TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/11 I405 2204694-1

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Veröffentlicht am 11.09.2018
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Entscheidungsdatum

11.09.2018

Norm

AsylG 2005 §33 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I405 2204694-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2018, Zl. 1202199303-180757076, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und der

bekämpfe Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein ägyptischer Staatsangehöriger, stellte im Zuge einer Identitätsfeststellung am Flughafen Wien, XXXX, am 08.08.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab der BF an, dass er aus wirtschaftlichen Gründen aus Amman geflüchtet sei. Er habe nach einer Herz-OP keine Arbeit mehr gefunden und habe er so seine Familie nicht mehr ernähren können.

2. Bei seiner Erstbefragung am 09.08.2018 vor dem SPK Schwechat gab der BF vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinen Fluchtgründen Folgendes an:

"Im Jahre 2012 wurde ich in Kairo am Herzen operiert. Die OP hat 5000 Euro gekostet. Ich kann in meiner Heimat keine Arbeit mehr finden, weil jeder Arbeitgeber mir nach meiner Herz OP keinen Arbeitsplatz gibt. Ich kann mir auch in meiner Heimat meine Nachbehandlung nicht mehr ohne Arbeit leisten. Daher habe ich beschlossen, meine Heimat zu verlassen. In meiner Notlage ist mir in meiner Heimat eingefallen, dass ich mein Heimatland verlassen werde, um irgendwo zu arbeiten. Ich habe mir dann ein Visum für Zypern besorgt und wollte dort arbeiten. Es war aber nicht möglich, in Zypern eine Arbeit zu finden. Ich bin dann mit Hilfe von zwei Schleppern hier nach Österreich gereist. Ich will hier arbeiten und richtig medizinisch versorgt werden. Aus diesem Grund möchte ich hier in Österreich um Asyl ansuchen."

3. Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 16.08.2018 vor der Erstaufnahmestelle Flughafen gab der BF zunächst zu seinem Gesundheitszustand an, dass er Schwierigkeiten beim Atmen habe. Zudem habe er einen Schlaganfall erlitten, infolge dessen er sich vier Monate lang nicht hätte bewegen können. Zwei Monate nachdem er eine Herzklappe bekommen hätte, habe er einen Schlaganfall erlitten. Er könne die Namen der (neun oder zehn) Medikamente, die er einnehme, nicht aufzählen. Es seien Blutverdünnungsmedikamente für die Herzklappe, andere seien wegen des Schlaganfalls, einige gegen die Migräne und einige gegen das taube Gefühl, das er manchmal in seiner rechten Hand spüre, und wiederum andere für die Nerven im Bereich seines Armes.

Nach seinem Reisepass befragt, gab der BF an, dass die zwei Schlepper, die ihn hierhergebracht hätten, diesen mit seinen restlichen Dokumenten und dem Ticket wieder mitgenommen hätten, weshalb, wisse er nicht. Die Schlepper hätten von ihm aus Mitleid wegen seiner gesundheitlichen Situation kein Geld verlangt. Nach Vorhalt fügte der BF hinzu, dass sie gesagt hätten, er solle erst einmal behandelt werden, dann sehe man, was er zahlen könne. Sie hätten gesagt, sie würden ihn schon finden, hätten ihm aber keine Kontaktdaten gegeben.

Er habe keine anderen Identitätsdokumente, auch keine Unterlagen zu seiner gesundheitlichen Situation.

Als Fluchtgrund gab der BF erstmals an, dass er zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren verurteilt worden sei, weil er an einem Morgengebet in einer Moschee, in die auch Moslembrüder gegangen seien, teilgenommen habe. Er sei in Abwesenheit verurteilt worden und sei er ausgereist, bevor das Urteil rechtskräftig geworden sei.

Er sei hierhergekommen, um medizinisch behandelt zu werden. Bei ihm sei ein Herzfehler diagnostiziert worden, weshalb er auch 2012 und 2013 operiert worden sei. Der Arzt hätte ihm dann gesagt, dass diese Klappe normalerweise 15 Jahre halte. Er habe aber Beschwerden gehabt, weshalb diese erneuert werden müsse; dies sei ihm vor vier Monaten bei einer Kontrolluntersuchung mitgeteilt worden. Es seien Anzeigen einer Verstopfung der Herzklappe gegeben, dies komme vom Essen und er solle sich von fettigem Essen fernhalten. Sollte die Klappe verstopfen, könnte er wieder einen Schlaganfall bekommen.

Abschließend wurde der BF informiert, dass gem. herrschender Judikatur die Nichtleistbarkeit von medizinischer Behandlung bei der Frage nach Aufenthalt keine Rolle spiele, sofern es sich nicht um außergewöhnliche Umstände handle bzw. die Nichtbehandlung lebensbedrohlich sei. Um diese Frage zu klären, werde eine medizinische Untersuchung angeordnet. Der BF wurde auch aufgefordert, sich aktuelle medizinische Unterlagen aus Ägypten, Befunde etc. schicken zu lassen.

4. Aus einem Aktenvermerk vom 17.08.2018 betreffend das Telefonat mit der Ärztin im Sondertransit (Dr. XXXX), welche die Untersuchung des BF am 09.08.2018 durchgeführt habe, geht hervor, dass der BF jedenfalls wegen der Herzoperation nachbehandelt werden müsse. Dass der BF eine neue Herzklappe brauche, habe er jedoch bei der ausführlichen Anamnese mittels Dolmetscher nicht erwähnt. Aus einem weiteren Aktenvermerk vom selben Tag betreffend das Telefonat mit zwei Internisten ist zu entnehmen, dass längere Untersuchungen notwendig seien, um akuten Behandlungsbedarf hinsichtlich einer neuen Herzklappe festzustellen, jedoch aufgrund des Umstandes, dass der BF Kopfschmerzen und sonst keine Beschwerden habe sowie eine längere Reise hinter sich hätte und in Cypern berufstätig gewesen sei, nicht geglaubt werde, dass eine akute OP notwendig sei.

5. Am 20.08.2018 wurde der BF sodann von Dr. XXXX ärztlich untersucht, um seinen aktuellen Gesundheitszustand festzustellen. Dabei wurde festgehalten, dass der BF sich in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand befinde (Herz: arrytmisch, Klappengeräusche [Zustand nach Mitral- und Trikuspidalklappenersatz 2013], Lunge und Atmung o.B.).

6. Aus einem Aktenvermerk des BFA vom 21.08.2018 geht hervor, dass laut Dr. XXXX beim BF weder akuter medizinischer Handlungsbedarf noch ein lebensbedrohlicher Zustand vorliege.

7. Mit Schreiben vom 20.08.2018 an das UNHCR- Büro in Österreich ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z. 2 AsylG.

8. Am 24.08.2018 übermittelte UNHCR ein Antwortschreiben, wonach bezugnehmend auf das Fax vom 20.08.2018 mitgeteilt wurde, dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteile, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkommitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

9. Das Bundesamt hat mit dem angefochtenen Bescheid gegenständlichen Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z. 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm unter einem auch keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III).

Begründend wurde im angefochtenen Bescheid, dass das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen - Verurteilung zu einer eineinhalbjährigen Freiheitsstrafe wegen Teilnahme am Frühgebet in einer Moschee - absolut unglaubwürdig sei. Andere asylrelevante Sachverhalte hätten nicht festgestellt werden können. Zum Gesundheitszustand des BF wurde konstatiert, dass er 2012 bzw. 2013 am Herzen operiert und ihm dabei eine mechanische Herzklappe eingesetzt worden sei. Es liege jedoch weder ein lebensbedrohlicher Zustand vor noch sei eine dringende medizinische Behandlung (Operation) in Österreich angezeigt. Von einer beabsichtigten kardiologischen Untersuchung sei abgesehen worden, da sowohl ein dafür in Frage kommender Internist als auch der Dienst habende Arzt der Internen Abteilung des Krankenhauses Mödling angegeben hätten, dass diese Untersuchung nicht unbedingt gleich zu einem aussagekräftigen Ergebnis führen würde, und aufgrund der Schilderungen - Operation, Beschwerdebild, Aktivitäten in den letzten Wochen, etc.- nicht von einer Dringlichkeit einer Operation auszugehen sei. Auch die den BF untersuchenden Ärztinnen hätten angegeben, dass kein akuter Handlungsbedarf bestehe. Der BF selbst habe bei seiner ersten Untersuchung mit keinem Wort erwähnt, dass er eine Operation benötigen würde. Bei der zweiten, im Sondertransit durchgeführten Untersuchung, elf Tage später, habe er der Ärztin gegenüber angegeben, eine Gefäßoperation zu benötigen. Näheres habe er nicht sagen können. Aktuelle Befunde habe er auch nicht vorlegen können. Zudem habe er sich seine Medikamente in den vergangenen Jahren leisten können und seien auch Nachsorgeuntersuchungen durchgeführt worden. Er habe sich auch alle notwendigen Medikamente nach Zypern, wo er hätte arbeiten wollen, mitgenommen. Dort habe er weder einen Arzt noch ein Krankenhaus aufgesucht. Dass ein Austausch der Herzklappe irgendwann einmal notwendig werden könnte, die normalerweise eine Lebensdauer von etwa 15 Jahren habe, sei nicht auszuschließen. Jedoch hätten sich aktuell keine Hinweise auf eine dringende Behandlungsbedürftigkeit seiner Person oder eine lebensbedrohende Situation ergeben.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass im gesamten Ermittlungsverfahren kein "begründeter Hinweis" im Sinne des § 33 Abs. 1 AsylG hervorgekommen wäre, aufgrund dessen dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt hätte werden können.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass der BF arbeitsfähig sei und es ihm bei einer Rückkehr nach Ägypten zumutbar sei, sich selbst auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und auch durch die Annahme von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zudem verfüge der BF über familiäre Anknüpfungspunkte. Was den Gesundheitszustand des BF betreffe, so sei festzuhalten, dass der Umstand, dass er sich die notwendige medizinische Behandlung nicht oder nicht in vollem Umfang leisten könne, für eine Asylgewährung nicht relevant sei und stehe dies auch einer Abschiebung nicht entgegen.

Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG schon daran scheitere, dass er sich nicht im Bundesgebiet aufhalte und gemäß § 33 Abs. 5 AsylG im Flughafenverfahren über eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG nicht abzusprechen sei. Es sei daher eine Prüfung gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG und damit verbunden die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht gekommen.

10. Gegen diesen Bescheid hat der BF fristgerecht Beschwerde erhoben, worin nach Wiedergabe des Verfahrensganges der belangten Behörde vorgeworfen wurde, ein mangelhaftes Verfahren durchgeführt zu haben. Das BFA habe es trotz der Angaben des BF unterlassen, eine tiefgreifende Ermittlung zu seinem Gesundheitszustand durchzuführen. Es seien keine Feststellungen zum Gesundheitszustand, zu einem allfälligen Operations- und Pflegebedarf sowie zur Transportfähigkeit bzw. Flugfähigkeit des BF getroffen worden. Es genüge wohl nicht, den BF pauschal für haftfähig zu erklären. Erst nach entsprechender fachärztlicher Abklärung könne beurteilt werden, ob eine Abschiebung nach Ägypten eine Gefährdung von Art. 3 EMRK bedeuten würde bzw. welche konkreten gesundheitlichen Auswirkung eine solche hätte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen: Der BF ist Staatsangehöriger von Ägypten. Er gehört der arabischen Volksgruppe an und ist moslemischen Glaubens. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF ist verheiratet und hat vier Kinder. Die Eltern, Geschwister, Gattin und Kinder des BF leben nach wie vor in Ägypten. In Österreich halten sich keine Familienangehörigen des BF auf. Der BF hat zehn Jahre die Schule in Ägypten besucht.

Beim BF wurde 2013 eine Herzklappenoperation (Zustand nach Mitral- und Trikuspidalklappenersatz) durchgeführt. Zur Nachbehandlung hat der BF Medikamente eingenommen und Nachsorgeuntersuchungen durchführen lassen. Der BF verfügte jedoch nur bis 04.09.2018 über eine ausreichende Medikamentendosis (Warfarin). Da jedoch eine Fortsetzung dieser Behandlung in Österreich mangels Zulassung des Medikaments (da toxisch) nicht möglich war, wurde eine dringende Laborkontrolle und Therapieeinstellung auf ein ähnliches Medikament empfohlen, da ein Pausieren fatale Folgen für den BF haben könnte. In der Folge wurden beim BF engmaschige Kontrollen durchgeführt. Zunächst konnte der INR-Wert (Blutgerinnung) beim BF nicht gemessen werden, da sein Blut -vermutlich aufgrund der falschen Medikamentendosierung mit Warfarin - so verdünnt war, was zu inneren Blutungen führen könnte. Die letzte Laboruntersuchung fand am 10.09.2018 statt, bei welcher dem BF Medikamente verschrieben wurden und eine erneute Untersuchung für den 12.09.2018 empfohlen wurde.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF ergeben sich aus den Angaben des BF.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus den Angaben des BF, den vorgelegten medizinischen Befunden aus Ägypten, aus den im Verwaltungsakt aufliegenden und im Beschwerdeverfahren vorgelegen medizinischen Unterlagen sowie aus dem Aktenvermerk betreffend das Telefonat mit Frau Dr. XXXX am 06.09.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Zu A)

§ 33 AsylG 2005, Besondere Verfahrensregeln für das Flughafenverfahren lautet:

§ 33. (1) In der Erstaufnahmestelle am Flughafen ist die Abweisung eines Antrages nur zulässig, wenn sich kein begründeter Hinweis findet, dass dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre und

1. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat;

2. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht;

3. der Asylwerber keine Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hat oder

4. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt.

(2) Die Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach Abs. 1 und eine Zurückweisung des Antrags wegen bestehenden Schutzes in einem sicheren Drittstaat (§ 4) oder in einem sicheren EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a) darf durch das Bundesamt nur mit Zustimmung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge erfolgen. Im Flughafenverfahren genügt eine Einvernahme.

(3) Die Beschwerdefrist gegen eine Entscheidung des Bundesamtes im Flughafenverfahren beträgt eine Woche.

(4) Das Bundesverwaltungsgericht hat im Flughafenverfahren binnen zwei Wochen ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden. Eine Verhandlung im Beschwerdeverfahren ist in der Erstaufnahmestelle am Flughafen durchzuführen. Dem betreffenden Asylwerber ist mitzuteilen, dass es sich um eine Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes als Beschwerdeinstanz handelt.

(5) Im Flughafenverfahren ist über die aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG nicht abzusprechen. Die Zurückweisung darf erst nach Rechtskraft der gänzlich ab- oder zurückweisenden Entscheidung durchgesetzt werden.

§ 21 Abs 3 BFA-VG lautet:

Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Im vorliegenden Fall liegt ein Flughafenverfahren gem. §§ 31ff AsylG 2005 (Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am Flughafen am 08.08.2018 Schwechat) vor.

Eine Abweisung des Antrages ist nach § 33 Abs 1 AsylG nur zulässig, wenn sich kein begründeter Hinweis findet, dass dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre und einer der Ziffern des § 33 Abs 1 Z 1 bis Z 4 AsylG vorliegt.

Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist grundsätzlich zu folgen, wenn es das Fluchtvorbringen des BF als nicht glaubhaft erachtet auch sonst keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention erkennt.

Das BFA hatte jedoch auch zu prüfen, ob dem BF bei einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ägypten eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der EGMR geht allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Schwelle, die überschritten sein muss, damit im Falle von Erkrankungen von einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann, in der Tat hoch: Das einzige Urteil, in dem eine Abschiebung (nach St. Kitts) aus medizinischen Gründen für unzulässig erklärt wurde, ist D. v United Kingdom Urteil vom 02.05.1997, Reports 1997-III, § 49. In diesem Fall litt der Antragsteller an AIDS im Endstadium und war eine adäquate Behandlung nicht garantiert. Bei körperlichen Erkrankungen sind im allgemeinen (sofern grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen; bejaht z. B. für AIDS in Tansania sowie Togo AMEGNIGAN v Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, NDANGOYA v Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03 und für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina HUKIC v Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05) nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant (vgl. auch OVDIENKO v Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04). Nach EGMR (vgl. auch VwGH 28.06.2005, 2005/01/0080) hat sich die Prüfung auf die allgemeine Situation im Zielland als auch auf die persönlichen Umstände des Antragstellers zu erstrecken. Für die Prüfung der allgemeinen Situation wurden Berichte anerkannter Organisationen (z.B. der WHO), aus denen jedenfalls eine medizinische erreichbare Grundversorgung, wenn auch nicht kostenfrei, hervorgeht, als ausreichend angesehen. Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nach der Judikatur des EGMR nicht ausschlaggebend. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung geht auch der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass eine Abschiebung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zur Verletzung von Art. 3 EMRK führt (VfGH 06.03.2008, B 2400/07 mwH).

Im vorliegenden Fall wurde der BF zwar im Rahmen einer Untersuchung am Flughafen Wien-Schwechat am 09.08.2018 als "haftfähig" angesehen, jedoch ergab sich im weiteren Verfahren und aus den Angaben des BF, dass beim BF 2013 eine Herzklappenoperation (Zustand nach Mitral- und Trikuspidalklappenersatz) durchgeführt wurde. Zur Nachbehandlung hat der BF Medikamente eingenommen und Nachsorgeuntersuchungen durchführen lassen. Der BF verfügte jedoch bei seiner Einreise in Österreich nur bis 04.09.2018 über eine ausreichende Medikamentendosis (Warfarin). Da jedoch eine Fortsetzung dieser Behandlung in Österreich mangels Zulassung des Medikaments (da toxisch) nicht möglich war, wurde eine dringende Laborkontrolle und Therapieeinstellung auf ein ähnliches Medikament empfohlen, zumal ein Pausieren fatale Folgen für den BF haben könnte. In der Folge wurden beim BF engmaschige Kontrollen durchgeführt. Zunächst konnte der INR-Wert (Blutgerinnung) beim BF nicht gemessen werden, da sein Blut -vermutlich aufgrund der falschen Medikamentendosierung mit Warfarin - so verdünnt war und er innerlich verbluten hätte können. Die letzte Laboruntersuchung fand am 10.09.2018 statt, bei welcher dem BF Medikamente verschrieben wurden und eine erneute Untersuchung für den 12.09.2018 empfohlen wurde.

Der BF hat zwar widersprüchliche Angaben zur Dringlichkeit seiner Behandlung gemacht, jedoch hätte die belangte Behörde es trotzdem nicht unterlassen dürfen, tiefergehende Ermittlungen zum gesundheitlichen Zustand des BF zu treffen.

Zum gegenständlichen Zeitpunkt fehlen genauere Feststellungen, welche Folgen eine allfällige Überstellung des BF nach Ägypten in Bezug auf seine Herzerkrankung hätte, insbesondere ob eine medizinische/medikamentöse Behandlung dort gegeben wäre, respektive ein anderes Medikament als Warfarin, welches toxisch ist und daher in Österreich nicht zugelassen ist, erhältlich wäre bzw. ob eine Überstellung eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes verursachen würde oder der BF dadurch in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten würde (innerlich verbluten würde).

Es Erst nach Vorliegen entsprechender fachärztliche Untersuchungen kann beurteilt werden, ob und in welchem Umfang eine Abschiebung des BF nach Ägypten eine Gefährdung nach Art 3 EMRK bedeuten würde bzw. welche konkreten gesundheitlichen Auswirkungen eine solche Abschiebung hätte.

Letztlich wird die belangte Behörde jenen Sachverhalt, welcher unter den von ihr anzuwendenden Rechtsnormen zu subsumieren ist, zu ermitteln und dem BF zur Kenntnis zu bringen haben. Dann wird sie über die noch abzusprechenden Rechtsfragen entscheiden können.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, 2005/20/0406 u. v.a.).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dem Refoulementschutz ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der rechtlichen Beurteilung verweist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis auf die umfassende höchstgerichtliche Judikatur des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes, welche nach Ansicht des erkennenden Gerichts, soweit sie zu früheren Rechtlagen ergangen ist, auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar ist.

Schlagworte

Asylantragstellung, Behebung der Entscheidung, Flughafenverfahren,
gesundheitliche Beeinträchtigung, non-refoulement Prüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I405.2204694.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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