Entscheidungsdatum
13.09.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W240 2186636-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2018, Zl. 821090203-2099852, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.06.2018, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
2005 idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin von Somalia, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am 19.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 19.08.2012 wurde sie einer Erstbefragung unterzogen. Sie gab an, dem Hauptclan Dir anzugehören. Sie stamme aus Mogadischu, XXXX , Viertel XXXX und sie gab als ihren Fluchtgrund wie folgt an:
"Ich habe mein Heimatland verlassen, weil ich dort keine Sicherheit hatte. Bei uns herrscht seit über 20 Jahren Bürgerkrieg und Hungersnöte. Weiters gib es verschiedene Gruppierungen die gegen die Übergangsregierung in Mogadischu kämpfen. Ich bin von den Al Shabaab Gruppierungen zu Zwangsverehelichung aufgefordert worden. Ich sollte einen Mann von diesen Milizen heiraten und meinen Mann verlassen. Aus diesem Grund bin ich geflohen."
Am 10.01.2013 wurde die Beschwerdeführerin vor dem BFA durch einen männlichen Referenten einvernommen.
Vorgelegte wurde ein ärztlicher Kurzbericht vom Jänner 2013 mit der Diagnose "Zn excessiver Beschneidung, Narben am Unterbauch nach Schussverletzung, AVFL uteri, Adnexe unauffällig, Zyklusstörung".
Beantragt wurde die Einvernahme der Beschwerdeführerin durch eine gleichgeschlechtliche Referentin.
Am 07.05.2013 wurde die Beschwerdeführerin vor dem BFA durch eine weibliche Referentin und in Anwesenheit einer Dolmetscherin einvernommen.
"(...)
A: 2005 wurde ich durch eine Rakete im Bereich des Unterbauches verletzt. Ich wurde ins Spital gebracht. Dort war ich 6 Monate. Nachdem ich das Spital verlassen habe, wurde ich nach Hause gebracht. Meine Beschneidung war geplant. Der Arzt im Krankenhaus hat gesagt, dass es nicht möglich ist, dass ich beschnitten werde, weil ich Splitter im Bauch habe. Ich würde sonst Probleme bekommen. Ich konnte nicht mehr die Koranschule besuchen, weil ich wegen meiner Verletzung nicht mehr so weit gehen konnte. 2007 haben wir Probleme bekommen, mein Vater ist verschwunden. Meine Geschwister wurden getötet durch eine Rakete. Danach hat uns unser Onkel finanziell versorgt. Er ist kein guter Mensch. Wir sind dann nach XXXX geflüchtet. Eines Tages 2011 wurde meine Mutter krank. Ich ging zum Einkaufen in die Stadt. Meine Mutter meinte, ich soll mit dem Bus fahren. Das ist aber teuer, bis 3500 Somalische Schilling. Der Ort, wo ich hinwollte, ist ca. 30 Minuten zu Fuß von uns zu Hause entfernt. Wir bekamen vom Onkel 20.000 Somalische Schilling pro Tag. Ich habe mich dann entschieden zu Fuß zu gehen. Auf der Strecke liegt die Moschee XXXX . Dort in der Nähe gibt es Zelte und Barracken. Auf dem Heimweg konnte ich nicht mehr gehen und fiel hin. Leute rannten zu mir um zu sehen wie es mir geht. Sie haben mir Wasser gegeben. Ein junger Mann bot sich an mir zu helfen. Er würde meine Tasche nach Hause bringen. Mein Onkel hat uns dann unterwegs in unserem Bezirk gesehen. Er kam zu uns. Er hat dem jungen Mann eine Ohrfeige gegeben. Er nahm mich mit und brachte mich nach Hause. Er hat mit mir geschimpft. Er fragte, ob ich Lust auf Sex habe und Männer suche. Dann ging er weg. Meine Mutter warf mir auch vor, warum ich nicht mit dem Bus gefahren bin. Nach einer Stunde kam mein Onkel wieder. Er brachte drei Frauen mit. Unsere Unterkunft bestand aus mehreren Zelt. Der Onkel hat mich in ein Zelt gebracht. Er hat meine Hände zusammengebunden mit einem Seil. Er befahl den Frauen mich zu beschneiden. Sie sollten die schlimmste Art der Beschneidung durchführen. Sie sollten alles wegschneiden. Zwei Frauen haben die Beine gehalten, die dritte Frau hat mir die Klitoris abgeschnitten, alles ohne Narkose. Der Eingriff hat ca. 2 Stunden gedauert. Sie haben alles weggeschnitten und haben Heilkräuter und Zucker darauf verteilt. Wegen meiner Schreie kamen viele Leute und wollten schauen was los ist. Mein Onkel saß mit einer Pistole vor dem Zelt. Niemand konnte mir helfen. Er wird von Al Shabaab unterstützt. Die Frauen haben ein Loch gemacht, in dem ein Feuer angezündet wurde. Ich musste mich darüber setzen, ca. eine Stunde lang. Ich habe geschrien. Das haben sie drei Mal am Tag mit mir gemacht. Nach 10 Tagen wollten die Frauen die Fäden entfernen. Mein Onkel hat mich gestützt. Dabei habe ich mich verletzt (AW zeigt eine Narbe auf dem Kinn). Nachgefragt gebe ich an, dass ich mich gewehrt habe, mein Onkel gab mir einen Stoß und ich fiel auf eine Stange am Boden. Dabei habe ich mich verletzt. Die Leute kamen wieder, weil ich schrie. Sie meinten, der Onkel soll die Apotheker holen. Er vernähte die Wunde am Kinn mit sieben Stichen. So habe ich weitergelebt. Mein Onkel wollte nicht, dass ich ins Spital gebracht werde. Ein Jahr oder etwas weniger habe ich meine Regel nicht bekommen. Bis jetzt leide ich darunter. Ich habe eine unregelmäßige Regel. Ich kann auch nicht mehr lange gehen. Auch die Medikamente die ich hier bekommen habe, haben nicht geholfen. Ich habe auch einen Deutschkurs begonnen. Ich war aber nur einen Tag dort. Ich bekam vom langen Gehen Schmerzen.
