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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des T C in Hirtenberg, geboren am 1. Jänner 1973, vertreten durch Mag. Harald Schuster, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Juli 1999, Zl. SD 444/99, betreffend die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. Juli 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit seinem 6. Lebensjahr im Bundesgebiet. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. Februar 1999 sei er wegen des Verbrechens des schweren Raubes und des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dem liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Oktober 1998 einer anderen Person eine Gaspistole angehalten und etwa S 11.000,-- Bargeld sowie ein Mobiltelefon geraubt habe. Zwei Tage später habe der Beschwerdeführer wieder versucht, einer anderen Person unter Verwendung eines Gaspistole Bargeld zu rauben. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass der im § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Sicherheit auf schwer wiegende Weise, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grunde des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.
Der Beschwerdeführer habe keine Sorgepflichten. Er lebe mit seinen Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Der Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, weil die dem Urteil zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers dessen Geringschätzung der zum Schutz des Eigentums und Vermögens sowie der körperlichen Unversehrtheit Dritter aufgestellten strafrechtlichen Normen erkennen lasse. Auch wenn der Beschwerdeführer unbescholten gewesen sei, müsse allein aufgrund dieser Verurteilung die Zukunftsprognose zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.
Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei auf die aus der Dauer des Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers und seiner Eltern und Geschwister Bedacht zu nehmen gewesen. Dem gemeinsamen Haushalt mit den Familienangehörigen komme allerdings nicht dasselbe Gewicht zu wie bei einem Minderjährigen, der der Obsorge seiner Eltern unterstehe und auf deren Unterstützung angewiesen sei. Die für das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers wesentliche soziale Komponente werde durch das gravierende Fehlverhalten deutlich beeinträchtigt. Den somit noch immer gewichtigen, aber in einem wesentlichen Punkt deutlich geschwächten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stünden die im Hinblick auf die begangenen Straftaten überwiegenden öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegenüber.
Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorlägen, habe auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden können.
Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG, der die Erlassung des Aufenthaltsverbotes unzulässig machen würde, sei nicht gegeben. Jedenfalls sei der Beschwerdeführer nicht von klein auf im Inland aufgewachsen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und auch die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Beurteilung keinem Einwand.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 FrG und macht geltend, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt in Österreich habe. Nach Absolvierung der Schulzeit und der Lehre sei er aufrecht beschäftigt gewesen ; erst in "allerletzter Zeit vor der strafgerichtlichen Verurteilung" sei er auf die finanzielle Unterstützung seiner Eltern angewiesen gewesen. In der Türkei habe er keine sozialen Kontakte, er kenne dort "praktisch niemanden", sei der dortigen Kultur nicht verhaftet und beherrsche die türkische Sprache nicht wirklich. Vor der gegenständlichen Verurteilung sei er unbescholten gewesen. Das Gericht habe den Schuldgehalt seiner Tat nicht als gravierend gewertet. Die Verurteilung sei auf Grundlage eines reumütigen und umfassenden Geständnisses erfolgt. Es sei von der außerordentlichen Strafmilderung Gebrauch gemacht worden.
2.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die Dauer des inländischen Aufenthaltes und das Zusammenleben des Beschwerdeführers in einem gemeinsamen Haushalt mit Eltern und Geschwistern zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben iS des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Wenn sie - unter gebührender Beachtung dieser persönlichen Interessen - die maßgeblichen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit sowie der Rechte und Freiheiten anderer) für so gewichtig erachtet hat, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, so ist dieser Beurteilung beizupflichten, manifestiert sich doch in dem begangenen Verbrechen des schweren Raubes die vom Beschwerdeführer ausgehende massive Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum anderer sowie seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nur einmal - nach seinem Vorbringen aufgrund eines reumütigen Geständnisses - verurteilt wurde, kann nicht zu einer günstigen Prognose führen, hat doch der Beschwerdeführer nicht nur einen schweren Raub begangen, sondern kurz darauf ein weiteres derartiges Delikt versucht.
Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, dass der Schuldgehalt seiner Tat vom Gericht "als nicht gravierend" gewertet und daher von der außerordentlichen Strafmilderung Gebrauch gemacht worden sei, ist ihm - abgesehen davon, dass es sich bei einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren keineswegs um eine geringe Strafe handelt - zu entgegnen, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den Erwägungen des Gerichtes bei der Strafzumessung und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033).
Im Lichte dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die aus dem langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, seinen privaten und familiären Beziehungen und seiner vorgebrachten Beschäftigung bis kurz vor der Verurteilung ableitbare Integration hat - von der belangten Behörde richtig erkannt - in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die begangenen bzw. versuchten Straftaten eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten privaten und familiären Interessen der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine und seiner Familie Lebenssituation.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er in der Türkei keine sozialen Kontakte habe, der dortigen Kultur nicht verhaftet sei und "nicht einmal die türkische Sprache wirklich beherrsche", ist zu entgegnen, dass von § 37 FrG nur das in Österreich geführte Privat- und Familienleben geschützt wird und mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0226). Im Übrigen muss die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Situation des Beschwerdeführers im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.
3. Ebenso wenig kann dem weiteren Beschwerdevorbringen beigepflichtet werden, dass der Erlassung des Aufenthaltsverbotes § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG entgegenstehe, weil der Beschwerdeführer von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sei. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer unstrittig erst im 6. Lebensjahr nach Österreich gekommen ist, ist er im Sinn der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) nicht von klein auf im Inland aufgewachsen.
Anders als der Beschwerdeführer meint, kann aus dem Umstand, dass er die im § 38 Abs. 2 FrG genannten Kriterien für das Tatbestandselement "langjährig rechtmäßig niedergelassen" erfüllt, nicht darauf geschlossen werden, dass er auch das weitere Tatbestandselement "von klein auf im Inland aufgewachsen" erfüllt. Für das Vorliegen des Aufenthaltsverbots-Verbotes gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG ist aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die kumulative Erfüllung der beiden genannten Elemente erforderlich.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiters Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 19. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999180309.X00Im RIS seit
13.12.2001