TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/11 W105 2172924-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.09.2018
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Entscheidungsdatum

11.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W105 2172924-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald Benda als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2017, Zahl 1111406808-160528935, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.02.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der am XXXX geborene Antragssteller, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016.

Im Rahmen der niederschriftlichen Ersteinvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 13.04.2016 gab der Antragsteller zu seinen Fluchtgründen an, dass die Afghanen einerseits von den Taliban gezwungen worden seien, für sie zu kämpfen und andererseits auch von der pakistanischen Regierung gezwungen worden wären für diese gegen die Taliban zu kämpfen. Er sei kein Freund des Tötens. Aus diesem Grund sei er geflohen.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2016 wurde der Antragssteller befragt, ob seine bisher im Verfahren getätigten Angaben der Wahrheit entsprächen und führte er hierbei aus, er habe bei der polizeilichen Erstbefragung aus Scham vor dem Dolmetscher nicht alles vorgebracht und konkretisierte er sodann, er habe in Afghanistan eine feste Beziehung mit einem Mädchen gehabt und als ihr Vater und Bruder dies erfahren hätten, hätten sie ihn bedroht. Das Problem an der Sache sei gewesen, dass er eigentlich in Afghanistan verheiratet sei und zwei Kinder habe. Im weiteren machte er seine Ehefrau und die beiden minderjährigen Kinder namhaft.

2. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2016 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und wurde festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604 aus 2013 des europäischen Parlaments und des Rates Ungarn zuständig ist. Gemäß § 61 Abs. 1 Z. 1 FPG wurde gegen den Antragssteller die Außerlandesbringung angeordnet sowie dessen Abschiebung nach Ungarn für zulässig erklärt. Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2016 gemäß § 21 Abs. 3, 1. Satz BFA-VG stattgegeben, der Asylantrag zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

3. Der Antragssteller wurde sodann durch die Erstbehörde für den 18.09.2017 vorgeladen und niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er zentral an, zur Volksgruppe der Paschtunen zu gehören und sunnitischer Moslem zu sein. Weiterhin gab der Antragsteller an, in Pakistan als Flüchtling gelebt zu haben. Weiters gab der Antragssteller an, am XXXX in Pakistan (genaue Bezeichnung der Ortschaft) geboren zu sein und würde die Familie ursprünglich aus Afghanistan stammen. Er habe in Pakistan vier Jahre die Schule besucht und würde seine Familie drei Geschäfte, darunter zwei Schuhgeschäfte und ein Bekleidungsgeschäft besitzen. Nach der Schule habe er in den Geschäften zu arbeiten begonnen und habe er dies bis zur Ausreise gemacht. Auf weiteres Befragen führte der Antragssteller genau aus, welche Angehörigen er in Pakistan habe sowie sagte er aus, von der eigenen Familie im Herkunftsstaat niemanden zu haben. Er sei im Gefolge einer Zwangsehe traditionell verheiratet und habe er zwei minderjährige Söhne. Seine Ehegattin befinde sich bei deren Eltern. Befragt nach konkreten Problemen mit den Behörden des Heimatstaates bzw. Pakistan führte der Antragssteller aus, er habe Probleme mit dem pakistanischen Staat gehabt und habe man sie dort unterdrückt und hätten sie keine Rechte.

Aufgefordert konkretes und detailliertes Vorbringen zu seinen Fluchtgründen in Hinblick auf seine Asylantragsstellung zu erstatten, führte der Antragssteller aus, er sei damals noch nicht auf der Welt gewesen, als seine Familie wegen der Russen geflüchtet sei. Es habe Krieg geherrscht und seien sie nicht mehr zurückgekehrt. Er sei in Pakistan vielen Probleme begegnet. In jenem (namhaft gemachten) Dorf, wo sie gelebt hätten, hätten sich 90 % der Bewohner den Taliban angeschlossen und sei dies ein großes Problem gewesen und habe es immer wieder heftige Gefechte gegeben. Wenn die Taliban gekommen seien, wären junge Männer vom Staat über Lautsprecher dazu aufgefordert worden, gegen sie zu kämpfen. Wenn man nicht kämpfte, seien staatliche Fahrzeuge gekommen und hätten einem unterstellt, dass man die Taliban unterstütze. Auf der anderen Seite hätten die Taliban Probleme gemacht, wenn man den Staat unterstütze. So hätten die Beamten in der Nacht etwa 20 junge Männer mitgenommen und verpflichtet für sie zu kämpfen. Das zweite Problem bestehe darin, dass er von klein auf eine Freundin gehabt habe, dies schon bevor er verheiratet worden sei. Seine Eltern hätten sogar für ihn um ihre Hand angehalten und sei dies jedoch von deren Eltern abgelehnt worden. Nach seiner eigenen Heirat hätten sie weiterhin heimlich Kontakt zueinander gehabt und sich weiterhin getroffen. Es sei dort zu körperlichem Kontakt gekommen und hätten sie Sex gehabt. Sie sei von ihm schwanger geworden und hätte ihr ein Arzt dann Medikamente gegeben und hätten diese jedoch nicht gewirkt. Der Arzt habe sodann gemeint, eine Abtreibung könne nur in einem Krankenhaus gemacht werden. In weiterer Folge habe der Antragssteller mit Hilfe einer List organisiert, dass seine Geliebte das Spital aufsuchen könnte. Die Geschwister der Frau seien jedoch ebenfalls zum Zeitpunkt der Voruntersuchung ins Spital gekommen und hätten herausgefunden, wo sie gewesen seien und hätte das ganze Dorf dann alles erfahren. Er sei zu seinem Onkel geflüchtet und sei die Bezugsperson geschlagen worden. Der Onkel habe sodann einen Schlepper gefunden, ihn 10 oder 12 Tage versteckt und sei er in den Iran ausgereist. Es habe eine Ratsversammlung stattgefunden und habe der Dorfvorsteher entschieden, dass sie beide gesteinigt werden sollten. Weiters sei entschieden worden, dass das Haus der Familie angezündet werde und habe deshalb auch seine Familie mit ihm gebrochen.

Im weiteren wurde der Antragssteller darauf hingewiesen das er bei jeder Einvernahme sein Fluchtvorbringen steigere - so habe er bei der Ersteinvernahme angegeben, dass er nicht habe kämpfen wollen, bei der zweiten Einvernahme habe er ausgesagt, dass er von Bruder und Vater bedroht worden sei und nunmehr gebe er an getötet zu werden und sei das Haus angezündet worden. Hierauf erwiderte der Antragssteller, dass er bei der Ersteinvernahme aus Scham die „heiklen Sachen'' nicht angegeben hätte.

Letztlich wurde der Antragssteller danach befragt, weshalb er nicht nach Kabul geflüchtet sei und gab er hiezu an, er könne in Afghanistan nicht leben und sei ein Onkel ein Talibankommandant und könnten diese in Afghanistan oder Pakistan Mordaufträge erteilen. Er könne sich nicht ein Leben lang verstecken und würde er früher oder später gefunden werden. Konkret befürchte er, dass sie jemanden beauftragen würden ihn zu töten. Er könne aus diesem Grund auch nicht nach Kabul.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Behörde beurteilte das Vorbringen, dass der Antragssteller keine Gefährdungslage in Afghanistan glaubhaft vorgebracht habe und liege keine allgemeine Gefährdungslage für dessen Heimatprovinz vor und könne er seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. Weiters könne er auf Unterstützung seiner Familie sowie der Paschtunen zählen.

Zum zentralen Kern der Bewertung der Angaben des Antragsstellers zu einem Gefährdungspotential wurde ausgeführt wie folgt:

„ Aufgrund folgender Fakten wird Ihr Fluchtvorbringen jedoch als nicht glaubhaft erkannt. So haben Sie in Ihrer freien Erzählung sowie bei weiteren Fragen seitens der Behörde immer nur vage und komplett unpersönlich von "einem Mädchen" sowie "das Mädchen" gesprochen und erst als Sie seitens der Behörde aufgefordert wurden, alle Details über das Mädchen zu nennen, haben Sie erstmals und auch das einzige Mal den Namen Ihrer behaupteten Affäre genannt (siehe EV Seite 8). Dem ist gegenüberzuhalten, dass Sie aufgefordert wurden mit allen Details und lebensnahe Ihre Fluchtgeschichte vorzutragen und andererseits würde jemand, der eine tatsächliche Beziehung mit einem Mädchen gehabt hätte, von sich aus das Mädchen mit dem Namen nennen und nicht in der dritten Person von ihr sprechen, sowie mit Emotionen und Einzelheiten über die Geliebte aufwarten, was Sie komplett unterließen.

Es zeigt sich schon hier eindeutig, dass selbst die marginalsten Details von der Behörde erfragt werden müssen und dies somit klar von einer lebensnahen und emotionsreichen Schilderung abweicht, die eine Liebesbeziehung eigentlich mit sich bringen müsste und Sie mit weit mehr Emotionen und Details aufwarten müssten.

Es ist zudem nicht plausibel, dass Sie den Arzt aufgefordert haben wollen, für die Schwester Ihrer behaupteten Freundin eine CT-Überweisung auszufolgen, und dieser soll diesem Ersuchen nachgekommen sein, damit Sie mit Ihrer Freundin ins Krankenhaus fahren können (siehe EV Seite 6). Es ist für die Behörde nicht plausibel, dass ein Arzt einfach so eine CT-Überweisung anordnet, ohne dass eine medizinische Grundlage dafür vorhanden ist. Weiters ist auch der von ihnen angegebene Preis für die Abtreibung von 4000 Kaldar (rund 31,- €) sehr gering und vor allem im Vergleich zu den Fahrtkosten von 850 Kaldar (rund 7,- €) in einer Relation, welche die Behörde zu der Erkenntnis kommen lässt, dass es sich bei Ihrer Geschichte um ein Konstrukt handeln muss, da nicht plausibel (siehe EV Seite 7 und 11).

Ein Widerspruch ist zudem aufgetreten indem Sie behauptet haben, Sie hätten zuletzt am 10.02.2016 zu dem Mädchen Kontakt gehabt. In Ihrer freien Erzählung schildern Sie aber widersprüchlich, Sie wären an der pakistanisch-iranischen Grenze gewesen und das Mädchen sagte, dass die Familie glaube Sie seien in die Türkei geflohen. Dieser Widerspruch, Sie haben noch nach dem 10.02.2016 Kontakt zu dem Mädchen gehabt, ist ein weiteres Indiz für eine nicht glaubhafte Geschichte, da jemand tatsächlich Erlebtes, Widerspruchsfrei wiedergeben könnte, was Sie nicht getan haben (siehe EV Seite 7 und 8).

Wesentlich ist auch die Tatsache, dass es die Norm ist, dass sich unverheiratete Mädchen im heiratsfähigen Alter, niemals alleine außer Haus bewegen dürfen und immer von einem Familienmitglied begleitet werden. Als Sie darauf seitens der Behörde angesprochen wurden, haben Sie zunächst ausweichende Antworten gegeben und schließlich selbst zugegeben, dass Frauen nicht alleine z.B. Wasser holen (siehe EV Seite 9) und dies lässt die Behörde zu der Feststellung kommen, dass es den Tatsachen entspricht, dass sich Mädchen nicht alleine bewegen dürfen und somit auch die Zusammentreffen bzw. die gemeinsame Fahrt ins Krankenhaus nicht möglich waren, so wie Sie es behaupten.

Ebenso unplausibel ist, dass als Vorstrafe Ihr Haus angezündet worden sein soll. Es ist der Behörde noch nie so ein Urteil einer Ratsversammlung bekannt geworden und weiters ist auch der Zusammenhang Urteil-Bestrafung nicht plausibel, da sonstige drakonische Urteile (z.B. Diebstahl-Hand abhacken) der Scharia, einen gewissen Zusammenhang Tat-Urteil besitzen.

Ein weiterer gravierender Punkt Ihrer Unglaubwürdigkeit ist jener, dass Sie in Ihrer Erstbefragung einen komplett anderen Fluchtgrund angegeben haben und jener in der Erstbefragung grundsätzlich glaubhafter zu werten ist. Auch wenn sich auch die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. idS VfGH 27.06.2012, U 98/12), so ist doch zu berücksichtigen, wenn die Partei in beiden Befragungen gänzlich unterschiedliche Verfolgungsmotive angegeben hat, ohne dass dies logisch nachvollziehbar wäre. Ein derart massiver Widerspruch im Kern des Fluchtvorbringens ist bereits für sich allein geeignet, die Glaubwürdigkeit des gesamten Fluchtvorbringens in Zweifel zu ziehen (AsylGH 21.01.2013, C15 430.798-1/2012). Sie haben zwar bereits zu Beginn gleich versucht den anderen Fluchtgrund durch Probleme während der Erstbefragung zu legitimieren, dem muss aber entgegengehalten werden dass Sie auch schlicht nur "Probleme wegen der Liebe zu einem Mädchen" angeben hätten können und der Kern Ihrer Fluchtgeschichte wäre auch in der Erstbefragung gleichlautend gewesen. Da sich aber die Fluchtgründe absolut konträr darstellen, ist dies, wie angeführt, bereits allein geeignet, die gesamte Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen.

Zusammenfassend stellt die Behörde daher eindeutig fest, dass Ihre komplette Fluchtgeschichte als nicht glaubhaft eingestuft werden muss, und Sie daher auch keiner direkten Gefährdung bzw. Verfolgung so wie Sie es zu behaupten versuchen ausgesetzt waren und somit auch bei einer Rückkehr nicht ausgesetzt wären, zumal Sie Ihre Geschichte nicht glaubhaft vorgebracht haben. Die Behörde geht daher von keiner aktuellen oder künftigen Bedrohung Ihrer Person, vor allem im Heimatland aus. Es liegt in der Natur der Sache, dass die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden muss. Dabei steht die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist grundsätzlich den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren größere Glaubwürdigkeit zuzumessen als späterem Vorbringen. Erfahrungsgemäß machen nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kommen. Als glaubwürdig können Fluchtgründe im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder gar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen und wenn er maßgebliche Tatsachen erst spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die erkennende Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie bloß der Asylerlangung dienen sollen, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen (AsylGH, 7.4.2009, D12 219.513-4/2009/2E; VwGH 06.3.1996, 95/20/0650). Ganz wesentlich ist in Ihrem Fall zudem, dass diese behauptete Geschichte auch in Pakistan staatgefunden haben soll und selbst für den Fall, das die Behörde mit Ihrer Feststellung falsch liegen könnte, und dass Ihr Fluchtvorbringen doch der Wahrheit entspricht, ist in Ihrem Fall eine innerstaatliche Fluchtalternative mit Kabul gegeben, weshalb in Ihrem Fall die Entscheidung jedenfalls sowieso gleichlautend wäre.''

Im weiteren wurde ausgeführt wie folgt:

„ Eine Rückkehr nach Kabul, ist gemäß den Länderfeststellungen derzeit absolut zumutbar, zumal Sie auf soziale Kontakte in Afghanistan zählen können und zudem die paschtunische Volksgruppe für Ihre Unterstützung Sorge trägt, sowie kann Sie auch Ihre Familie aus Pakistan unterstützen.

Dass Sie den Lebensunterhalt in Kabul bestreiten können, konnte auf Grund der entsprechenden Länderfeststellungen festgestellt werden. Sie haben keinen plausiblen Grund angeführt, welcher Sie von einer Rückkehr nach Afghanistan abhalten würde angeführt. Sie haben außer der nicht glaubhaften Bedrohung durch die Familie des Mädchens keine weiteren Rückkehrbefürchtungen vorgebracht (siehe EV Seite 11). Zusätzlich ist auch kein Umstand zu Tage getreten, der anzeigen Würde, dass mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Sie einer direkten Gefährdung in Kabul ausgesetzt wären, wie dies bereits oben festgestellt wurde. Ebenso ist es gerade für junge Menschen ein leichtes, neue soziale Kontakte in einer Ihnen noch weitestgehend unbekannten Umgebung zu knüpfen. Daher besteht kein Zweifel daran, dass Sie sich als arbeitsfähiger und gesunder Paschtune, in Kabul, ohne kultureller, traditioneller und sprachlicher Barrieren, selbst versorgen können, zumal auch ebendort internationale Hilfsorganisationen den Wiedereinstieg für Rückkehrer unterstützen, umso mehr Sie auf die Unterstützung Ihrer Volksgruppe zählen können, so wie dies auch hier in Österreich passiert. Weiters ist Kabul gefahrlos über den Luftweg erreichbar.''

5. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, (in der Folge: AVG) vom 21.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

6. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes zentral vorgebracht, der Antragssteller habe nie in Afghanistan gelebt und sei in Pakistan geboren und aufgewachsen. Er habe zwei Fluchtgründe vorgebracht; einerseits die Gefahr von den Taliban als junger zwangsrekrutierungsfähiger Mann zum Kämpfen gegen die pakistanische Regierung gezwungen zu werden und von der pakistanischen Regierung zum Kämpfen gegen die Taliban gezwungen zu werden. Der Antragssteller sei zwangsweise verheiratet worden und habe zwei Kinder. Er habe eine Freundin, mit der er auch sexuellen Kontakt gehabt habe. Diese sei schwanger geworden und habe er für seine Freundin eine Abtreibung in einem Spital organisiert, ohne die Familie zu informieren. Diese sei dahinter gekommen, woraufhin das Haus des Beschwerdeführers angezündet worden sei und hätte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Freundin gesteinigt werden sollen. Gerügt wurde konkret, dass die getroffenen Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid unvollständig und teilweise unrichtig seien und würden sie zwar allgemeine Aussagen über Afghanistan beinhalten; sich jedoch nur kaum mit dem konkreten Fluchtvorbringen befassen. Die Behörde habe sich nicht mit der Situation von afghanischen Staatsbürgern auseinandergesetzt, welche nie in Afghanistan gelebt hätten und über keine sozialen Kontakte verfügen. Zum Beweis dafür wurde auf ein für das BVwG erstelltes Gutachten verwiesen. Demgemäß hätten Rückkehrer beim Aufbau einer Lebensgrundlage mit gravierenden Schwierigkeiten zu rechnen. Es sei besonders schwierig, sich ohne etwaige Verwandte oder Freunde zurecht zu finden bzw. Zugang zu Arbeitsstätten zu finden. Auf die herrschende allgemeine Arbeitslosigkeit sei verwiesen. Oftmals würden Rückkehrer als "Fremde" oder "Eindringlinge" empfunden. Trotz eines eine solche Diskriminierung verbietenden Dekrets würden Rückkehrer aus dem Iran von der Bevölkerung schikaniert und diskriminiert.

Die belangte Behörde habe auch weiters deren Ermittlungspflicht dadurch verletzt, dass sie trotz Auffälligkeiten des Beschwerdeführers in der Einvernahme, welche auf eine schwere Traumatisierung hindeuten würden, kein fachärztliches Gutachten bezüglich seines psychischen Gesundheitszustandes eingeholt hätte. Zum Beweis diesbezüglich wurden ärztliche Bestätigungen vorgelegt. Im weiteren habe es die belangte Behörde nicht für glaubhaft erachtet, dass der Beschwerdeführer eine CT-Überweisung angeordnet hätte. Der Beschwerdeführer sei mit einem Arzt befreundet gewesen, den er überzeugen hätte können, aufgrund der Notlage des Beschwerdeführers und seiner Freundin die Überweisung bezüglich der Untersuchung der Schwester seiner Freundin zu machen. Im weiteren liege eine falsche Beweiswürdigung dergestalt vor, dass die Behörde keinerlei konkrete Feststellungen zum Kostenverhältnis zwischen der Abtreibung und der Fahrt ins Krankenhaus getätigt habe. Wie die belangte Behörde darauf komme, dass es eine Norm sei, dass Frauen nicht alleine aus dem Haus gehen dürften, bleibe völlig im Dunkeln und basiere vermutlich auf Vorurteilen der belangten Behörde. Sie verkehre die Aussage des Beschwerdeführers, dass Frauen zum Beispiel alleine Wasser holen gehen könnten ins Gegenteil und treffe in der Beweiswürdigung auf Vorurteilen basierende Feststellungen. Die Familie der Freundin sei reich und habe damit die Möglichkeit, ein Kopfgeld auf den Beschwerdeführer auszusetzen und einen Auftragsmörder zu engagieren. Ein Onkel der Familie sei ein hoher Talibankommandant, der über weit verzweigte gute Kontakte verfüge. Die Familie des Beschwerdeführers bedrohe diesen nun, weil sein Haus angezündet worden sei und er die Ehre verletzt habe sowie die religiösen Normen. Unter Hinweis auf die Judikatur des VfGH hätte der Antragssteller im Rahmen der Erstbefragung gar nicht näher zu dessen Fluchtgründen befragt werden dürfen und dürften nunmehr Widersprüche nicht vorrangig auf die Erstbefragung gestützt werden. Die Feststellung der Behörde, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seines islamischen Glaubens von einer islamischen Glaubensgemeinschaft Unterstützung erhalten würde, entbehre jeder Grundlage. Es sei eine notorische Tatsache, dass gerade in Afghanistan viele Konflikte auf Meinungsunterschieden zwischen Gruppen beruhen würden, deren Mitglieder unterschiedlichen islamischen Richtungen angehören würden. Die Tatsache, dass eine nicht näher definierte Vielzahl von Menschen angeblich nach Afghanistan zurückgekehrt sei, sage nichts über die Situation des Beschwerdeführers aus. Die Mutmaßung, dass der Antragssteller in Afghanistan ein Flüchtlingslager in Anspruch nehmen könne, sei dergestalt unbestimmt, dass nicht festgestellt worden sei, wie die gegebene Sicherheit dort sei und sei auch kein bestimmtes Lager genannt worden. Im vorliegenden Fall liege zwar keine vom afghanischen Staat ausgehende Verfolgung vor, jedoch eine Verfolgung von Seiten Privatpersonen für die kein ausreichender Schutz bestehe. Der Antragssteller erfülle wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe jener, die aufgrund der Verletzung der Ehre und der religiösen Normen durch außerehelichen Geschlechtsverkehr und folgende Schwangerschaft und Abtreibung verfolgt würden, die Definition des Flüchtlingsbegriffes. Im weiteren stehe dem Antragssteller entgegen der Ansicht des BFA keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da die Familie seiner Freundin über große finanzielle Mittel verfüge, wodurch sie ein Kopfgeld auf ihn aussetzen könne. Die Rückkehrentscheidung sei aufgrund eines mangelhaft geführten Verfahrens getroffen worden.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 14.02.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm. Dem Beschwerdeführer wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 02.03.2017 (zuletzt aktualisiert am 27.06.2017), sowie das Ländergutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Mag. Karl Mahringer vom 05.03.2017 (Aktualisierung 15.05.2017) im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 14.08.2017 zur Kenntnis gebracht.

9. Mit Eingabe von 05.03.2018 nahm der Antragssteller durch seinen Vertreter schriftlich Stellung und zeigte hierin einerseits die im Verhandlungsprotokoll vom 14.02.2018 erfolgte falsche Schreibweise einzelner Originalbezeichnungen auf sowie verwies er kursorisch auf sein bisheriges Vorbringen sowie insbesondere darauf, dass er unter Asthma leide und seien diesbezügliche Befunde bereits vorgelegt worden. Seine medizinische Versorgung sei in Afghanistan nicht gewährleistet, wobei er einerseits auf die Bezug habenden Passagen des Länderinformationsblattes verwies sowie im weiteren ausführte, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung schwierig sei und seien fehlende finanzielle Ressourcen für junge Rückkehrer ein wesentliches Hindernis, medizinische Versorgung zu erhalten. Weiters hätten Personen mit Depressionen, Angstzuständen und Schlafstörungen keinen Zugang zu therapeutischer Unterstützung. In dem Zusammenhang wurde auf eine Anfragebeantwortung seitens amnesty international vom 05.02.2018 an ein Bundesdeutsches Verwaltungsgericht verwiesen. In Kabul sowie in anderen Großstädten Afghanistans könnte der Antragssteller deshalb nicht leben, weil dort die Luftverschmutzung sehr groß sei und sei dies für Asthma erkrankte Personen tödlich. In diesem Zusammenhang verwies der Antragssteller auf eine dem Internet entnommene Quelle, wonach u.a. Luftverschmutzung größte Risikofaktoren für an Asthma Erkrankte darstellen würden. Auch auf dem Lande könne er nicht leben, da wie aus den Länderberichten zu Afghanistan hervorgehe, dass die medizinische Versorgung am Land prekär sei. Überdies seien Medikamente wie aus gleichen Artikeln hervorgehe, teuer und für viele Haushalte nicht leistbar.

Zudem käme eine Rückkehr für den Antragssteller deshalb nicht in Betracht, da er dabei von unzumutbarer Härte betroffen wäre. Eine Arbeit sei aufgrund der massenhaft zwangsweise aus dem Iran und Pakistan rückkehrenden Menschen bzw. der Masse an intern Vertriebenen für einen Rückkehrer nicht zu finden (Quelle: UNHCR Dezember 2016). In diesem Zusammenhang verwies der Antragssteller des Weiteren auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2017, wobei eine interne Fluchtalternative Kabul in Betracht komme und sei eine solche Rückkehr nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der betreffende Afghane in der Lage ist, sich sofort und aus eigenen Mitteln oder aufgrund von bestehendem Familienanschluss in einem hinreichend sicheren Ort ein sicheres Rückzugsgebiet, vor allem für die Nacht zu schaffen. Zumal der Beschwerdeführer auch in Kabul nicht über ein familiäres und soziales Netzwerk verfüge, wäre er im Falle einer Rückkehr vorerst auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, sich einen Wohnraum zu suchen. Es sei notorisch bekannt, dass sich die Versorgung mit Wohnraum, aber auch mit Nahrungsmitteln, insbesondere für alleinstehende Rückkehrer, meist als sehr schwierig darstellt. Auch der Gerichtsgutachter Mahringer habe diesem nichts entgegen zu setzen und bestätige er, dass in Bezug auf Rückkehrer aus Europa internationale Hilfe nicht funktioniere, sodass nicht damit gerechnet werden dürfe, dass Unterstützung dritter erfolgen könne.

In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf das in redestehende Gutachter Mahringer und zitiert hier auszugsweise wie folgt:

„Es ist ein Versagen der Hilfsanstrengungen der internationalen Organisationen festzustellen [...] Die unkoordinierten Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft konzentrieren sich auf die Binnenflüchtlinge und Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran. Die Rückkehrer aus Europa haben keine Priorität." (GA Mahringer Seite 46)

„Für den Rückkehrer ist es unmöglich in den unübersichtlichen, unkoordinierten Hilfsmöglichkeiten, dass entsprechende Hilfsangebot zu finden (Anlage 8)" (GA Mahringer, Seite 47, Schreibfehler im Original)

Es ist aber auch eine eigene Erwerbstätigkeit nicht ohne Einschränkung möglich, denn bei privaten Arbeitgebern seien Rückkehrer nicht sehr beliebt, weil sie zu hohe Lohnvorstellungen hätten. (vgl. GA Mahringer Seite 37) Und: „Für eine verstärkte Rückführung abgewiesener Flüchtlinge aus Europa fehlt eine den Bedürfnissen der Rückkehrer angebrachte Struktur." (GA Mahringer Seite 44)

Wozu noch kommt, dass Mahringer's Werk nicht als Gutachten, sondern Reisebericht bezeichnet wird (Profil ,Einer wie Keiner-, Nr 7/2018 v 12.02.2018 Seite 20f und

https://www.profil.at/oesterreich/asylverfahren-gutachter-mahringer-pruefstand-9088113).

Mahringer blende in seiner Arbeit Berichte sämtlicher Hilfsorganisationen völlig aus, sein Werk sei zur Einschätzung der Rückkehrmöglichkeit unbrauchbar (Kritik auch von einem namentlich genannten bekannten Afghanistanexperten aus der Schweiz.) Im weiteren wurde auf einen Artikel veröffentlicht im Asylmagazin verwiesen, wonach nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Rückkehrer durch entfernte Verwandte oder Stammesmitglieder Unterstützung erfahren könne und werde ausdrücklich darauf verwiesen, wonach für Rückkehrer aus Europa ein Entführungsrisiko bestehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX im Dorf XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Pashtu. Er besuchte 4 Jahre die Schule und arbeitete in den zwei Schuhgeschäften sowie in dem Bekleidungsgeschäft seiner Familie. In Afghanistan leben nach wie vor die Eltern sowie vier Brüder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers.

Es ist grundsätzlich möglich, dass die Familie des Beschwerdeführers den Beschwerdeführer in Afghanistan finanziell durch Geldüberweisungen oder in anderer Art unterstützt.

Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 bestanden. Er ist strafrechtlich unbescholten, jung und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer besucht derzeit die XXXX .

Der Beschwerdeführer leidet an Asthma bronchiale, Gastritis sowie einer depressiven Verstimmung.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus einer konkreten individuellen Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul, Herat und Mazar-e Sharif mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden zugrunde gelegt:

a) nachstehende Länderberichte über die Lage/Sicherheitslage in Afghanistan, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 02.03.2017 - (auszugsweise werden nur die für die Person des Beschwerdeführers relevanten Stellen angeführt)

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Siehe Kapitel 2 - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Quellen:

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BBC News (9.2.2017): Afghanistan killings: Red Cross halts aid after attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-38912482, Zugriff 23.2.2017

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BBC News (22.5.2016): Taliban leader Mullah Akhtar Mansour killed, Afghans confirm, http://www.bbc.com/news/world-asia-36352559, Zugriff 26.1.2017

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http://www.bbc.com/news/world-asia-35169478, Zugriff 12.1.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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