TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 W216 2013701-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2018
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Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W216 2013701-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 25.06.2018, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und 2 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin brachte am 22.12.2017 verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) ein.

Seitens der belangten Behörde wurde in weiterer Folge ein Facharzt für Neurologie um Erstellung eines Sachverständigengutachtens ersucht, um zu beurteilen, ob die medizinischen Voraussetzungen für die beantragten Zusatzeintragungen vorlägen. In seinem Gutachten vom 10.04.2018 kam der Sachverständige - nach persönlicher Begutachtung der Beschwerdeführerin am selben Tag - zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die beantragten Zusatzeintragungen nicht vorlägen.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 10.04.2018 wurde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des ärztlichen Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit gewährt, hierzu eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

Die Beschwerdeführerin erstattete durch ihre bevollmächtigte Vertretung mit Schreiben vom 25.04.2018 eine Stellungnahme, in der sie sich mit dem Ergebnis Ermittlungsverfahren als nicht einverstanden zeigte und medizinische Beweismittel in Vorlage brachte.

In der zur Überprüfung der Einwendungen eingeholten Stellungnahme durch den fachärztlichen Sachverständigen stellte dieser, basierend auf der Aktenlage, fest, dass die Einwendungen keine Änderung der Einschätzung bewirken könnten, da der Sehverlust links im Zusammenhang mit der Epilepsie keine zusätzliche Beeinträchtigung darstelle, die Einfluss auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel habe. Die Anfallsfrequenz werde mit einmal pro Monat angegeben (kein Anfallskalender vorliegend), somit liege keine schwere therapierefraktäre Epilepsie vor.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.05.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens vom 10.04.2018 sowie der medizinischen Stellungnahme vom 16.05.2018 abgewiesen.

Mit Schreiben vom 14.06.2018 erhob die Beschwerdeführerin - fristgerecht - das Rechtsmittel der Beschwerde. In dieser führte sie im Wesentlichen aus, dass der Sachverständige in ihrem Pflegegeldverfahren ausgeführt habe, dass für sie Mobilitätshilfe im weiteren Sinn erforderlich sei. Der im vorliegenden Verfahren beigezogene Gutachter sei nicht auf alle ihre Erkrankungen eingegangen und es fehlten auch Ausführungen zu einem ungünstigen Zusammenwirken der unterschiedlichen Erkrankungen.

Im Rahmen des Beschwerdevorprüfungsverfahrens ersuchte die belangte Behörde den Facharzt für Neurologie um Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 21.06.2018 aus, dass im Gutachten des Sachverständigen im Pflegegeldverfahren festgehalten werde, dass die Herbeischaffung von Lebensmitteln, von Bedarfsgütern des täglichen Lebens und Medikamenten der Beschwerdeführerin möglich sei. Im Rahmen der Untersuchung habe seitens des Facharztes für Neurologie keine so schwerwiegende Funktionsstörung objektiviert werden können, die die Voraussetzung für die Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel oder die Notwendigkeit einer Begleitperson bedingen würden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.06.2018 wies die belangte Behörde die Beschwerde - unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigengutachtens sowie der ärztlichen Stellungnahme - ab.

Mit Schreiben vom 05.07.2018 beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 11.07.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses.

Sie brachte am 22.12.2017 den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1) Augapfelverlust links

2) Depressio, Persönlichkeitsstörung

3) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

4) Zustand nach mehrmaligen Darmoperationen

5) Immundefekt

6) Bewegungsstörung linke Schulter

7) Verlust der Gebärmutter

8) Epilepsie

Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen aus nervenärztlicher Sicht vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke zur nächsten Haltestelle (300-400 m) im urbanen Raum, dass Ein- und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel maßgeblich verunmöglichen. Die führenden Diagnosen erfüllen nicht die Voraussetzung der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel.

Bei der Beschwerdeführerin liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführer zumutbar.

