein Onkel des Erstbeschwerdeführers auf. Zu seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester steht der Erstbeschwerdeführer täglich per Skype oder WhatsApp in Kontakt. Die minderjährigen Beschwerdeführer haben zu diesen Verwandten ebenso per Videotelefonie Kontakt und unterhalten sich mit ihnen auf Tschetschenisch.

Im Herkunftsstaat hält sich ferner eine Reihe von Verwandten der Zweitbeschwerdeführerin, darunter ihre Mutter und ihr Bruder, auf. Zur Mutter steht die Zweitbeschwerdeführerin jeden zweiten Tag per Video- oder herkömmlicher Telefonie in Kontakt. Anlässlich dieser Kontaktaufnahmen der Zweitbeschwerdeführerin unterhalten sich auch die minderjährigen Beschwerdeführer mit ihrer Großmutter in tschetschenischer Sprache.

Der Erstbeschwerdeführer kann sich in der deutschen Sprache - von grammatikalischen Ungereimtheiten abgesehen - gut ausdrücken und versteht gesprochenes Deutsch ausnahmslos. Er hat auch das "B1 Zertifikat Deutsch Österreich" des ÖSD erlangt. Die Zweitbeschwerdeführerin beherrscht Deutsch - abgesehen von vereinzelten fehlerhaften Satzstellungen - weitgehend fehlerfrei und versteht gesprochenes Deutsch ausnahmslos. Sie hat auch das Diplom "A2 Grundstufe Deutsch 2" des ÖSD erlangt. Der Erstbeschwerdeführer wie die Zweitbeschwerdeführerin beherrschen zudem die tschetschenische und die russische Sprache.

Die minderjährigen Beschwerdeführer beherrschen die tschetschenische und die deutsche Sprache auf muttersprachlichem Niveau bzw erlernen sie diese Sprachen derzeit als Muttersprachen. Die Drittbeschwerdeführerin kann zudem auf schlechtem Niveau Russisch sprechen, jedoch nicht auf Russisch schreiben.

Sämtliche Beschwerdeführer beziehen Leistungen der Grundversorgung; in Summe erhalten sie dadurch Euro 750 pro Monat, woraus sie den überwiegenden Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten. Der Erstbeschwerdeführer ist zudem ohne Anmeldung erwerbstätig und verdient damit im Durchschnitt zwischen Euro 400 und 450 pro Monat. Für den Fall, dass dies rechtlich möglich würde, würde der Beschwerdeführer bei einem Unternehmen für Landschaftsgestaltung in Vollzeitbeschäftigung (40 h pro Woche) zu einem Lohn von Euro 1000 netto angestellt werden. Über weitere konkrete Zusagen nach Erteilung eines Zugangs zum Arbeitsmarkt, eine Anstellung antreten zu können, verfügt der Erstbeschwerdeführer nicht.

Im Bundesgebiet waren die Beschwerdeführer nie legal erwerbstätig.

Von 2007 bis 2009 arbeitete die Zweitbeschwerdeführerin ohne Anmeldung als Reinigungskraft.

Ehrenamtlich übersetzte die Zweitbeschwerdeführerin zudem in der Vergangenheit für Tschetschenen bei Krankenhaus- und Arztbesuchen sowie für einen Verein.

Die Drittbeschwerdeführerin hat die Volksschule in Österreich besucht und gerade abgeschlossen; der Viertbeschwerdeführer besucht in Österreich die Volkschule. Die Fünftbeschwerdeführerin und der Sechstbeschwerdeführer besuchen den Kindergarten.

Drittbeschwerdeführerin und Viertbeschwerdeführer erzielten bislang in der Volksschule sehr gute Benotungen. Der Viertbeschwerdeführer ist in die Schulgemeinschaft der Volksschule intensiv integriert; bei der Drittbeschwerdeführerin war dies bislang ebenso der Fall. Seit Beginn des Schuljahres 2018/19 besucht die Drittbeschwerdeführerin die erste Klasse einer Allgemeinbildenden Höheren Schule.

Sämtliche Beschwerdeführer unterhalten intensiv und regelmäßig gepflegte freundschaftliche Beziehungen zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen, darunter auch österreichische Staatsangehörige und sonstige Unionsbürger.

Die Beschwerdeführer gehören keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen in Österreich an.

