TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 W111 2010871-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W111 2010871-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX, Rechtsanwalt in XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2014, Zl. 731858102-14774910, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dessen erster und zweiter Satz zu lauten haben:

"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen."

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf fünf Jahre herabgesetzt wird; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, stellte am 22.06.2003 durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin einen (auf den Antrag seiner Mutter bezogenen) Asylerstreckungsantrag.

Mit Bescheid vom 11.08.2003 wies das Bundesasylamt den Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76 idF BGBl. I 126/2002 (im Folgenden: AsylG 1997), ab.

2. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 04.11.2003 statt, gewährte dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 durch Erstreckung Asyl und stellte gemäß § 12 leg. cit. fest, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15 Abs. 1 und 142 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt und die Bewährungshilfe angeordnet.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142 Abs. 1, 83 Abs. 1, 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 und 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, zwölf Wochen und drei Tagen, davon zwölf Monate und drei Tage bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt und die Probezeit zu XXXX auf fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXXvom 0XXXX, XXXX, wurde der Beschwerde-führer gemäß §§ 83 Abs. 1 und 105 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je EUR 4,--, sohin EUR 720,-- gesamt, im Nichteinbringungsfall zu neunzig Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt und die Probezeit zu XXXX auf fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX,XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142 Abs. 1 und 143 erster Satz zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die im Urteil vom XXXX, XXXX, bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe widerrufen.

Am 17.02.2010 wurde die Mutter des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt nieder-schriftlich einvernommen; sie erklärte, dass der Beschwerdeführer "viele Fehler begangen" habe und dafür nunmehr die Verantwortung trage. Sie vermute, dass ihm die Erziehung durch seinen Vater gefehlt habe. Ihr Sohn bereue seine Taten zudem sehr. Sie könne sich nicht vorstellen, was mit ihm passiere, sollte ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt werden. Der Beschwerdeführer sei ein "naiver Junge" gewesen und habe "falsche Freunde" gehabt. Sie bitte um eine weitere Chance für ihn.

4. Mit Schreiben vom 17.02.2010 wies das Bundesasylamt den Beschwerdeführer darauf hin, dass aufgrund der mehrfachen rechtskräftigen Verurteilungen ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 (im Folgenden: AsylG 2005), eingeleitet worden sei, und übermittelte aktuelle Länderfeststellungen zur Situation in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien. Zudem ersuchte es den Beschwerdeführer, Fragen zu seinem Gesundheitszustand sowie seiner Integration in Österreich binnen einer Frist von drei Wochen zu beantworten.

Am 09.03.2010 erstattete die Mutter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zu den übermittelten Länderberichten und führte insbesondere aus, der Beschwerdeführer habe in Tschetschenien "keine Zukunft" und beherrsche überdies die russische Sprache nicht. Sie sei nach Österreich gereist, damit es ihren Kindern gut gehe. Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache "sehr gut" und habe zwei Monate eine Lehre zum Karosseriebautechniker absolviert, die er wegen familiärer Gründe abbrechen habe müssen. Er habe die Hauptschule abgeschlossen, einen Kurs des Berufsförderungsinstitutes besucht und verfüge über einen großen Freundeskreis. Da er seine Aggressionen nicht kontrollieren habe können, habe er sich zudem in psychologischer Behandlung befunden. Auch leide er an Depressionen. Da seine Nerven "nicht in Ordnung" seien, werde er "sehr schnell aggressiv". Die Vergangenheit sowie der Umstand, dass er ohne Vater aufgewachsen sei, hätten auf den Beschwerdeführer eine "sehr große Auswirkung" gehabt. Im Bundesgebiet seien zudem die Stiefgroßmutter und ihre drei Kinder aufhältig.

Weiters übermittelte die Mutter des Beschwerdeführers ein Konvolut an Schulbesuchsbestätigungen, Schulnachrichten und Jahreszeugnissen, zwei Teilnahmebescheinigungen eines Berufsförderungsinstitutes, mehrere Urkunden über sportliche Leistungen, die Übersetzung der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers, eine Terminbestätigung einer Landes-Nervenklinik, Ambulanz für Jugendpsychiatrie, sowie eine Bestätigung einer Forensischen Ambulanz.

5. Mit Bescheid vom 22.09.2010 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

6. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 288 Abs. 1, 15 Abs. 1 und 299 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

7. Mit am XXXX zur Post gegebenen und am darauffolgenden Tag beim Bundesasylamt eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer (eine als Berufung bezeichnete) Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.09.2010.

Darin wandte sich der Beschwerdeführer umfassend gegen die Erwägungen der belangten Behörde und führte insbesondere aus, er verfüge lediglich über rudimentäre Kenntnisse der tschetschenischen Sprache, die aber im Herkunftsstaat praktisch keine Rolle mehr spiele. Die russische Sprache habe er jedoch nie gelernt und verstehe lediglich "ein paar Wörter".

Im Akt befinden sich zudem eine Stellungnahme des Psychologischen Dienstes einer Justiz-anstalt, eine Therapiebestätigung sowie eine Bestätigung, wonach der Beschwerdeführer in der Lehrwerkstätte der Justizanstalt im Lehrberuf Karosseur ausgebildet worden sei.

8. Am 23.11.2010 beantragte der Beschwerdeführer durch seine Mutter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und erhob zugleich (eine als Berufung bezeichnete) Beschwerde.

Mit Bescheid vom 11.1.2011 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ab.

Der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichtshof mit Erkenntnis zur Zl. D6 241009-4/2011 statt und bewilligte gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG die Wiedereinsetzung.

Mit E-Mail vom 01.03.2011 übermittelte die gewillkürte Vertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme des Sozialen Dienstes einer Justizanstalt vom 21.02.2011, eine Schulnachricht vom 04.02.2011 sowie zwei Zeitungsberichte.

9. Mit Schriftsatz vom 01.03.2011 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von internationalem Schutz und führte dazu im Wesentlichen aus, seine Mutter habe im Zuge ihrer Antragstellung glaubwürdig ihre Angst um ihre Kinder genannt und auf das spurlose Verschwinden ihres Ehemannes - des Vaters des Beschwerdeführers - hingewiesen. In der Folge habe sie stets betont, dass sie an einen Ort habe reisen wollen, an dem ihre Kinder außer Gefahr seien. Zudem habe sie glaubwürdig den Hinweis eines uniformierten Offiziers geschildert, wonach insbesondere der Beschwerdeführer und seine Schwestern Ziele von Säuberungsaktionen gewesen sein sollen. Selbst wenn derartige Säuberungsaktionen nicht mehr in einer derart offensichtlichen Weise durchgeführt würden, würden im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nach wie vor Personen verschwinden. Es sei unbestritten, dass der tschetschenische Präsident "Auftragskiller" nach Österreich sende, um Geflohene zu verfolgen. Umso einfacher falle es ihm wohl, an zurückkehrenden Asylwerbern "Beispiele zu statuieren".

Zu den von ihm im Bundesgebiet begangenen Straftaten führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei damals jung, drogenabhängig und beeinflussbar gewesen. Beim Haupttäter habe es sich um einen Erwachsenen gehandelt, unter dessen Einfluss der Beschwerdeführer gestanden habe. Er befinde sich derzeit in Ausbildung und habe große Freude am Lernen sowie seinen neuen Fähigkeiten als angehender Karosseriebautechniker. In Tschetschenien sei seine bisherige Ausbildung "wertlos"; zudem habe er dort auch sprachlich keine Möglichkeiten. Anders als im angefochtenen Bescheid ausgeführt, habe er niemanden in seiner Heimat und fühle sich zudem nicht mit einem Land verbunden, in welchem er um sein Leben fürchten müsse. Er hätte in Tschetschenien zudem keine Ausbildung, keine Therapie und keine Wohnung. Er sei praktisch in Österreich bei seiner Mutter und seinen Schwestern aufgewachsen. Die Trennung von ihnen würde "alle bisherigen Erfolge, die Therapien sowie all die hochwertigen Reintegrationsmaßnahmen der Justizanstalt ad absurdum" führen. Ihm sei "zur Gänze bewusst", dass die Begehung weiterer Vergehen oder Verbrechen seine sofortige Abschiebung bewirke.

Zudem beantragte der Beschwerdeführer die Einholung eines Gutachtens zwecks Untersuchung seiner Rückfallgefahr bzw. Gefahr für die österreichische Bevölkerung.

10. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.12.2011, zur Zl. D6 241009-4/2011/13E, wurde in Erledigung der Beschwerde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

11. Mit Bescheid vom 18.09.2012 wurde dem Beschwerdeführer neuerlich der mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Situation in Tschetschenien und stellte insbesondere die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers fest. Weiters stellte es fest, dass der Beschwerdeführer bereits vier Mal - zuletzt wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren - rechtskräftig verurteilt worden sei und sich derzeit in Haft befinde. Zudem sei er ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, beherrsche seine Muttersprache und sei mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Die Mutter, die Geschwister sowie die Stiefgroßmutter und deren Kinder befänden sich im Bundesgebiet; der Beschwerdeführer lebe jedoch nicht im Familienverband mit seinen Angehörigen. Er besuche in Österreich derzeit keine Vereine, keine Schulen, Universitäten oder sonstige Bildungseinrichtungen. Er beherrsche die deutsche Sprache, sei jedoch nicht anpassungsfähig und habe staatliche Unterstützung bezogen. Er sei zudem nicht bereit, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Auch bestünden keine sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden. Durch sein wiederholtes Fehlverhalten stelle er eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit dar.

Im Rahmen der Beweiswürdigung wies das Bundesasylamt insbesondere darauf hin, dass der Beschwerdeführer durch sein straffälliges Verhalten, welches er mit erschreckender Regelmäßigkeit über Jahre hinweg in Österreich gesetzt habe, deutlich veranschaulicht habe, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Zudem handle es sich bei den vom Beschwerdeführer begangenen Delikten um solche mit besonderer Schwere. Durch die vom Beschwerdeführer eingesetzte Gaspistole - insbesondere durch einen Schuss in den Kopfbereich - hätten schwerwiegende bis tödliche Verletzungen entstehen können. Die begangenen Straftaten sowie die nahezu nicht vorhandene Integration ließen auch keine allgemeine günstige Zukunftsprognose zu, sodass in Anbetracht der Schwere der begangenen Verbrechen durchaus von einer Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers gesprochen und in Anbetracht der Häufigkeit der begangenen Straftaten auch nicht von einem längeren Wohlverhalten ausgegangen werden könne. Im Rahmen der Güterabwägung der Interessen des Zufluchtsstaates (Gefahr für die Gemeinschaft) und jener des Beschwerdeführers (Schutz vor Verfolgung) sei darauf hinzuweisen, dass die Mutter des Beschwerdeführers als gesetzliche Vertreterin in ihrer Einvernahme am 30.07.2003 ausdrücklich angegeben habe, der Beschwerdeführer sei in der Russischen Föderation keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen. In den Einvernahmen von 25.01.2012 und 07.03.2012 habe der Beschwerdeführer keine konkreten Probleme anführen können, welche ihm bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erwarten würden. Dass sich der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat politisch betätigt habe, sei auszuschließen, da er die Russische Föderation bereits im Alter von zehn Jahren verlassen habe. Es sei daher auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass eine landesweite Fahndung nach ihm bestehe.

Es sei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Russische Föderation in deren gesamtem Staatsgebiet eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohe, sodass die öffentlichen Interessen an einer Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet wegen der von ihm ausgehenden Gefahr für die Gemeinschaft aufgrund des strafbaren Verhaltens überwiegen würden. Die Argumentation der (ehemaligen) gesetzlichen Vertreterin, der Beschwerdeführer beherrsche die russische Sprache nicht, sei nicht glaubhaft. Einerseits habe er bis zu seinem zehnten Lebensjahr in der Russischen Föderation gelebt. Andererseits sei es naheliegend, dass er sich mit seinen in Österreich lebenden Angehörigen in seiner Muttersprache unterhalte. Demzufolge sei der Verlust der Kenntnis der russischen Sprache als bloße Schutzbehauptung zu werten.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wies das Bundesasylamt darauf hin, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verwirklicht habe, da er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeute. Wenn auch in der Russischen Föderation eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich bestehe, so sei in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers festzuhalten, dass nicht von einer lebensbedrohlichen Notlage in seinem Herkunftsstaat gesprochen werden könne, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK indiziere. Die Ausweisungsentscheidung rechtfertigte das Bundesasylamt mit einer Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2

EMRK.

12. Mit Schreiben vom 04.10.2012, eingelangt beim BAA am 05.10.2012, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und stellte den Antrag, den Bescheid zu Gänze zu beheben. Am 15.10.2012 legte das Bundesasylamt den Akt dem Asylgerichtshof zur Entscheidung vor.

13. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.06.2014, Zl. W103 241009-6, wurde die Beschwerde in Spruchteil A) gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 4 sowie § 8 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter einem wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs 20 AsylG idgF hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt II.). In Spruchteil B) wurde die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Das angeführte Erkenntnis erwuchs infolge ordnungsgemäßer Zustellung in Rechtskraft.

14. Am 09.07.2014 fand im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs statt. Der Beschwerdeführer gab anlässlich seiner Befragung zusammengefasst zu Protokoll (im Detail vgl. Verwaltungsakt, Seiten 1203 bis 1207), seinen Unterhalt zuletzt durch den Bezug von Arbeitslosengeld bestritten zu haben und aktuell nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen; er habe die Hauptschule abgeschlossen, einen AMS-Kurs zur Berufsorientierung absolviert und spreche fließend Deutsch. Er sei in keinen Vereinen Mitglied und könne weder nach Tschetschenien, noch in andere Gebiete der Russischen Föderation zurückkehren.

15. Mit im fortgesetzten Verfahren ergangenem Bescheid vom 15.07.2014 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt wird. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen. Unter einem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist, die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt I.). Unter einem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG, BGBl. Nr. 100/2005 idgF, gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der seit 2003 gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Schwestern in Österreich aufhältige Beschwerdeführer während seines Aufenthalts nie über einen längeren Zeitraum selbsterhaltungsfähig gewesen wäre und wiederholt Straftaten begangen hätte. Dessen private und familiäre Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet müssten gegenüber den entgegenstehenden öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zurücktreten. Desweiteren hätten unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine gegen eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat sprechenden Gründe festgestellt werden können. Aufgrund der Schwere des vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf dessen Gesamtverhalten davon auszugehen, dass die in § 53 Abs. 3 Z 1 FPG umschriebene Annahme, dass er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, gerechtfertigt sei. Dieser sei trotz des gegen ihn eingeleiteten Aberkennungsverfahren und seiner Beteuerungen, dass es sich bei den bis dahin begangenen Straftaten um "Jugendsünden" gehandelt hätte, innerhalb kürzester Zeit neuerlich straffällig geworden; angesichts der besonderen Schwere der von ihm begangenen Delikte sei eine positive Zukunftsprognose zu verneinen, da ein weiterer Aufenthalt seiner Person eine ständige Gefahr für die Bevölkerung darstellen würde.

16. Gegen den dargestellten Bescheid wurde mit Eingabe vom 05.08.2014 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass mittlerweile zwei gerichtlich beeidete Sachverständige aus dem Bereich der Psychiatrie zu dem Schluss gekommen wären, dass der Beschwerdeführer keine Gefährdung für die Öffentlichkeit darstellen würde. Seine Therapien seien erfolgreich abgeschlossen worden. Der Umstand seiner lang andauernden Beziehung sei ebensowenig erörtert worden wie der Umstand, dass durch den Eigenkonsum von Marihuana keine Bedrohung ausginge. Der Beschwerdeführer plane Ende 2014 die Aufnahme eines Studiums.

17. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt am 18.08.2014 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde zunächst der Gerichtsabteilung W190 zugewiesen. Mit Verfügung vom 19.09.2017 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

18. Am 04.04.2018 fand zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertreter, ein Dolmetscher sowie fünf Zeugen teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, verzichtete jedoch auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:

(BF=Beschwerdeführer; Z1=nunmehrige Ehefrau des Beschwerdeführers;

Z2 und Z3=Schwestern des Beschwerdeführers; Z4=Mutter des

Beschwerdeführers; Z5=Freund des Beschwerdeführers)

"(...) Der BF gibt an, dass er der deutschen Sprache vollständig mächtig sei, diese besser als russische verstehen würde. Der anwesende Dolmetscher bleibt trotzdem im Raum um bei Verständigungsschwierigkeiten helfen zu können.

R: Möchten Sie Ihrem bisherigen Verfahren etwas hinzufügen oder korrigieren?

BF: Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und mein Leben ist besser geworden. Ich habe mich sehr verbessert. Ich würde sehr gerne arbeiten.

R: Seit wann leben Sie in Österreich?

BF: Seit 2003.

R: Bitte schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf seit dem Zeitpunkt als Sie nach Österreich gekommen sind.

BF: Es war sehr lehrreich, ich habe viele neue Menschen kennen gelernt. Es war alles sehr interessant, die Schule. Ich habe viele Fehler gemacht, aber daraus gelernt, es wird nicht wieder vorkommen.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich habe mit der ersten Hauptschule 2003 begonnen, ich habe die dritte Hauptschule wiederholt freiwillig, damit meine Noten besser werden. 2009 habe ich die Hauptschule abgeschlossen in XXXX. Davor sind wir einige Male umgezogen. Beim zweiten Mal haben wir eine private Wohnung bekommen. Nach der Hauptschule habe ich falsche Freunde gehabt und Blödsinn gemacht. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Ich habe meinen Staplerschein, Kranschein und ich habe das erste Lehrjahr als Karosseriebautechniker abgeschlossen. Danach hatte ich keine Arbeitserlaubnis mehr. Erst mit dem Gerichtstermin und der aufschiebenden Wirkung konnte ich zum AMS gehen.

R an RV: Können Sie mir das erklären?

RV: Nein. Nach Rücksprache mit den Verwandten des BF ist anzunehmen, dass aufgrund des Aberkennungsverfahrens die Beschäftigungsmöglichkeiten des BF weggefallen sind.

BF: Ich habe meine Bewährungsauflagen abgeschlossen.

R: Wovon leben Sie?

BF: Von meiner Familie.

R: Beziehen Sie öffentlich Unterstützungen?

BF: Nein.

R: Wo leben Sie?

BF:XXXX bei meiner Familie. Dor lebt meine Mutter, meine Schwestern und meistens meine Frau. Meine Frau ist noch bei ihren Eltern gemeldet. Wir warten auf eine gemeinsame Wohnung.

R: Gesetzt den Fall, Sie hätten eine Arbeitserlaubnis, hätten Sie schon eine Arbeitsstelle?

RV legt den Kranführerausweis, den Hubstaplerausweis, ein Arbeitszeugnis der Firma XXXX sowie eine Beschäftigungszusage der Firma XXXX. Diese werden in Kopie zum Akt genommen.

R: Leben Sie in einer Beziehung?

BF: Ja. Seit fünf Jahren.

R: Waren Sie sich zu Beginn Ihrer Beziehung bewusst, dass Ihr Aufenthaltsstatus unsicher ist?

BF: Ja, da ich meine Beziehung nach meiner Aberkennung meines Asylstatus begonnen habe. Meine anwesende verlobte ist in der achten Woche schwanger.

R: Sind Sie in Österreich Mitglied von Vereinen oder Organisationen?

BF: Nein.

R: Haben Sie in Österreich einen Freundes- oder Bekanntenkreis?

BF: Ja, ich habe auch Briefe von Freunden da.

RV legt Briefe vor. Diese werden in Kopie zum Akt genommen.

R: Leiden Sie an schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Nein.

R: Welche Sprache sprechen Sie mit Ihrer Mutter und Ihrer Schwester?

BF: Mit meiner Schwester spreche ich Deutsch, mit meiner Mutter tschetschenisch.

R: Sie waren 10 Jahre alt als Sie Russland verlassen haben, da müssten Sie doch das kyrillische Alphabet beherrschen?

BF: Meiner Meinung nach kann man das lesen auch verlernen. Ich habe es nie praktiziert.

R: In welcher Sprache wurden Sie in Russland unterrichtet?

BF: Ich wurde in Russland in russischer Sprache unterrichtet. Mein Schulbesuch dauerte jedenfalls drei Jahre, wobei es durch die Wirren zu Unterbrechungen kam.

R: Ich gehe aber davon aus, dass Sie sowohl die tschetschenische, als auch die russische Sprache grundsätzlich beherrschen?

BF: Tschetschenisch beherrsche ich sehr gut, russisch weniger. Als Erklärung möchte ich angeben, dass der Unterricht formell in russischer Sprache war, die Lehrerinnen aber alle tschetschenisch sprachen. Russisch wird in Tschetschenien so unterrichtet, wie hier Englisch gelernt wird.

R: Sind Sie arbeitsfähig?

BF: Ja, ich bin auch arbeitswillig.

R: Sie haben in Ihrer Beschwerde angegeben, 2014 ein Studium beginnen zu wollen.

BF: Daraus ist nichts geworden. Nachgefragt gebe ich an, dass ich arbeiten gehen musste um auf eigenen Beinen zu stehen.

R: Sie haben vorhin angegeben, dass Sie ab der Aberkennung nicht mehr arbeiten konnten. Nunmehr geben Sie an, dass Sie ab 2014 arbeiten mussten.

BF: Ich hatte die Vorstellungen arbeiten zu müssen im Kopf und konnte daher nicht studieren. Ich wusste nicht, dass ich ohne Papiere studieren kann.

R: Wann haben Sie Ihre Lehre begonnen?

BF: Ich habe meine Lehre 2011 begonnen als ich in Haft war. Mit dem Ende meiner Haft 2012 wurde auch meine Ausbildung beendet. Nach der Haft habe ich bei einer Leasingfirma als Schlosser gearbeitet. Ich habe auch bei der Firma XXXX gearbeitet. Danach habe ich als Servicearbeiter bei einer Fensterfirma gearbeitet. Durch meine Aberkennung habe ich diese Arbeit verloren.

R: Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

BF: Während der aufschiebenden Wirkung habe ich auch gearbeitet.

RV: Sie haben gesagt Sie sind fünf Jahre mit Ihrer Verlobten zusammen, seit wann lebt Sie bei Ihnen?

BF: Seit einem Jahr immer wieder. Ich bin seit einem Jahr nach islamischen Ritus verheiratet.

RV: Haben Sie Kontakt nach Russland oder Tschetschenien?

BF: Nur ab und zu mit meiner Oma habe ich einmal pro Monat Kontakt über Whatsapp.

RV: Ihre letzte Straftat war eine Straftat wegen Drogenkonsum. Den gibt es nicht mehr? Wie sieht es mit Alkohol und Zigaretten aus?

BF: Diese nehme ich auch nicht.

Übergeben wird das LIB der Staatendokumentation Russland vom Stand 21.07.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 07.02.2018.

Auf Ersuchen des RV wird eine Stellungnahme Frist von 14 Tagen beantragt.

R: Stehen Sie unter irgendwelchen Behandlungen?

BF: Nein. Aber am 30.04.2018 habe ich einen Termin bei einem HNO Arzt wegen einer Nasenscheidewandverkrümmung.

R: Aus dem Akt haben Sie Ihren Vornamen geändert.

BF: Der Name wurde nur ausgebessert. Das hat meine Mutter gemacht als ich noch jung war.

Einsicht genommen wird in den Strafregisterauszug,

Auf Ersuchen der BF werden die anwesenden Schwestern, die Verlobte und Mutter als Zeugen einvernommen.

Beginn Befragung Z1, nach Zeugenbelehrung:

R: Bitte nennen Sie mir Ihren Namen und Geburtsdatum.

...

R: Was sind Sie von Beruf?

Z1: Ich bin Einzelhandelskauffrau bei XXXX und besuche einen Kurs als Kindergartenassistentin.

R: Was können Sie uns über den BF sagen?

BF: Er ist mein verlobter, mein zukünftiger Ehemann. Ich habe ihn als Mensch kennen gelernt als er den Neubeginn gemacht hat. Ich kenne ihn nicht als kriminellen, aber mir ist seine Vergangenheit zu Beginn der Beziehung bekannt gewesen. Das erste Mal haben wir uns gesehen am 16.09.2013. Seither haben wir uns oft getroffen und sind ein Paar geworden. Wir sind ungefähr seit Winter 2013 ein Paar.

R: Bitte fahren Sie fort.

Z1: Ich möchte dass er hier bleibt für mich und das Kind. Er und ich sind ohne Vater aufgewachsen und ich möchte dass das Kind mit einem Vater aufwächst. Was soll er dort unten machen?

R: Möchten Sie mir sonst noch etwas sagen?

Z1: Nein.

Beginn Befragung Z2, nach Zeugenbelehrung:

R: Was haben Sie uns zu sagen?

Z2: Ich bin am XXXX geboren und arbeite als Modeberaterin bei einem Ledergeschäft in der Innenstadt in XXXX. Als Modeberater braucht man eine besondere Vorbildung, muss die Sprachen gut beherrschen und man muss erweiterte Hintergrundinformationen haben. Hinsichtlich meines Bruders möchte ich angeben, dass ich weiß dass mein Bruder in der Vergangenheit viele Fehler gemacht hat. Ich weiß dass er seine Fehler sehr bereut und sich verändern möchte. Er möchte eine Familie gründen. Er war früher und naiv und ich fände es schön, wenn Österreich ihm eine zweite Chance gibt. Er unterstützt uns sehr viel zu Hause. Ich habe die Abendschule gemacht und er kauft immer ein, kocht manchmal zu Hause und macht sauber. Er repariert Dinge und er war der Mann im Haus. Ich finde es ist für seine Zukunft noch nicht zu spät. Ich lege es ihm immer nahe die HTL zu machen oder an der TU zu studieren. Er ist sehr gut im Kopfrechnen. Ich weiß dass er ein großes Potential hat.

Beginn Befragung Z3, nach Zeugenbelehrung:

Z3: Ich bin am XXXX geboren. Ich habe die Modeschule in Oberösterreich absolviert und bin auch im Modegeschäft tätig. Ich war stellvertretende Geschäftsführerin eines XXXX Geschäftes in XXXX, bin jetzt aber wieder in Österreich. Für eine Arbeit in Österreich durch meine Schwangerschaft habe ich die Stelle nicht angetreten. Ich befinde mich im vierten Monat. Ich bin nicht verheiratet, lebe aber in einer Beziehung, möchte aber nicht angeben mit wem. Hinsichtlich meines Bruder möchte ich angeben, dass ich wie eine Mutter für meine Geschwister war. Er ist nicht nur ein kleiner Bruder für mich. Er kommt immer zu mir wenn er Probleme hat. Es war nicht nur sein Problem, es betraf uns alle. Als ich 16 Jahre alt war, ging mein erstes Gehalt an den Anwalt. Wir haben das als Familie durchgestanden. Das was wir heute sind, dafür sind wir sehr dankbar für die Chancen die uns Österreich eingeräumt hat. Wir haben viele Gespräche geführt mit ihm. Er muss sich entscheiden welchen Weg er gehen will. Er hat jetzt eingesehen dass er den richtigen Weg nehmen muss. Es hat auch seine Ursachen das wir keinen Vater in der Familie haben. Er spürt die Verantwortung die er gegenüber seiner Frau und seinem Kind hat. Dafür braucht er von Österreich die Chance um zeigen zu können dass er sich geändert hat.

RV: Haben Sie dieses Gespräch von dem Sie berichtet haben nach der letzten Verurteilung geführt?

Z3: Nach der letzten Verurteilung bzw. nach seiner Entlassung. Ich habe ihm gesagt, dass es keine kleinen Fehler gibt. Wir haben auch eine Erwartung als Familie an ihn und ich habe das Gefühl, dass er unseren Erwartungen jetzt auch entsprechen will. Ich habe jetzt endlich das Gefühl das ihm bewusst ist, welche Fehler er begangen hat. Er kann es selber nur nicht so leicht ausdrücken. Wenn er sieht was aus seinen Freunden geworden ist sieht er dass es im Moment nicht auch führen kann.

Beginn Befragung Z4, nach Zeugenbelehrung:

Die Z4 wird ausdrücklich auf den anwesenden Dolmetscher hingewiesen.

R: Bitte beginnen Sie mit Ihren Aussagen indem Sie mir Ihr Geburtsdatum und Ihren Beruf nennen.

Z4: Ich bin am XXXX geboren. Ich bin seit 2003 in Österreich. Ich bin alleinerziehende Mutter von drei Kindern und verwitwet. Ich bin arbeitslos, habe gesundheitliche Probleme. Ich habe vorher in Oberösterreich in einer Textilfabrik gearbeitet. Ich bin aber gelernte Krankenschwester aber die Diplome wurden verbrannt.

R: Was haben Sie am Grenzübergang XXXX gemacht?

Z4: Ich habe mich in Weißrussland mit meiner Mutter getroffen.

R: Was möchten Sie mir zum Verfahren Ihres Sohnes sagen?

Z4: Ich bin alleine gewesen mit meinen Kindern. Ich habe meine drei Kinder alleine groß gezogen und das war nicht leicht für mich. Ich wusste dass für die Erziehung eines Buben ein Mann erforderlich wäre. Ich konnte ihm das nicht bieten und dann sind ihm diese Fehler passiert als er in der Pubertät war. Ich weiß, wenn ein Vater da gewesen wäre in der Erziehung, dann wäre so etwas nicht passiert, weil mir immer wichtig war das die Kinder eine gute Erziehung bekommen. Mich quält immer die Frage wo ich einen Fehler gemacht habe. Es ist ein Problem für die ganze Familie, nicht nur für ihn. Mein Sohn ist eine Stütze für mich und die Familie. In unserem Volk ist der Mann in einer Familie eine wichtige Person. Eine Familie ohne Mann wird in unserem Volk nicht so geachtet. Für meine Töchter war es auch schwer in einer Familie wo es keinen Mann gibt. Jetzt habe ich eine Schwiegertochter und freue mich sehr, auch als ich hörte dass sie schwanger wird. Ich hoffe dass dadurch unsere Familie noch stärker zusammen hält. Ich habe nie verstanden dass man meinen Sohn abschieben könnte. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht glaube dass man in Russland österreichische Staatsbürger abschiebt. Als man uns das Papier in Österreich gab, sagte man uns dass wir dieselben Rechte wie Österreicher haben. Machen nicht österreichische Kinder auch Fehler, es kommt doch mal vor das man in seinem Leben etwas Falsches macht. Ich weiß daher nicht wo unsere Rechte sind. Meine Töchter arbeiten, wir haben alle offenen Rechnungen bezahlt. Wir zahlen alles so wie die Österreicher. Warum darf mein Sohn nicht auch eine Chance bekommen. Er hat sich nichts gedacht als er diese Taten begangen hat. Er war sehr lange in der Pubertät und hat lange gebraucht. Außerdem war der sehr vertrauensvoll und naiv dabei. Ich hoffe aber dass man unsere Familie nicht auseinander reißt. Ich weiß aber auch, dass ich Zukunft nie wieder rot werden muss wegen meinem Sohn. Ich weiß es ihm leid tut was er in seiner Pubertät gemacht hat. Ich bin Gott sehr dankbar dass wir jetzt in Österreich sind, es ist das Land was meinem Herzen entspricht. Ich habe mich gefreut, dass meine Kinder in diesem Land groß werden. Hier können sie nette und kultivierte Menschen werden, damit sie für das Land nützlich sind. In der tschetschenischen und österreichischen Kultur gibt es viele Gemeinsamkeiten.

RV: Sie haben gesagt, dass Sie nie mehr rot werden müssen, was haben Sie damit gemeint?

Z4: Das ich mich nicht mehr genieren muss. Ich wollte damit sagen, dass mein Sohn nicht mehr solche Taten macht für die ich mich schämen muss.

RV: Warum kommen Sie dazu, dass er sich geändert hat?

Z4: Er ist viel verantwortungsbewusster. Ich hatte viele gesundheitliche Probleme und ohne meinen Sohn wäre es sehr schwierig geworden. Er ging einkaufen, machte die Wäsche. Wenn ich selbst etwas einkaufe dann rufe ich ihn an und er schleppt das schwere. Wenn Sie die Nachbarn fragen loben diese ihn auch. Im Vorjahr als die Hochzeit waren kamen alle seine Freunde, von denen manche ursprünglich aus der Türkei, Tschetschenien usw. stammen, zusammen. Alle lobten seine gute Erziehung. Ich weiß dass er ein guter Freund ist.

RV: Hat er seinen Freundeskreis gewechselt von früher?

Z4: Ja er hat ihn gewechselt. Er ist jetzt in der richtigen Spur.

RV: Aus welchen Menschen besteht sein Freundeskreis?

Z4: Ich kenne ein paar Österreicher, einen Türken. Diese arbeiten. Was sie zusammen machen weiß ich nicht. Seine Freunde essen oft bei uns.

R: Welche Verwandten haben Sie noch in Tschetschenien?

Z4: In Tschetschenien lebt meine Mutter, sie ist 65. Ich habe auch einen Onkel und zwei Tanten. Es gibt auch Verwandte meines verstorbenen Mannes aber dazu haben wir keinen näheren Kontakt.

Beginn Befragung Z5, nach Zeugenbelehrung:

Z5: Ich bin mit dem BF und seiner Familie weder verwandt noch verschwägert und möchte folgende Angaben machen: Ich bin am XXXX geboren, bin Student. Ich studiere Architektur an der XXXX.

R: Was möchten Sie zum BF angeben?

Z5: Wir kennen einander aus XXXX. Wir haben uns an einer Straßenbahnhaltestelle kennen gelernt. Wir hatten gleich einen guten Draht zueinander. Ich habe gefühlt, dass der BF einen entsprechenden Hintergrund hat und dass er von Grund auf eine gute Person hat, ein gutes Herz. Uns verbindet der Wille zu einem guten Leben. Ich habe die österreichische Staatsbürgerschaft, war wegen Suchtmitteldelikten im Gefängnis und ohne meinen familiären Hintergrund hätte ich es nicht geschafft. Er ist so wie ich naiv gewesen. Ich wurde 2014 entlassen und habe mit all meinen Bekannten die schlecht für mich waren den Kontakt abgebrochen. Übrig geblieben sind zwei Freunde, darunter XXXX. Ich habe ihm beim Besuch des XXXX meine Studienkollegen vorgestellt, was ich nicht tun würde, würde ich ihm nicht vertrauen. Er hat uns dann XXXXgezeigt. Er zeigte uns die Museen, den Weg zum XXXX und wusste was für uns Architektur Studenten inXXXX interessant ist. Er ist sehr emphatisch.

RV: Haben Sie dem BF auch empfohlen seinen Freundeskreis zu wechseln?

Z5: Ja. Es ist möglich aus einem Leben etwas anderes zu machen. Der BF ist gewillt etwas aus sich zu machen und ich sage ihm ehrlich was ich über seine Lage denke. Seinen Freundeskreis hat er gewechselt.

RV an BF: Haben Sie einen guten, intensiven und funktionierenden Freundeskreis?

BF: Ich habe aus meinen Fehlern gelernt, habe meine Freunde gewechselt. Ich habe jetzt Freunde aus Österreich und aus anderen Ländern.

RV: Ihre jetzigen Freunde wissen von Ihren Verfehlungen?

BF: Ja.

RV: Was machen Sie mit den Freunden?

BF: Ab und zu spielen wir Basketball, gehen schwimmen. Machen Ausflüge zu XXXX, gehen spazieren zum SXXXX oder XXXX.

Nachgefragt geben die Z2 und Z3 an, russisch sprechen zu können, da sie es beruflich auffrischen zu müssen.

Der RV möchte nochmals zu Protokoll gegeben haben, dass die Verlobte des BF in der achten Woche schwanger ist (...)"

19. Der Beschwerdeführer legte seinen Hubstaplerführer- sowie seinen Kranführer-Ausweis, diverse Unterstützungsschreiben aus seinem privaten Umfeld, eine Einstellungszusage als Hausarbeiter vom 25.03.2018, ein Arbeitszeugnis vom 08.12.2013, sowie eine Terminbestätigung für die standesamtliche Eheschließung am 24.04.2018, vor.

Mit Eingabe vom 05.04.2018 übermittelte der als Zeuge einvernommene Freund des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme.

Mit Eingabe vom 19.04.2018 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass die letzte Straftat des Beschwerdeführers bereits viele Jahre zurückliege und dieser Umstand im Zusammenschau mit seinen familiären und freundschaftlichen Bindungen - insbesondere der bevorstehenden Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin und dem Erwarten eines gemeinsamen Kindes -zur Annahme berechtige, dass dieser sich auch künftig wohl verhalten werde. Beiliegend wurden weitere Unterstützungsschreiben aus dem Freundeskreis des Beschwerdeführers sowie ein Versicherungsdatenauszug übermittelt.

Am 24.07.2018 wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers die standesamtliche Heiratsurkunde des Beschwerdeführers nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der im Laufe des Verfahrens vorgelegten und amtswegig beschafften Beweismittel wird Folgendes festgestellt:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe sowie dem muslimischen Glauben an. Seine präzise Identität steht nicht fest. Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste im Jahr 2003 gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Schwestern unrechtmäßig nach Österreich ein, stellte am 22.06.2003 durch seine gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf Asylerstreckung und befindet sich seither durchgehend im Bundesgebiet.

Mit Bescheid vom 11.08.2003 wies das Bundesasylamt den Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 ab. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 04.11.2003 statt, gewährte dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 durch Erstreckung Asyl und stellte gemäß § 12 leg. cit. fest, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

1.2. In den Jahren 2008-2013 wurde der Beschwerdeführer wiederholt straffällig. Im Strafregister der Republik Österreich scheinen folgende Verurteilungen auf:

1. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15 Abs. 1 und 142 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt und die Bewährungshilfe angeordnet.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142 Abs. 1, 83 Abs. 1, 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 und 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, zwölf Wochen und drei Tagen, davon zwölf Monate und drei Tage bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt und die Probezeit zu XXXX auf fünf Jahre verlängert.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerde-führer gemäß §§ 83 Abs. 1 und 105 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je EUR 4,-- , sohin EUR 720,-- gesamt, im Nichteinbringungsfall zu neunzig Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt und die Probezeit zu XXXX auf fünf Jahre verlängert.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142 Abs. 1 und 143 erster Satz zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die im Urteil vom 0XXXX, bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe widerrufen.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 288/1 15 299/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.

Zusatz zu allen 5 Verurteilungen: Jugendstraftat.

6. Mit Urteil des BG XXXX vom 03.XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 27 (1) 1 1.2 Fall § 27 (2) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.

Zusatz: Junger Erwachsener.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen, da anhand seines bisherigen Gesamtverhaltens eine neuerliche Straffälligkeit zu prognostizieren ist.

1.3. Mit Bescheid vom 18.09.2012 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.06.2014, Zl. W103 241009-6, wurde die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde in Spruchteil A) gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 4 sowie § 8 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter einem wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG idgF hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt II.).

1.4. Der Beschwerdeführer heiratete im April 2018 eine österreichische Staatsbürgerin, mit welcher er ein gemeinsames Kind erwartet. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau waren sich zum Zeitpunkt des Eingehens der Beziehung der Unsicherheit des Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers, gegen welchen damals bereits eine nicht rechtskräftige Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie eine Ausweisung in seinen Herkunftsstaat ausgesprochen worden waren, bewusst und konnten nicht auf die künftige Führung eines gemeinsamen Familienlebens vertrauen. Der Beschwerdeführer lebt in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter, seinen beiden volljährigen Schwestern sowie seiner Ehefrau. Ein persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und den genannten Angehörigen besteht nicht. Der Ehefrau des Beschwerdeführers wäre es möglich, den Lebensunterhalt für sich und das ungeborene Kind ohne Unterstützung des Beschwerdeführers, durch eigene Erwerbstätigkeit und gegebenenfalls Unterstützung durch das in Österreich bestehende verwandtschaftliche Netz sowie allfällige Inanspruchnahme staatlicher Unterstützungsleistungen, zu bestreiten. Dem Beschwerdeführer wäre es möglich, den Kontakt zu den Angehörigen seiner Kernfamilie vom Herkunftsstaat aus über moderne Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten, alternativ stünde es seiner Frau auch offen, den Beschwerdeführer in die Russische Föderation zu begleiten oder ihn dort zu besuchen.

Der Beschwerdeführer geht aktuell keiner Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von Unterstützung seiner Angehörigen. Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet bezog er wiederholt Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet die Hauptschule absolviert, spricht Deutsch und hat während des Strafvollzugs eine Lehre begonnen. Er verfügt über Kranführer- und Hubstaplerausweise und legte eine Einstellungszusage über eine Beschäftigung als Hausarbeiter vor. Der Beschwerdeführer ist in keinen Vereinen Mitglied und er engagiert sich nicht ehrenamtlich.

Der gesunde und erwerbsfähige Beschwerdeführer spricht tschetschenisch und zumindest grundlegend Russisch, im Herkunftsstaat, in welchem er die ersten zehn Lebensjahre verbracht hat, leben nach wie vor eine Großmutter und entfernte Verwandte des Beschwerdeführers.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Auch aus dem sonstigen Verfahrensergebnis werden vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in seinem Herkunftsstaat keine Hinweise auf eine allfällige Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr ersichtlich.

1.5. Zum Herkunftsstaat:

Zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien wird prinzipiell auf das der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 07.02.2018) verwiesen. Zur allgemeinen Sicherheitslage, zur Behandlung von Rückkehrern sowie zu den Themen Grundversorgung, Wirtschaft und medizinische Versorgung ergibt sich auszugsweise insbesondere Folgendes:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten