Entscheidungsdatum
17.09.2018Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W202 2178058-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2017, Zl. 1159653601-170847876, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.09.2018 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 und 55 FPG idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 18.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am nächsten Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.
Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung vor, dass er in seiner Heimatstadt für eine politische Partei tätig gewesen sei. Er habe diese Partei nur unterstützt, er sei kein Mitglied gewesen. Es gebe eine andere Partei, diese sei gegen ihn gewesen, weil er die andere Partei unterstützt habe. Da diese Partei an der Macht sei, habe sie eine falsche Anzeige gegen ihn erstattet. Daraufhin sei er von der Polizei gesucht worden. Die Polizei werde von dieser Partei gesteuert. Der Beschwerdeführer habe Angst, von der Polizei unschuldig eingesperrt zu werden. Er habe nichts dagegen tun können, deshalb habe er beschlossen, sein Heimatland zu verlassen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, unschuldig ins Gefängnis zu kommen.
Am 02.11.2017 wurde der Beschwerdeführer seitens des BFA einvernommen, wobei er Folgendes vorbrachte:
"F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?
A: Nein.
F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?
A: Ja es geht mir gut.
F: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) in einer verständlichen Sprache bereits im Zuge der Erstbefragung zur Kenntnis gebracht und mit Ihnen gemeinsam erläutert. Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?
A: Ja habe ich bekommen.
F: Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und keinesfalls an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet oder öffentlich gemacht werden. Weiters werden Sie darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren bilden und dass diesen Angaben in der Erstaufnahmestelle verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt. Falsche Angaben Ihre Identität bzw. Nationalität betreffend können verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Täuschungen über die Identität, die Nationalität oder über die Echtheit von Dokumenten können zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führen. Über die Rechtsfolgen und der im allgemeinen nicht möglichen Einbringung neuer Tatsachen in dem Fall, dass Ihrem Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz vom Bundesamt nicht nachgekommen wird (Neuerungsverbot) werden Sie hiermit ebenfalls hingewiesen.
Sie sind weiters verpflichtet, bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen und an diesen mitzuwirken, der Behörde Ihren Aufenthaltsort, Ihre Anschrift und deren allfällige Änderungen sofort bekanntzugeben, sich längstens binnen drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden.
Wenn Sie diesen Mitwirkungspflichten aus von Ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht nachkommen können, so teilen Sie dies der Behörde unverzüglich mit.
Haben Sie alles verstanden?
A: Ja.
F: Ihre Muttersprache ist Punjabi und es ist in Ordnung die Einvernahme in diese Sprache durchzuführen?
A: Ja.
F: Verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?
A: Ja.
F: Stehen Sie momentan in ärztlicher Betreuung, Behandlung oder Therapie?
A: Ich hatte vor kurzem eine OP vor 2 Monaten hinten am Rücken.
F: Haben Sie Befunde?
A: Ich habe diese in Klingenbach. AW bekommt eine Woche Frist für die Nachreichung der Befunde.
F: Welche Schule haben Sie besucht oder Haben Sie eine Ausbildung absolviert? Wenn ja, wie lange und in welcher Art?
A: Bis zur 10 Klasse Grundschule.
F: Welchen Beruf haben Sie in Ihrem Heimatland ausgeübt?
A: Ich habe in der Landwirtschaft mitgeholfen.
F: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?
A: Nein habe ich nicht.
F: Haben Sie Angehörige in Ihrem Heimatland? Wenn ja, welche und wo halten sich diese auf?
A: Mutter: XXXX Geb. Datum unbekannt
Bruder: XXXX Geb. Datum unbekannt
Frau: XXXX XXXX
Sohn: XXXX XXXX geboren
Bruder: XXXX verstorben 08.09.2004 verstorben, Geb. Datum unbekannt
F: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt?
A: Meine Eltern sind in der Pension sie waren Lehrer. Meine Frau ist zuhause.
F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Verwandten im Heimatland? Wenn ja, in welches Ausmaß?
A: Nach 3-4 Tagen habe ich immer Kontakt. Wir haben telefonisch Kontakt.
F: Wann hatten Sie zuletzt mit jemand aus Ihrem Herkunftsland Kontakt?
A: Heute in der Früh.
F: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?
A: Ich wurde von meinen Eltern finanziert durch Ihre Pension und ich habe in der Landwirtschaft mitgeholfen.