Der Erstbeschwerdeführer weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

-

Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 28.02.2008: Sechs Monate Freiheitsstrafe bedingt als Junger Erwachsener gemäß § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung);

-

Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 08.07.2008: ein Jahr Freiheitsstrafe als Junger Erwachsener gemäß § 142 Abs. 1 iVm § 12

                 3.       Fall sowie § 143 2. Fall StGB (schwerer Raub);

-

Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 25.11.2010: acht Monate Freiheitsstrafe bedingt als Junger Erwachsener gemäß § 84 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung);

-

Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 29.04.2016: drei Monate Freiheitsstrafe gemäß § 107 Abs. 1 StGB (gefährliche Drohung).

Zuletzt war der Erstbeschwerdeführer von 28.02.2017 bis 28.05.2017 in Strafhaft.

Die Zweitbeschwerdeführerin weist folgende strafgerichtliche Verurteilung auf:

-

Urteil des LG für Strafsachen Graz vom 17.08.2016: fünf Monate Freiheitsstrafe bedingt gemäß § 288 Abs. 1 StGB (falsche Beweisaussage).

Nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat haben die Beschwerdeführer keine finanziellen Probleme zu erwarten. Denn die Mutter des Erstbeschwerdeführers ist dazu in der Lage, sie zu unterstützen. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers lebt nach wie vor dort und ist finanziell gut situiert, weil sie einen Bekleidungshandel betreibt. Auch hätte die Zweitbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat die Möglichkeit, ihre universitäre Ausbildung (Studienfächer Mathematik und Informatik) rasch zu vervollständigen und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Die volljährigen Beschwerdeführer besuchen derzeit im Bundesgebiet weder Kurse noch sonstige Fortbildungen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat im Herkunftsstaat die Studien der Fächer Mathematik und Informatik begonnen und bräuchte noch zwei Jahre des Studienfortschrittes, um diese zu beenden. Die Fortsetzung ihres Studiums hat sie für die Zeit in Aussicht genommen, wenn auch ihr jüngstes Kind den Kindergarten besucht. Für den Fall ihres Studienabschlusses wurde ihr eine Anstellung in einem IT-Unternehmen in Österreich in Aussicht gestellt. Auch verfügt sie über die Zusage eines Vereines, sie im geringfügigen Umfang als muttersprachliche Assistentin anzustellen, sobald sie einen Aufenthaltstitel mit Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhält.

Die Beschwerdeführer haben im Herkunftsstaat keine Übergriffe ernstlich zu erwarten hätten, weil sie die in Tschetschenien vorherrschende Richtung des Islam, den Sufismus, ablehnen und stattdessen einer anderen Richtung des Islam folgen. Auch sonst sind keine gezielt gegen die Beschwerdeführer gerichteten Bedrohungen im Herkunftsstaat feststellbar.

1.3. Zur Lage in der Russischen Föderation, insbesondere Tschetschenien, stellt das Bundesverwaltungsgericht folgende Ausführungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 21.07.2017 in der Fassung der letzten Kurzinformation vom 07.02. 2018 als örtliche Gegebenheiten im Herkunftsstaat fest:

"Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

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Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

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RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

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Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen im September 2016, wenn auch das Republikoberhaupt gewählt wird, durchzuführen. Die Entscheidung erklärte man mit potentiellen Einsparungen durch das Zusammenlegen der beiden Wahlgänge, Experten gehen jedoch davon aus, dass Kadyrow einen Teil der Abgeordneten durch jüngere, aus seinem Umfeld stammende Politiker ersetzen möchte. Bei den Wahlen vom 18. September 2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Den offiziellen Angaben zufolge wurde Kadyrow mit über 97% der Stimmen im Amt des Oberhauptes der Republik bestätigt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld HRW über Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte (ÖB Moskau 12.2016). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 24.1.2017).

Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die darauf aus wären, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtlern, aber auch von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert. Im März ernannte Präsident Putin Kadyrow im Zusammenhang mit dessen im April auslaufender Amtszeit zum Interims-Oberhaupt der Republik und drückte seine Unterstützung für Kadyrows erneute Kandidatur aus. Bei den Wahlen im September 2016 wurde Kadyrow laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt, wohingegen unabhängige Medien von krassen Regelverstößen bei der Wahl berichteten (ÖB Moskau 12.2016). Im Vorfeld dieser Wahlen zielten lokale Behörden auf Kritiker und Personen, die als nicht loyal zu Kadyrow gelten ab, z.B. mittels Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlungen, Todesdrohungen und Androhung von Gewalt gegenüber Verwandten (HRW 12.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/334746/476500_de.html, Zugriff 28.6.2017)

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html, Zugriff 21.6.2017

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Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 21.6.2017

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren ab

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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