TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/14 W119 2171775-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W119 2171775-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch seine Mutter XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. 8. 2017, Zl 1110745710-160498599/BMI-BFA_STM_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Sprachmodul: Dari

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der minderjährige Beschwerdeführer stellte gemeinsam mit seinen Eltern (Zl W119 2171774 und W119 2171785) und seinen minderjährigen Geschwistern (Zlen W119 2171780, W119 2171777, W119 2171778 und W119 2171782) am 7. 4. 2016 Anträge auf internationalen Schutz. Es liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte die Mutter des Beschwerdeführers zunächst aus, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören und aus der Provinz XXXX zu stammen. Ihren Fluchtgrund begründete sie damit, dass die Taliban ihre Töchter bedroht hätten, weil diese heimlich die Schule besucht hätten. Ihre Söhne hätten die Taliban nach Pakistan mitnehmen wollen, um sie zu Terroristen auszubilden.

Die Mutter des Beschwerdeführers gab anlässlich ihrer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) durchgeführten Befragung am 20. 7. 2017 an, dass sie in einem Dorf im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX geboren sei. Ihr Leben und jenes ihrer Familie sei in Gefahr gewesen, weil sie von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden seien. In Afghanistan habe sie keine Ausbildung erhalten, weil ihr Vater dies nicht erlaubt habe. Sie sei Hausfrau gewesen. Nach ihrer Eheschließung habe ihr Schwiegervater ihr eine Ausbildung verwehrt. Es sei jedoch auch im Allgemeinen für Frauen sehr schwierig Bildung zu erhalten. Die Taliban hätten ihre Töchter zwangsverheiraten wollen, ihre Söhne hätten in Pakistan zu Selbstmordattentätern ausgebildet werden sollen. Aufgrund dieser Situation und den damit einhergehenden Vorfällen mit den Taliban, hätte sie sich mit ihrer Familie zur Flucht entschlossen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28. 8. 2017, Zl 1110745710-160498599/BMI-BFA_STM_RD, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Mit Spruchpunkt II. wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.)

Mit Verfahrensanordnung vom 29. 8. 2017 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 22. 9. 2017 Beschwerde.

Am 5. 9. 2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der sich die Eltern des Beschwerdeführers beteiligten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und am XXXX geboren. Er stellte am 7. 4. 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um den Sohn der XXXX der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, Zl. W119 2171785, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als ihr minderjähriger Sohn der Familie an und es liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers und aus den übereinstimmenden Akteninhalten der Mutter des Beschwerdeführers und des Beschwerdeführers selbst. Der Beschwerdeführer gehört als ihr Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

A)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf internationalen Schutz am 7. 4. 2016 und somit nach dem 15.11.2015 gestellt wurden, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.

B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, befristete
Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W119.2171775.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten