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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in H, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in 3950 Gmünd, Bahnhofstraße 58, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 2. August 1999, LGS NÖ/JUR/12181/1999, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen, angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Dem in Bezug von Arbeitslosengeld stehenden Beschwerdeführer wurde von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Gmünd am 14. Jänner 1999 eine Beschäftigung als Lackiererhelfer mit einem Arbeitsantritt ab 1. Februar 1999 angeboten. In der Stellenbeschreibung wurde dabei angeführt, dass von dem Unternehmen eine Vorstellung nach telefonischer Terminvereinbarung erwünscht werde.
Der Beschwerdeführer sprach ohne telefonische Terminvereinbarung bei diesem Unternehmen vor. Als der "Chef" dem Beschwerdeführer erklärte, derzeit keine Zeit für ein Vorstellungsgespräch zu haben, soll der Beschwerdeführer einer "Stellungnahme" der "Firma" zufolge erwidert haben, dass er nur den "Stempel" benötige. Daraufhin sei ihm gesagt worden, dass man nicht bereit sei, nur die Vorsprache des Beschwerdeführers zu bestätigen. Eine Einstellung des Beschwerdeführers erfolgte nicht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AlVG für die Dauer vom 1. Februar bis 14. März 1999 seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren habe und eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 2 AlVG nicht erteilt werde.
Das Verhalten des Beschwerdeführers, entgegen dem ausdrücklichen Ersuchen des potentiellen Arbeitgebers "ohne telefonische Voranmeldung bei der Firma" zu erscheinen, wertete die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht als Vereitelung "im Sinne des § 10 AlVG".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt der Sache nach nicht bestreitet. Es bezeichnet es als richtig, dass ihm eine Stellenbeschreibung übermittelt worden sei, wonach eine telefonische Terminvereinbarung gewünscht werde, sowie, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen sei. Er habe sich "durch sein persönliches Erscheinen bei der Fa. ... gehörig angekündigt, indem ihm von der Sekretärin mitgeteilt wurde, er solle in 'einer halben oder dreiviertel Stunde wiederkommen'". Dies stelle eine "wirksame und verbindliche Terminvereinbarung" dar und er habe sich "darauf verlassen (können), dass einerseits zu diesem Termin eine Vorsprache mit dem für An- bzw. Einstellungen verantwortlichen Mitarbeiter der Firma durch Anwesenheit dieses Firmenverantwortlichen möglich sein" werde, andererseits "auch diesem Mitarbeiter der Termin für diese Vorsprache und Vorstellung weitergeleitet werde". Schon aus diesem Grunde treffe den Beschwerdeführer "kein Verschulden an der zur Last gelegten 'Vereitelung'". Das Unterbleiben der Einvernahmen der beteiligten Sekretärin bzw. des "Chefs" rügt der Beschwerdeführer - auf dem Boden seines Vorbringens - als Verfahrensmangel.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 lautet:
"(1) Wenn der Arbeitslose
- sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare
Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
- sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu
entsprechen oder durch sein Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
-
ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
-
auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen, verliert er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum acht Wochen. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
(2) Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören."
Diese Bestimmungen (wie auch jene der §§ 9 Abs. 2 und 11 AlVG) sind Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten (vgl. das Erkenntnis vom 19. Mai 1992, Zl. 91/08/0189). Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz ARBEITSWILLIG zu sein (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 1984, Slg. Nr. 11337/A, u.a.).
Um sich in Bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (vgl. zum zuletzt erwähnten Gesichtspunkt das Erkenntnis vom 12. Mai 1992, Zl. 92/08/0051, mit weiteren Hinweisen).
Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132).
Unter "Vereitelung " iSd § 10 Abs. 1 AlVG ist daher ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt; das Nichtzustandekommen muss in einem darauf gerichteten oder dieses zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben. Die Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 AlVG verlangt ein vorsätzliches Handeln des Vermittelten, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes hingegen nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Slg. 13722/A - ständige Rechtsprechung).
Untersucht man vor diesem rechtlichen Hintergrund den angefochtenen Bescheid, so erweist sich dieser - im Lichte der Beschwerdeausführungen - als frei von Rechtsirrtum:
Zwischen dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde ist im Wesentlichen strittig, ob der Beschwerdeführer dadurch, dass er die Vereinbarung eines Vorstellungstermins unterlassen hat, eine Handlung gesetzt hat, die in rechtlicher Hinsicht einer Vereitelung im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung gleichkommt. Der Beschwerdeführer versucht dieser Wertung seines Verhaltens dadurch zu entgehen, dass er behauptet, (ohnehin) einen Vorstellungstermin vereinbart zu haben, wenn auch nicht in der von "der Firma" ausdrücklich gewünschten Art und Weise (nämlich telefonisch im Vorhinein).
Der Beschwerdeführer übersieht zunächst, dass er - wollte er nicht durch eine gleichsam von Anfang an zur Schau getragene Uneinsichtigkeit ein den potentiellen Arbeitgeber von der Einstellung (möglicherweise) abhaltendes Verhalten setzen - die Aufgabe gehabt hätte, das erforderliche Vorstellungsgespräch telefonisch zu vereinbaren, zumal er nicht annehmen durfte, dass dieser ausdrücklich deponierte Wunsch des potentiellen Arbeitgebers keinen Bezug zu betrieblichen Erfordernissen haben würde, wie sie etwa im Falle häufiger, geschäftlich bedingter Abwesenheit des für Vorstellungsgespräche Zuständigen durchaus nahelägen. Er konnte daher bei seiner unerwarteten Vorsprache nicht erwarten, eine zur Durchführung eines Vorstellungsgespräches zuständige Person anzutreffen bzw. bejahendenfalls, dass diese Person Zeit haben werde, mit ihm ein Vorstellungsgespräch zu führen. Der Beschwerdeführer hat auch demgemäß eine Sekretärin angetroffen, die ihn - nach seinen Behauptungen - aufforderte, eine halbe bis eine dreiviertel Stunde später zu kommen, dies - nach seinen Beschwerdedarlegungen - bei Abwesenheit des betreffenden Gesprächspartners. Bei dieser Sachlage (und in Kenntnis, dass er mit seiner unangemeldeten Anwesenheit den Wünschen des Unternehmens zwiderhandelte) durfte der Beschwerdeführer aber nicht darauf vertrauen, dass darin eine "Terminvereinbarung" zu erblicken sei, sondern - allenfalls - dass er auf später bis zur (offenbar erwarteten) Rückkehr des Zuständigen vertröstet werden sollte. Dadurch, dass sich der zuständige Mitarbeiter des Unternehmens zu dem angegebenen Zeitpunkt dann nicht in der Lage sah, mit dem Beschwerdeführer ein Vorstellungsgespräch zu führen, da "er keine Zeit hätte, weil er nach Wien fahren müsse" (so das Beschwerdevorbringen), musste für den Beschwerdeführer klar sein, dass sein Versuch, ein Vorstellungsgespräch ohne telefonische Voranmeldung herbeizuführen, gescheitert war. Die belangte Behörde hat daher - auch unter Berücksichtigung der in der Beschwerde vorgetragenen weiteren Tatsachenbehauptungen - zu Recht angenommen, dass ein Vorstellungsgespräch mit dem potentiellen Arbeitgeber wegen des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht zustande gekommen ist. Es bedarf daher keiner Erörterung, dass die Vorgangsweise des Beschwerdeführers geeignet war, den potentiellen Arbeitgeber von der Einstellung abzuhalten, und dass dem Beschwerdeführer in Bezug auf diese Folge seines Verhaltens zumindest bedingter Vorsatz und nicht nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Es kann auf sich beruhen, ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn sich der Beschwerdeführer sogleich ernsthaft um einen neuen Vorstellungstermin bemüht hätte, da ein solches Bemühen von der belangten Behörde nicht festgestellt und vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auch nicht behauptet wird.
Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine Vereitelung der Vermittlung im Sinne des § 10 AlVG angenommen.
Da selbst unter Berücksichtigung der (über die spärlichen Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde hinausgehenden) Beschwerdebehauptungen ein für den Beschwerdeführer günstigeres Ergebnis des Verfahrens sohin nicht erzielt werden kann, ist auch das Unterbleiben der Einvernahmen der beteiligten Personen, welches der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel rügt, ohne Relevanz.
Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 20. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999080136.X00Im RIS seit
18.10.2001