F: Wie bestreiten Sie nun in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?
A: Ich bekomme 40€ Taschengeld und arbeite freiwillig im Lager.
F: Sind Sie arbeitsfähig? Was würden Sie gerne arbeiten?
A: Ich könnte jede Arbeit verrichten.
F: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?
A: Am 14.04.2017.
F: Wann sind Sie in Österreich eingereist?
A: Am 18.07.2017.
F: Haben Sie Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich? Wie oft sehen Sie diese?
A: Nein ich habe niemanden hier.
F: Leben Sie mit jemand in Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft? Wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft!
A: Nein ich lebe im Lager.
F: Warum stellen Sie einen Asylantrag?
A: Ich bin einen Sikh, die Hindus in Indien sind gegen unsere Religion und politische Einstellung. Ich bin aber für die Partei der Sikhs, diese konnten die Hindus nicht akzeptieren und haben falsche Anzeigen gegen mich gemacht. Aufgrund Ihrer Verfolgung bin ich geflüchtet.
F: Ist das Ihr einziger Fluchtgrund?
A: Ja.
F: Wie heißt die Partei die Sie unterstützt haben?
A: Die Parte die ich unterstütze heißt Aam Admi - Party.
Gegenpartei ist die Congress Party.
F: Wie hat Ihre Unterstützung für diese Partei ausgesehen?
A: Mein Freund hat sich aufstellen lassen, ich habe Ihn bei den Wahlen unterstützt.
F: Wie haben Sie ihn unterstützt?
A: Ich habe Werbung betrieben für unsere Partei.
F: Waren Sie Mitglied in diese Partei?
A: Nein Mitglied war ich nicht, aber ich war ein Unterstützer.
F: Welche falschen Anzeigen hat die Partei gegen sie gemacht?
A: 1-2 mal sind auch Polizisten zu mir nachhause gekommen. Als bei den Wahlen die Hindus gewonnen haben, haben Sie gegen mich falsche Anzeigen gemacht.
F: Welchen Inhalt hatten die Anzeigen?
A: Das weiß ich nicht, ich weiß nur, dass die Polizei zu mir nachhause gekommen ist.
F: Wann waren die Wahlen?
A: Im März dieses Jahres.
F: Wann war der Vorfall mit der Polizei?
A: Ich war nicht zuhause, jedoch waren meine Eltern anwesend und Sie haben mir davon berichtet. Dies war im März nach den Wahlen.
F: Sie haben angegeben, dass es 1-2 Vorfälle waren. Schildern Sie den 2 Vorfall?
A: Ich war beim 2 Vorfall auch nicht anwesend, sondern habe es von meinen Eltern erfahren. Ein Freund der gute Kontakte zur Polizei hat, hat mir berichtet, dass zur Zeit die Hindus an der Macht sind und sie durch falsche Anzeigen mich ins Gefängnis bringen können.
F: Was haben die Polizisten gemacht als Sie nicht zuhause waren?
A: Sie haben nach mir gefragt wo ich bin, sie wussten das ich mich bei den Wahlen sehr bemüht habe. Sie haben mich bedroht ich und meine Eltern hatten Angst um mein Leben, deshalb wurde diese Flucht organisiert.
F: Wie und wo wurden Sie bedroht?
A: Sie haben es, als Sie bei meinen Eltern waren gesagt. Ich hatte Angst da sie an der Macht sind und tun und lassen können was sie wollen.
F: Gab es einen konkreten Vorfall Ihrer Person betreffend?
A: Nein.
F: Haben Sie sich an die Behörden gewandt?
A: Nein ich bin nicht zur Polizei gegangen wenn ich gehen würde, würden Sie mich verhaften.
F: Haben Sie betreffend dieser Vorfälle Beweismittel?
A: Ich habe keine Beweismittel.
F: Haben Sie die falschen Anzeigen?
A: Ich habe diese Anzeigen nicht, aber wenn ich verhaftet wäre dann würde ich wissen was drinnen steht.
F: Könnten Sie diese Anzeigen jetzt besorgen?
A: Ich bin mir nicht sicher , aber ich könnte es versuchen.
F: Was befürchten Sie konkret wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?
A: Sie sind erst jetzt an die Macht gekommen, das heißt Sie werden 5 Jahre an der Macht bleiben. Sie werden weitere falsche Anzeigen gegen mich machen wie z.B. illegaler Waffenbesitz, Drogenhandel.
F: Kennen Sie noch andere Sikhs die von dieser Partei verfolgt werden?
A: Nein ich kenne keine anderen Sikhs die dieses Problem haben.
F: Indien verfügt über eine Fläche von 3.287.469[1] km², 1.339.180.000. Einwohner und keine Meldepflicht. Sie hätten in Indien jederzeit in eine andere Provinz ziehen können.
A: Wenn es eine Anzeige gegen mich in eine Polizeistation gibt, heißt das, dass die ganzen Polizisten in den anderen Provinzen von dieser Anzeige wissen. Wie kann ich von der Polizei entkommen.
F: Wie soll man Sie ohne Meldepflicht finden Indien ist groß und hat sehr viele Einwohner?
A: Sie könnten Ja unser Telefon überwachen und so erfahren wo ich bin.
F: In Indien gibt es einen Bezirk Namens Punjab, in diesem Bezirk leben die Meisten Sikhs. Warum sind Sie nicht dort hin geflohen?
A: In Punjab leben alle dort.
F: In Punjab stellen die Sikhs die Mehrheit Sie wären dort in Sicherheit?
A: Nein die Hindus regieren.
F: Warum sind Sie nicht nach Punjab geflüchtet?
A: Ich komme aus Punjab.
F: Dem Bundesamt liegen schriftliche Feststellungen zur Lage in Indien vor. Diese können Ihnen jetzt ausgefolgt werden und Sie können binnen einer Woche eine Stellungnahme abgeben. Möchten Sie diese ausgefolgt bekommen?
A: Nein ich brauche Sie nicht.
F: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?
A: Ich habe alles gesagt.
F: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen?
A: Ja."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.11.2017, Zl. 1159653601-170847876, wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht, erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1-3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Zu Spruchpunkt I. führte das BFA aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei, und überdies eine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass ihm im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung drohe.
Zu Spruchpunkt II. verwies das BFA auf Spruchteil I., wonach dem Vorbringen keine glaubhafte aktuelle Gefährdung seiner Person entnommen werden könne. Es sei davon auszugehen und sei es dem Beschwerdeführer als gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter auch zumutbar, dass er im Falle einer Rückkehr eine neue Existenz aufbauen könne und würde ihm keinesfalls die völlige Entziehung seiner Existenzgrundlage drohen.
Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt aus, dem Beschwerdeführer werde eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.
Der Beschwerdeführer habe keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, es bestehe kein Eingriff in sein Familienleben. Weiters führte das Bundesamt eine Abwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK durch und kam zu dem Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die privaten Interessen des Beschwerdeführers überwiegen würden, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig sei. Da eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG nicht vorliege, sei im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig.
Zu Spruchpunkt IV. führte das Bundesamt aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides betrage, weil in seinem Fall keine Gründe für eine längere Frist hätten festgestellt werden können.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den gegenständlichen Bescheid rechtzeitig Beschwerde und erstattete im Wesentlichen folgendes Vorbringen:
Der Beschwerdeführer habe bei den jüngsten Wahlen im Jahr 2017 eine Partei namens AAM AADMI-PARTY unterstützt, da ein Freund von ihm für diese Partei kandidiert habe. Nach der Parlamentswahl im Punjab am 04. Februar 2017, die die Congresspartei gewonnen habe, sei er von Angehörigen der gegnerischen Partei bei der Polizei verleumdet und in der Folge von der Polizei gesucht worden. Deshalb sei er in der Folge aus seinem Heimatland geflüchtet. Die Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Eine formelle Parteimitgliedschaft sei nicht Voraussetzung dafür, diese Partei im Wahlkampf aktiv zu unterstützen. Der Vorhalt, wonach der Beschwerdeführer angegeben habe, keine anderen Sikhs zu kennen, die von der gegnerischen Partei verfolgt würden und dies auch gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen würde, sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer werde in seinem Heimatland aus politischen Gründen von Anhängern der gegnerischen Partei verfolgt und in Folge einer falschen Anzeige gegen ihn auch von der staatlichen Polizei verfolgt. Es wäre ihm daher der Status des Asylberechtigten, in eventu zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten, zuzuerkennen gewesen.