(...)
F: Wann war die Beschneidung?
A: Ungefähr im April 2011.
F: In welchem Spital wurden Sie nach der Verletzung durch die Rakete behandelt?
A: Im XXXX Krankenhaus in Mogadischu in der Nähe der XXXX Mosche.
(...)"
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 08.05.2014 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen wie folgt an:
"(...)
F: Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?
A: Ich bin nicht in ärztlicher Behandlung. Aber ich leide unter Schlafstörungen. Psychisch geht es mir nicht so gut. Medikamente nehme ich keine.
F: Haben Sie zur Zeit Kontakt mit irgendjemandem zu Hause?
A: Ja. Mit meiner Mutter. Ich habe mit ihr am 6. April telefoniert. Meine Mutter hat mich benachrichtigt, dass mein Mann getötet wurde.
A: Ich weiß nicht viel davon. Meine Mutter hat mir erzählt, dass die Angehörigen des Mannes, den ich heiraten sollte, meinen Mann in Mogadischu getötet haben. Dann ist die Verbindung abgebrochen. Seither habe ich nichts mehr von ihr gehört. Meine Mutter ruft mich nur alle 2 bis 3 Monate an.
A: Meine Mutter hat nur gesagt, dass mein Mann in Mogadischu getötet wurde. Sie hat mir auch gesagt, dass die Tante meines Mannes glaubt, dass mein Onkel und die Gruppe, der der Mann, den ich heiraten sollte, angehört, hinter der Ermordung stecken. Mehr weiß ich nicht.
F: Wie heißt der Mann, den Sie heiraten sollten?
A: XXXX (lt. Dolmetscherin auf Somalisch XXXX . Bei dem in der Einvernahme am 10.01.2013 aufgeschriebenen Name " XXXX " muss es sich um einen Tippfehler handeln, das es die XXXX im Somalischen nicht gibt).
F: Wann wurde Ihr Mann getötet?
A: Am XXXX 2014.
F: Wann und wo haben Sie Ihren Mann geheiratet?
A: Am XXXX , das liegt zwischen XXXX und XXXX .
F: Wie ist die Eheschließung vor sich gegangen?
A: Wir haben nach dem islamischen Recht heimlich geheiratet.
F: Beschreiben Sie den Ablauf Ihrer Verehelichung.
A: Ca. 6 Monate haben wir Kontakt gehabt. Wir haben uns geliebt. Er hat nichts gehabt, er war arm. Zwei Zeugen sind mitgegangen. Das waren XXXX . Wir sind mit dem Bus nach XXXX gefahren. Wir sind zum Mullah gegangen. Wir haben ihm gesagt, dass wir heiraten wollen. Der Mullah fragte mich nach dem Brautgeld. Es wurde vereinbart, dass ich habe 500 somalische Schilling bekomme, falls wir uns trennen.
F: Wo lebt Ihr Onkel?
A: Er lebt in einem anderen Stadtviertel von XXXX .
F: Was war der fluchtauslösende Grund?
A: Nachdem ich geheiratet habe, hat mein Onkel mir gesagt, dass er mich mit einem Al Shabab Mitglied verheiraten will. Ich sagte, ich bin bereits verheiratet. Nachgefragt gebe ich an, dass er mir das am XXXX mitgeteilt hat. Zwei Tage später, am XXXX , hat er mich nach XXXX gebracht. Er hat mich dem Mann, den ich heiraten sollte, vorgestellt. Er ist 70 Jahr alt. Ich sagte, dass ich schon verheiratet bin. Der Mann sagte, er sei ein XXXX und wie ich mich ihm verweigern kann. Er hat auch gesagt, dass er mich nach islamischem Recht heiraten darf. Er sagte, er darf mich auch ohne Verehelichung haben darf. Er hat auch gesagt, dass mein Onkel mich ihm gegeben hat. Mein Onkel hat mir eine Ohrfeige gegeben und mit einer Pistole auf meinen Kopf gezielt. Mein Onkel sagte, wie ich so mit einem XXXX sprechen kann. Sie haben sich dann unterhalten. Mein Onkel wollte, dass ich an einem anderen Tag mit dem Mann verheiratet werde. Danach hat er mich zurückgebracht. Ich habe meiner Mutter erzählt, dass der Mann 70 Jahre alt ist und schon drei Frauen hat. Ich habe ihr erzählt, dass er mich geohrfeigt hat und mich mit einer Pistole bedroht hat. Eine Nachbarin hat meine Mutter und mich nach XXXX gebracht. Dann haben sie für mich die Reise mit einem Schlepper organisiert.
A: 5500 $.
F: Wo hatten Sie so viel Geld her?
A: Meine Mutter hat unser Haus in XXXX verkauft. Das ist sich in ein paar Tagen ausgegangen.
A: Das ist richtig. Der Grund war die drohende Zwangsverheiratung.
F: Wann wurden Sie beschnitten?
A: Im April 2011.
F: Wie alt waren Sie da?
A: Ca. 18 oder 19 Jahre.
A: Ich leide noch immer unter der Beschneidung. Meine Monatsblutung ist unregelmäßig. Ich habe immer Schmerzen. Die Ärztin riet mir zur Öffnung. Ich habe aber Angst davor.