Die Gesamtmobilität ist nicht in einem Maße eingeschränkt, dass im öffentlichen Raum zur Vermeidung von Eigengefährdung die ständige Hilfe einer zweiten Person erforderlich wäre. Eine merkbare Einschränkung der Orientierungsfähigkeit konnte nicht objektiviert werden. Die beantragte Zusatzeintragung der Begleitperson ist nicht begründbar.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur gegenständlichen Antragstellung und zum Vorliegen eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vorliegen, basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines Facharztes für Neurologie vom 10.04.2018 sowie die von ihm nachfolgend ergangenen Stellungnahmen vom 16.05.2018 und vom 21.06.2018. Es wird darin auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß sowie deren Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten beinhaltet auch einen ausführlichen Untersuchungsbefund, welcher mit der gutachterlichen Beurteilung übereinstimmt und unter Berücksichtigung sämtlicher von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde erstellt wurde.

Die Sachverständige führt vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei aus, dass keine der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen. Ebenso wenig bestehe eine schwere Immunerkrankung. Insgesamt sei daher aus gutachterlicher Sicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gegeben. Das Gangbild der Beschwerdeführerin sei ohne Hilfsmittel unauffällig. Ebenso wenig könne eine Einschränkung der Orientierungsfähigkeit objektiviert werden (Status Psychicus: orientiert, Auffassung regelrecht, Affekt labil, Stimmung depressiv mit Somatisierung, Schlaf schlecht, nicht produktiv).

Wie der Facharzt für Neurologie in seiner Stellungnahme vom 21.06.2018 zutreffend festhält, hat auch der sachverständige Gutachter im Pflegegeldverfahren der Beschwerdeführerin festgestellt, dass ihr die Herbeischaffung von Lebensmitteln, von Bedarfsgütern des täglichen Lebens und Medikamenten möglich ist. Zu keinem anderen Ergebnis kommt auch der im vorliegenden Verfahren beigezogene Sachverständige.

Die Beschwerdeführerin ist dem eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde sowie dem Vorlageantrag nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Die Ausführungen in der Stellungnahme zum Parteiengehör sowie dem Vorlageantrag vermochten keine substantiierten Einwendungen gegen das eingeholte Sachverständigengutachten sowie die ergänzenden Stellungnahmen darzustellen. Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen ihres Vorlageantrages auch keinerlei Befunde vor, die eine andere Einschätzung der Funktionsstörungen hervorbringen oder eine Verschlechterung des Zustandes seit der Untersuchung durch den Sachverständigen belegt hätten.

Die Beschwerdeführerin vermochte somit mit ihrem Beschwerdevorbringen die erfolgte Einschätzung des Sachverständigen und die Schlussfolgerungen der belangten Behörde nicht in Zweifel zu ziehen. Das im Auftrag der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten sowie die beiden ergänzend ergangenen medizinischen Stellungnahmen werden vom Bundesverwaltungsgericht als vollständig, nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei angesehen.

Das Bundesverwaltungsgericht findet daher auch keinen Anlass zur Annahme, dass das Sachverständigengutachten mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen in Widerspruch steht und dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, idF BGBl. I. Nr. 57/2015, (BBG), hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:

§ 1 ....

(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls

einzutragen: 1. ....... 2. ...... 3. die Feststellung, dass dem

Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(4) ..."

Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, ist gemäß § 5 Abs. 1 leg.cit. mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten. Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. Nr. 86/1991, ist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft getreten.

Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 10.04.2018 sowie die ergänzenden medizinischen Stellungnahmen vom 16.05.2018 und 21.06.2018 zu Grunde gelegt. In diesen wird schlüssig und nachvollziehbar verneint, dass die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen die Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass rechtfertigen.

Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die in der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende Gutachten zu entkräften. Neue Befunde, welche das Gutachten entkräften konnten, wurden nicht vorgelegt. Es ist daher im Beschwerdefall davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist und sie keiner Begleitperson bedarf.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für Zusatzeintragungen nach Maßgabe des § 41 Abs.2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel betreffend die Beschwerdeführerin unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen überprüft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W216.2013701.2.00

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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