TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 W111 2015251-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W111 2015251-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2014, Zl. 831769108-2365056, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 idgF, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 02.12.2013 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, zu welchem er am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde (vgl. AS 17 bis 27). Dabei gab er zusammengefasst an, er gehöre dem moslemischen Glauben sowie der tschetschenischen Volksgruppe an. Den Entschluss zur Ausreise habe er etwa einen Monat vor seiner tatsächlichen schlepperunterstützten Ausreise Ende November 2013 gefasst, jedoch habe er schon vor zwei bis drei Jahren ausreisen wollen, damals habe er noch kein Geld gehabt.

Zum Grund seiner Flucht gab der Beschwerdeführer wörtlich Folgendes zu Protokoll:

"Ich habe das Leben wie ein Tier satt. Ich bin 37 und habe keine Frau und keine Kinder. Wenn man in Tschetschenien arbeitet bekommt man kein Geld oder viel weniger als versprochen wurde. Es gibt fast keine Arbeit. Ich musste 2000 USD das ganze Jahr sammeln damit ich mir die Reise leisten kann. Man fühlt sich im Land wie Abschaum. Ich möchte einfach ein zivilisiertes Leben. Und das kann ich nur in Europa haben." Auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen erklärte der Beschwerdeführer, in seinem Land herrsche Willkür, er habe Angst, dorthin zurückkehren zu müssen.

Der Beschwerdeführer legte seinen russischen Inlandspass im Original vor (siehe AS 39).

Am 03.09.2014 erfolgte im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab auf entsprechende Befragung hin im Wesentlichen zu Protokoll (im Detail vgl. AS 55 bis 69), gesundheitlich sei nunmehr alles in Ordnung, nachdem er in Österreich dreimal operiert worden wäre; er habe bereits seit 25 Jahren an Mittelohrentzündung gelitten und diesbezüglich im Herkunftsstaat für erfolglose Behandlungen in den letzten beiden Jahren 300.000 Rubel ausgegeben. Außerdem leide er an Asthma und bekomme Herzstechen, diesbezüglich habe er sich jedoch noch nicht in Behandlung begeben. Seine bisherigen Angaben seien wahrheitsgemäß gewesen, diese seien korrekt protokolliert und ihm rückübersetzt worden. Befragt, ob sich an seinen Fluchtgründen seither Änderungen ergeben hätten, erklärte der Beschwerdeführer, nach seiner Ausreise mit seinem jüngeren Bruder telefoniert zu haben, welcher ihm mitgeteilt hätte, dass von Kripobeamten dreimal nach ihm gefragt worden wäre; diese hätten behauptet, er wäre nach Syrien ausgereist. Der Beschwerdeführer habe die Mittelschule absolviert, er habe keinen Beruf erlernt und in der Folge auf Baustellen gearbeitet. In Tschetschenien würden sich unverändert die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers aufhalten, sie besäßen ein Haus mit einem Grundstück. Auf die Frage, ob es ihm im Falle einer Rückkehr möglich wäre, wieder an seiner früheren Wohnadresse bzw. bei Verwandten zu wohnen, antwortete der Beschwerdeführer: "Das ist durchaus möglich, es wird aber schwierig sein, in diesem Fall muss ich wieder auf Baustellen arbeiten, dafür habe ich aber keine Gesundheit mehr." Circa im Jahr 2005 sei der Beschwerdeführer von den Russen mitgenommen worden, welche ihn vier Tage lang festgehalten, geschlagen und gefoltert hätten. Die Kosten für seine Ausreise hätten sich auf USD 2.600,- belaufen, er habe zuhause fast zwei Jahre lang auf Baustellen gearbeitet und diesen Betrag gespart, um die Reise nach Österreich finanzieren zu können.

Um detaillierte Schilderung seiner Fluchtgründe ersucht, gab der Beschwerdeführer an, er sei jetzt 37 Jahre alt und immer noch nicht verheiratet. Das hänge mit seiner Situation in Tschetschenien zusammen; was in den Medien berichtet werde, stimme in keiner Weise. Mit den Arbeiten auf der Baustelle könne er zu Hause keine Familie erhalten, alleine die Heirat würde EUR 3.000,- kosten. Von den Tätigkeiten auf der Baustelle sei er nicht in der Lage, eine Familie zu erhalten. Die Kinder solle man doch später auch zur Schule schicken, deshalb habe er bis heute nicht geheiratet.

Auf entsprechende Nachfrage hin, bestätigte der Beschwerdeführer, dass dies der einzige Grund wäre, weshalb er die Russische Föderation habe verlassen müssen. Nochmals gefragt, ob er abgesehen von dem bisher Geschilderten keine Befürchtungen im Hinblick auf eine Rückkehr in die Russische Föderation aufweisen würde, berichtete der Beschwerdeführer, etwa ein Jahr vor seiner Ausreise auf einer Baustelle gearbeitet zu haben, wobei eine monatliche Entlohnung von 32.000,- Rubel vereinbart gewesen wäre; nachdem er bereits zwei Monate gearbeitet hätte, habe er lediglich 30.000,-

Rubel erhalten, worüber er sich beim Vorarbeiter beschwert hätte. Daraufhin sei der Beschwerdeführer vom Wachpersonal mitgenommen und zusammengeschlagen worden. Befragt, ob er seine Fluchtgründe nunmehr zur Gänze geschildert hätte, gab der Beschwerdeführer an, früher im Fernsehen viel über Deutschland und Österreich gesehen zu haben, es sei immer schon sein Wunsch gewesen, hierher zu kommen und unter zivilisierten Menschen zu leben. Er wolle hier auch heiraten und seine Kinder großziehen.

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge zu seinen Lebensumständen in Österreich einvernommen. Die im Anschluss gestellte Frage, ob er außer den bereits genannten Problemen jemals Schwierigkeiten mit privaten Personen, Banden oder kriminellen Organisationen gehabt hätte, bejahte der Beschwerdeführer und konkretisierte, in Tschetschenien ständig Schwierigkeiten mit Kadyrow's Leuten gehabt zu haben. Diese seien eine Mafia, in Tschetschenien würde alles ihnen gehören.

Mit Eingabe vom 04.09.2014 übermittelte der Beschwerdeführer ärztliche Unterlagen bezüglich in Österreich durchgeführter Behandlungen (Diagnosen: chronische Otitis media rechts, Nasenseptumdeviation nach links, hypertrophe Adenoide; Opiatabhängigkeit F11.2.) (vgl. AS 143 bis 151).

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2014 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 02.12.2013 gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten (im Detail vgl. AS 234 ff), dass eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden habe können. Der Beschwerdeführer habe seinen Fluchtgrund im Verfahrensverlauf gleichbleibend geschildert, weshalb dieser der Entscheidung zugrunde gelegt würde. Die Berufung auf die allgemeine wirtschaftliche Lage seines Herkunftsstaates könne jedoch eine Gewährung internationalen Schutzes nicht rechtfertigen, zumal diese sämtliche Bewohner seiner Heimat gleichermaßen treffen würde und in diesem Zusammenhang keine konkrete Gefährdungssituation des Beschwerdeführers erkannt werden könne. Die vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden seien in Österreich operativ behoben worden und sei dem Beschwerdeführer eine weitere (Nach-)behandlung sowie eine Behandlung wegen Drogenabhängigkeit auch in der Russischen Föderation möglich, wo sich unverändert zahlreiche Verwandte aufhalten würden, welche diesen nach einer Rückkehr unterstützten könnten; im Übrigen sei es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, seinen Lebensunterhalt - wie schon vor seiner Ausreise - eigenständig zu erwirtschaften. Eine nennenswerte Integration des Beschwerdeführers in Österreich habe nicht festgestellt werden können, ein Vergleich zeige ein deutliches Überwiegen seiner nach wie vor bestehenden Bindungen zum Herkunftsstaat.

3. Gegen den angeführten Bescheid wurde mit am 01.12.2014 eingelangtem Schriftsatz fristgerecht das Rechtsmittel einer - nicht näher begründeten - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht im vollen Umfang erhoben (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 279 f).

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 09.12.2014 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde der Gerichtsabteilung W190 zugeteilt.

5. Am 21.09.2016 fand vor der damals zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer sowie eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, hatte aber bereits zuvor schriftlich mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.

Die Befragung des Beschwerdeführers vernahm in den gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"(...) VR: Wie sieht es mit Ihrer Gesundheit heute aus, physisch und psychisch?

BF: Bis jetzt nicht. Ich stehe derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und habe auch keine bekannten Erkrankungen. Ich möchte mich bei der Republik Österreich bedanken. Ich wurde 3 Mal operiert. Dank der Behandlung fühle mich heute sehr gut.

...

VR: Möchten Sie zu den im erstinstanzlichen Verfahren bzw. der Beschwerdeschrift vorgebrachten Fluchtgründen bzw. Umständen Ihrer Flucht von sich aus eine Erklärung abgeben bzw. Richtigstellung oder Ergänzungen vornehmen?

BF: Das was ich bei der ersten Einvernahme geschildert habe entspricht der Wahrheit. Ich hatte aber Angst alle meine Probleme zu schildern. Ich habe nämlich damals gehört, dass es hier auch Leute vom FSB und Interpol kommen.

VR: Ohne ins Detail zu gehen, was haben Sie nicht geschildert?

BF: Ich März 2013 wurde ich von Kadyrov-Leuten festgenommen. Nach der Freilassung habe ich mich versteckt gehalten. Meine Verwandten haben 350.000 Rubel für meine Freilassung gezahlt. Man hat mir aber gesagt, dass ich nur eine Zeit lang in Freiheit sein kann.

VR: Ich muss Sie an dieser Stelle an das Neuerungsverbot im Asylverfahren hinweisen. Diese Geschichte wurde weder bei der niederschriftlichen Erstbefragung, noch bei der Einvernahme vor dem BFA uns sogar nicht einmal in der Beschwerde vorgebracht. Das Gericht geht nicht davon aus, dass Sie in einem Land Asyl beantragen, gleichzeitig aber vorbringen, sich hier insofern sicher zu fühlen, als wie von Ihnen behauptet Angehörige des FSB die Sicherheit beeinflussen bzw. sie behelligen können. Diesfalls stellt sich die Frage warum sie in ein solches Land konkret nach Österreich "geflüchtet" sind. Dem Grunde nach hätte die Beschwerde schon ohne weiteres abgewiesen werden, da die Beschwerdeschrift keinerlei konkretes Vorbringen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des angefochten Bescheides enthält. Sie wurden auch mehrfach gefragt, ob Ihr Vorbringen sämtliches Fluchtbringen beinhaltet, dies haben sie jedenfalls bejahrt und durchwegs glaubwürdig die generellen Umstände in Tschetschenien als Grund für Ihre "Flucht" vorgebracht bzw. sich auf Allgemeinplätze von Behelligungen zurückgezogen. Eine Verfolgung aus einem in der GFK genannten Fluchtgründen haben sie dezidiert verneint. Bei dem heutigen Vorbringen handelt es sich um eine vehemente Steigerung. Es ist mir auch unter Zugrundelegung der behaupteten Angst nicht verständlich, dass Sie seit 02.12.2013 bis zur heutigen Verhandlung keinerlei Vorbringen der heute getätigten Art vorgebracht haben. Das Gericht müsste daher davon ausgehen, dass die nunmehr vorgebrachte Geschichte eine Steigerung darstellt, die mangels Erfolg im Verfahren vor der ersten Instanz, eine positive Erledigung Ihres Asylverfahrens bezwecken soll. Sie haben auch vor der ersten Instanz dezidiert. Was sagen Sie dazu?

BF: Wissen Sie, ehrlich gesagt, Kadyrov findet seine Feinde überall auf der Welt.

VR: Dann demzufolge könnten Sie sich auch hier nicht sicher fühlen.

BF: Meiner Mutter wurde vor 1 Monat das Gas abgedreht. Man sagte ihr, dass ihr Sohn in Europa sei, und Geld für Holz senden solle. Ich gebe zu, ich, bin schon 40 Jahre alt, ich bin nicht verheiratet und habe keine eigene Familie. Ich habe genug vom Leben in Tschetschenien und wollte hier nur ein ruhiges Leben führen. In den letzten 10 Jahren habe ich davon geträumt ein ruhiges Leben in Europa führen zu können. Das war der eigentliche Grund hier herzukommen.

VR: Auf Grundlage ihres Vorbringens vor der ersten Instanz möchte ich Sie fragen, inwiefern Sie den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig erachten.

BF: Ich habe niemals gesagt, dass das ein rechtswidriger Bescheid ist. Ich habe vor der ersten Instanz nur nicht alle Gründe genannt.

VR: Es ist zutreffend, dass Sie in der Beschwerdeschrift vom 01.12.2014, ohne Angabe von näheren Gründen keinerlei Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behauptet haben. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie den Bescheid auf Grundlage Ihres Vorbringens für zutreffend erachten und jetzt nur vorbringen, dass Sie vor der ersten Instanz nicht alles vorgebracht haben.

BF: Ja, das stimmt. Der Bescheid ist so in Ordnung. Ich habe damals aber nicht alles gesagt. Ich wusste aber nicht wer mich einvernimmt, und will jetzt nur das sie sich mein jetziges Vorbringen ansehen.

VR: Wenn Sie nicht mal die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behaupten muss ich die Beschwerde aber abweisen.

VR: Entsprechen sämtliche von Ihnen im erstinstanzlichen Verfahren bzw. der Beschwerdeschrift vorgebrachten Ausführungen der Wahrheit?

BF: Ja, auch das was ich vor der ersten Instanz gesagt habe, war wahr.

...

VR: Haben Sie im Herkunftsstaat noch nahe Verwandte wie Eltern, Schwiegereltern Geschwister, etc?

BF: Meine Mutter lebt noch in XXXX. Mein Vater ist 2009 verstorben. Ich habe 2 Brüder und 1 Schwester. Ein Bruder lebt in XXXX, die anderen Geschwister leben mit meiner Mutter in XXXX. Meine Brüder sind verheiratet. Meine Schwester ist ledig. Meine Brüder sind berufstätig und haben Familien. Meine Schwester ist Schneiderin, meine Mutter ist in Pension. Meine Schwester lebt mit meiner Mutter im gemeinsamen Haushalt.

VR: Wo leben Ihre Brüder?

BF: Der ältere Bruder lebt jetzt in XXXXk. Er lebt seit eineinhalb Jahren dort. Davor lebte er in XXXX. Der jüngere lebt inXXXX, seit fast 2 Jahren lebt er dort. Davor lebte er bei uns im Dorf, in unserem Haus.

...

VR: Welche schulische oder sonstige Ausbildung haben Sie erhalten?

BF: Ich habe 9 Klassen Grundschule abgeschlossen. Danach habe ich zu arbeiten begonnen.

VR: Welche berufliche Tätigkeit haben Sie im Herkunftsstaat ausgeübt, evt. auch Hilfsarbeiten?

BF: Ich habe stets auf Baustellen gearbeitet und wir haben Häuser gebaut. Das war bis unmittelbar zu meiner Ausreise. Ich habe bereits ab der 6. Klasse auf Baustellen gearbeitet.

VR: Übten Sie irgendwann eine andere berufliche Tätigkeit aus?

BF: Nein, ich habe nur auf Baustellen gearbeitet.

VR: Haben Sie Ihren Wehrdienst absolviert? Wenn ja, so geben Sie bitte den Zeitraum und den Ort der Stationierung an.

BF: Nein, ich habe mich auch nicht als Kämpfer betätigt. Ich habe immer nur geträumt, als normaler Mensch zu leben.

VR: Wo lebten Sie im Laufe Ihres Lebens in Ihrem Herkunftsstaat?

BF: Ich lebte stets in Tschetschenien und im Dorf XXXX.

VR: Besitzen Sie im Herkunftsstaat noch eine Wohnung, ein Haus oder sonstige Unterkunft bzw. nennenswertes Vermögen?

BF: Ja es gibt das Haus meines Vaters, das gehört aber meiner Mutter. Ich selbe habe keine eigene Eigentumswohnung oder ein Haus.

...

VR: Waren Sie im Herkunftsstaat jemals in Haft oder sind Sie angehalten worden (diese Frage bezieht sich auch auf kurzfristige illegale Anhaltungen)? Wenn ja, wo, wie lange und warum?

BF: Das letzte Mal wurde ich 2013 zwei oder drei Mal mitgenommen. In den letzten Monaten vier Mal.

VR: Wohin sind Sie mitgenommen worden?

BF: Nach XXXX, wo der Präsident lebt. Dort werden die Menschen mit wilden Tieren eingeschüchtert.

VR: Sind Sie bei den behaupteten 4 Mitnahmen jedes Mal nachXXXX gebracht worden?

BF: Ja.

VR: Wo hat man Sie in XXXX festgehalten?

BF: Ich wurde von zuhause mitgenommen und festgehalten.

VR: Wo wurden sie festgenommen?

BF: Zu einem Stützpunkt, wo die Menschen festgehalten und gefoltert werden. Auch mit Strom.

VR: Wurden Sie auch gefoltert?

BF: Ja, ich wurde auch mit Strom gefoltert. An den Fingern hat man das angebracht.

VR: Schildern Sie mir bitte genau, wie Sie mit Strom gefoltert wurden, im Detail.

BF: Es gibt ein Gerät, das wurde aus einem alten Telefon gemacht. Dieses Gerät hat eine Drehkurbel. Man wickelte mir um die Daumen bzw. am nächsten Tag um die kleinen Finger lange Drähte, die direkt mit dem Apparat verbunden waren. Dann haben Sie am Apparat gedreht.

VR: Was passierte mit Ihnen dann?

BF: Zuerst saß ich auf einen Sessel. Nach 2 -3 Sekunden wurde ich sofort bewusstlos und fiel vom Sessel. Ich kam dann zu mir und Sie nahmen mir die Drähte ab. Ich habe ihnen gesagt, dass ich ein schwaches Herz habe und sie mich nicht mit Strom foltern sollen. Sie könnten mich schlagen oder treten.

VR: Welche Verletzungen trugen Sie von der Stromfolter?

BF: Ich hatte ca. 1 Monat lang Geräusche im Kopf und die Hände haben gezittert. Ich konnte die Hände nicht richtig zu machen und auch kein Glas normal heben.

VR: Gab es keine Verbrennungen?

BF: Von diesem Apparat gibt es keine Spuren. Das ist so, dass keine Beweise übrig bleiben.

VR: Wie wurden Sie noch misshandelt?

BF: Sie schlugen mich mit dem Griff eines Spatens, um den sie ein Tuch gewickelt hatten.

VR: Welche Verletzungen trugen Sie von der Misshandlung mit dem Spaten?

BF: Ich habe Schmerzen an der linken Brustkorbseite und auch im Nieren und Milzbereich.

VR: Wie lange dauerten die Anhaltungen?

BF: Das erste Mal wurde ich vier Tage lang gehalten.

VR: Wann war das erste Mal genau?

BF: Ende März, Anfang April 2013.

VR: Wann war das zweite Mal?

BF: Nach eineinhalb Monaten, Ende Mai.

VR: Das dritte Mal?

BF: Anfang Juli 2013.

VR: Das vierte Mal?

BF: Ende August 2013.

VR: Wurden Sie jedes Mal auf die gleiche Art gefoltert?

BF: Nein, mit Strom wurde ich nur beim ersten Mal gefoltert. Nein, das erste und das zweite Mal. Sonst wurde ich nur geschlagen.

VR: Was wollte man von Ihnen?

BF: Sie wollten nichts Konkretes von mir. Das waren nur Kadyrov Leute. Die Leute im Dorf haben für die Kämpfer Geld gesammelt. Ich habe zwei Leute bei mir versteckt. Das waren Leute, die Geld gesammelt haben.

VR: Wie können Leute Geld sammeln wenn Sie versteckt sind?

BF: Sie verstehen mich nicht. Sie haben gearbeitet und den Kämpfern Geld geschickt. Sie riefen mich an und sagten, dass man sie sucht und ich sie verstecken sollen.

VR: Wer waren die Leute? Wieso haben Sie sich überhaupt in die Gefahr begeben?

BF: Wir sind zusammen aufgewachsen. Einer heißt XXXX und der andere heißt XXXX.

VR: Was geschah weiter, nachdem Sie die Leute versteckt haben?

BF: Nach ein paar Wochen hat man erfahren, dass sie bei mir sind. Es kamen zu mir Leute von Kadyrov, Militärangehörige. Die kommen aber nur unter Tags. Die waren aber nur nachts bei mir, so hat man sie nicht gefunden. Ich bin dann zu der ROWD gebracht worden. Dann ließ man mich frei. Nach XXXXwurde ich nicht gebracht.

VR: Dann sind wir aber schon bei 5 Mitnahmen. Sie haben aber vorher, nur von 4 gesprochen.

BF: Ja, es waren aber nur 4 ernste.

VR: Was wollten man bei den Mitnahmen von Ihnen als man sie gefoltert hat?

BF: Man hat mir vorgeworfen, dass ich die Kämpfer unterstützte und auch Geld gesammelt habe.

VR: Wieso sollte man Sie insgesamt 4 Mal mitnehmen, dann aber freilassen. Wäre es nicht bei ernsthaftem Interesse an Ihrer Person vollkommen widersinnig Sie wieder auf freien Fuß zu setzen und das 4 Mal.

BF: Sie haben gehofft, dass ich sie zu den Kämpfern führe.

VR: Da wäre es doch zielführender, wenn man Sie behält und mehr unter Druck setzt. Es ist ja auch nicht davon auszugehen, dass Sie freigelassen werden und dann zu den Kämpfern gehen, um sich noch mehr angreifbar zu machen. In dieser Hoffnung lässt man Sie frei?

BF: Die Leute wussten, dass ich unschuldig bin.

VR: Wieso soll man Sie dann trotzdem mitgenommen haben?

BF: Das war Ihre Arbeit, sie mussten irgendjemanden mitnehmen und foltern.

VR: Irgendjemanden?

BF: Ja, sie hätten irgendjemanden mitnehmen können, egal wen. Das hat nichts mit mir zu tun. Im Dorf gibt es seit 15 Jahren kein Wasser.

VR: Ihr Vorbringen widerspricht sich. Einerseits behaupten Sie, dass man Sie wegen der Unterbringung der Geldkollektoren mitgenommen hat, andererseits bringen Sie dem Grunde nach vor, aus Willkür festgenommen worden zu sein. Das hätte jeden treffen können.

BF: Wenn jemand mitgenommen wird, wird er gefoltert. Ich weiß es, deswegen wurde ich gefoltert. Ich habe den Leuten geholfen.

VR: Sie lebten mit Ihrer Mutter, Schwester und den jüngeren Bruder in gemeinsamen Haushalt?

BF: ja

VR: Wieso hat man Ihren Bruder nicht mitgenommen? Wieso kann ihr Bruder unbehelligt in der russischen Föderation leben?

BF: Er arbeitet immer in Russland.

VR: Sie brachten vorher vor, dass Ihr Bruder im gemeinsamen Haushalt mit Ihrer Mutter und Ihnen gelebt hat.

BF: Er war einmal da und einmal dort.

VR: Haben Sie sich politisch im Herkunftsstaat betätigt und/oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung?

BF: Nein.

VR: Wurden Sie aufgrund Ihrer Rasse, Nationalität bzw. Zugehörigkeit zu einer best. sozialen Gruppe verfolgt?

BF: Nein.

VR: Wurden Sie aus religiösen Gründen verfolgt?

BF: Nein.

VR: Es folgen zwei Fragen, die bei mir jeder BF gestellt erhält somit auch wenn in weiterer Folge Asyl zuerkannt wird. 1. Frage:

Haben Sie versucht, in Ihrem Herkunftsstaat Schutz vor den von Ihnen genannten Verfolgungshandlungen zu suchen (z.B. Anzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft, Inanspruchnahme von NGOs, etc.)

BF: Nein, das hätte keinen Sinn gehabt.

VR: Die 2. (rein hypothetische) Frage lautet: Was befürchten Sie für den Fall Ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat?

BF: Wenn ich nachhause fahre, werde ich am nächsten Tag mitgenommen. Ich werde der Willkür ausgesetzt. Ich möchte ein normales Leben führen.

VR: Haben Sie in Österreich bislang eine Berufstätigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt bzw. waren sie selbständig erwerbstätig ?

BF: Nein.

VR: Wovon bestreiten Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich beziehe Leistungen aus der Grundversorgung.

VR: Werden sie derzeit bzw. sind sie in letzter Zeit von irgendjemand finanziell unterstützt worden ?

BF: Manchmal helfen mir meine tschetschenischen Freunde mit Brot, Wurst oder Fleisch, aber Geld bekomme ich keines.

VR: Wie sehen ihre persönlichen Wohnverhältnisse aus ? Leben Sie in einer Unterkunft der Grundversorgung oder einer/einem von ihnen angemieteten/gekauften Wohnung bzw. Haus ?

BF: Ich lebe in einer Unterkunft der Flüchtlinge im Rahmen der Grundversorgung.

VR: Fühlen Sie sich in der Lage, auch körperliche anstrengende Arbeiten zu übernehmen?

BF: Ja. Ich würde gerne auf Baustellen arbeiten.

...

VR: Haben sie im Zuge ihres Aufenthaltes in Österreich bisher an irgendwelchen Ausbildungsmaßnahmen teilgenommen, Fortbildungsveranstaltungen besucht oder neue berufliche Kenntnisse bzw. Fähigkeiten erlangt ?

BF: Nein.

VR: Wie verbringen Sie derzeit ihren Alltag?

BF: Ich mache nichts. Ich mache nur Sport.

VR: Wo und wann haben Sie in Österreich Deutschkurse besucht?

BF: Ein paar Mal schon. Ich habe aber nichts abgeschlossen.

VR: Sprechen Sie Deutsch? (Die/Der BF wird ohne Unterstützung durch D aufgefordert, Fragen zum Namen, der Herkunft, etwaigen Hobbys den Lebensverhältnissen, den familiären Verhältnissen, seinen Alltag oder das soziale Umfeld zu erörtern)) BF (auf Deutsch): Ich bin Tschetschene. Ich bin XXXX. Ein bisschen kann sprechen. (BF schweigt weiter und sagt auf Russisch: Ich würde gerne lernen.

VR stellt fest, dass der BF keine Kenntnisse der deutschen Sprache aufweist. (...)"

6. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde gegenständliches Beschwerdeverfahren am 29.09.2017 der nunmehr zuständigen Gerichtabteilung W111 neu zugewiesen.

Mit Eingabe vom 27.02.2018 wurde das im Spruch bezeichnete Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben.

Mit Eingabe vom 02.03.2018 übermittelte der Beschwerdeführer ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen, bei welchen es sich einerseits um die bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegten Unterlagen aus dem Jahr 2014 handelt, andererseits finden sich darin Befunde aus den Jahren 2015/2016, welchen sich die Diagnose einer Opiatabhängigkeit F11.2 sowie der Verdacht auf eine rezid. depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode F33.2., entnehmen lässt.

7. Am 06.03.2018 fand vor der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen gewillkürter Vertreter sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Russisch teilgenommen haben. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.

Die Verhandlung vernahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"(...) R: Möchten Sie Ihrem bisherigen Verfahren etwas hinzufügen oder korrigieren?

BF: Nein, es war alles in Ordnung. Ich wurde im September 2016 einvernommen und im November hatte meine Mutter einen Schlaganfall. Sie war auf der linken Seite gelähmt. Ich habe mir in dieser Zeit große Sorgen gemacht. Ich bekomme im Monat 220 Euro. Ich habe meiner Mutter je nach dem, was ich konnte, 20, 30 oder 40 Euro. Sie ist am XXXX verstorben. Mein Vater ist 2009 verstorben.

R: Bitte schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf.

BF: Ich glaube, dass bei mir auf der Stirn steht, dass ich ein misslungener Mensch bin. Ich wurde am XXXX geboren im Rajon XXXXs im Dorf XXXX. Ich habe zwei Brüder und eine Schwester. Der ältere Bruder ist verheiratet und hat eine eigene Familie. Er arbeitet auf Baustellen. Er lebt in XXXX. Der jüngere Bruder lebt in XXXX und arbeitet auch auf Baustellen und ist ebenfalls verheiratet. Meine Schwester hat vor acht Monaten geheiratet. Ich habe neun Jahre die Schule besucht. Ich habe keine Berufsausbildung absolviert, weil der Krieg begonnen hat. Ich habe die Schule 1994 abgeschlossen und der Krieg begann ebenfalls 1994. Die Leute haben geschaut, dass sie durchkommen. Ich war zu Hause. Ich habe Diesel und Benzin auf der Straße verkauft, dies bis 1999, dann begann der zweite Krieg. Als der zweite Krieg 1999 begann, habe ich einen Bus gekauft. Ich habe von XXXX nach XXXX Diesel transportiert. Ich habe das ungefähr ein Jahr gemacht. 2001 wurde ich in der Nacht von russischen Soldaten mitgenommen. Wir haben den Diesel in der Nacht transportiert, weil unter Tags bestand die Gefahr unter Beschuss zu geraten. 2001 im Jänner war es furchtbar kalt. Damals wurde in der Nacht ein Kontrollposten aufgestellt. Man hat erfahren, dass wir diesen Weg über den Wald nehmen. Wir wurden mitgenommen. Vier Autos waren das, zwei Busse und zwei Autos der Marke Gazell. Man hat uns Säcke über den Kopf gestülpt und unsere Autos wurden in Brand gesetzt. Man hat mich dort ungefähr eine Woche festgehalten. Nach vier Tagen, also am fünften Tag erfuhren meine Verwandten von der Festnahme. Offiziell wollte man kein Geld nehmen, aber das hat man über Bekannte erledigt. Für mich zahlte man 40.000 Rubel. Ich wurde in den vier Tagen stark verprügelt. Wir sind nach Hause gefahren. Dann habe ich nicht gearbeitet. Ich war damals circa eineinhalb Jahre krank. Ich habe dann zu arbeiten begonnen. Es waren Baustellen. Dort habe ich bis zu meiner Ausreise gearbeitet.

R: Aus welchen Gründen haben Sie Ihre Heimat verlassen?

BF: Man hätte mich jedenfalls für sieben oder acht Jahre ins Gefängnis gebracht. Ich hatte genug davon. Ich wurde jeden Monat mitgenommen.

R: Bitte schildern Sie mir detailliert und chronologisch richtig, welche Fluchtereignisse es gab.

BF: Meine Probleme begannen im März oder April 2013. Es sind jeden Abend Freunde zu mir gekommen, so sechs, sieben oder acht Personen. In der Nacht sind Leute zu mir gekommen. Eine junge Frau hat mich angerufen, es war eine weibliche Stimme. Sie hat mich gefragt, ob ich zu Hause bin. Ich habe ja gesagt und gefragt, wer sie ist. Sie sagte, ich solle das Haus verlassen. Vor dem Haus standen zwei Autos. Ich bin hinausgegangen und habe niemanden gesehen. Ich habe die Telefonnummer angerufen, von der sie mich angerufen hat. Ich wurde mitgenommen. Wissen Sie, welche Probleme es bei uns gibt. Zuerst wird man mit Strom gefoltert und dann mit Gummiknüppeln und Wasserrohren geschlagen. Zuerst wird man geschlagen und dann werden Fragen gestellt.

R: Bitte schildern Sie nicht abstrakt, sondern konkret, was Ihnen passiert ist.

BF: Ich wurde mitgenommen. Sie haben so ein Gerät vom alten Telefon, das man drehen kann, dieses erzeugte den Strom von 320 Volt. Es werden Kabel an die Finger gebunden und dann werden demjenigen die Stromstöße erteilt. Wenn sie es langsam drehen, werden nur 110 Volt erzeugt. Man hat mir vorgeworfen, dass ich mit Wahabiten befreundet bin. Ich habe gesagt, dass das meine Freunde sind. Nachgefragt gebe ich an, dass es sich um meine Freunde handelte. Einer heißt zum Beispiel XXXX, der zweite heißt XXXX, dieser wurde voriges Jahr umgebracht. Man hat zwar 20 Millionen Rubel bezahlt, aber seine Leiche wurde bis jetzt nicht freigegeben. Das erste Mal wurde ich dort vier oder fünf Tage festgehalten. Die Verwandten haben dann 300.000 Rubel bezahlt und konnten mich mit Mühe freikaufen. Wenn jemand aufgrund irgendwelcher Beschuldigung festgenommen wird, dann wird dieser nicht mehr in Ruhe gelassen. Ende März hat man mich freigekauft. Anfang April wurde ich wieder festgenommen. Man wollte, dass ich irgendwelche Papiere unterschreibe. Man hat mich in einem Keller festgehalten, dieser war zweigeschossig. Ich wurde nicht mit Strom gefoltert. Man hat mich mit einem Knüppel geschlagen. Man hat mich dort drei oder vier Tage festgehalten. Das zweite Mal wurde ich nicht mehr so gequält. Man wollte, dass ich schriftlich bestätige, dass ich Kämpfer finanziell unterstützt habe. Ich habe nicht unterschrieben. Wenn ich unterschrieben hätte, wäre ich nicht hier. Ich habe gesagt, dass ich das nicht unterschreiben werde, auch wenn man mich umbringen würde. Man sagte mir, ich würde trotzdem unterschreiben, weil ich keinen Ausweg mehr habe. In XXXXgibt es ein Gefängnis, das heißt XXXX-Stützpunkt. Es heißt so, damit die Leute Angst bekommen. Das zweite Mal wurde ich so freigelassen, ohne, dass Geld bezahlt wurde. Die Leute wissen, dass ich nicht schuldig bin. Sie mussten etwas liefern. Nachgefragt, warum man mich freigelassen habe, ohne Geldleistung oder Geständnis, gebe ich an, dass man mich nicht einfach freigelassen hat, sondern man hat gesehen, dass meine Verwandten und Freunde hinter mir stehen. Wieder nachgefragt, gebe ich an, dass mich das ganze Dorf unterstützt hätte, wenn mir etwas passiert wäre. Ich habe sehr viele weitschichtige Verwandte, circa 100 Personen, die mich unterstützt hätten. Ich bin dann nach Hause gekommen und habe, wie immer, gearbeitet. Das dritte Mal zum ROWD gebracht. Ich habe eineinhalb Jahre Geld gespart, um nach Österreich zu kommen.

R: Schildern Sie, was beim ROWD passiert ist.

BF: Bei uns gibt es eine ROWD in XXXX. Dort hat man mich nicht misshandelt. Ich war dort drei Tage lang in einer Einzelzelle. Man hat mir gesagt, dass man Informationen hätte, dass ich Geld für Kämpfer sammle. Mein Onkel und der Leiter des ROWD sind bekannt. Mein Onkel hat mit ihm eine Vereinbarung getroffen. Er hat gesagt, dass wenn ich schuldig bin, dass ich ins Gefängnis gehen soll und wenn nicht, ich in Ruhe gelassen werden soll. Ich wurde damals zu Untersuchungsbeamten gebracht und der stellvertretende Leiter ist dorthin gekommen. Ich wurde freigelassen, weil ich unschuldig war. Dies war Ende Mai 2013. Dann bin ich nach Hause gefahren. Das vierte Mal wurde ich im August festgenommen. Man hat mich zwei Tage festgehalten. Man hat mir nichts gesagt und auch nichts angetan. Einer von ihnen hat mir vorgeworfen, dass ich für die Kämpfer Geld sammle, was aber nicht der Wahrheit entsprochen hat. Am zweiten Tage hat mein Onkel wieder eine Freilassung erwirkt. Dann habe ich beschlossen von dort nach Europa wegzufahren. Ich habe eineinhalb Monate in XXXX auf Baustellen gearbeitet. Im November bin ich dann ausgereist. Ich habe 120.000 Rubel gesammelt, in der Zeit als ich gearbeitet habe. Ich beschloss bereits 2012, dass ich wegfahre. Ich habe in XXXX seit 16 Jahren einen Freund aus Tschetschenien. Er hat mir einen Rat gegeben, dass man mich sowieso nicht in Ruhe lassen wird und ich nach Österreich kommen soll.

R: Sie schildern heute ein zusammenhängendes Fluchtvorbringen. Warum haben Sie viereinhalb Jahre in Österreich gebraucht, um dies den Behörden mitzuteilen? Im Rahmen im erstinstanzlichen Verfahren haben Sie von solchen Vorfällen überhaupt nichts erwähnt. Bei der Vernehmung am 21.09.2016 haben Sie die Ereignisse nur ansatzweise und unzusammenhängend geschildert.

BF: Anfangs habe ich mich nicht ausgekannt.

R: Sie wurden mehrfach gefragt, aus welchen Gründen Sie Ihr Heimatland verlassen haben. Warum haben Sie das nicht verstanden?

BF: Ich habe gehört, dass FSB-Leute und Interpol-Leute bei der Einvernahme anwesend sind. Man würde weiterleiten, wenn man etwas gegen die Obrigkeit sagt.

R: Warum haben Sie nicht am 21.09.2016 ein einheitliches Fluchtvorbringen vorgebracht?

BF: Ich habe das gesagt.

R: Aber nicht in dieser Form.

BF: Vielleicht habe ich das anders erzählt, aber es geht um die gleichen Tatsachen.

R: Sie haben heute erwähnt, dass 300.000 Rubel für Ihre Freilassung bezahlt wurden.

BF: Ja, in Rubel.

R: Am 21.09.2016 haben Sie von 350.000 Rubel gesprochen.

BF: 2016, ja. Ich machte mir große Sorgen, um meine Mutter. Ich konnte damals nicht essen und ich stand unter Stress. Ich hatte wenig Geld.

R: Sie haben heute erwähnt, dass die Vorwürfe der russischen Behörden, im Konkreten die Unterstützung von Widerstandskämpfern, nicht der Wahrheit entsprochen hätte. Stimmt das?

BF: Natürlich nicht, wenn ich doch geholfen hätte, wäre ich verschwunden.

R: Das heißt, Sie haben Mitglieder des Widerstands in keiner Weise unterstützt?

BF: Ich habe schon geholfen.

R: Sie widersprechen sich: Haben Sie Mitglieder des Widerstands nun unterstützt oder nicht?

BF: Ich habe zwei meiner Freunde unterstützt, wenn man das hier sagen darf.

R: Waren diese Freunde Widerstandskämpfer?

BF: Sie waren gegen die derzeitige Obrigkeit. Sie haben Geld für Kämpfer gesammelt.

R: Das heißt, die Vorwürfe der russischen Behörden waren richtig?

BF: Ja.

R: Warum haben Sie dann vor wenigen Minuten gesagt, dass die Vorwürfe der russischen Behörden nicht der Wahrheit entsprochen hätten?

BF: Wenn man über dieses Gespräch erfährt und ich morgen abgeschoben werde, würde ich verschwinden.

R: Sie haben vorher die Folterung mit Strom erwähnt. Hatte diese langfristige Folgen?

BF: Ja, ein bzw. eineinhalb Monate lang konnte ich kein Glas halten, weil ich so gezittert habe. Seither habe ich Herzprobleme. Ich konnte auch nicht schlafen. Sonst hatte ich keine Folgen dieser Folterung.

R: In der Einvernahme vom 21.09.2016 sprachen Sie auch noch von Geräuschen im Kopf.

BF: Ja, das hatte ich. Ich wurde hier dreimal operiert. Ich habe auch Unterlagen dazu.

R: Möchten Sie sich zum Fluchtvorbringen noch weiter äußern? Möchten Sie noch etwas anfügen?

BF: Ich konnte nicht einmal hin, als meine Mutter im Sterben lag. Nachgefragt, gebe ich an, dass ich nichts hinzufügen möchte.

BFV: Diesbezüglich keine weiteren Fragen.

R: Leiden Sie unter schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Ja, ich habe ständig Schmerzen auf der linken Seite. Ich habe Bronchialasthma und Probleme mit der Atmung. Ich war diesbezüglich nicht beim Arzt. Ich habe zwar Zeit dafür, aber meine Mutter war krank. Nachgefragt, gebe ich an, dass ich nicht in Stimmung war zum Arzt zu gehen.

R: Leiden Sie unter sonstigen schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Nein, ich habe nur Asthma und Schmerzen am Herzen.

R: Sie werden aufgefordert allfällige weitere medizinische Unterlagen vorzulegen, die bis dato noch nicht vorgelegt wurden. Haben Sie noch Unterlagen, die noch nicht vorgelegt wurden?

BF: Es gibt keine weiteren Unterlagen, die noch nicht vorgelegt wurden.

R: Seit wann haben Sie diese Beschwerden?

BF: Seit eineinhalb Jahren. Wissen Sie, als meine Mutter krank geworden ist, hat sich mein Gesundheitszustand aufgrund meiner Sorgen verschlechtert. Sie wollte mich sehen.

R: Sind Sie arbeitsfähig?

BF: In XXXX gibt es einen Aluminiumbetrieb. Ich würde gerne dort arbeiten. Ich habe seit der sechsten Klasse gearbeitet.

R: Gesetzt dem Fall, Sie müssten in Ihre Heimat zurückkehren. Welche Lebensumstände würden Sie erwarten? Wo würden Sie wohnen? Wer könnte Sie unterstützen?

BF: Mein jüngerer Bruder lebt in XXXXmit seiner Familie. Mein anderer Bruder wohnt in XXXX. Ich würde im Haus meiner Eltern leben. Bei uns ist es nicht üblich, Verwandte um etwas zu bitten.

R: Gleichzeitig haben die Verwandten 100.000 Rubel für Sie bezahlt.

BF: Ja. Ich muss ihnen das Geld zurückzahlen.

...

R: Bitte schildern Sie mir Ihr Privat- und Familienleben?

BF: Ich habe keine Familie. Ich bin alleine. Ich habe eine Freundin. Ich wollte sie heiraten, aber da ich vielleicht abgeschoben werden könnte, kann ich sie nicht heiraten. Meine Freundin lebt inXXXX. Sie ist Tschetschenin. Sie hat einen positiven Bescheid und lebt seit circa 16 oder 17 Jahren hier. Wir leben an getrennten Wohnsitzen. Hier herrscht Ordnung und Kultur. Wenn Sie mir eine Chance geben würden, dann könnte ich arbeiten. In XXXX gibt es einen Aluminiumbetrieb. Dort arbeiten einige tschetschenische Freunde von mir. Nachgefragt, gebe ich an, dass ich mit dem Firmeninhaber bisher nicht gesprochen habe, aber mit meinen Freunden.

R: Sprechen Sie Deutsch bzw. haben Sie etwaige Prüfungen absolviert?

BF: Weder spreche ich Deutsch, noch habe ich Prüfungen absolviert. Ich stand unter Stress wegen meiner Erkrankung meiner Mutter und wegen meiner eigenen Erkrankung.

R: Haben Sie einen Freundes- oder Bekanntenkreis in Österreich außerhalb Ihres tschetschenischen Freundeskreises?

BF: Nein, dort, wo ich lebe, gibt es nur alte Leute.

R: Gibt es in XXXX irgendwelche Möglichkeiten oder Organisationen, bei denen man sich engagieren bzw. Menschen kennenlernen kann?

BF: Ich würde gerne arbeiten. Ich war einmal im Hotel und habe nachgefragt, aber man fragte mich nach einer Bewilligung. Wenn man erfährt, dass ich im Asylverfahren bin, dann gibt man mir keine Arbeit.

R: Haben Sie sich um eine Beschäftigungsbewilligung als Saisonarbeiter bemüht?

BF: Ich habe hin und wieder als Geschirrabwäscher gearbeitet. Dies war nicht legal, sondern nur vier oder fünf Tage. Ich würde sehr gerne arbeiten.

R: Sind Sie vorbestraft?

BF: Nein. Ich wurde nirgends vermerkt. Ich kaufe mir sogar Fahrkarten, wenn ich mit dem Bus fahre.

Dem BF bzw. BFV wird das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend die Russische Föderation (letzte Kurzinformation eingefügt am 07.02.2018) übergeben und zur Stellungnahme aufgefordert.

R: Möchten Sie dazu Stellung nehmen?

BF: Was soll ich dazu sagen?

BFV: Wir ersuchen um eine 14-tägige Stellungnahmefrist.

R: Diese wird gewährt. Innerhalb dieser Frist können auch allfällige weitere medizinische Unterlagen nachgereicht werden.

R: Gehen Sie einer legalen Beschäftigung nach?

BF: Nein.

R: Wovon leben Sie?

BF: Von öffentlichen Mitteln. (...)"

Am 23.03.2018 übermittelte der Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben durch seinen Unterkunftgeber vom 13.03.2018. Darüber hinaus langte bis zum Entscheidungszeitpunkt keine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt die im Spruch ersichtlichen Personalien, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem islamischen Glauben zugehörig. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.12.2013 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der der Russischen Föderation festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation respektive Tschetschenien in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Dieser wurde in Österreich drei Operationen im HNO-Bereich unterzogen und ist insofern eigenen Angaben zufolge nunmehr beschwerdefrei. Weiters wurden beim Beschwerdeführer im Jahr 2015 eine Opiatabhängigkeit sowie der Verdacht auf eine depressive Störung diagnostiziert, diesbezüglich nimmt der Beschwerdeführer jedoch keine Therapie in Anspruch. Bezüglich der weiters vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden (Bronchialasthma, Schmerzen in der Herzgegend) begab sich der Beschwerdeführer in Österreich ebenfalls nicht in ärztliche Behandlung. In der der Russischen Föderation (Tschetschenien) besteht im Übrigen eine ausreichende medizinische Grundversorgung, weswegen der Beschwerdeführer hinsichtlich der vorgebrachten gesundheitlichen Leiden auch im Herkunftsstaat ausreichend behandelt werden könnte.

Der unbescholtene Beschwerdeführer verfügt in Österreich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Der Beschwerdeführer bestreitet seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer eignete sich während seines mehr als vierjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse an. Er gab an, eine in XXXX lebende Freundin zu haben, welche aus Tschetschenien sei und einen positiven Bescheid erhalten hätte. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer darüber hinaus über keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bezugspunkte. In Tschetschenien verfügt der Beschwerdeführer über ein weitschichtiges verwandtschaftliches Netz, so leben zwei Brüder und eine Schwester sowie mehrere entfernte Verwandte des Beschwerdeführers unverändert in Tschetschenien. Dem Beschwerdeführer war es bis zu seiner Ausreise möglich, seinen Lebensunterhalt in Tschetschenien durch die Arbeit auf Baustellen eigenständig zu bestreiten.

1.3. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers werden die folgenden Feststellungen getroffen:

1. Politische Lage

...

1.1. Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen im September 2016, wenn auch das Republikoberhaupt gewählt wird, durchzuführen. Die Entscheidung erklärte man mit potentiellen Einsparungen durch das Zusammenlegen der beiden Wahlgänge, Experten gehen jedoch davon aus, dass Kadyrow einen Teil der Abgeordneten durch jüngere, aus seinem Umfeld stammende Politiker ersetzen möchte. Bei den Wahlen vom 18. September 2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Den offiziellen Angaben zufolge wurde Kadyrow mit über 97% der Stimmen im Amt des Oberhauptes der Republik bestätigt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld HRW über Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte (ÖB Moskau 12.2016). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 24.1.2017).

Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten