Entscheidungsdatum
14.09.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G311 2205549-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Kroatien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2018, Zahl XXXX, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2018 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 18 Monaten befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt. Einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde festgestellt, der Beschwerdeführer sei kroatischer Staatsangehöriger und in "XXXX, Kroatien" wohnhaft. Er sei noch nie im Bundesgebiet aufrecht gemeldet gewesen. Er sei am 01.12.2017 mit seinem Lastkraftwagen auf der Tauernautobahn angehalten worden. Er habe missbräulich eine digitale Fahrerkarte verwendet um die Aufzeichnungen über Lenk- und Ruhezeiten zu verschleiern bzw. zu verfälschen. Es sei vom Bezirksgericht XXXX ein Strafantrag gemäß § 293 Abs. 1 StGB gestellt woren. Dieses Verhalten zeigen, dass er kein Interesse habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Sein bisheriger Aufenthalt in Österreich beeinträchtige ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ordnung, Ruhe, Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialem Frieden. Hinsichtlich der Versagung des Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde pauschal auf die vorherigen Ausführungen verwiesen.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Im Verwaltungsakt liegt der Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 27.12.2017 ein. Demnach hat der Beschwerdeführer beim Lenken eines Lastkraftwagens mit serbischen Kennzeichen eine fremde digitale Fahrerkarte missbräuchlich verwendet. Nach Auswertung des Fahrtenschreibers habe festgestellt werden können, dass er eine Gesamtlenkzeit von 18 Stunden und 14 Minuten erreicht habe. Über Anfrage der belangten Behörde teilte das Eidgenössische Finanzdepartement mit Email vom 15.08.2018 mit, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz im Jahr 2000 wegen einer Drohung und 2001 wegen Hausfriedensbruchs und Einbruchsdiebstahl polizeilich registriert wurde. Von 15.11.2001 bis 14.11.2006 hat ein Einreiseverbot für die Schweiz bestanden. Auf eine Anfrage in Deutschland teilte die Grenzpolizeiinspektion XXXX mit, dass er bislang dort nicht nicht negativ aufgefallen ist. In Italien liegt keine Vormerkung vor. In den slowenischen und ungarischen Datenbanken scheint der Beschwerdeführer nicht auf. In Kroatien gibt es ihn betreffend keine Vormerkung.
II. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
" 13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015,
Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).
14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."
Die belangte Behörde hat das von ihr verhängte Aufenthaltsverbot auf die Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX gestützt. Eine strafgerichtliche Verurteilung liegt im Entscheidungszeitpunkt nicht vor, eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung ist nicht aktenkundig.
Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln.
§ 67 Abs. 1 FPG lautet:
"Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."
Im Rahmen der Gefährdungsprognose hinsichtlich eines Aufenthaltsverbotes ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren durch Einholung der allfälligen Strafverfügungen bzw. Straferkenntnisse und strafgerichtlichen Verurteilungen mit dem konkreten Verhalten des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben und daraus resultierend eine Gefährdungsprognose im Lichte des § 67 Abs. 1 FPG und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu treffen haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach § 86 Abs. 3 FPG (Dursetzungsaufschub, Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen. Gleiches gilt für enthaltenen Überlegungen zum Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung der Berufung, weil die aufschiebende Wirkung einer Berufung und die Gewährung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes von ihren Zwecken und ihren Wirkungen her nicht vergleichbar sind (VwGH 21.11.2006, 2006/21/0171 mwN).
Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid weder hinsichtlich Durchsetzungsaufschubes noch der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung enthalten.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Begründungsmangel, Durchsetzungsaufschub,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G311.2205549.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.11.2018