TE Bvwg Beschluss 2018/9/13 W256 2184168-1

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Veröffentlicht am 13.09.2018
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Entscheidungsdatum

13.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W256 2184168-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. Dezember 2017, Zl. XXXX :

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 11. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Im Zuge der am 12. November 2015 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der aus Afghanistan stammende Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe wegen seiner Füße in Afghanistan keine Existenz.

Der Beschwerdeführer wurde am 15. Dezember 2017 von der belangten Behörde einvernommen. Dabei führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen ergänzend aus, dass er - wie dem vorgelegten Ambulanzbericht der Universitätsklinik XXXX für Orthopädie und Traumatologie vom 19. Juli 2017 zu entnehmen sei - an einer beidseitigen Hüftdysplasie leide und er sich insofern nur mittels Zuhilfenahme von Krücken oder eines Rollstuhles fortbewegen könne. Nach Afghanistan könne er wegen dieser Behinderung nicht zurückkehren.

Am 23. August 2017 wurde der belangten Behörde von der Caritas XXXX ein Schreiben des Sozialministeriums vom 3. August 2017 sowie eine Kopie des Behindertenausweises des Beschwerdeführers vorgelegt, wonach dem Beschwerdeführer ein Behindertenausweis gemäß den §§ 40 ff Bundesbehindertengesetz mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 90 % ausgestellt worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm dagegen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 28. Dezember 2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte die belangte Behörde - sofern hier wesentlich - aus, dass der Beschwerdeführer zwar an einer beidseitigen Hüftdysplasie leide und ohne Gehhilfe auch nicht mobil sei. Eine asylrelevante Verfolgung sei vom Beschwerdeführer jedoch insgesamt nicht vorgebracht worden und konnte eine solche auch nicht festgestellt werden.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 17. Jänner 2018. Die Würdigung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevanten Umstände vorgebracht habe und solche auch nicht festgestellt werden hätten können, sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere habe es die belangte Behörde gänzlich unterlassen darauf einzugehen, dass der Beschwerdeführer körperlich beeinträchtigt sei. Es sei zwar festgestellt worden, das der Beschwerdeführer an einer beidseitigen Hüftdysplasie leide, allerdings habe die belangte Behörde nicht begründet, weshalb es sich hierbei nicht um einen Asylgrund handle. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den UNHCR Richtlinien vom 19. April 2016 Personen mit Behinderung Berichten zufolge besonders gefährdet und insbesondere Misshandlungen durch Mitglieder der Gesellschaft, aber auch durch Familienangehörige ausgesetzt seien. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner beidseitigen Hüftdysplasie auf Krücken bzw. den Rollstuhl angewiesen. Die körperliche Behinderung des Beschwerdeführers sei daher als schwer einzustufen, weshalb sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung aussetzen würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

1. Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt nach § 28 Abs. 2 Ziffer 2 voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. jüngst auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 2017, Zl. Ra 2016/12/0109, Rz 18ff.).

Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren vorgebracht, dass ihm aufgrund (s)einer körperlichen Behinderung in Afghanistan Verfolgung drohe.

Die belangte Behörde stellte dazu zwar im angefochtenen Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer an einer beidseitigen Hüftdysplasie leide und insofern ohne Gehhilfe auch nicht mobil sei. Eine sonstige Auseinandersetzung mit der geltend gemachten körperlichen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers an sich und mit einer sich daraus allfällig ergebenden aktuellen Gefährdungslage für den Beschwerdeführer in Afghanistan fand durch die belangte Behörde allerdings nicht statt und wurden demensprechend dazu auch keine konkreten Feststellungen getroffen.

Wie vom Beschwerdeführer in der Beschwerde unter Verweis auf die UNHCR Richtlinien vom 19. April 2016 in diesem Zusammenhang aufgezeigt wurde, sind gerade Personen mit Behinderung in Afghanistan als besonders gefährdet anzusehen (zur Indizwirkung entsprechender Empfehlungen internationaler Organisationen vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 2006, Zl. 2005/01/0556 mwN).

Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, sich mit der (immer) geltend gemachten Verfolgung des Beschwerdeführers in Afghanistan aufgrund (s)einer behaupteten körperlichen Beeinträchtigung zu befassen. Dadurch, dass sie dies - entgegen ihrer in § 18 AsylG 2005 normierten Ermittlungspflicht - gänzlich unterlassen hat, ist der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt umfassend ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb im Hinblick auf diese besonders gravierende Ermittlungslücke eine Zurückverweisung erforderlich und auch gerechtfertigt ist (vgl. dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2015, Zl. Ra 2015/09/0088).

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren angehalten, sich mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, er werde aufgrund (s)einer körperlichen Behinderung in Afghanistan bedroht, auseinanderzusetzen und dazu konkrete Ermittlungsschritte, sei es z.B. allfällig durch gezielte Befragung des Beschwerdeführers, durch Einholung eines medizinischen Gutachtens, entsprechender Länderberichte sowie weiterer sich daraus ergebender Maßnahmen zu setzen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Denn die belangte Behörde ist als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig. Überdies soll eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Folglich war das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid "aufzuheben" war. Dieser Tatbestand ist auch auf Beschlüsse zur Aufhebung und Zurückverweisung anwendbar (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22).

2. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde bloß ansatzweise bzw. unzureichend ermittelt, entspricht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, gesundheitliche
Beeinträchtigung, Gutachten, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W256.2184168.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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