A: Ich habe Angst vor Al Shabab und dem Mann den ich heiraten soll. Sie haben schon meinen Mann getötet, sie werden mich auch nicht in Ruhe lassen.
F: Haben Sie mittlerweile familiäre Beziehungen in Österreich?
A: Nein.
2. Mit Bescheid vom 21.11.2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 AsylG 2005 ab, gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia gemäß § 8 Absatz 1 AsylG zulässig ist. Weiters wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Absatz 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia ausgewiesen.
3. Mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.11.2015, Zahl: W212 2015274-1/4E, wurde der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid des Bundesamtes behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen. Feststellungen und Ermittlungen zu Zwangsheirat fehlen.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 30.03.2017 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes an:
"(...)
F: Wurde hinsichtlich Ihrer Beschneidung etwas unternommen?
A: Nein. Die Ärztin sagte zwar, dass man die Naht öffnen sollte. Ich habe es aber nicht machen lassen.
F: Werden Sie in Ihrem Verfahren vertreten?
A: Ja, von Mag. Reichenvater. Er weiß, dass ich heute eine Ladung habe. Ich war bei ihm, er kann aber aus terminlichen Gründen nicht mitkommen. Ich soll ihm die Niederschrift bringen.
A: Meine Mutter hat mich von einem Callshop angerufen. Als sie mir erzählt hat, dass mein Mann gestorben ist, hatten wir das letzte Mal Kontakt.
F: Wo war dieser Callshop?
F: Schildern Sie bitte noch einmal die Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen und einen Asylantrag gestellt haben?
A: Mein Onkel väterlicherseits wollte mich mit einem 70jährigen Al Shabaab verheiraten. Vorher wurde ich beschnitten. Ich konnte ja nicht flüchten. Mein Onkel hat mich geschlagen und bedroht. Ich war aber bereits verheiratet.
F: Wie wurden Sie bedroht?
A: Mein Onkel arbeitet für Al Shabaab. Wir haben im Flüchtlingslager in XXXX . 3 Al Shabaab Männer sind mit dem Onkel zu uns nach Hause nach XXXX gekommen. Die Männer sagten dem Onkel, dass sie mich mit einem Mann verheiraten wollten. Mein Onkel war radikal. Er wollte, dass ich einen Niqab trage. Er hat immer erzählt, dass man als Märtyrer in Paradies komme. Er wollte immer, dass ich für Al Shabaab koche. Als ich sagte, dass ich schon verheiratet bin, hat er eine Pistole an meinen Kopf gesetzt. Am zweiten Tag danach hat er mich zum Haus des Mannes in XXXX gebracht. Das ist nicht in XXXX . Wir sind mit dem Bus ca. 20 Minuten hingefahren. Es ist in der Nähe. Ich habe dem Mann, den ich heiraten sollte gesagt, dass ich schon verheiratet bin. Er sagte, dass er ein XXXX ist und er mich deshalb trotzdem heiraten darf. Er war bereits mit drei Frauen verheiratet. Er sagte, wenn ich seinem Befehl ihn zu heiraten nicht befolge, werde ich getötet. Wie hätte ich mich weigern können. Er hat mich als Ungläubige betrachtet, weil ich ihn nicht heiraten wollte. Ich bin dann nach Hause zurückgekommen und habe meiner Mutter davon erzählt. Mein Onkel und der Mann wollten, dass ich bei dem Mann wohne. Meine Mutter hat gesehen, dass die Sache ernst ist. Sie und Ihre Freundin haben mich nach XXXX gebracht. Das ist ein Bezirk von Mogadischu in der Nähe des Flughafens. Sie haben den Schlepper für mich gesucht. Eine Woche danach habe ich Mogadischu verlassen.
F: Wie oft haben Sie nach Ihrer Ausreise mit Ihrer Mutter telefoniert?
A: Ich glaube so ungefähr 8 bis 10 Mal.
F: Was hat Ihre Mutter erzählt, wie Ihr Onkel reagiert hat?
A: Sie sagte, dass er mich überall in Mogadischu und XXXX gesucht hat. Er war wütend auf mich. Wenn er mich findet, wird er mich töten.
F: Was hat die Flucht gekostet?
A: 5500 US Dollar. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mutter ein Haus in XXXX , einem Bezirk in Mogadischu, verkauft hat.
F: Wie heißt Ihr Ehemann?
A: XXXX . Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mutter sagte, dass er getötet wurde. Seine Tante väterlicherseits hat meiner Mutter erzählt, dass Al Shabaab ihn getötet hat. Die Telefonverbindung brach dann ab und ich konnte nichts Genaues mehr erfahren.
F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?
A: Ja.
F: Gab es in Zusammenhang der Heirat mit Ihrem Mann irgendwelche Probleme?
A: Er gehört der Minderheit der Bon an. Ich habe das nicht als Problem gesehen. Mein Onkel hat das als Problem gesehen, als ich ihm davon erzählt habe.
F: Wie sollte Ihr Leben nach Ihrer Heirat aussehen. Was waren Ihre Pläne?
A: Er hat Wasser mit einem Esel im Bezirk verkauft. Er wollte Geld sparen, damit wir in eine eigene Unterkunft ziehen können und zusammenleben können. Wenn die Familie unsere Heirat nicht akzeptiert, wollten wir woanders hingehen. Vielleich nach Afgoye.
F: Haben Sie Ihrem Mann erzählt, was passiert ist?
A: Nein. Ich konnte ihn nicht kontaktieren. Mein Onkel hat mich in einem Zimmer eingesperrt.
F: Sie waren aber vor Ihrer Ausreise einige Tage mit Ihrer Mutter unterwegs. Warum konnten Sie Ihren Mann da nicht kontaktieren?
A: Mein Mann hatte kein Handy, wir auch nicht.
F: Haben Sie nicht versucht, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen?
A: Ich sagte meiner Mutter, dass sie ihn suchen soll. Sie sagte, sie hätte ihn nicht gefunden.
F: Wo hat er gewohnt?
A: In XXXX , aber nicht im Flüchtlingslager wie wir, sondern ca. 20 Minuten zu Fuß entfernt in XXXX .
(...)"
Vorgehalten wurde insbesondere auch eine Anfragebeantwortung zu Somalia, Zwangsverheiratung in Mogadischu und über die Versorgung mit Grundnahrungsmittel in Mogadischu vom 07.06.2017.
In der Stellungnahme vom 06.07.2017 führte der ausgewiesene Vertreter der Beschwerdeführerin insbesondere aus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin Deckung fänden in der Anfragebeantwortung. Die Beschwerdeführerin verfüge über keine existentiellen Grundlagen und sei ihr Leben aufs Gröbste gefährdet. Weiters würde es Neuerungen im Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin geben.
4. Im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.01.2018, Zl. 821090203-2099852, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und unter Spruchteil
III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 17.01.2019 erteilt.
5. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin dem Hauptclan der Dir angehöre und aus Mogadishu stamme. Sie habe seit 2007 bis zur Ausreise mit ihrer Mutter und drei Geschwistern in einem Flüchtlingscamp in XXXX gelebt. Die Beschwerdeführerin habe 2012 einen Mann des Minderheitenclans Bon geheiratet, ihr Onkel väterlicherseits, der für die Al Shabaab arbeite, sei gegen diese Heirat gewesen. Der Onkel habe sie zwangsverheiraten wollen. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft, da sich das BFA nicht mit dem gegenwärtigen und tatsächlichen Einfluss der Al Shabaab auseinandergesetzt habe, die Länderberichte seien veraltet und es seien keine Berichte über Mischehen berücksichtigt worden.
4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 25.06.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch eine Vertreterin der ARGE, einvernommen wurde.
Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
* Länderinformationsblatt der Staatdendokumentation: Somalia, 12.01.2018 (letzte Kurzinformation vom 03.05.2018)
* UK Home Office, Country Information and Guidance, Somalia: Women fearing gender-based harm and violence, vom 02.08.2016;
* Anfragebeantwortung zu Somalia: Informationen zum Clan der Dir vom 26.11.2015
* Anfragebeantwortung zu Somalia: Zwangsverheiratung in Mogadishu vom 07.06.2017
* Focus Somalia: Clans und Minderheiten vom 31.05.2017
* Accord-Anfragebeantwortung zu Somalia vom 14.12.2011: Mischehen
Am 29.06.2018 langte eine Stellungnahme zu den Länderberichten der ausgewiesenen Vertretung der Beschwerdeführerin ein. Es wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe in der Beschwerdeverhandlung ausführlich und lebensnah geschildert, wie sie von ihrem Onkel väterlicherseits, der das männliche Familienoberhaupt sowie ein Al Shabaab-Sympathisant sei, gezwungen worden sei, einen älteren Al Shabaab-Führer zu heiraten. Ihre Ehe mit einem Angehörigen der berufsständischen Minderheit der Bon sei nicht vom Onkel akzeptiert worden. Die Beschwerdeführerin habe flüchten müssen, um sich der Zwangsheirat zu widersetzen. Die Beschwerdeführerin habe den Kontakt zu ihrer Mutter und zu den Geschwistern verloren. Sie fürchte in Somalia asylrelevante Verfolgung durch ihren Onkel bzw. durch Al Shabaab, vor welcher sie keine staatlichen Stellen beschützen könnte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist somalische Staatsbürgerin, hat keine Kinder, stammt aus Mogadischu, flüchtete mit ihrer Familie nachdem ihr Vater 2007 im Zuge von Kampfhandlungen als vermisst gilt in das Flüchtlingslager XXXX in der Nähe von Mogadishu, wo sie bis zur Ausreise lebte. Sie lebt seit ihrer Antragstellung im Jahr 2012 in Österreich. Sie gehört dem Clan der Dir an. Sie hat in Somalia am 11.02.2012 einen somalischen Staatsangehörigen, der einem Minderheitenclan angehörte, nach traditionellem Ritus heimlich verheiratet, dieser wurde nach ihrer Ausreise von Al Shabaab-Mitgliedern ermordet, was ihr telefonisch mitgeteilt wurde.
Die Beschwerdeführerin wurde von ihrem Onkel väterlicherseits, der seit dem Verschwinden des Vaters das männliche Familienoberhaupt sowie ein Al Shabaab-Sympathisant ist, misshandelt und unterdrückt, auch ihre Mutter wurde von diesem Onkel misshandelt und unterdrückt. Die Beschwerdeführerin wurde vom Onkel gezwungen, einen älteren Al Shabaab-Kommandanten zu heiraten, der bereits drei Ehefrauen hatte. Die bereits geschlossene Ehe der Beschwerdeführerin mit einem Angehörigen eines Minderheitenclans war vom Onkel nicht akzeptiert worden. Die Beschwerdeführerin hatte flüchten müssen, um sich der Zwangsheirat zu widersetzen.
Die Beschwerdeführerin hat im Heimatstaat keine anderen familiären und sozialen Anhaltspunkte als zu dem Onkel, der sie zwangsverheiraten will und zu Familienmitgliedern, welche sich nicht gegen die Zwangsverheiratung der Beschwerdeführerin mit einem Mitglied der Al Shabaab wehren können. Die Beschwerdeführerin ist in ihrer Heimat durch die Gefahr gegen ihren Willen verheiratet zu werden asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Somalia die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht.
Zu Somalia wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
18. Relevante Bevölkerungsgruppen
18.1. Frauen
Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe - insbesondere in IDP-Lagern - ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.1.2017).
Die somalische Regierung hat 2014 einen Aktionsplan zur Bekämpfung sexueller Übergriffe verabschiedet. Die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 9.2016). Außerdem wurde im Mai 2016 ein Nationaler Gender Policy Plan verabschiedet. Dieser Plan wurde von der Somali Islamic Scholars Union verurteilt; der Somali Religious Council hat die vorgesehene 30%-Quote für Abgeordnete im somalischen Parlament als gefährlich bezeichnet (USDOS 3.3.2017).
Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 3.3.2017), bleiben häusliche (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017, ÖB 9.2016) und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (UNSC 5.9.2017). Generell grassiert sexuelle Gewalt ungebremst. Im Zeitraum September 2016 bis März 2017 wurden von UNSOM alleine in den von der Dürre betroffenen Gebieten 3.200 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt dokumentiert (UNHRC 6.9.2017). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017, UNSC 5.9.2017). Im Jahr 2015 waren 75% der Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs (ÖB 9.2016). Die IDP-Lager bieten kaum physischen oder Polizeischutz (UNSC 5.9.2017). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (USDOS 3.3.2017). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten und Milizionäre (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 9.2016). Im ersten Trimester 2017 wurden 28 Fälle von konfliktbezogener sexueller Gewalt dokumentiert, im letzten Trimester 2016 waren es 13. Dieser Anstieg kann vermutlich mit der wachsenden Zahl an Dürre-bedingten IDPs erklärt werden (UNSC 9.5.2017). Von staatlichem Schutz kann - zumindest für die am meisten vulnerablen Fälle - nicht ausgegangen werden (HRW 12.1.2017; vgl. ÖB 9.2016).
Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.1.2017), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 3.3.2017). Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia dennoch rar (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, USDOS 3.3.2017). Generell herrscht Straflosigkeit, bei der Armee wurden aber einige Soldaten wegen des Vorwurfs von Vergewaltigung verhaftet (USDOS 3.3.2017). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen. Frauen fürchten sich davor, Vergewaltigungen anzuzeigen, da sie mit möglichen Repressalien rechnen (USDOS 3.3.2017).
Al Shabaab hat Vergewaltiger zum Tode verurteilt (USDOS 3.3.2017). Andererseits gibt es Berichte die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.1.2017).
Auch traditionelle bzw. informelle Streitschlichtungsverfahren können das schwache Durchgreifen des Staates nicht ersetzen, da sie dazu neigen, Frauen zu diskriminieren und Täter nicht zu bestrafen (ÖB 9.2016). Dabei werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe meist vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (USDOS 3.3.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). Auch Gruppenvergewaltigungen werden hauptsächlich zwischen Ältesten verhandelt. Die Opfer erhalten keine direkte Entschädigung, diese geht an die Familie (UNHRC 6.9.2017). Das patriarchalische Clansystem und xeer an sich bieten Frauen keinen Schutz. Wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß xeer gesühnt, dann wird zwar die Familie des Opfers finanziell kompensiert, der Täter aber nicht bestraft (SEM 31.5.2017).
In Puntland wurde im Jahr 2015 ein Gesetz gegen Vergewaltigung in Kraft gesetzt. Mit diesem Gesetz wurde die formelle Justiz als relevanter Apparat zur Prozessführung bei Vergewaltigungen eingesetzt. Die Frage darüber, ob ein Verfahren geführt wird, entscheidet der Generalstaatsanwalt, nicht das Opfer. Traditionelle Älteste werden von allen Schritten des Verfahrens ausgeschlossen. Damit ist die Anwendung informeller oder traditioneller Konfliktlösungsmechanismen bei Vergewaltigung oder Sexualverbrechen verboten. Allerdings bedarf es zur effektiven Umsetzung noch Ausbildungsmaßnahmen für die nunmehr verantwortlichen Richter. Trotzdem ist diese neue Gesetzeslage in Somalia einzigartig und zukunftsweisend (UNHRC 6.9.2017). Laut einer vom puntländischen Generalstaatsanwalt veröffentlichten Statistik über Vergewaltigungsfälle in Puntland im Jahr 2016 wurden dort 123 Prozesse gegen Vergewaltiger geführt (A 2.2017).
Auch unter der neuen Verfassung gilt in Somalia weiterhin das islamische Scharia-Recht, auf dessen Grundlage auch die Eheschließung erfolgt. Polygamie ist somit erlaubt, ebenso die Ehescheidung (ÖB 9.2016). Laut Übergangsverfassung sollen beide Ehepartner das "age of maturity" erreicht haben; als Kinder werden Personen unter 18 Jahren definiert. Außerdem sieht die Verfassung vor, dass beide Ehepartner einer Eheschließung freiwillig zustimmen müssen. Trotzdem ist die Kinderehe verbreitet. In ländlichen Gebieten verheiraten Eltern ihre Töchter manchmal schon im Alter von zwölf Jahren. Insgesamt wurden 45% der Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits mit 18 Jahren, 8% bereits im Alter von 15 Jahren verheiratet (USDOS 3.3.2017).
Zu von der al Shabaab herbeigeführten Zwangsehen kommt es auch weiterhin (SEMG 8.11.2017), allerdings nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (DIS 3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt (DIS 3.2017). Die Gruppe nutzt zusätzlich das System der Madrassen (Religionsschulen), um potentielle Bräute für die eigenen Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017). Immer mehr junge Frauen werden radikalisiert und davon angezogen, eine "Jihadi-Braut" werden zu können (SEMG 8.11.2017; vgl. BFA 8.2017).
Al Shabaab setzt Frauen - manchmal auch Mädchen - zunehmend operativ ein, etwa für den Waffentransport in und aus Operationsgebieten; für die Aufklärung und zur Überwachung (SEMG 8.11.2017); oder als Selbstmordattentäterinnen (DIS 3.2017).
Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden (USDOS 3.3.2017). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivilrechts und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen bzw. einem (übersteigerten) paternalistischen Ansatz folgen. Für Frauen gelten entsprechend andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer. So erhalten beispielsweise Frauen nur 50% der männlichen Erbquote. Bei der Tötung einer Frau ist im Vergleich zur Tötung eines Mannes nur die Hälfte des an die Familie des Opfers zu zahlenden "Blutgeldes" vorgesehen (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 1.1.2017). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts gelten auch in Puntland und Somaliland. Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben. In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.1.2017).
Eigentlich wären für das Parlament 30% Sitze für Frauen vorgesehen. Bis zur Neuwahl des Parlaments stellten diese aber nur 14% von 275 Abgeordneten (USDOS 3.3.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Im neuen Unterhaus und im Oberhaus des Parlaments stellen Frauen nunmehr 24% der Abgeordneten. 23% der Mitglieder des Ministerkabinetts sind Frauen (UNSC 9.5.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). 13 von 54 Abgeordneten im Oberhaus sind Frauen (NLMBZ 11.2017). Im Ältestenrat von Puntland war noch nie eine Frau vertreten, im 66sitzigen Repräsentantenhaus sind es zwei, es gibt auch zwei Ministerinnen (USDOS 3.3.2017).
Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch benachteiligt (USDOS 3.3.2017). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten (ÖB 9.2016), und unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung. Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum. Allerdings werden Frauen beim Besitz und beim Führen von Unternehmen nicht diskriminiert - außer in den Gebieten der al Shabaab (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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A - Sicherheitsanalyseabteilung (2.2017): Sicherheitsbericht im Februar 2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,
https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017
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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):
Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017
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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Somalia: IFA Mogadischu, Frauen vom 09.01.2014
1. Inwieweit hat man als volljährige Frau, ohne Familienbezug in der Hauptstadt Mogadishu, die Möglichkeit, sich selbstständig eine Existenz aufzubauen?
Quellenlage/Quellenbewertung
Es liegen mehrere Quellen zur Bewertung der Frage vor, ob Personen ohne Anknüpfungspunkte (Clan, Familie o.Ä.) nach Mogadischu zurückkehren können bzw. ob und für wen Mogadischu eine IFA darstellen kann.
UNHCR vertritt die eigenen Konventionen, Guidelines und Regelwerke.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte veröffentlichte ein Urteil. Dieses wurde von den Richtern im Senat mit 5:2 gefällt.
Der Bericht des UN-Generalsekretärs erscheint periodisch und befasst sich mit der Situation in Somalia im Berichtszeitraum.
Die Quellen im Bericht von DIS/Landinfo sind teils anonymisiert, es kann jedoch aufgrund der Standards der beiden Institutionen davon ausgegangen werden, dass die Quellen gewissenhaft und nach internationalen Maßstäben ausgewählt worden sind.
Die OGN stellen eine Policy der britischen Asylbehörde dar. Das darin zitierte Urteil der britischen Berufungsbehörde ist ein sog. "Benchmark-Urteil".
Zusammenfassung
Grundsätzlich rangiert laut UN und britischer Behörde Somalia an zweiter Stelle der schlimmsten Staaten für Frauen. Die somalische Gesellschaft ist auf eine Diskriminierung der Frauen ausgerichtet, Gewalt gegen Frauen in der Kultur verankert. Trotzdem gibt es zahlreiche Haushalte, in welchen die Frau den Unterhalt für die Familie verdient - etwa als Kleinhändler im städtischen Bereich. Laut UN-Generalsekretär bleiben die Anstrengungen der Regierung, um die Gewalt gegen Frauen und Mädchen einzudämmen, gering.
Der EGMR unterstreicht, dass es den Vertragsstaaten vorbehalten ist, eine Interne Fluchtalternative (IFA) festzustellen. Allerdings müssen dafür einige Dinge gegeben sein: Die Person muss das fragliche Gebiet erreichen können; sie muss im fraglichen Gebiet aufgenommen werden; sie muss sich dort niederlassen können.
Die britischen OGN beinhalten Auszüge aus einem Benchmark-Urteil der britischen Berufungsinstanz, in welchem darauf hingewiesen wird, dass Frauen v.a. im städtischen Bereich bei Vorhandensein von Clan- und Familienunterstützung eine IFA finden können. Allerdings gibt es einige Frauen, die von einer IFA unverhältnismäßig hart getroffen würden. Die - u.a. humanitären - Umstände vor Ort sind zu berücksichtigen.
Der UNHCR erklärt, dass eine IFA für Mogadischu nur dann als annehmbar erachtet werden kann, wenn die fragliche Person ausreichend Unterstützung durch die Kern- oder die erweiterte Familie in Anspruch nehmen kann und wenn gleichzeitig Clanschutz im Ort der Rückführung gegeben ist. UNHCR erachtet bei einer Absenz ausreichender Unterstützung durch die Kern- oder erweiterte Familie bei gleichzeitigem Clanschutz eine IFA in Mogadischu für folgende Personengruppen nicht als gegeben:
* Unbegleitete Minderjährige oder Jugendliche mit dem Risiko einer Zwangsrekrutierung und anderer schwerer Verstöße;
* Junge Männer mit dem Risiko, als Sympathisanten der al Shabaab erachtet und dementsprechend durch Sicherheitskräfte der Regierung drangsaliert zu werden;
* Ältere Menschen;
* Menschen mit physischen oder psychischen Behinderungen;
* Alleinstehende oder alleinerziehende Frauen ohne männlichen Schutz, vor allem Angehörige von Minderheitenclans.
Angehörige der Diaspora können ungehindert nach Mogadischu zurückkehren und tun dies auch. Es gibt diesbezüglich keine Diskriminierung. Die Rückkehrer aus der Diaspora verfügen meist über ausreichend Ressourcen. UNHCR ergänzt, dass aber einige dieser "Rückkehrer" Somalia auch schon wieder verlassen haben.
Auch aus den direkten Nachbarländern kehren Flüchtlinge nach Somalia zurück. Ähnliche Bewegungen gibt es innerhalb des Landes, wo IDPs in ihre Heimat zurückkehren.
Quellen im Bericht von DIS/Landinfo erklären, dass eine Person, die nach Mogadischu zurückkehrt, auf Kontaktpersonen oder Familienverbindungen bzw. ein Netz in Mogadischu angewiesen ist. Quellen im Bericht von DIS/Landinfo erklären, dass eine Person, die nach Mogadischu zurückkehrt, auf Kontaktpersonen oder Familienverbindungen angewiesen ist. UNHCR erläutert, dass jeder Rückkehrer auf ein Netzwerk angewiesen ist, um in der Stadt überleben zu können. Dies betrifft jedenfalls unbegleitete Minderjährige oder Jugendliche mit dem Risiko einer Zwangsrekrutierung und anderer schwerer Verstöße; junge Männer mit dem Risiko, als Sympathisanten der al Shabaab erachtet und dementsprechend durch Sicherheitskräfte der Regierung drangsaliert zu werden; ältere Menschen; Menschen mit physischen oder psychischen Behinderungen; alleinstehende oder alleinerziehende Frauen ohne männlichen Schutz, vor allem Angehörige von Minderheitenclans.
UNHCR erklärt weiter, dass Neuankömmlinge in der Stadt, die weder über Clan- noch über Familienbeziehungen verfügen, schnell in das Visier der Sicherheitskräfte kommen können.
Der UNHCR stellt fest, dass die Rückkehrer in ein städtisches Gebiet, sofern kein vordefinierter Zugang zu Unterkunft oder Broterwerb vorliegt, und wo die Person über keine ausreichenden Unterstützungsnetzwerke verfügt, sich diese Person in jener Situation wiederfinden wird, in der sich die IDPs befinden. Daher muss die bereits vorhandene Anzahl an IDPs (in Mogadischu 336.000-360.000) und deren Situation berücksichtigt werden, wenn eine Rückführung nach Mogadischu angedacht wird. Es mangelt bereits jetzt an grundlegenden Ressourcen (u.a. Land und Trinkwasser). Der UNHCR berichtet hinsichtlich der IDPs in Mogadischu von:
körperlicher Gewalt; Einschränkung der Bewegungsfreiheit;
Einschränkung des Zugangs zu Nahrung und Unterkunft;
Diskriminierung. Zusätzlich leiden die IDPs gemäß UN-Generalsekretär und UNHCR unter unvorbereiteten Delogierungen und damit einhergehend oftmals Entzug der Lebensgrundlage. Unter den Zwangsdelogierten befinden sich laut UN-Generalsekretär auch Waisenkinder, alleinerziehende Mütter, und Behinderte.
Mehrere Quellen bei DIS/Landinfo teilen die Ansicht, wonach die IDPs in Mogadischu eine gefährdete Gruppe sind.
Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind in Mogadischu laut UNHCR weit verbreitet. Folglich können viele Menschen ihre Grundbedürfnisse nicht abdecken.
Laut UN-Generalsekretär bleiben die humanitären Bedürfnisse trotz einiger Verbesserungen enorm, das Erreichte fragil. Die Zahl der Personen in Krisen- oder Notsituation sank ca. 870.000. Weitere 2,3 Millionen Menschen ringen damit, auch nur minimale Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Unterernährungsraten bleiben hoch: 206.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt.
Humanitäre Kräfte helfen den Familien, ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem Broterwerb, auf der Vieh- und Landwirtschaft. Die FAO, UNICEF und das WFP haben Infrastruktur wieder hergestellt (z.B. Bewässerungssysteme). In den ersten neun Monaten des Jahres 2013 profitierten 35.000 Haushalte von einem Geld-für-Arbeit-Programm. Im Berichtszeitraum half das WFP ca. 853.000 Menschen pro Monat [u.a. mit Nahrungsmittelhilfe].
Mehrere Quellen im Bericht von DIS/Landinfo gehen davon aus, dass Clanschutz in Mogadischu nicht mehr von hoher Relevanz ist. Vor allem aber die IDP-Frauen von Minderheiten leiden unter sexueller Gewalt und Vergewaltigung [Anm.: Anzunehmen ist, dass alle in Mogadischu nicht stark vertretenen Clans als - lokale - Minderheiten zu erachten sind]. Die sexuelle Gewalt grassiert selbst in von der Regierung geführten IDP-Lagern.
Andere Quellen im gleichen Bericht widersprechen und erklären, dass der Clanschutz immer noch eine gewichtige Rolle spielt. Auch der UNHCR geht davon aus, dass gerade hinsichtlich des Schutzes einer Person der Clan in Mogadischu nach wie vor von großer Relevanz ist.
Dem EGMR ist bewusst, dass die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Mogadischu gegenwärtig ernst, fragil und oftmals unberechenbar ist. Allerdings übt al Shabaab keine Kontrolle mehr über die Stadt aus; gibt es keine Frontkämpfe und keinen Artilleriebeschuss mehr;
ging die Zahl ziviler Opfer zurück;
Folglich erkennt der EGMR, dass die gegenwärtige Situation in Mogadischu keine solche ist, in welcher jede Person in der Stadt einer ernsten Gefahr gemäß Artikel 3 der Konvention ausgesetzt wäre.
Einzelquellen
Der EGMR unterstreicht, dass es den Vertragsstaaten vorbehalten ist, eine Interne Fluchtalternative festzustellen. Allerdings müssen dafür einige Dinge gegeben sein: Die Person muss das fragliche Gebiet erreichen können; sie muss im fraglichen Gebiet aufgenommen werden; sie muss sich dort niederlassen können.
Dem EGMR ist bewusst, dass die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Mogadischu gegenwärtig ernst, fragil und oftmals unberechenbar ist. Allerdings übt al Shabaab keine Kontrolle mehr über die Stadt aus; gibt es keine Frontkämpfe und keinen Artilleriebeschuss mehr;
ging die Zahl ziviler Opfer zurück;
Folglich erkennt der EGMR, dass die gegenwärtige Situation in Mogadischu keine solche ist, in welcher jede Person in der Stadt einer ernsten Gefahr gemäß Artikel 3 der Konvention ausgesetzt wäre.
Die Sicherheitslage in Mogadischu bleibt relativ instabil. AMISOM und somalische Sicherheitskräfte müssen fast täglich in und außerhalb von Mogadischu mit Attacken rechnen.
Es kommt weiterhin zu Zwangsdelogierungen von IDPs in Mogadischu. Die Vertriebenen werden ohne vorherige Planung in andere Lager gebracht. Damit erhöht sich ihre Gefährdung bezgl.
Menschenrechtsverletzungen - auch hinsichtlich sexueller Gewalt.
Unter den Zwangsdelogierten befinden sich auch Waisenkinder, alleinerziehende Mütter, und Behinderte.
Die Anstrengungen der Regierung, um die Gewalt gegen Frauen und Mädchen einzudämmen blieben gering. Aus dem ganzen Land gibt es zahlreiche Berichte zu Vergewaltigungen. 30-50 Prozent der Opfer sind Kinder.
Trotz einiger Verbesserungen bleiben die humanitären Bedürfnisse enorm, das Erreichte fragil. Zum ersten Mal seit fünf Jahren sank die Zahl der Personen, die sich direkt in Krisen- oder Notsituationen befinden auf unter eine Million auf ca. 870.000. Weitere 2,3 Millionen Menschen ringen damit, auch nur minimale Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Unterernährungsraten bleiben hoch: 206.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt.
Humanitäre Kräfte helfen den Familien, ihre Grundbedürfnisse zu stillen und gegen Schocks widerstandfähiger zu werden. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem Broterwerb, auf der Vieh- und Landwirtschaft. Die FAO, UNICEF und das WFP haben Infrastruktur wieder hergestellt (z.B. Bewässerungssysteme). In den ersten neun Monaten des Jahres 2013 profitierten 35.000 Haushalte von einem Geld-für-Arbeit-Programm. 4,4 Millionen US-Dollar wurden so in die am meisten gefährdeten Regionen gepumpt. Im Berichtszeitraum half das WFP ca. 853.000 Menschen pro Monat [u.a. mit Nahrungsmittelhilfe].
Hinsichtlich einer IFA für Somalis, vor Verfolgung durch al Shabaab geflüchtet sind oder von der Gruppe ernsten Schaden fürchten, ist in Mogadischu kein ausreichender Schutz durch den Staat gewährleistet. Dies betrifft a) Somalis, die möglicherweise auf der Abschussliste der al Shabaab stehen; und b) jene, die nach Mogadischu flüchten wollen, um den Menschenrechtsverletzungen in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab zu entkommen.
Die Gruppe a) umfasst jene Personen, die einem hohen Risiko einer gezielten Tötung ausgesetzt sind: Politiker, Journalisten;
Wirtschaftstreibende; Clanälteste;
Die Gruppe b) umfasst jene Menschen, die aus ihren unter al Shabaab-Kontrolle liegenden Heimatgebieten geflohen sind und in Mogadischu meist als IDPs leben. In der Hauptstadt angekommen sind diese Menschen besonders gefährdet, Opfer von Menschenrechtsvergehen zu werden (etwa körperliche Gewalt; Einschränkung der Bewegungsfreiheit; Einschränkung des Zugangs zu Nahrung und Unterkunft; Diskriminierung). Die Täter sind möglicherweise auch in den Reihen der Regierungskräfte bzw. alliierter Milizen zu finden.
Informationen über Neuankömmlinge in Mogadischu können die Aufmerksamkeit möglicher Verfolger erwecken - gerade dann, wenn er oder sie nicht zu den im Aufnahmebezirk vertretenen Clans oder Familien gehört, oder wenn die Person aus einem Gebiet kommt, das gegenwärtig oder in der Vergangenheit von Rebellen kontrolliert wird oder wurde. Selbst jene Personen, die zwar aus Mogadischu stammen, jedoch bereits vor langer Zeit die Stadt verlassen haben, können als Neuankömmlinge erachtet werden - sofern sie den Kontakt zum Clan verloren haben.
In Bezug auf Mogadischu muss