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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des CN, (geboren am 10. Mai 1967), in Innsbruck, vertreten durch Dr. Lothar Stix, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 4. September 1996, Zl. IV 86/96, betreffend Versagung der Ausstellung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 4. September 1996 wurde dem Beschwerdeführer die Ausstellung eines Reisepasses gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, idF BGBl. Nr. 507/1995 (im Folgenden: PassG), versagt.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers aus, dass dieser vom Landesgericht Innsbruck am 30. August 1994 wegen schweren Diebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe und am 22. Februar 1996 wegen des versuchten Verbrechens nach den §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz (SGG) und wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Der letztgenannten Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass er und ein namentlich genannter Mittäter in Innsbruck, Hall in Tirol und anderen Orten am 24. Oktober 1995 im bewussten und gewollten Zusammenwirken den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 86,3 g Heroin mit einer Heroinbase von 5,1 g, durch Verkauf an einen als verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres auftretenden Beamten in Verkehr zu setzen versucht hätten und dass er außer den Fällen der §§ 12 und 14a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben, besessen bzw. anderen überlassen habe, und zwar am 23. Oktober 1995 durch Übergabe eines Briefchens Heroin an einen als verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres auftretenden Beamten zu Probezwecken, am 24. Oktober 1995 durch Besitz von 5 g Heroin und um den 24. Oktober 1995 durch Konsum von nicht mehr feststellbaren Mengen Heroin. Der Handel mit Suchtgiften stelle in Anbetracht des um sich greifenden Missbrauches von Suchtgiften jedenfalls eine Gefährdung der Allgemeinheit und damit zugleich eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Republik Österreich dar. Da die Gefahr einer Wiederholung gerade zum Wesen eines solchen deliktischen Verhaltens gehöre, könne die Versagung der Ausstellung eines Reisepasses auf § 14 Abs 1 Z. 4 PassG gestützt werden. Die Vorstrafe des Beschwerdeführers vom 30. August 1994 und das seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 22. Februar 1996 zugrundeliegende Gesamt-Fehlverhalten sei eine geeignete Grundlage für die Erstellung einer - negativen - "Zukunftsprognose" über sein künftiges Verhalten in Bezug auf Delikte auf dem Suchtgiftsektor (§ 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG). Die Maßnahme der Versagung der Ausstellung eines Reisedokumentes stelle keine (Zusatz-)Strafe dar, und es sei dafür auch nicht das Kriterium der Drogenabhängigkeit oder Drogenfreiheit von primärer Bedeutung, sondern komme ihr die Funktion einer Sicherungsmaßnahme zu, die die betroffene Person während eines längeren Zeitraumes am Grenzübertritt und damit u. a. auch an der Möglichkeit der Gefährdung der Volksgesundheit durch einen Auslandsaufenthalt hindern solle. Auch handle es sich bei dieser Maßnahme der Passbehörde nicht um eine Ermessensentscheidung und könnten dabei private, also wirtschaftliche oder höchstpersönliche Interessen des Betroffenen nicht berücksichtigt werden. Um sich im Inland erforderlichenfalls ausweisen zu können, sei ein Reisedokument nicht erforderlich und genüge beispielsweise ein "Postausweis".
Da die Aufnahme einer Versagungsdauer in den Spruch eines Versagungsbescheides gesetzlich nicht vorgesehen und daher nicht möglich sei und eine entsprechende richtungsweisende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf diese Zeitraumfrage nicht bestehe, hätten die Passbehörden in den letzten Jahren eine angemessene Praxis entwickelt. Als Mindestdauer für die Versagung der Ausstellung eines Reisedokumentes und damit die Anspruchserlangung auf die spätere Neuausstellung eines solchen werde ein Zeitraum absoluten Wohlverhaltens in Bezug auf die Begehung von Drogendelikten im Ausmaß von drei Jahren ab Begehung der letzten strafbaren Verhaltensweise nach dem SGG oder der entsprechenden Rechtsnorm eines anderen Staates angesehen. Die Unterschreitung dieses Zeitraumes würde das Instrumentarium der Passversagung ad absurdum führen. Als Durchschnittszeitraum werde eine Dauer von fünf Jahren (Frist nach dem Tilgungsgesetz) angesehen, die je nach der Lage des Einzelfalles unterschritten oder überschritten werden könne. Bei Verbüßung einer Freiheitsstrafe müsse sich die betroffene Person jedoch zumindest ein Jahr, rückgerechnet ab dem Ende des Zeitraumes notwendigen Wohlverhaltens, in Freiheit befunden haben. Genau dieser Zeitraum werde jeweils von der örtlich zuständigen Passbehörde erster Instanz bestimmt, wenn die von der Versagung der Ausstellung eines Reisedokuments betroffene Person neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines solchen stelle und dann diese Behörde auf Grund der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sachlage eine Entscheidung zu treffen habe.
Die Verwaltungsbehörde sei an die "Zukunftsprognose" eines Gerichtes nicht gebunden, sondern müsse eine eigene Prognose erstellen. Das Landesgericht Innsbruck habe nach dem Passgesetz keine sachliche Zuständigkeit. Das "Geltendmachen eines Passversagungsgrundes von Seiten des Gerichtes" betreffe ausschließlich den Passversagungsgrund des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. a PassG. Auf "kriminalpolizeilichen Erhebungen mit dem Ergebnis, dass sich der Antragsteller noch nicht vollständig von der Suchtgiftszene gelöst hat und derzeit keiner geregelten Beschäftigung nachgeht", basiere die Passversagung ohnehin nicht (mehr). Eine Verurteilung, schon gar nicht eine mehrfache Verurteilung wegen Suchtgiftdelikten sei nicht Voraussetzung für eine Passversagung gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 PassG, zumal der Beschwerdeführer laut dem Urteil vom 22. Februar 1996 mehrmals (am 23. und 24. Oktober 1995) Suchtgiftdelikte begangen habe. Dass im gerichtlichen Strafverfahren "keinerlei Auslandsbezug" festgestellt worden sei, lasse für ihn nichts gewinnen, weil die Maßnahme der Passversagung der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung eines Reisedokuments diene und daher nicht voraussetze, dass bereits tatsächlich eine solche stattgefunden habe. Dass Parteien angesichts konkret drohender passrechtlicher Maßnahmen auf allfällige Therapieerfolge verweisen, sei eine Erfahrungstatsache. Die seit den (Suchtgift-)Straftaten verstrichene Zeit sei jedenfalls noch viel zu kurz, um dem Beschwerdeführer seriöserweise eine dauerhafte Änderung seiner Einstellung hin zu einem rechtstreuen Menschen attestieren zu können. Einen tatsächlichen Gesinnungswandel hin zu einem dauerhaft rechtstreuen Menschen bzw. seine dauerhafte Lösung von der Suchtgiftszene müsse er daher - vor allem nach seiner Entlassung aus der gerichtlichen Strafhaft - erst einmal im Inland unter Beweis stellen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 9. Juni 1997, B 3459/96). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 PassG lauten:
"§ 14 (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn
....
3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um
....
f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder
4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde."
2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung nach dem SGG zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 18 Monaten und insbesondere nicht die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die dieser Verurteilung zugrunde liegenden Handlungen. Im Hinblick auf das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers und das Erfahrungswissen, dass gerade bei einem Delikt gemäß § 12 SGG die Wiederholungsgefahr besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/18/0267, mwN), begegnen die hinsichtlich des Beschwerdeführers getroffene negative Prognose und die Annahme der belangten Behörde, dass er den Reisepass zu Handlungen iS des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG benützen und dadurch die innere Sicherheit der Republik Österreich iS des § 14 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. gefährdet würde, keinem Einwand. Anders als die Beschwerde meint, ist der belangten Behörde bei der vorliegenden Entscheidung auch kein Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1998, Zl. 98/18/0017). Die belangte Behörde war vielmehr in Anbetracht des Umstandes, dass der seit der Begehung der Straftaten nach dem SGG verstrichene Zeitraum zu kurz ist, um eine hinreichend verlässliche Prognose des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers stellen zu können, verpflichtet, die Ausstellung des Reisepasses zu versagen, sodass auch der Beschwerdevorwurf ins Leere geht, dass die belangte Behörde ihre "Ermessensentscheidung" unzureichend begründet habe.
Mit dem weiteren Vorbringen, es sei die auf Grund kriminalpolizeilicher Erhebungen getroffene Feststellung nicht nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer noch nicht vollständig von der Suchtgiftszene gelöst hätte, übersieht die Beschwerde, dass die belangte Behörde ihren Bescheid ohnedies nicht auf diese (im erstinstanzlichen Bescheid getroffene) Feststellung gestützt hat (vgl. Seite 5 des angefochtenen Bescheides). Im Übrigen bestünde, selbst wenn der Beschwerdeführer - wie die Beschwerde vorbringt - auf Grund einer Drogentherapie in Vorarlberg bzw. der Verbüßung seiner Freiheitsstrafe keine Möglichkeit haben sollte, Kontakte zur Suchtgiftszene zu pflegen, und er daher zur Zeit keine Verbindung zu diesem Personenkreis haben sollte, angesichts der besagten großen Wiederholungsgefahr keine Gewähr dafür, dass er den Reisepass nicht zu den in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG verpönten Handlungen missbrauchen würde.
Auch das weitere Beschwerdevorbringen, dass der ärztliche Leiter der Therapiestation einen Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers gutgeheißen habe, durch einen Auslandsaufenthalt eine Distanzierung des Beschwerdeführers zur gewohnten Umgebung in Innsbruck herbeigeführt und von ihm im Ausland eine berufliche Tätigkeit ausgeübt werden könnte sowie infolge der Versagung des Reisepasses die Ziele des § 23a SGG und des Strafvollzugsgesetzes unterlaufen würden, ist nicht zielführend. Abgesehen davon, dass nicht nachvollziehbar ist, inwieweit eine derartige örtliche Distanzierung des Beschwerdeführers von Innsbruck nicht auch durch einen Aufenthalt im übrigen Bundesgebiet von Österreich herbeigeführt werden könnte, verkennt die Beschwerde, dass bei der Versagung eines Reisepasses nach dem Passgesetz auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen nicht Rücksicht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0173, mwN).
Dem weiteren Beschwerdeargument, dass das Landesgericht (nach Ausweis der Verwaltungsakten: die Staatsanwaltschaft) Innsbruck keinen Passversagungsgrund geltend gemacht habe, ist zu erwidern, dass die Passbehörde die Frage des Vorliegens eines Passversagungsgrundes nach den hiefür vom Gesetz vorgegebenen Kriterien eigenständig zu beurteilen hat, ohne an (zum PassG angestellte) Erwägungen einer Justizbehörde gebunden zu sein (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 99/18/0267).
3. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Oktober 1999
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997180443.X00Im RIS seit
20.02.2002