Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde 1.) der W G in L,
2.) des Dr. H G in S und 3.) der I M in B, sämtliche vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. Juni 1999, Zl. WST 1-BA-9915, betreffend Zurückweisung der Berufung in einem Verfahren gemäß § 359 b GewO 1994 (mitbeteiligte Partei:
F Gesellschaft mbH im M, vertreten durch die Rechtsanwälte Partnerschaft H & H in S, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben zu gleichen Teilen dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 4. Februar 1999 wurde unter Spruchpunkt I. festgestellt, dass die mit Ansuchen der mitbeteiligten Partei vom 1. Dezember 1998 (in Verbindung mit angeschlossenen Projektunterlagen) begehrte Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung für die Errichtung eines Strangpresswerkes im Standort Marktl (Gemeinde Lilienfeld) dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sei. Gleichzeitig erteilte die Behörde erster Instanz der mitbeteiligten Partei zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen und zur Sicherung des Arbeitnehmerschutzes eine Reihe von Aufträgen bzw. (insgesamt 19) Auflagen. Wenn die Anlage fertig gestellt sei, müsse die mitbeteiligte Partei dies der Bezirkshauptmannschaft bekannt geben. Der Spruchpunkt II. enthält unter anderem den Hinweis, dass dieser Bescheid als Genehmigungsbescheid für die Anlage gilt. Unter Spruchpunkt III. hat die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld die gegen die Durchführung des Vorhabens erhobenen Einwendungen sowie den Vertagungsantrag der beschwerdeführenden Parteien abgewiesen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. Juni 1999 wurde die von den beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 4. Februar 1999 erhobenen Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit
§ 359 b GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Gewerbebehörde (erster Instanz) habe aus den im Einzelnen dargelegten Gründen zu Recht das vereinfachte Verfahren gemäß § 359 b GewO 1994 auf das eingereichte Projekt der mitbeteiligten Partei angewendet. Den beschwerdeführenden Parteien stehe daher ein Anhörungsrecht zu, nicht aber Parteistellung. Die Beschwerdeführer seien daher nicht legitimiert, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld Berufung zu erheben. Die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien seien daher als unzulässig zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, "nämlich dem Gleichheitsgrundsatz und Legalitätsprinzip, ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor der zuständigen Behörde, in ihrem Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Sicherung ihrer Anrainer- bzw. Eigentümerrechte gegen unzumutbare Immissionen, in ihrem Recht auf Schutz ihrer Gesundheit bzw. ihres Eigentums vor unzulässigen Immissionen". Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Sie führte unter anderem darin aus, die Verwaltungsakten seien nicht dem Verwaltungsgerichtshof, sondern dem Verfassungsgerichtshof zur Zahl B 1239/99-2 vorgelegt worden.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine schriftliche Gegenausführung, in der (ohne Kostenbegehren) die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien machen in ihrer Beschwerde im Wesentlichen geltend, mangels der Tatbestandvoraussetzungen des § 359 b Abs. 4 GewO 1994 habe die Behörde (aus den in ihrer Beschwerde näher dargelegten Gründen) zu Unrecht das in dieser Gesetzesstelle geregelte vereinfachte Verfahren angewendet. Die zur Genehmigung beantragte Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage unterliege dem UVP-Gesetz. Da ein Feststellungsverfahren nach dem UVP-G andere Behördenzuständigkeiten vorsehe, sei die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld nicht zuständig gewesen.
Gemäß § 359 b Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen ergibt, dass
1. jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden oder
2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 1000 m2 beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteigt,
das Projekt durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern mit dem Hinweis bekannt zu geben, dass die Projektunterlagen innerhalb eines bestimmten, vier Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und dass die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden; nach Ablauf der im Anschlag angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 sowie der gemäß § 77 Abs. 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage.
Eine nicht dem Abs. 1 Z. 1 oder 2 oder einer Verordnung gemäß Abs. 2 oder 3 unterliegende Betriebsanlage ist gemäß § 359 b Abs. 4 GewO 1994 dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs. 1 dann zu unterziehen, wenn sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353) ergibt, dass die Anlage
1.
nicht gefahrengeneigt (§ 82 a Abs. 1) ist, und
2.
ihren Standort in einem Gebiet hat ,das nach den für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Rechtsvorschriften überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten dient und in dem nach diesen Vorschriften das Errichten und Betreiben bzw. Ändern der Anlage zulässig ist.
Gemäß § 359 b Abs. 8 GewO 1994 sind nach § 81 genehmigungspflichtige Änderungen einer Betriebsanlage dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs. 1 zu unterziehen, wenn die Betriebsanlage einschließlich der geplanten Änderung die in Abs. 1 Z. 1 oder 2, Abs. 4, 5 oder 6 oder in einer Verordnung gemäß Abs. 2 oder 3 festgelegten Voraussetzungen erfüllt.
Im vereinfachten Verfahren nach § 359 b GewO 1994 - einem solchen wurde die verfahrensgegenständliche Errichtung des Strangpresswerkes der mitbeteiligten Partei unbestrittenermaßen unterzogen - kommt den Nachbarn nach der dargestellten Rechtslage lediglich das Recht auf Anhörung zu; es kommt ihnen darüber hinaus aber kein Recht zu, dessen Beeinträchtigung sie in diesem Verfahren als Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen können.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sind die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens von der Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Verantwortung ohne diesbezügliche Parteistellung der Nachbarn zu klären. Den Nachbarn ist - im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Parteien - kein Recht eingeräumt, geltend zu machen, die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens seien von der Behörde zu Unrecht als gegeben angenommen worden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1999, Zlen. 99/04/0103 bis 0107). Dies gilt aber auch hinsichtlich des weiteren Vorbringens der beschwerdeführenden Parteien, das Genehmigungsansuchen hätte einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G unterzogen werden müssen. Dem Umstand, ob die Behörde die bei Erfüllung der Voraussetzungen ihr obliegende bescheidmäßige Feststellung nach § 359 b GewO 1994 unmittelbar aufgrund des Genehmigungsansuchens traf oder erst nach Durchführung eines behördlichen Lokalaugenscheines, kommt keine Entscheidungsrelevanz zu. Dass die Nachbarn in der gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 abgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz Parteistellung im Verfahren nach dieser Gesetzesstelle erlangten, ist nicht relevant, weil es sich beim Verfahren nach § 359 b GewO 1994 um ein vom Verfahren nach § 356 leg. cit. grundsätzlich verschiedenes handelt, in dem vom Gesetz die Parteistellung unterschiedlich geregelt ist. Eine im Verfahren nach § 356 leg. cit. erworbene Parteistellung wirkt daher in einem daran anschließenden Verfahren nach § 359 b leg. cit. nicht fort. Dass die beschwerdeführenden Parteien in ihrem Recht auf Anhörung verletzt worden wären, machen sie nicht geltend.
Kam den beschwerdeführenden Parteien somit Parteistellung auch unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Anwendung des vereinfachten Bewilligungsverfahrens oder dem Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G nicht zu, so waren sie auch nicht zur Erhebung der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid legitimiert, weil gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 im Verfahren zur Genehmigung gewerblicher Betriebsanlagen das Recht der Berufung außer den Genehmigungswerbern nur jenen Nachbarn zusteht, die Parteien sind.
Von dieser Rechtslage ausgehend vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Zurückweisung der Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen den erstbehördlichen Bescheid durch die belangte Behörde eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff insbesondere auch § 53 Abs. 1 letzer Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 416/1994. Der von der belangten Behörde begehrte Vorlageaufwand war nicht zuzusprechen, weil dem Verwaltungsgerichtshof keine Verwaltungsakten vorgelegt wurden.
Wien, am 20. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999040151.X00Im RIS seit
20.11.2000