TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 W164 2166357-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2018
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Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W164 2166357-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Martin Sauseng, Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 07.07.2017, Zl. 1067912400 - 150482628, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 27.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben; XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 10.05.2015 nach illegaler Einreise den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab im Wesentlichen an, er sei am XXXX in Kabul, Afghanistan, geboren, sei ledig, Moslem und gehöre der Volksgruppe der Tadjiken an. Er habe 12 Jahre lang die Schule besucht und ein Jahr eine Militärausbildung in Kabul absolviert. Zuletzt sei er Offizier gewesen. Seine Eltern und Geschwister seien in Afghanistan wohnhaft. Sein letzter Wohnsitz sei in Kabul, XXXX , gewesen. Zu seinem Fluchtgrund gab der BF an, dass er als Offizier ständig Drohungen von den Taliban bekommen habe. Eines Tages seien die Taliban zu seinem Elternhaus gekommen. Deshalb sei er geflüchtet. Er habe Angst um sein Leben.

2. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vom 09.05.2017 vor dem BFA legte der BF seine Tazkira, diverse Bestätigungen über seine in Afghanistan absolvierte berufliche Laufbahn und eine Deutschkursbestätigung vor. Der BF gab zu seiner Person an, dass er in Kabul, im Viertel XXXX , gelebt habe. Er sei schon mehrmals aus Anlass verschiedener militärischer Kurse ins Ausland gereist. Er habe 12 Jahre lang die Schule und ein Jahr lang die Militärakademie besucht. Dann habe er 5 Jahre beim Militär gearbeitet. Seine Eltern, ein Bruder und vier Schwestern würden in Herat, Afghanistan, leben und zwei seiner Brüder im Iran. Sein Vater besitze ein Lebensmittelgeschäft. Der BF habe etwa einmal im Monat Kontakt mit seiner Familie und es gehe ihnen privat und wirtschaftlich gut.

Zu seinem Fluchtgrund führte der BF aus, er habe beim Militär zunächst bei der Infanterie Dienst gemacht. Dann habe er Kurse besucht und sei zum XXXX gekommen sei. Der XXXX habe sich in XXXX , im XXXX von Kabul befunden. Der BF sei "1st Leutnant" gewesen und habe Analysen von Berichten und Informationen über terroristische Tätigkeiten von Gruppen und Einzelpersonen erstellt. Ungefähr ein Monat bevor er Afghanistan verlassen habe, habe er Anrufe von einer unbekannten Nummer erhalten. Er sei aufgefordert worden mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Zunächst habe er die Anrufe nicht ernst genommen. Dann habe er sich beim Innenministerium beschwert und gemeldet, dass er bedroht werde. Er habe eine Anzeige bei der Polizei erstattet. Diese habe ihm jedoch gesagt, dass er keinen Personenschutz bekomme. Der BF vermute, dass die Personen von seiner Anzeige erfahren hätten, denn er habe kurz darauf einen Drohbrief erhalten. Darin sei gestanden, dass er so wie er diesen Brief erhalten habe, auch getötet werden könne, falls er sich weigere mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Deshalb sei er eine Woche später aus Afghanistan geflohen. Seine Familie sei nach Herat gezogen, da auch die Famlie gefährdet gewesen sei. Über Nachfragen, weshalb er nicht auch nach Herat habe gehen können, wenn seine Familie dort in Ruhe leben könne, gab der BF an, die Taliban seien überall präsent. Das Militär habe keinen besonderen Schutz für ihn bereitgestellt. Er habe selbst für seinen Schutz sorgen müssen. Hätte der BF weiterhin beim XXXX gearbeitet, so hätten sie ihn dort gefunden. Hätte er seine Arbeit beendet, hätten die Taliban ihn auch nicht in Ruhe gelassen, da sie seine Zusammenarbeit gegen die Armee erzwingen wollten. Zu seiner Situation in Österreich gab er an, dass er einige österreichische Freunde und eine österreichische Freundin habe, ins Fitnessstudio gehe und Deutschkurse besuche.

3. Mit Bescheid des BFA vom 07.07.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Fluchtvorbringen des BF sei im Kern glaubhaft. Sein beruflicher Hintergrund steht unzweifelhaft fest und es sei auch nachvollziehbar, dass er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit vermehrt und exponierter als der Durchschnitt der afghanischen Bevölkerung mit Personen und Organisationen terroristisch/kriminellen Hintergrundes zu tun gehabt habe. Da diese Drohungen gegen ihn aber gerade aus seiner beruflichen Tätigkeit resultieren würden, liege kein in der GFK aufgezählter Verfolgungsgrund vor. Auch habe der BF nicht glaubhaft darlegen können, dass er im Falle seiner Rückkehr gegenwärtig einer spürbar stärkeren, besonderen Gefährdung in Afghanistan ausgesetzt sein würde. Er sei ein junger, arbeitsfähiger Mann, stamme aus Kabul und seine Familie lebe noch in seiner Heimat, was ihm die Eingliederung erleichtern und ihm Schutz vor Übergriffen bieten könne. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF bei seiner Rückkehr in eine ausweglose und die Existenz bedrohende Lage geraten würde. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung wurde eine Interessensabwägung vorgenommen und die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften und führte aus, die afghanischen Sicherheitsbehörden hätten dem BF nicht helfen können, obwohl er sich an sie gewandt habe. Der BF habe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative. Die Vernetzung der Taliban im gesamten afghanischen Gebiet sei exzellent. Die belangte Behörde habe ihre Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts verletzt, da sie keinerlei Nachforschungen zur Lage von Mitgliedern des afghanischen XXXX , die von den Taliban bedroht würden, gemacht habe. Die getroffenen Länderfeststellungen würden sich kaum mit dem konkreten Fluchtvorbringen des BF befassen und seien zumindest teilweise nicht mehr aktuell. Der BF legte diverse Berichte über die Verfolgung von für Regierungsstellen oder internationale Organisationen tätigen Personen und Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan, zur Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden, zur Verfolgung durch die Taliban, zur Lage in Kabul, zur Lage von Rückkehrern und innerstaatlichen Fluchtalternativen vor. Unter Zugrundelegung dieser Berichte hätte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr asylrelevante Verfolgung und eine Verletzung in seinen Rechten nach Art 2 und 3 EMRK drohe. Die belangte Behörde hätte zu der Feststellung gelangen müssen, dass dem BF in Afghanistan asylrelevante Verfolgung von Talian wegen seiner Zugehörigkeit zu den afghanischen Sicherheitskräften drohe. Die Bedrohung treffe den BF persönlich und konkret. Der BF beantragte Nachforschungen über seine Verfolgungssituation in seinem Heimatland, um die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen zu belegen. Jedenfalls liege aufgrund der Lage in Kabul eine Bedrohungssituation im Sinne des § 8 AsylG vor, sodass ihm zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei. Der BF werde in Afghanistan wegen einer ihm unterstellten politisch-gesellschaftlichen Gesinnung aufgrund seiner Tätigkeit für den XXXX und auch wegen seiner Weigerung für die Taliban zu spionieren verfolgt. Er könne auch keinen ausreichenden Schutz gegen seine privaten Verfolger im Herkunftsstaat in Anspruch nehmen. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass es dem BF zumutbar sei, sich in Kabul oder einer anderen größeren Stadt niederzulassen, da ihm auch dort Verfolgung drohe. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan drohe dem BF das reale Risiko einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK. Im Hinblick auf die Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründe wurde angeführt, dass der BF zwar vorbestraft sei, jedoch gehe von ihm keine kriminelle Energie aus; er sei zum Tatzeitpunkt angetrunken gewesen, trinke aber seitdem nicht mehr. Er sei dabei, die deutsche Sprache zu lernen. Der BF beantragte den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem BF den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung eines Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen, in eventu festzustellen, dass dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukomme, sowie festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, in eventu dem BF eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zu erteilen, sowie jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

5. Mit Schriftsatz vom 27.10.2017 brachte der nunmehrige Vertreter unter Berufung auf seine Vollmacht eine Beschwerdeergänzung ein und führte aus, dass der BF , da er beim afghanischen XXXX tätig gewesen sei - gemäß den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 zu dem Kreis der besonders gefährdeten Personen gehöre. Durch seine Tätigkeit erfülle der BF den Fluchtgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Unter Zugrundelegung diverser Berichte und Gutachten werde weiters auf die schlechte Sicherheitslage in Kabul und die mangelnde Schutzfähigkeit des afghanischen Staates verwiesen. Dem BF sei daher die Flüchtlingseigenschaft oder zumindest die subsidiäre Schutzberechtigung zuzuerkennen.

6. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich scheinen bezogen auf den BF zwei Verurteilungen auf: Der BF wurde in Österreich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX GZ XXXX vom 27.10.2017 gem. § 15 StGB und § 87 Abs 1 StGB (Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung, Tatzeitpunkt 05.09.2016 ) zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 bedingt und 8 unbedingt verurteilt. Mit Urteil vom 19.04.2017, GZ XXXX des Bezirksgerichtes XXXX wurde der BF gem. § 27 Abs 1 Z 1, zweiter Fall SMG wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (Tatzeitpunkt 11.4.2016) zu eine bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

7. Am 27.04.2018 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, an der der BF im Beisein seiner Rechtsvertreterin und einer Vertrauensperson teilnahm. Die ebenfalls geladene belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.

Der BF machte die folgenden Angaben:

Konfrontiert mit den auf einen Strafregisterauszug aufscheinenden Verurteilungen gab der BF an er sei der Meinung, dass er bei der Schlägerei zu 80 % unschuldig gewesen sei. Er sei betrunken gewesen, sei mit einem Messer attakiert worden und habe sich gewehrt. Die Gegner seien in der Überzahl gewesen.

Die Verurteilung wegen Besitz von Suchtgift sei in eine Zeit gefallen, in der der BF starkem Stress ausgesetzt gewesen sei. Es sei auch das erste und letzte Mal gewesen, dass er so etwas verwendet hätte. Seither gebe es keine Verurteilung mehr. Der BF habe das Suchtgift nur für sich selbst besessen und nicht verkauft.

Zu seinen beruflichen Werdegang gab der BF an, er habe zunächst in der Infanterie gearbeitet und von Anfang an Interesse gehabt, im XXXX zu arbeiten. Der BF habe bereits in seine erste Bewerbung geschrieben, in welchen Bereichen er arbeiten möchte und sei er dann glücklicherweise auch dort hingekommen. Nicht viele hätten die Möglichkeit dort zu arbeiten. Der BF habe etwa acht bis neun Weiterbildungskurse gemeinsam mit deutschen und französischen Staatsbürgern absolviert. Inhaltlich sei es darum gegangen, wie man über terroristischen Gruppen Bericht erstattet, wie man die Informationen über solche Gruppen bekommt. In den Kursen habe der BF gelernt, wie man im Bereich des XXXX arbeiten könne.

Im Zuge seiner Arbeit habe er Berichte von überall bekommen. Der XXXX habe in jeder Gegend, in jedem Ort eigene Leute gehabt und auch viele Informationen von NATO Mitgliedern erhalten. Diese hätten Berichte geschickt. Diese Berichte habe der BF analysiert und über seinen Chef an die höchste Person in der Armee weitergeleitet. Die analytische Arbeit des BF habe darin bestanden, herauszuarbeiten, welche Methoden und Pläne die Feinde des XXXX verwenden, ob sie Minen verwenden oder Selbstmordattentäter, oder ob sie etwa als Gruppe von sieben oder acht Personen angreifen. Der BF habe analysieren müssen, welche Taktik der Feind gerade "heute" anwendete und was er "nächste Woche" plane. Der BF habe auch analysiert, welche Taktik der Feinde am meisten schade. Örtlich habe der BF einerseits in einem Büro in Kabul gearbeitet, ein bis zweimal pro Monat sei er mit Kollegen in einem Konvoi von ca. 30 Militärfahrzeugen aufs Land gefahren und habe dort gearbeitet. Jede Ortschaft habe ein eigenes militärisches Zentrum und eine Abteilung für den XXXX gehabt. Einzelpersonen habe der BF nicht beschattet, sondern Gruppen. Die Taliban würden einerseits Krieg führen und andererseits Schulungen in Pakistan durchführen. Mitunter hätten Taliban staatliche Schulen unter Kontrolle. Die XXXX habe solche Schulen beobachtet, und Lehrer eingeschleust, um Detailinformationen zu erhalten und weiterzugeben. Der BF habe in seinem Job eine Dienstwaffe gehabt. Befragt, ob er Mutmaßungen habe, warum jemand auf ihn aufmerksam wurde, dies obwohl er seine Arbeit jahrelang machen konnte ohne bedroht worden zu sein und überdies Experte dafür sei, nicht entdeckt zu werden, gab der BF an, die Taliban hätten die gleichen und noch mehr Möglichkeiten, das zu tun, was auch das Militär tue. Sie würden auch ausgebildet. Der BF sei zwei bis dreimal pro Woche in Militäruniform von Zuhause in die Arbeit gegangen. Zwischendurch sei er auch in Zivil in die Arbeit gegangen. Beobachter hätten so feststellen können, dass der BF als Offizier beim Staat arbeitete. Auch innerhalb des Militärs hätten die Taliban Leute, die für sie arbeiten.

In seinem Büro habe der BF fünf bis sechs Kollegen gehabt. Untergebene habe er nicht gehabt. Mit seinen Kollegen habe der BF über seine Drohbriefe gesprochen. Diese hätten gelacht und geglaubt, dass jemand den BF aus Spaß anrufe. Sie selbst hätten damals keine derartigen Anrufe bekommen. Der BF habe auch mit seinem Vorgesetzten über die Drohanrufe gesprochen. Auch dieser sei der Meinung gewesen, dass nur jemand Spaß mache. Die Nummer der Anrufer habe jedoch nicht ermittelt werden können. Der BF habe einen Brief an das Innenministerium geschrieben. Diesen legte er vor. Er wurde spontan übersetzt. "Ich wurde mit einer anonymen Nummer bedroht. Diejenigen die mich immer anrufen und bedrohen, stellen sich als Führer der Taliban in einem Teil von Kabul dar. Sie verlangen von mir, dass ich mit ihnen zusammenarbeite wenn sie die Armee angreifen. Ich soll ihnen auch geheime Informationen geben. Ich bitte sie, so gut sie können, mich vor dieser Bedrohung zu schützen und den Brief weiterzuleiten." Das Gesuch wurde bewilligt und an die für den Personenschutz zuständige örtliche Polizeidienststelle weitergeleitet. Von dort habe der BF die Auskunft erhalten, dass man nicht dauernd einen Polizisten für ihn bereitstellen könne, der vor seinem Haus stehen würde bzw. ständig auf ihn aufpassen würde. Das Problem sei, dass in der Polizei solche Dinge nicht beachtet würden, solange nicht schon jemand getötet wurde. Der BF kenne als Insider viele solche Fälle.

Auch mit seinen Eltern habe der BF über die Telefonate gesprochen. Den Brief habe der Vater als erster gefunden und habe erkannt, dass die Sache ernst sei. Noch am selben Tag habe sein Vater den BF geraten zu seinen Freunden zu ziehen und nur ab und zu nach Hause zu kommen. Der BF habe dabei darauf geachtet, das ihn am Weg niemand sieht. Auch die Eltern seien zunächst bei Freunden untergekommen und seien später nach Herat gezogen, wo der Vater ein Geschäft aufgemacht habe. Leider sei der Vater vor Kurzem durch deine Explosionen schwer verletzt worden und liege im Spital.

Der BF legte das ÖSD Zertifikat A2 vor; er sei dabei, Deutsch B1 zu lernen. Da er bereits über 25 Jahre alt sei, könne er hier nicht zur Schule gehen. Er habe jedoch einen Job in Aussicht und habe vor, diesen anzunehmen sobald er arbeiten dürfe. Der BF würde auch gerne hier studieren. Er habe hier eine Freundin, die er später heiraten und mit ihr Familie gründen möchte. Der BF sei dankbar, die letzten drei Jahre in Österreich verbracht zu haben. Der BF hätte sein Land und seine Familie nicht verlassen, wenn er nicht dazu genötigt worden wäre. Er hätte in Afghanistan ein gutes Leben mit guten Möglichkeiten gehabt. Jedoch sei er sicher, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren können. Sein Leben wäre in Gefahr. Seine Eltern hätten ihn weggeschickt, damit er am Leben bleibe.

Die anwesende Vertrauensperson gab an, sie sei als Zeugin bei jenem Vorfall dabei gewesen, der zur Verurteilung des BF wegen versuchter Körperverletzung geführt habe. Sie sei damals nicht betrunken gewesen und habe klare Erinnerungen. Sie sei darüber verwundert gewesen, dass der BF verurteilt wurde. Sie kenne den BF seit dieser Österreich sei. Anfangs hätten sie nur Englisch sprechen können. Mittlerweile verstehe der BF 80-85 % von dem was auf Deutsch gesprochen werde. Die im Volkschul-Alter befindliche Tochter der Zeugin verbessere den BF gerne und oft beim Deutsch sprechen. Der BF werde als Familienmitglied betrachtet. In der Gegend würde es Firmen geben, die bereit wären, den BF etwa als Spengler anzulernen.

Die Rechtsvertreterin des BF führte aus, der BF zähle entgegen der Ansicht der Behörde zu einem der Risikoprofile der UNHCR Richtlinie. Der BF zähle zu den Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen. Dem BF drohe aslyrelevante Verfolgung wegen seiner ehemaligen Zusammenarbeit mit den afghanischen Streitkräften aufgrund einer ihm unterstellten politischen Gesinnung. Die BFV verwies auf den Entscheidungen des BVwG wo in ähnlichen Konstellationen Asyl gewährt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt den Namen XXXX wurde XXXX in Kabul, Afghanistan, geboren, er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, ledig, Moslem und gehört der Volksgruppe der Tadjiken an.

Der BF hat 12 Jahre die Schule besucht, absolvierte 1 Jahr die Militärakademie und wurde dann Offizier bei der afghanischen Armee, zunächst bei der Infanterie, dann nach Absolvierung von Weiterbildungskursen beim afghanischen XXXX . Aufgabe des BF war es, Berichte und Informationen über terroristische Tätigkeiten von regierungsfeindlichen Gruppen zu analysieren.

Eines Tages bekam der BF Anrufe von einer unbekannten Nummer. Er wurde aufgefordert mit den Taliban zusammenzuarbeiten, wenn diese die Armee angreifen würden. Der BF nahm diese Anrufe zunächst nicht ernst, meldete sie aber dann dem Innenministerium. Er erhielt keinen Polizeischutz. Kurz darauf fand sein Vater vor dem Elternhaus einen an den BF gerichteten Drohbrief. Der Vater des BF erkannte die Gefahr, veranlasste, dass der BF vorübergehend bei Freunden unterkommen und dann Afghanistan verlassen konnte. Die übrige Familie kam ebenso vorübergehend bei Freunden unter und zog dann nach Herat.

Länderfeststellungen:

Quelle:

UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, HCR/EG/AFG/16/02 vom 19.04.2016:

Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden Berichten zufolge in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert. In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die von regierungsnahen bewaffneten Gruppen (teilweise) kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen. Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Auferlegung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiete Menschenrechtsverletzungen. Aus Berichten geht hervor, dass schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet sind.

Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der Verpflichtungen Afghanistans, nach nationalem und internationalem Recht diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsgewalt Afghanistans und die Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen, die Zufriedenheit der Öffentlichkeit mit der Regierungsarbeit und das Vertrauen in öffentliche Einrichtungen sanken Berichten zufolge im Jahr 2015 auf drastische Weise.

Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird in vielen Distrikten durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte sind Berichten zufolge oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.

Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass bis zu zwei Drittel der afghanischen Bürger, die Kontakt zu Staatsbediensteten auf Provinz- und Distriktebene hatten, Schmiergelder zahlen mussten, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten. Innerhalb der Polizei sind Berichten zufolge Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem ist Berichten zufolge auf ähnliche Weise von weitreichender Korruption betroffen.

In einigen Gebieten bevorzugen Berichten zufolge lokale Gemeinschaften parallele Justizstrukturen, etwa Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle auszutragen.150 UNAMA stellt nichtsdestoweniger fest, dass diese Strukturen in der Regel den Gemeinschaften auferlegt werden und dass über diese Strukturen verhängte Bestrafungen wie Hinrichtungen und Amputationen gemäß afghanischem Recht kriminelle Handlungen darstellen. Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die durch diese parallelen Justizstrukturen begangen wurden, haben Berichten zufolge keinen Zugang zu staatlichen Rechtsschutzmechanismen. UNAMA stellt fest, dass die Unfähigkeit der Regierung, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die im Rahmen paralleler Justizstrukturen derartige Straftaten begehen, selbst eine Verletzung von Menschenrechten nach den Prinzipien der Sorgfaltspflicht darstellen kann.

Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) greifen Berichten zufolge systematisch und gezielt Zivilisten an, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung, die afghanische Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und der internationalen humanitären Hilfs- und Entwicklungsakteure, unterstützen bzw. mit diesen verbunden sind. UNAMA zufolge fielen 2015 1.335 Zivilisten (790 Tote und 545 Verletzte) gezielten oder versuchten gezielten Tötungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zum Opfer. Die Taliban übernahmen für 135 Vorfälle mit 336 zivilen Opfern (168 Tote und 168 Verletzte) die Verantwortung.

Die Anzahl der zivilen Opfer stieg im Vergleich zu 2014 (mit 716 Toten und 353 Verletzten) um 25 Prozent, die Anzahl der Vorfälle, für die die Taliban die Verantwortung übernahmen, um 59 Prozent. Außerdem führten 2015 17 vorsätzliche und gezielte Angriffe, die UNAMA mit ISIS verbundenen Gruppen zurechnet, zu 26 zivilen Opfern (17 Tote und neun Verletzte). Zu den primären Zielen solcher Anschläge gehören nationale und lokale politische Führungskräfte, Regierungsmitarbeiter, Lehrer und andere Staatsbedienstete, Polizisten außer Dienst, Stammesälteste, religiöse Führer, Frauen im öffentlichen Leben, Zivilisten, die der Spionage für regierungsnahe Kräfte bezichtigt werden, Menschenrechtsaktivisten, Mitarbeiter von humanitären Hilfs- oder Entwicklungsorganisationen und Bauarbeiter.

Über gezielte Tötungen hinaus setzen die regierungsfeindlichen Kräfte Berichten zufolge Bedrohungen, Einschüchterungen, Entführungen und Brandanschläge ein, um Gemeinschaften und Einzelpersonen einzuschüchtern und auf diese Weise ihren Einfluss und ihre Kontrolle zu erweitern, indem diejenigen angegriffen werden, die ihre Autorität und Anschauungen infrage stellen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, insbesondere Mitglieder der afghanischen nationalen Polizei, werden zunehmend in gezielten Kampagnen angegriffen. Seit dem weitgehenden Rückzug der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 gerieten Polizeistützpunkte und Kontrollstellen zunehmend ins Visier regierungsfeindlicher Kräfte. Polizisten der afghanischen nationalen Polizei (ANP) wurden sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes angegriffen.

Auch gezielte Angriffe auf Mitglieder der afghanischen lokalen Polizei (ALP) sind weit verbreitet. Schätzungen zufolge ist die Zahl der Opfer unter der afghanischen lokalen Polizei dreimal so hoch wie die unter anderen Mitgliedern der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF), da die afghanische lokale Polizei (ALP) häufig in unsichereren Gebieten stationiert ist. Berichten zufolge greifen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) auch Mitarbeiter anderer Polizeikräfte in Afghanistan sowie ehemalige Mitglieder Mitglieder der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte an.

Die Regierungsgewalt Afghanistans und die Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen. Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird in vielen Distrikten durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte sind Berichten zufolge oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben. Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.

Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass bis zu zwei Drittel der afghanischen Bürger, die Kontakt zu Staatsbediensteten auf Provinz- und Distriktebene hatten, Schmiergelder zahlen mussten, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten. Innerhalb der Polizei sind Berichten zufolge Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem ist Berichten zufolge auf ähnliche Weise von weitreichender Korruption betroffen. In einigen Gebieten bevorzugen Berichten zufolge lokale Gemeinschaften parallele Justizstrukturen, etwa Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle auszutragen. Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die durch diese parallelen Justizstrukturen begangen wurden, haben Berichten zufolge keinen Zugang zu staatlichen Rechtsschutzmechanismen.

Personen, die aus Afghanistan fliehen, können einem Verfolgungsrisiko aus Gründen ausgesetzt sein, die mit dem fortwährenden Konflikt in Afghanistan oder mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die nicht in direkter Verbindung zum Konflikt stehen, zusammenhängen, oder aufgrund der Kombination beider Gründe.

Eine besonders sorgfältige Prüfung der möglichen Risken ist insbesondere unter anderem notwendig bei Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

Für den gesamten Zeitraum 2014 und 2015 dokumentierte UNAMA mehrere gezielte Angriffe auf zivile Staatsbedienstete durch regierungsfeindliche Gruppen bei Bodenoffensiven sowie auf Bürogebäude der zivilen Regierung und andere Gebäude .Zivile Staatsbedienstete zählten häufig zu den Opfern gezielter Tötungen. Politiker und Mitarbeiter der Regierung auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene wurden zu Zielen regierungsfeindlicher Kräfte, darunter auch medizinisches Personal, andere Staatsbedienstete und sogar zivile Auftragnehmer.

Frage der internen Fluchtalternative:

Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Bewertung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus. In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes festgestellt wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere und sinnvolle Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden. Wenn im Zuge eines Asylverfahrens eine interne Schutzalternative erwogen wird, muss ein bestimmtes Gebiet für die Neuansiedlung vorgeschlagen und dem Antragsteller eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative zu äußern.

Bei der Bewertung der Relevanz einer internen Schutzalternative für Antragsteller aus Afghanistan ist die Berücksichtigung folgender Punkte von besonderer Bedeutung: (i) das vorgeschlagene Neuansiedlungsgebiet muss dauerhaft sicher sein und (ii) das Gebiet einer voraussichtlichen internen Schutzalternative muss praktisch, sicher und legal für die Person erreichbar sein. In Hinblick auf den ersten Punkt sollte insbesondere der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan sowie die Tatsache berücksichtigt werden, dass sich in Provinzen und Distrikten, die vormals nicht direkt vom Konflikt betroffen waren, die Sicherheitslage verschlechtert hat, und es im Zusammenhang damit zu Binnenvertreibung kommt. Zum zweiten Punkt gehört eine Bewertung der konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem im ganzen Land weit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern, Landminen und explosiven Kampfmittelrückständen, Angriffen und auf den Straßen ausgetragenen Kämpfen und der von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) aufgezwungenen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.

Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine sinnvolle interne Schutzalternative. Es sei insbesondere darauf hingewiesen, dass die Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Hezb-i-Islami Hekmatyar, Gruppen, die nach eigenen Angaben mit ISIS verbunden sind, sowie andere bewaffnete Gruppierungen über die operativen Kapazitäten verfügen, Angriffe in allen Teilen des Landes auszuführen, darunter auch in solchen Gebieten, die nicht von diesen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, wie anhand des Beispiels der steigenden Anzahl öffentlichkeitswirksamer Anschläge in urbanen Gebieten, die sich unter der Kontrolle regierungsnaher Kräfte befinden, ersichtlich wird.

Die Zumutbarkeit einer internen Schutzalternative muss anhand einer Einzelprüfung untersucht werden. Dabei sollten die persönlichen Umstände des Antragstellers einschließlich der Auswirkungen etwaiger in der Vergangenheit vorgekommener Verfolgung auf den Antragsteller berücksichtigt werden. Weitere zu berücksichtigende Aspekte sind die Sicherheitslage, die Achtung der Menschenrechte und die Möglichkeiten für das wirtschaftliche Überleben unter menschenwürdigen Bedingungen im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet. UNHCR ist der Ansicht, dass eine interne Schutzalternative in vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten nicht existiert. In Hinblick auf andere Gebiete Afghanistans ist eine interne Schutzalternative nur dann verfügbar, wenn der Antragsteller dort in Sicherheit, ohne Gefahr sowie ohne Verletzungsrisiko leben kann. Diese Bedingungen müssen dauerhaft und dürfen weder illusorisch noch unvorhersehbar sein. Die steigende Zahl der vom Konflikt betroffenen Provinzen in Afghanistan sowie die Zunahme von konfliktbezogenen gewaltsamen Bevölkerungsbewegungen, die schnellen Verschiebungen der Fronten und die Unfähigkeit der meisten Konfliktparteien, Gebietsgewinne zu halten, sind ebenfalls Faktoren, die Berücksichtigung finden sollten. Die Informationen nach Abschnitt II.B dieser Richtlinien (Anmerkung: Sicherheitslage in Afghanistan) und II.C (Anmerkung: Menschenrechtssituation in Afghanistan) sowie zuverlässige, aktuelle Informationen über die Sicherheitslage im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet sind wichtig für die Bewertung der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, durch Einsichtnahme in die Strafgerichtsakten des Landesgerichts für Strafsachen XXXX Zl. XXXX und des Bezirksgericht XXXX Zl. XXXX , sowie durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wie oben dargelegt.

Die Aussagen des BF zeigen in nachvollziehbarer Weise, dass dieser als Offizier der afghanischen Armee und Mitarbeiter des XXXX in das Blickfeld regierungsfeindlicher Gruppen geriet, sich deren telefonischen Aufforderungen, mit ihnen zu kolaborieren, widersetzte, diese bei den staatlichen Behörden anzeigte und daraufhin einen Drohbrief erhielt mit dem er mit dem Tod bedroht wurde. Unter Einbeziehung der einschlägigen Länderfeststellungen des UNHCR ist zu berücksichtigen, dass der BF im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nicht nur in Kabul tätig war sondern regelmäßig auch in ländlichen Gebieten, und zwar in solchen Gebieten, wo Machtzugewinne regierungsfeindlicher Gruppen zu befürchten waren. Der BF war insoweit in einer vergleichbar exponierten Situation, wie sie vom UNHCR bezüglich der besonders gefährdeten Mitglieder der lokalen Polizei beschrieben wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 3. AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

§ 11 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "begründete Furcht vor Verfolgung".

Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 17.3.2009, 2007/19/0459 ausgesprochen hat, wird die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht.

Der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes besteht auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung einstweilen entziehen konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 94/20/0793 vom 7.11.1995).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates liegt nicht schon dann vor, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine BürgerInnen gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (vgl. VwGH 2006/01/0191 vom 13.11.2008); Mangelnde Schutzfähigkeit des Staates ist jedoch dann gegeben, wenn der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256). Für eine/n Verfolgte/n macht es nämlich keinen Unterschied, ob er/sie aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm/ihr dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm/ihr nicht möglich bzw im Hinblick auf seine/ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.

Die Voraussetzungen der GFK sind nur dann gegeben, wenn der Flüchtling im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet. (VwGH 8.10.1980, VwSlg. 10.255).

Verfolgungsgefahr muss nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem/der Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden. Vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der/die Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er/sie könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2001 2000/01/0322).

Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhaltes:

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der BF als Offizier der afghanischen Armee und Mitarbeiter des XXXX in das Blickfeld krimineller regierungsfeindlicher Gruppen geriet, sich deren telefonischen Aufforderungen, mit ihnen zu kolaborieren, widersetzte, diese bei den staatlichen Behörden anzeigte und daraufhin mit dem Tod bedroht wurde. Dieser Umstand ist im vorliegenden Gesamtzusammenhang asylrelevant:

Die vom BF dargelegte Verfolgung hat ihre Ursache in einem Grund, welchen Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt. Sie ist Ursache dafür, dass sich der BF außerhalb seines Heimatlandes befindet. Der BF hat Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aus Gründen einer ihm unterstellten politischen Gesinnung.

Für den BF existiert keine sinnvolle interne Fluchtalternative. Die Umstände, die der BF als Grund für die Ausreise angegeben werden und die Ausreise selbst standen in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang. Die vom BF erwartete Verfolgung ist als ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des BF anzusehen. Sie ist geeignet, die Unzumutbarkeit seiner Rückkehr nach Afghanistan zu begründen. Die vom BF dargelegte Verfolgung droht ihm mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit. Sie ist auch aktuell. Die vom BF dargelegte Verfolgung stellt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung dar, da aktuell von mangelnder Schutzfähigkeit des Afghanischen Staates ausgegangen werden muss. Dem BF wäre es nicht möglich bzw im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen. Für den BF existiert daher keine sinnvolle innerstaatliche Fluchtalternative.

Frage des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes:

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

§ 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 normiert:

"(1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht."

Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes hat jedoch laut herrschender Rechtsprechung nicht unbedingt den Ausschluss von der Asylgewährung zur Folge, sondern ist eine Güterabwägung im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, bei der die Art der Straftat und der Grad der befürchteten Verfolgung gegeneinander abzuwägen sind (VwGH 31.01.2002, 99/20/0372; VwGH 11.11.2008, 2006/19/0352). Es ist nicht zulässig, bloß auf Grund von strafgerichtlichen Verurteilungen einen Asylausschlussgrund anzunehmen, ohne die Rückkehrgefährdung des Asylwerbers zu prüfen (VwGH vom 27.04.2006, 2003/20/0050). Gemäß Art 33 Z 2 GFK müssen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimatstaat oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden, drittens gemeingefährlich sein und viertens müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" nach § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG (und § 6 Abs. 1 Z. 4 AsylG 2005) vorliegt, eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen. Es genügt nicht, dass ein verübtes Delikt abstrakt als "schwer" einzustufen ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Es ist beispielsweise auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen. Der Verhältnismäßigkeitsprüfung als Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Gewaltkriminalität und den Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat hat eine Gefährdungs- bzw. Zukunftsprognose zu umfassen.

Der BF wurde in Österreich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX GZ XXXX vom 27.10.2017 gem. § 15 StGB und § 87 Abs 1 StGB (Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung, Tatzeitpunkt 05.09.2016) zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 bedingt und 8 unbedingt verurteilt. Bei der Strafbemessung werden folgende Milderungsgründe angeführt: - bisherige Unbescholtenheit, - Teil- bzw. Tatsachengeständnis, -die Tatsache, dass es beim Versuch geblieben ist, - Alkoholisierung, - eigene Verletzung. Als erschwerend wird ein Grund angeführt: die Tatbegehung in Gesellschaft. Mit Urteil vom 19.04.2017, GZ XXXX des Bezirksgerichtes XXXX wurde der BF gem. § 27 Abs 1 Z 1, zweiter Fall SMG wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (Tatzeitpunkt 11.4.2016) zu eine bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung werden folgende Milderungsgründe angeführt: - bisherige Unbescholtenheit, die letztliche Schuldeinsicht. Als erschwerend wird kein Grund angeführt. Die beider Verurteilungen zugrundeliegende Taten des BF hatten keinen terroristischen Hintergrund. Nach Gesamtabwägung der fallbezogenen Umstände ist das Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens im Sinne des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG zu verneinen. Der BF wurde seit 2016 nicht mehr straffällig und hat die seither verstrichene Zeit dazu genützt, sich in Österreich sozial zu integrieren. Es ist kein Asylausschlussgrund gegeben.

Abschließend war zu prüfen, ob aus der vom BF in Afghanistan ausgeübten beruflichen Tätigkeit ein Asylausschlussgrund abzuleiten ist. Der BF arbeitete in nachgeordneter Position im afghanischen XXXX . Die von ihm geschilderte inhaltliche Tätigkeit begründet keinen Anhaltspunkt dafür, dass der BF aufgrund seiner in Afghanistan ausgeübten Funktion als Offizier einen Asylausschlussgrund verwirklicht haben könnte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Geheimdienst, Offizier,
Schutzunfähigkeit, unterstellte politische Gesinnung, wohlbegründete
Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W164.2166357.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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