Am 13.09.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei der sich im Wesentlichen Folgendes ereignete:
"R: Wie geht es Ihnen?
BF: Mir geht es gut.
R: Das heißt, Sie haben keinerlei gesundheitliche Probleme?
BF: Zur Zeit geht es mir gut. Früher wurde ich operiert, die Dokumente habe ich schon vorgelegt.
R: Wer von Ihrer Familie befindet sich derzeit noch in Indien?
BF: Meine Eltern, meine Ehefrau und mein Sohn.
R: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?
BF: Ja.
R: Wie geht es Ihrer Familie?
BF: Es geht ihnen gut.
R: Was hat Sie bewogen Ihr Heimatland zu verlassen?
BF: Es ist wegen den politischen Parteien, es hat Probleme gegeben. Ich habe die Aam Aadmi Partei unterstützt. Das ist eine neue Partei gewesen und ich habe sie unterstützt. Die gegnerische Partei war die Kongress-Partei. Es war eine Landtagswahl, diese fand auf Bezirksebene statt. Die Wahl fand im Februar statt. Das Ergebnis stand im März fest. Die Leute der Kongress-Partei waren gegen mich, seit mein Bruder einen Unfall hatte. Es war ein Motorradunfall. Die Straße wurde unter der Verantwortung der Kongress-Leute gebaut. Als der Unfall passierte, haben wir meinen Bruder ins Spital gebracht. Die Kongress-Leute haben das Motorrad vom Unfallort zur Seite gestellt, sodass es so aussah, dass der Straßenzustand damit nichts zu tun hatte. Wir haben eine Anzeige erstattet. Der Unfall passierte im Jahr 2005. Damals war die Akali Dal an der Macht. Die Akali haben 10 Jahre in Punjab regiert. Sie haben zwei Mal die Wahl gewonnen. 2017 hat die Kongress-Partei die Wahl gewonnen und Hr. Amrinder Singh ist Ministerpräsident geworden. Nachdem der Kongress an die Macht kam, sind unsere Probleme mit dem Gericht größer geworden, da das Verfahren wegen des Motorradunfalls gegen die Kongress-Leute, die damals für den Bau der Straße zuständig waren, weiterging. Das Verfahren ging vom Bezirksgericht zum Höchstgericht in Punjab, das Gericht befindet sich in Chandigarh. Das Verfahren dauert mittlerweile 13 Jahre. Weil ich die andere Partei unterstützt habe, waren diese Leute mit mir verfeindet. Sie haben auch die Polizei zu uns nach Hause geschickt. Ein Freund von mir ist ein Journalist. Auch er hatte Verbindungen zur Polizeiinspektion und er hat mir zwei Mal gesagt, dass mich die Polizei überall sucht. Sie konnten mich nicht finden. Meine Eltern sind invalid, bei meiner Mutter ist ein Arm amputiert, mein Vater hat Probleme mit einem Bein. Er wurde operiert und hat einen metallischen Schlauch im Bein und ist gehbehindert. Er hat große Schwierigkeiten, wenn er lange gehen muss. Sie hatten Angst, weil wir nur zwei Brüder waren und keine Schwester hatten und mein Bruder beim Unfall gestorben ist. Somit bin ich nun der einzige Sohn meiner Eltern. Sie haben deshalb große Angst gehabt, dass mich die Polizei findet, sie könnten eine fingierte Anzeige gegen mich erstatten. Die Polizei könnte mir etwas unterstellen, mit Geld kann man in Indien alles machen. Deshalb habe ich Indien verlassen, weil mein Leben in Indien nicht sicher war. Deshalb habe ich die Entscheidung getroffen, ins Ausland zu fliehen. Die Polizei könnte mich überall in Indien finden und auch mein Telefon abhören. Ich habe mit einem Schlepper in Dehli Kontakt aufgenommen. Ich hatte dort einen Freund und er hat mich mit dem Schlepper in Kontakt gebracht. In der ersten Einvernahme hat mir der Dolmetscher gesagt, ich soll nicht den Namen meines Freundes bekannt geben. Es war eine kurze Einvernahme, die nur 30 Minuten dauerte. Der Dolmetscher meinte, es wird sonst zu lange und ich soll sagen, dass ich den Schlepper in Dehli gefunden habe. Es wurde mit dem Schlepper vereinbart, dass ich 800.000 Rupien zahlen muss, damit er mich ins Ausland bringt.
R: Sind Sie illegal ins Ausland geflüchtet?
BF: Nein, ganz legal. Ich hatte hauptsächlich politische Probleme in Indien. Ich hatte sonst keine Streitigkeiten.
R: Warum haben Sie heute erstmals von dem Motorradunfall Ihres Bruders erzählt? Bisher ist das im Verfahren nicht vorgekommen.
BF: Der Dolmetscher hat nur nach dem Namen meines Bruders gefragt. Mein Bruder heißt XXXX. Wenn Sie möchten, kann ich auch die Todesurkunde meines Bruders nachreichen.
R: Sie haben bislang keinen Zusammenhang zwischen dem Tod Ihres Bruders und Ihren Fluchtgründen hergestellt.
BF: Als meine Einvernahme stattfand, hat man über meine Familie gefragt, ich zählte meine Familienangehörigen auf. Ich sagte, dass ich einen Bruder hatte, der getötet wurde. Dann hat man mich nach dem Namen des Bruders gefragt und keine weiteren Fragen gestellt.
R: Ich habe Sie auch nicht danach gefragt und Sie haben das erzählt.
BF: Weil meine ganzen politischen Probleme damit anfingen.
R: Warum haben Sie bislang nie erwähnt, dass Sie von einem Journalisten, der Ihr Freund sei, erfahren hätten, dass Sie von der Polizei gesucht werden?
BF: Weil selbst wäre ich nicht dahintergekommen.
R: Hatten Sie jemals konkrete Probleme mit der Polizei? Ist diese jemals an Sie persönlich herangetreten?
BF: Nein, so etwas ist nie passiert. Es gab auch keine Anzeigen wegen Streitereien oder Diebstahl gegen mich.
R: Beim BFA haben Sie erzählt, dass Sie von Ihren Eltern erfahren hätten, dass es eine Anzeige gegen Sie gebe und Sie von der Polizei gesucht werden.
BF: Das erste Mal hat mich mein Freund informiert, aber die anderen Male habe ich es von meinen Eltern erfahren. Ich habe daheim angerufen und sie haben mich darüber informiert, dass mich die Polizei sucht.
R: Wie oft war das?
BF: Zwei Mal ist die Polizei gekommen.
R: Wo sind Sie damals gewesen?
BF: Ich war bei meinen Verwandten, ich war nicht zu Hause.
R: Was haben Sie bei Ihren Verwandten gemacht?
BF: Nachdem mich mein Freund informiert hat, dass die Polizei mich sucht, habe ich mein Haus verlassen.
R: Wann ist die Polizei zu Ihnen nach Hause gekommen?
BF: Zwei Mal sind Sie gekommen. Das war im März.
R: Welcher Abstand war zwischen den zwei Besuchen der Polizei?
BF: Das war innerhalb einer Woche.
R: Danach ist die Polizei nicht mehr gekommen?
BF: Nein. Nachdem sie mich beide Male nicht zu Hause angetroffen haben, sind sie nicht mehr gekommen.
R: Weswegen sind Sie angezeigt worden? Wie lautet der Inhalt der Anzeige?
BF: Es wurde keine Anzeige erstattet, die Gegner haben der Polizei Geld gegeben, um mich festnehmen zu lassen. Falls die Polizei mich gefunden hätte, hätten Sie eine gefälschte Anzeige gegen mich vorgebracht.
R: Bislang haben Sie aber immer davon gesprochen, dass eine Anzeige gegen Sie bestehe.
BF: Nein, die Polizisten sind immer zu uns nach Hause gekommen. Sie wollten mich festnehmen und haben probiert mich zu finden. Falls sie mich gefunden hätten, hätten Sie irgendeine Anzeige gegen mich erstattet. Nachdem sie mich nicht gefunden haben, haben Sie auch keine Anzeige gegen mich erstattet.
R: Was würde passieren, wenn Sie jetzt in Ihr Heimatland zurückkehren würden? Es gibt keine Anzeige gegen Sie.
BF: Ich möchte nicht zurück nach Indien fahren, weil mein Leben dort gefährdet ist. Meine Eltern sind ältere Leute, sie haben Angst um mein Leben. Ich bin in einer Zwangssituation, ich kann nicht nach Indien zurückfahren.
R: Warum haben Sie beim BFA davon gesprochen, dass die Polizei ein bis zwei Mal zu Ihnen gekommen ist?
BF: Das habe ich jetzt auch erzählt, sie waren zwei Mal bei mir.
R: Beim BFA haben Sie vorerst von ein bis zwei Mal gesprochen.
BF: Ich habe dort auch zwei Mal gesagt. Ich habe sicher zwei Mal gesagt, sonst hätte ich auch ein bis drei Mal sagen können.
R: Was wissen Sie über die Partei, die Sie unterstützt haben?
BF: Das ist eine neue Bewegung, die in unseren Bundesstaat gekommen ist. Es war eine sehr gute Partei, sie war gegen Korruption, weil die alten Parteien wie die Kongress-Partei sehr korrupt waren. Die neue Partei war gegen Korruption, sie haben die jungen Leute in Punjab unterstützt. In dieser Partei sind viele gebildete Leute.
R: Hat Ihre Partei auch Distrikte bei den Wahlen gewonnen?
BF: In unserem Bezirk haben sie Wahlen gewonnen. Obwohl die Partei in unserem Bezirk gewonnen hat, hat insgesamt die Kongress-Partei gewonnen.
R: Werden die Parteimitglieder verfolgt?
BF: Nein, weil die Kongress-Partei persönlich gegen mich war. Sie waren gegen mich, wir sind verfeindet. Der Unterstützer der Kongress-Partei war gegen mich. Unsere Partei war neu in unserem Bundesland. Sie haben auch viele Leute aus anderen Ländern nach Punjab gebracht. Diese Leute haben uns bei der Wahl unterstützt. Das Symbol der Partei war ein Kehrbesen.
R: In Ihrem Distrikt stellt Ihre Partei die Verwaltungsbehörde?
BF: Der Abgeordnete ist von unserer Partei, aber die Macht ist in Händen der Kongress-Partei, weil die Partei, die die Mehrheit im Bundesstaat hat, hat auch die Macht dort.
R: Warum sind Sie hinsichtlich Ihrer Probleme nicht innerhalb von Indien ausgewichen?
BF: Weil in Indien kann man immer gefunden werden. Wegen des Kontaktes mit der Familie oder man könnte ein Inserat in die Zeitung geben.
R: Warum sollte man Sie überhaupt suchen?
BF: Wegen meines Problems.
R: Warum sollte man Sie landesweit suchen?
BF: Wegen des Unfalls, ist das Verfahren bei Gericht anhängig.
R: Aber das ist es ja sowieso, es sind ja noch Ihre Eltern zu Hause. Es ist also egal, ob Sie in Ihrer Heimat sind oder nicht.
BF: Ja, das verstehe ich alles. Bei dem ganzen Verfahren habe ich an den Verhandlungen teilgenommen.
R: Aber das tun Sie jetzt nicht und auch nicht, wenn Sie wo anders in Indien sind.
BF: Wenn ich in Indien gewesen wäre, hätte mich die Polizei irgendwie gefunden und festgenommen. Jetzt können sie das nicht, weil ich im Ausland bin.
R: Es besteht nicht einmal eine Anzeige gegen Sie. Warum sollte die Polizei Sie suchen?
BF: Die Polizei kann mich trotzdem finden und festnehmen. Ich weiß nicht, ob bei der Polizei eine Anzeige gegen mich erstattet ist oder nicht. Ich weiß nicht, was die Polizei alles machen kann. In Indien bin ich die einzige junge Person in meiner Familie. Meine Eltern sind alt, mit denen können sie nichts anfangen. Wenn ich noch einen anderen Bruder gehabt hätte, hätte er die gleichen Probleme wie ich.
R an RV: Haben Sie Fragen?
RV: Läuft dieses Verfahren seit über 10 Jahren?
BF: Ja, seit 13 Jahren.
RV: Warum ist erst jetzt bzw. im März 2017 etwas gegen Sie unternommen worden und nicht all die Jahre davor?
BF: Weil davor 10 Jahre eine andere Partei an der Macht war. 2017 ist die Kongress-Partei an die Macht gekommen, deshalb wurden sie mächtiger.
RV: Keine weiteren Fragen. Zur Einvernahme beim BFA möchte ich anmerken, dass die dortige Befragung extrem oberflächlich war. Es wurde z.B. auch nicht gefragt, warum gerade der BF nach der Wahl ein Problem hatte. Es wurde auch nicht so wie heute gefragt, ob andere Personen der Partei ein Problem hatten. Wäre das gefragt worden, hätte möglicherweise der BF schon damals erzählt, dass seine Probleme Jahre zurückliegen. Zum heutigen Vorhalt, dass der BF nicht angegeben hat, dass er von einem Freund, der Journalist war, gewarnt wurde, verweise ich auf das Protokoll des BFA (Seite 5), wonach der BF angegeben hat, dass er von einem Freund, der gute Kontakte zur Polizei hatte, gewarnt wurde. Ob dieser Freund jetzt Journalist war, oder nicht, ist meiner Meinung nach nicht von großer Bedeutung. Zum Vorhalt, der BF habe angegeben, die Polizei sei ein oder zwei Mal zu ihm gekommen: Auch dazu geht für mich aus dem Protokoll hervor, dass das BFA ebenfalls von zwei Vorfällen ausgegangen ist, dass der BF aufgefordert wurde, den zweiten Vorfall zu schildern.
R: Sie sagten, Sie waren bei Ihren Verwandten, als sie von der Polizei gesucht wurden. Wo und bei wem waren Sie?
BF: Ich war in XXXX. Dort wohnt mein Cousin, der Sohn meiner Tante väterlicherseits.
R: Sind Sie damals jemals wieder nach Hause zurückgekehrt?
BF: Nein.
R: Keine weiteren Fragen dazu.
R: Sprechen Sie Deutsch?
BF: Ein bisschen.
R: Haben Sie bislang Deutschkurse besucht?
BF: Nein. Ich habe versucht, privat Unterricht zu bekommen, jedoch ohne Erfolg.
R: Haben Sie hier in Österreich Familienangehörige?
BF: Nein, nur gute Freunde.
R: Wer sind Ihre guten Freunde? Stammen sie auch aus Indien oder sind sie Österreicher?
BF: Nur Inder, weil ohne Sprache kann man keine Österreicher als Freunde gewinnen.
R: Gehen Sie einer Arbeit nach?
BF: Ich habe einen Gewerbeschein für eine Reinigungsfirma.
Wird in Kopie als Beilage 1 zum Akt genommen.
Weiters wird eine Bestätigung der Einnahmen 2018 vorgelegt (Beilage 2).
R: Engagieren Sie sich in einer Weise sozial? Sind Sie in einem Verein?
BF: Nein.
R an RV: Haben Sie Fragen?
RV: Nein.
Erörtert und zum Akt genommen wird ein Bericht betreffend die Aam Aadmi Partei (Beilage A).
RV: Dieser Bericht bestätigt die Angaben des BF. Insbesondere auch dazu, dass die von ihm genannte Partei eine sehr junge Partei ist. Keine weitere Stellungnahme."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus dem Punjab und bekennt sich zum Sikhismus. Er besuchte zehn Jahre die Schule und arbeitete zuletzt als Landwirt.
In seiner Heimat halten sich seine Frau, sein Sohn und seine Eltern auf. Mitte April 2017 verließ der Beschwerdeführer legal vom Flughafen Delhi aus seine Heimat und stellte im Juli 2017 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einer konkreten Bedrohung ausgesetzt wäre.
Mit Wirksamkeit vom 01.04.2018 meldete der Beschwerdeführer das Gewerbe "Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten, einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten" an. Für den Zeitraum 5-8/2018 erzielte der Beschwerdeführer aus dieser gewerblichen Tätigkeit Einnahmen in der Höhe von 4.432 Euro. Der Beschwerdeführer spricht kaum Deutsch, er hat bislang keinerlei Deutschkurse besucht, auf Grund der Sprachbarriere verfügt er über keinerlei österreichische Freunde, er weist kein soziales Engagement auf.
Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.
Zur Lage in Indien:
Politische Lage
Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).
Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).
Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).
Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:
FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).
Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).
Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).
Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.
Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).
Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).
Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).
Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).
Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).
Punjab
Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).
Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).
Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).
Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:
BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).
Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).
Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).
In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).
Rechtsschutz/Justizwesen
In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:
USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).
Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).
Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).
Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Unter