TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/18 W196 2161286-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2018
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Entscheidungsdatum

18.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W196 2161286-1/10E

W196 2161290-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerden der 1.) XXXX, geb. XXXX, und 2.) XXXX, geb. XXXX beide StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.05.2017 1.) Zl. 1110924907-160505161, und 2.) Zl.1131043109-161311918 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.08.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird XXXX und XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Somalia, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am Tag der Antragstellung wurde sie einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes PAZ Salzburg unterzogen, wobei sie zu ihrer Person angab, sie sei am XXXX in Mogadischu (Somalia) geboren, gehöre der Volksgruppe der Hawiye an und habe moslemischen Glauben. Sie habe keine Schule besucht und als Verkäuferin gearbeitet. Sie sei traditionell verheiratet und würden im Herkunftsland der Ehemann, vier Töchter, ein Sohn und ihre Mutter leben. Ihr Vater sei bereits verstorben.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, schilderte die Erstbeschwerdeführerin sie habe den Entschluss zur Ausreise getroffen, da kurz vor ihrer Ausreise ihr Vater durch die Terrormiliz Al Shabaab umgebracht wurde, weil er für die Regierung gearbeitet habe. Sie habe in einer Teestube gearbeitet als die Al Shabaab den Besitzer aufgefordert hätte diese zu schließen. Sie sei daraufhin mit den Kindern zu Verwandten in ein Dorf geflüchtet. Als dieses schließlich auch von Al Shabaab eingenommen wurde, habe sie ihre Familie aus den Augen verloren und sei geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr nach Somalia fürchte sie um ihr Leben. Bei ihrer Flucht habe sie keine Kosten gehabt, da ihr mitreisende Landsleute geholfen hätten.

Am 26.04.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somalisch vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab dabei an, dass sie in Mogadischu geboren und aufgewachsen sei. Zuletzt habe sie gemeinsam mit Ehemann und Kindern im Bezirk Shibis /Mogadischu und dann bei einem Onkel in Marko/ Shebella House gelebt. Schule habe sie keine besucht. Ihr Mann sei 2015 im Dezember entführt worden und daher habe sie in diesem Restaurant arbeiten müssen um die Kinder versorgen zu können. Sie wisse aber wo ihre Mutter und ihre Kinder seien nämlich im Bezirk Karan in Mogadischu. Sie habe ebenfalls noch drei Geschwister in Mogadischu. Sie würde gerne mit ihren Kindern sprechen, ihre Mutter wolle das aber nicht, weil sie von zu Hause weggegangen sei. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie getötet zu werden. Sie habe Angst vor den Leuten der Al-Shabaab. Die Beschwerdeführerin habe telefonischen Drohungen von den Leuten der Al-Shabaab erhalten, dass sie so wie ihr Vater enden werde.

Am, XXXX wurde der Zweit Beschwerdeführer und Sohn der Erstbeschwerdeführerin in Österreich/ Lilienfeld geboren und stellte seine Mutter für ihn am 29.09.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Sie gab an, dass ihr Sohn keine eigenen Asylgründe habe und daher ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG durchzuführen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieser Bescheide wurde der Antrag der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde den Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Person der Beschwerdeführer, zu ihren Asylverfahren sowie zu ihrem Privat- und Familienleben im Wesentlichen fest, dass mangels Identitätsdokumenten oder sonstiger Bescheinigungsmittel die Identität nicht feststehe. Soweit die Beschwerdeführer namentlich genannt werden kann hieraus keine Identitätsfeststellung abgeleitet werden. Betreffend die Angaben ihrer somalischen Herkunft wird den Beschwerdeführern Glauben geschenkt, da die Angaben zu den Örtlichkeiten und auch der sprachliche Hintergrund den Herkunftsstaat Somalia zugeordnet werden können. Die Erstbeschwerdeführerin habe aufgrund gleichbleibender Stehsätze, sowie wegen des oberflächlichen Inhalts ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen können. Auch die Angaben zu den Vorkommnissen bezüglich ihrer Familienangehörigen seien gänzlich unglaubwürdig.

Zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates folgerte die belangte Behörde, dass im Fall der Erstbeschwerdeführerin nicht festgestellt werden könne, dass sie ihr Herkunftsland aufgrund einer Verfolgung durch Private oder Al-Shabaab verlassen habe und seien ihre diesbezüglichen Ausführungen nicht glaubhaft. Eine Gefährdung ihrer Person im Falle der Rückkehr könne nicht festgestellt werden. Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass den Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu ihrer somalischen Herkunft aufgrund ihrer Angaben zu den Örtlichkeiten und ihrem sprachlichen Hintergrund Glauben geschenkt werde. Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und seiner Situation im Falle seiner Rückkehr folgerte die Behörde, dass das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin aufgrund einiger Ungereimtheiten bzw. nicht nachvollziehbarer Angaben nicht glaubwürdig sei. Zudem sei es der Erstbeschwerdeführerin nicht möglich gewesen, die von ihr im Rahmen des Asylverfahrens behauptete Gefährdungslage glaubhaft zu machen. Eine Verfolgung aufgrund von Konventionsgründen habe sie nicht glaubhaft gemacht. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. unter Verweis auf die Erörterungen im Rahmen der Beweiswürdigung, dass dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu ihren behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden könne. Auch aus den Gründen der Clan- oder Religionszugehörigkeit habe keine Verfolgungsgefahr abgeleitet werden können. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall von einer Glaubhaftmachung der Fluchtgründe nicht gesprochen werden könne. Eine solche Gefährdung ergebe sich auch nicht aus der allgemeinen Lage im Herkunftsland. Es sei davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfüge, da ihr Ehemann, ihre Mutter und ihre fünf Kinder in Mogadischu Somalia leben würden und sie bei den Vertretern ihrer Volksgruppe Unterstützung fände. Ich Der Beschwerdeführer als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann die Möglichkeit habe im Fall einer Rückkehr nach Somalia seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätten, die die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG rechtfertigen würden. Die Erstbeschwerdeführerin habe in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige, sodass davon auszugehen sei, dass er in Österreich kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führe. Erst seit einem Jahr in Österreich, pflege keine freundschaftlichen Beziehungen und spreche kaum Deutsch.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2017 wurde der Beschwerdeführerin auch als gesetzliche Vertreterin für ihr Kind für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Mit Schreiben vom 31.05.2017 erhob die Beschwerdeführerin für sich und ihren Sohn im Wege ihres bevollmächtigen Vertreters Beschwerde, wobei sie vorbrachte ihre Verfolgungsgründe durchaus glaubhaft geschildert zu haben und eine Rückkehr in ihr Heimatland sei mangels familiärer Anknüpfungspunkte nicht zumutbar.

Am 01.08.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Somalisch statt, an der die Beschwerdeführerin sowie ihre rechtsfreundliche Vertretung teilnahmen, damit sich das Gericht ein Bild von der Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin machen konnte.

Der Befragung der Beschwerdeführerin sind folgende Passagen zu entnehmen:

R: Erzählen Sie bitte was passiert ist, warum haben Sie Somalia verlassen?

BF1: Ich habe Somalia verlassen, weil ich Probleme hatte. Normalerweise war meine Familie eine wohlhabende Familie, ich habe ganz normal gelebt. Mein Mann, meine Kinder und ich haben zusammengewohnt und mein Mann hat gearbeitet. Er hat als Mechaniker gearbeitet. Eines Tages kamen die Al Shabaab zu ihm in seine Werkstatt und haben von ihm verlangt, dass er in einem Auto eine Bombe platziert. Das Auto gehörte der Regierung. Mein Mann hat das abgelehnt. Er ist am Abend nach Hause gekommen, als er ankam bekam er einen Anruf. Die Al Shabaab Männer haben von ihm verlangt, dass er zurück in die Werkstatt kommt. Mein Mann hat das abgelehnt und gesagt, dass er keine unschuldigen Menschen töten will. Die Al Shabaab Männer haben ihn bedroht und gesagt, dass er sehen wird was passiert, wenn der das nicht macht. Mein Mann hat mir davon in der Nacht erzählt. Ich habe Angst bekommen und wir gingen schlafen. Gegen zwei Uhr Mitternacht kamen die Al Shabaab. Die Al Shabaab Männer haben an unsere Tür geklopft. Ich fragte wer das ist, der an der Tür klopft. Sie sagten laut, dass sie die Tür aufbrechen, wenn wir nicht aufmachen. Ich machte die Tür auf und sie kamen herein. Sie gingen zu meinem Mann und schlugen ihn. Ich war schockier, ich habe laut geschrien. Sie hatten eine Pistole und sagten, wenn ich wieder laut schreie würden sie mich erschiessen. Ich habe meine Kinder beruhigt, nicht mehr laut geschrien. Die Al Shabaab Männer haben meinen Mann entführt, und ich weiß bis jetzt nicht wo er ist. Seitdem habe ich versucht, dass ich meine Kinder versorge, weil mein Mann nicht mehr da ist. Ich habe eine kleine Cafeteria aufgemacht. Wo meine Cafeteria liegt, ist nicht weit weg von der Polizeistation. Ich habe in Shibis gewohnt, dort war auch die Cafeteria. Ich habe mehrmals einen Anruf bekommen, und sie haben mich bedroht und gesagt, dass sie wissen was ich tue. Sie waren Al Shabaab Männer und sie meinten, dass ich Tee und Kaffee an die Regierung verkaufe. Die Al Shabaab Männer haben meinen Vater getötet und auch mich bedroht. Sie haben gesagt, sie töten mich wie meinen Vater. Mein Vater war ein Soldat. Mein Vater wurde erschossen, aber wir wissen nicht wer ihn getötet hat. Ich habe es später erfahren, dass er getötet wurde. Die Leute, die ihn gekannt haben, haben uns informiert. Ich habe große Angst bekommen, aber ich habe weitergearbeitet. Am nächsten Tag bin ich wieder in die Cafeteria gegangen und habe gesehen, dass alles zerstört wurde. Die Sessel und die Tische waren zerbrochen, sie waren aus Holz. In der selben Zeit habe ich einen Anruf bekommen und sie haben gefragt, ob ich gesehen habe was sie gemacht haben. Ich habe große Angst bekommen und habe mit meiner Mutter telefoniert. Meine Mutter wohnt in einem anderen Bezirk, in Karan. Sie sagte ich soll zu ihr kommen. Als ich bei meiner Mutter war sagte sie ich kann nicht mehr hierbleiben, sie kontaktierte einen Bekannten, der in Marka wohnt. Ich bin nach Marka gegangen zu dem Bekannten. Ich war nicht alleine, ich, meine Kinder und meine Mutter sind zusammen nach Marka gegangen. Eines Tages, ich war dort eineinhalb Wochen, war ich einkaufen gegangen, als ich zurückkam begann eine Schießerei. Ich war schockiert, alle Leute sind weggelaufen um ihr Leben zu retten. Ich stieg in einen Autobus. Ich habe meine Kinder und meine Mutter verloren. Ich habe meine Telefonnummer gewechselt, weil ich Bedrohungen erhielt. Vor diesem Vorfall hatte meine Mutter mir empfohlen, dass ich kein Telefon mehr verwende. Ich habe meine Familie verloren, ich wusste nicht wo meine Kinder, meine Mutter und mein Mann sind. Ich entschied mich, das Land zu verlassen. Ich bin nach Libyen gegangen. Ich habe gehört, dass meine Mutter verstorben ist und meine kleine Tochter verletzt wurde.

R: Wer hat Ihre Flucht bezahlt?

BF1: Ich habe kein Geld, die Leute haben mir geholfen.

R: Habe ich das richtig verstanden, dass Sie nach dem Einkaufen keinen Kontakt mehr mit irgendjemanden hatten und sofort nach Libyen ausgewandert sind?

BF1: Ich habe schon meine Familie gesucht, aber ich habe sie nicht gefunden.

R: Wer waren die Menschen, die Ihnen geholfen haben?

BF1: Ich habe meine Probleme einer Person erzählt, diese Person hat versucht andere Leute um Hilfe zu bitten.

R: Ist dieses Kind von Ihrem Mann?

BF1: Von meinem Mann.

R: Wann ist Ihr Mann entführt worden?

BF1: Das war im Dezember 2015.

R: Im Akt steht, dass Sie in Libyen vergewaltigt wurden.

BF1: Ja.

BF1: Ich habe viele Probleme, ich weiß nicht, wo meine Kinder gerade aufhältig sind. Ich habe große Sorge um meine Kinder, weil meine Mutter schon verstorben ist. Sie ist am 14.10.2017 gestorben.

R: Wo und wann haben Sie das erste Mal wieder Kontakt zu Ihrer Mutter und Ihren Kindern gehabt?

BF1: Das war Ende März 2017, sie waren in Mogadischu, in Karan. Als ich Somalia verlassen habe wusste ich nicht, wo meine Kinder sind. Ich habe erst im Jahr 2015 erfahren, wo sie sind. Es gibt einen Mann im Flüchtlingsheim, wo ich auch lebe, er hat mir geholfen, dass ich meine Familie wiederfinde. Am Ende März 2017 habe ich mehrmals meine Mutter angerufen, ich habe nach meinen Kindern gefragt, aber sie hat meinen Kindern nicht das Telefon gegeben. Ich weiß nicht warum. Danach habe ich den Kontakt wieder verloren. Ich habe mehrmals versucht, sie über Telefon zu erreichen, aber es hat nicht funktioniert. Nach einiger Zeit habe ich einen Anruf bekommen von meiner Schwester und sie hat mich informiert, dass meine Mutter schon verstorben ist. Sie starb bei einem Bombenanschlag. Jetzt weiß ich nicht, wo meine Kinder sind. Ich habe oft versucht, dass ich meine Kinder wiederfinde. Ich habe andere Leute angerufen, dass sie mir helfen. Diese sind nach Karan gegangen, wo meine Mutter gelebt hat, aber sie haben niemanden gefunden. Ich vermute, dass meine Kinder verstreut sind. Ich habe gehört, dass mein vierjähriges Mädchen vergewaltigt wurde.

Die Verhandlung wird um 10:49 Uhr unterbrochen.

Die Verhandlung wird um 10:55 Uhr fortgesetzt.

BF1: Ich habe gehört, dass meine vierjährige Tochter vergewaltigt wurde, aber ich weiß es nicht genau, ob es stimmt. Es gibt einen Mann, der im Flüchtlingsheim lebt, wo ich auch lebe. Ich habe ihm meine Probleme erzählt und er hat mir geholfen, er hat mir das erzählt. Bist jetzt weiß ich nicht, wo meine Kinder sind. Ich habe von meinem Mann nichts gehört, auch nichts von meinen Geschwistern. Ich habe drei Geschwister, zwei Schwestern und einen Bruder. Es sind meine Halbgeschwister. Von ihnen weiß ich auch nichts. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Kinder in Mogadischu sind. Ich glaube, dass sie nicht dort sind.

R: Wieso nehmen die Kinder nicht mit Ihnen Kontakt auf?

BF1: Das weiß ich nicht. Seit der Flucht habe ich nicht mit meinen Kindern gesprochen. Zur Aussage im Protokoll beim BFA AS 111 "Wann hatten Sie zuletzt mit jemanden aus Ihrem Herkunftsland Kontakt? Gestern haben wir das letzte Mal miteinander telefoniert" gibt die BF an: Ich habe nur gesagt, dass ich öfters telefoniert habe.

RV: Wo ist die Familie von Ihrem Mann?

BF1: Er war ein Einzelkind, seine Eltern sind gestorben. Ich habe in Somalia niemanden mehr.

R: Wenn Sie nach Somalia zurückfahren müssten, wovor hätten Sie Angst?

BF1: Ich habe große Angst von Al Shabaab. Ich habe dort niemanden.

RV: Die BF1 gehört einer Minderheitsgruppe Shekhal an. Trotz einer Verbindung zum Hauptclan Hawiye bekommt sie keine Hilfe von dem Clan Abgal in Mogadischu.

Sie ist eine alleinstehende Frau und eine Rückkehr hat sie keine inländische Fluchtalternative ohne männliche Begleitung. In Mogadischu muss sie sich in ein IDP Camp anmelden. Solche Camps sind gefährlich für junge Frauen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin Integrationsunterlagen wie Empfehlungsschreiben und Unterstützungserklärungen vor:

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Somalia, Zugehörige des Sheikhal-Clans und bekennen sich zum muslimischen Glauben. Sie stammen aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu, Bezirk Shibis, wo die Erstbeschwerdeführerin geboren und aufgewachsen ist. Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin sind verstorben und ihre Kinder sowie ihr Ehemann verschollen. In Somalia hat die Erstbeschwerdeführerin im Teehaus der Mutter gearbeitet. Die Erstbeschwerdeführerin reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben der Erstbeschwerdeführerin zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin einer asylrelevanten Gefährdung, die von Gruppierung Al Shabaab ausgeht, ausgesetzt ist.

Festgestellt wird, dass die Erstbeschwerdeführerin Somalia wegen der dort herrschenden allgemeinen Situation und wegen der angespannten Sicherheitslage verlassen hat. Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer jemals persönlich von Angehörigen von Al-Shabaab bedroht wurden.

Nicht festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe und/oder Clans bzw. seiner Glaubensrichtung oder aus sonst in der Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wären. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens, noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer, die aus Shibis stammen, die Erstbeschwerdeführerin ist dort aufgewachsen und hat nahezu bis zu ihrer Ausreise dort gelebt, aufgrund der prekären Lage in Somalia in Verbindung mit der allgemeinen problematischen Sicherheits- und Versorgungslage im gesamten Staatsgebiet sowie aufgrund des Umstandes, dass den Beschwerdeführern bei einer Rückkehr nach Somalia die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht bzw. sie eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes treffen würde.

Die Erstbeschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten und hat an Deutschkursen teilgenommen.

Zur verfahrensrelevanten Situation in Somalia:

Update zur Dürre-Situation:

Nachdem über zwei Jahre beide Regenzeiten (Deyr und Gu) ausgeblieben sind, hat sich in Somalia eine humanitäre Katastrophe entwickelt. Das System von Subsistenz-Landwirtschaften in den Flussgebieten von Shabelle und Juba ist teilweise zusammengebrochen; die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich verdoppelt; und Millionen Stück Vieh sind verendet (ICG 9.5.2017). Die Behörden Somalilands sprechen von 80% Verlusten beim Viehbestand (BBC 11.5.2017; vgl. TG 24.5.2017), andere Schätzungen sprechen von 50%. Der Außenminister Somalilands gibt an: "Es gab hier schon immer Dürreperioden, aber nur alle zehn Jahre. Jetzt haben wir sie schon alle zwei Jahre. Und die Dürre in diesem Jahr ist die schlimmste Dürre, die wir in Ostafrika jemals hatten." (TG 24.5.2017)

In vielen Städten Süd-/Zentralsomalias sind Nahrungsmittel für IDPs und sehr arme Bevölkerungsteile kaum mehr leistbar (ICG 9.5.2017). Die Dürresituation hält vor allem im Südwesten Somalias weiter an, dort bleibt die Angst vor einer Hungersnot bestehen. In den nördlichen und zentralen Teilen des Landes hat der teils durchschnittliche, teils überdurchschnittliche Regen im Jahr 2017 zur verbesserten Weide- und Wasserlage beigetragen (UNFPA 14.6.2017)

Dafür ist eine massive Hilfsoperation angelaufen, an der zahlreiche ausländische und lokale NGOs beteiligt sind (ICG 9.5.2017). Dank der großzügigen Ressourcen, die von Gebern zur Verfügung gestellt worden sind, konnten nationale und internationale NGOs sowie UN-Agenturen ihre humanitäre Unterstützung in ganz Somalia massiv nach oben fahren. Dabei wird mit den Behörden zusammengearbeitet. In Mogadischu, Baidoa und Garoowe wurden Koordinierungszentren eingerichtet (UNSC 9.5.2017). Koordinierung und Management der Operationen sind angesichts der Fehler in der Vergangenheit (2011) stark verbessert worden (ICG 9.5.2017). Die internationale Unterstützung erfolgte relativ rasch, die Anstrengungen sind besser koordiniert. Auch auf nationaler Ebene wurde reagiert und geholfen. Die Regierung hat Anstrengungen unternommen, selbst Studenten wurden ermutigt, jeweils 10 USD zu spenden. Firmen und Wirtschaftstreibende haben signifikant zu den Hilfskampagnen beigetragen (ICG 9.5.2017).

Die Zahl der Menschen, die durch die Operationen zur Verbesserung des Zugangs zu Nahrungsmitteln erreicht werden, hat sich von 1,1 Millionen im Februar 2017 auf 1,7 Millionen erhöht. Alleine im März konnten 332.000 Kinder von Ernährungsleistungen profitieren. Darunter waren 69.000 schwer unterernährte Kinder unter 5 Jahren. Auch die Versorgung mit sicherem Trinkwasser wurde hochgefahren. Dabei wurden zwischen Jänner und März 2017 knapp 1.150.000 Menschen erreicht. Allein im Februar hat sich die Zahl der Erreichten verdoppelt (UNSC 9.5.2017).

Rund 50% der gewährleisteten Hilfe wurde in Geld geleistet. Damit werden Märkte stabilisiert, wurde das schnelle Hochfahren der Unterstützung gewährleistet, wurden Menschen auch in entlegenen Gebieten erreicht und wurde das Risiko der Plünderung von humanitären Hilfsgütern minimiert (UNSC 9.5.2017). Außerdem ist diese Form der Hilfeleistung billiger. Gelder werden über Mobilfunksysteme ausbezahlt (ICG 9.5.2017).

Trotz aller Bemühungen wurden die gesetzten Ziele aber nicht erreicht, die humanitäre Lage verschlechtert sich weiter. Das Risiko einer Hungersnot besteht weiterhin. 6,2 Millionen Menschen sind akut von Nahrungsmittelknappheit betroffen, 3 Millionen brauchen lebenserhaltende Unterstützung (UNSC 9.5.2017). Seit November 2016 verließen über 740.000 Menschen aufgrund der Dürre ihre Heimatgebiete, darunter 480.000 unter 18jährige (UNHCR 31.5.2017). Aus manchen Regionen wurden Hungertote gemeldet - etwa aus Bay (BBC 4.3.2017).

Einige Schwierigkeiten, die schon im Jahr 2011 vorherrschten, bestehen auch weiterhin. Unsicherheit und mangelnder Zugang zu Hilfsgütern sind problematisch (ICG 9.5.2017). Vor allem in Süd-/Zentralsomalia hindert die schlechte Sicherheitslage Menschen manchmal am Zugang zu humanitärer Hilfe (UNSC 9.5.2017). Dabei ist Süd-/Zentralsomalia wieder das Epizentrum der humanitären Krise. Diese wird dort durch lokale Clan-Konflikte und al Shabaab noch verschärft (ICG 9.5.2017).

Dahingegen waren zwar auch Teile ("pockets") von Somaliland und Puntland schwer von der Dürre betroffen. Dort ist die Situation aber bei weitem weniger schlecht als im Süden (ICG 9.5.2017).

Überhaupt variiert die Abdeckung mit internationaler humanitärer Unterstützung regional. Die meisten Gebiete in Somaliland und Puntland sind besser abgedeckt, die Möglichkeiten in Süd-/Zentralsomalia mehr eingeschränkt (ICG 9.5.2017).

Quellen:

* BBC (11.5.2017): How do you solve a problem like Somalia? http://www.bbc.com/news/world-africa-39855735, Zugriff 27.6.2017;

* BBC (4.3.2017): Somalia drought - More than 100 die from hunger in one region, http://www.bbc.com/news/world-africa-39166746, Zugriff 27.6.2017;

* ICG - International Crisis Group (): Instruments of Pain (III) - Conflict and Famine in Somalia, https://www.crisisgroup.org/africa/horn-africa/somalia/b125-instruments-pain-iii-conflict-and-famine-somalia, Zugriff 27.6.2017;

* The Guardian (24.5.2017): Somaliland's hunger crisis: 'The world doesn't respond until children are dying', https://www.theguardian.com/global-development/2017/may /24/somaliland-hunger-crisis-world-doesnt-respond-until-children-are-dying-foreign-minister-saad-ali-shire, Zugriff 27.6.2017;

* UNFPA - UN Population Fund (14.6.2017): UNFPA Situation Report 26th May to 16th June 2017,

http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Somalia%20SitRep% 20%23011%2026th%20May%20-%2016th%20June%202017.pdf, Zugriff 27.6.2017;

* UNHCR (31.5.2017): PRMN Drought Displacements, http://reliefweb.int/sites /reliefweb.int/files/resources/57361.pdf, Zugriff 27.6.2017 und

* UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1712363.pdf, Zugriff 27.6.2017

Farmaajo neuer Präsident:

Der frühere Regierungschef Mohamed Abdullahi Mohamed Farmaajo hat die Präsidentenwahl in Somalia gewonnen. Im zweiten Durchgang der Wahl am Mittwoch ließ der 54-jährige somalisch-amerikanische Doppelstaatsbürger Farmaajo den bisherigen Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud hinter sich (NZZ 8.2.2017). Tausende Menschen feierten am Mittwochabend (8.2.2017) den Sieg von Farmaajo auf den Straßen von Mogadischu. Es gab Hupkonzerte, und Menschen umarmten Soldaten (FR 10.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017). Auch in anderen somalischen Städten sowie in Kenia - in Garissa und Eastleigh - kam es zu spontanen Freudenfeiern, die als Ausdruck aufrichtiger Unterstützung für den neuen Präsidenten durch die Bevölkerung gewertet werden können (VOA 9.2.2017).

Die Wahl von Mohamed Farmaajo kam überraschend, galt doch der Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud als Favorit (FR 10.2.2017). Letzterer hat jedenfalls seine Niederlage eingestanden (NZZ 8.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017), und er forderte alle Somalis dazu auf, den neuen Präsidenten zu unterstützen. Farmaajo wurde unmittelbar angelobt (VOA 9.2.2017).

Die Durchführung einer allgemeinen und freien Wahl war in Somalia zwar nicht möglich gewesen; doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Die Medien konnten hinsichtlich der Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - ein gutes Zeichen (DW 10.2.2017).

2010/2011 war Farmaajo acht Monate lang Premierminister von Somalia gewesen. Damals hatte er sich einen Namen als Anti-Korruptionskämpfer erworben (FR 10.2.2017; vgl. VOA 9.2.2017). Seine Entlassung durch den damaligen Präsidenten Ahmed Sheikh Sharif führte zu heftigen Protesten der Bevölkerung (FR 10.2.2017).

Quellen:

* DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 13.2.2017;

* FR - Frankfurter Rundschau (10.2.2017): Hoffnung für Somalia, http://www.fr-online.de/politik/wahl-hoffnung-fuer-somalia,1472596,35147632.html, Zugriff 13.2.2017;

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.2.2017): Präsidentenwahl zwischen Sandsäcken und Ruinen,

https://www.nzz.ch/international/nahost-und-afrika/mohamud-in-somalia-abgewaehlt-praesidentenwahl-zwischen-sandsaecken-und-ruinen-ld.144287, Zugriff 13.2.2017 und

* VOA - Voice of America (9.2.2017): Somalis Optimistic About New President,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html, Zugriff 13.2.2017

Politische Lage:

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren - mit der Ausnahme von al Shabaab - akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vgl. AA 1.12.2015).

Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).

Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vgl. AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).

Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).

Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).

[...]

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;

* AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local _link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016;

* AP - Associated Press (23.12.2015): Somalia no longer a failed state, just a fragile one, says UN. The Guardian, http://www.theguardian.com/world/2015/dec/23/somalia-no-longer-a-failed-state-just-a-fragile-one-says-un, Zugriff 20.4.2016;

* BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI _2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016;

* EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016;

* HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016;

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016;

* UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016;

* UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016;

* UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016 und

* USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport /index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

Sicherheitslage in Süd- bzw. Zentralsomalia

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vgl. UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vgl. BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kampfhandlungen gegen al Shabaab gibt es aus dem ganzen Land auch Berichte über Inter- und Intra-Clankonflikte um Land und Wasserressourcen (EASO 2.2016).

AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 10.2015). Bei gemeinsamen Offensiven mit der somalischen Armee wurde al Shabaab aus Städten in Hiiraan, Bay, Bakool, Gedo und Lower Shabelle vertrieben (AI 24.2.2016). Bei den beiden jüngeren Offensiven (Operation Indian Ocean, Operation Jubba Corridor) trafen AMISOM und Regierungskräfte aufgrund taktischer Rückzüge der al Shabaab nur auf wenig Widerstand. Eingenommen wurde die letzte Bastion der al Shabaab in der Region Gedo - Baardheere - und Diinsoor in der Region Bay. Der al Shabaab wurde zwar die Kontrolle über diese Städte entzogen, doch ist sie ansonsten nicht relevant geschwächt worden. Dahingegen kann AMISOM aufgrund einer Überdehnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr in jeder Stadt und in jedem Dorf eine Präsenz aufrecht halten (EASO 2.2016). Auch die Haupttransportrouten werden von al Shabaab kontrolliert (HRW 27.1.2016).

In der Folge kam es zu schweren Angriffen der al Shabaab auf Janaale (am 1.9.2015) (UNSC 8.1.2016) und Leego (am 26.6.2015) mit insgesamt rund 100 Toten Soldaten der AMISOM und zahlreichen Vermissten (BFA 10.2015; vgl. UNSC 8.1.2016, EASO 2.2016). Als Reaktion auf diese Angriffe begann AMISOM mit einer Umgruppierung, wobei einige Städte und Ortschaften geräumt wurden, darunter Kurtunwarey, Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley (Lower Shabelle); Buq-Aqabla und Xarar-Lugoole in Hiiraan; und Fidow an der Grenze zu Middle Shabelle. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch Qoryooley und Wanla Weyne blieben über Tage ohne permanente Truppen der AMISOM (allerdings mit Besatzungen der somalischen Armee). Insgesamt ist einzelnen, exponierten und schwach besetzten Außenposten ein permanenter Status abzusprechen. Spätestens seit dem Angriff der al Shabaab auf den AMISOM-Stützpunkt in Leego werden einzelne Orte zugunsten einer Konzentration von Truppen in größeren Stützpunkten aufgegeben, teilweise wurde der Schutz an die - nur eingeschränkt widerstandsfähige - somalische Armee übertragen (BFA 10.2015).

Es ist nicht möglich, zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der al Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/Zentralsomalia verfügt al Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer (DIS 9.2015). Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als Inseln auf dem Gebiet der al Shabaab umschrieben werden (BFA 10.2015; vgl. DIS 9.2015). Jedenfalls verfügt al Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung asymmetrische Kriegsführung (hit-and-run-Angriffe, Sprengstoffanschläge, gezielte Attentate) anzuwenden. Es gibt in allen Regionen in Süd-/Zentralsomalia Gebiete, wo al Shabaab Präsenz und Einfluss hat, und wo sie die lokale Bevölkerung zu Steuerzahlungen zwingt. Die Bastion der al Shabaab ist dabei die Region Middle Juba (DIS 9.2015).

Die Sicherheitslage in von der Regierung kontrollierten Städten bleibt also volatil (HRW 27.1.2016). Al Shabaab ist nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 24.2.2016). Bei aller Fragilität der Lage hat aber auch UNHCR festgestellt, dass es Zeichen zunehmender Stabilität gibt (UNHRC 28.10.2015). Seitens der Regierung, AMISOM und der internationalen Gemeinde gibt es Anstrengungen, die neu eroberten Bezirke zu stabilisieren. So wurden etwa nach Diinsoor unmittelbar Verwaltungsbeamte entsendet (UNSC 11.9.2015). Dass al Shabaab unter den gegenwärtigen Umständen Städte zurückerobert, in denen starke Garnisonen ("strongholds") der AMISOM stationiert sind, ist sehr unwahrscheinlich (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia;

* AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local _link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016;

* BFA - BFA Staatendokumentation (10.2015): Analyse zu Somalia:

Lagekarten zur Sicherheitslage, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329638_soma-analyse-lagekarten-2015-10-12-endversion.pdf, Zugriff 23.3.2016;

* BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI _2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016;

* EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016;

* HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016;

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016;

* UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016;

* UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016;

* UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016 und

* USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/ index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

(Zwangs-)Rekrutierungen:

[...]

Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia. Die Rekrutierung als solche wird von UNHCR nicht als Fluchtgrund gesehen. Somalische Flüchtlinge - v.a. jene, die das Land nach 2011 verlassen haben - seien nicht vor al Shabaab geflohen sondern vor der Hungersnot (ÖB 10.2015). Es ist zwar weniger wahrscheinlich, aber auch in Städten unter der Kontrolle der Regierung und von AMISOM wird durch al Shabaab rekrutiert (DIS 9.2015).

Die wichtigste Personengruppe für Rekrutierungen ist für al Shabaab jene der 12-16jährigen Buben. Als wichtige Werkzeuge bei der Rekrutierung gelten Propaganda; die Rekrutierung über Clanführer und Koranschulen; Gehirnwäsche und Indoktrinierung; wie Deserteure berichten, stehen letztere zwei Methoden im Vordergrund. Gleichzeitig wird manchmal Zwang angewendet, meist aber erfolgt die Rekrutierung durch Überzeugungsarbeit - und durch die Aussicht auf Sold. Denn al Shabaab ist für junge Männer attraktiv, die keine Bildung haben oder arbeitslos sind. Gleichzeitig ist es für Familien attraktiv, ein bis zwei Angehörige bei al Shabaab unterzubringen, um so Einkommen zu generieren (LI 10.9.2015) bzw. um die Familie abzusichern (DIS 9.2015). Am leichtesten kann al Shabaab folglich in IDP-Lagern rekrutieren (LI 10.9.2015). Al Shabaab rekrutiert normalerweise in Moscheen oder bei religiösen Veranstaltungen (EASO 2.2016; vgl. ÖB 10.2015).

[...]

Quellen:

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016;

* DIS - Danish Immigration Service (9.2015): Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Nairobi, Kenya and Mogadishu, Somalia; 2-12 May 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1443181235_somalia-ffm-report-2015.pdf, Zugriff 4.4.2016;

* LI - Landinfo (10.9.2015): Somalia: Rekruttering til al-Shabaab, http://www.landinfo.no/asset/3221/1/3221_1.pdf, Zugriff 4.4.2016 und

* EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

Minderheiten und Clans:

Bevölkerungsstruktur und Clanschutz:

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 13.4.2016). Die somalische Bevölkerung ist aber nur auf den ersten Blick homogen (EASO 8.2014). In ganz Somalia gibt es eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Sub-Clans und Sub-Sub-Clans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015). Tatsächlich bilden die Clans eine Art Sub-Ethnizität. Die Clans bilden auch die Grundlage der Identität eines Somali, jeder kennt normalerweise seine exakte Position im Clansystem. Dies gilt auch für die urbanisierte Bevölkerung. Wenn Somali ihre Herkunft beschreiben fangen sie meist bei sich selbst an und steigen dann die hierarchischen Ebenen des Systems bis zur Clanfamilie hinauf. Diese Aufzählung wird abtirsiimo oder abtirsiin genannt, und Kinder im Alter von acht oder neun Jahren können diese üblicherweise auswendig (EASO 8.2014). Dabei gelten als Haupt-Clanfamilien die traditionell nomadischen Darod, Dir, Hawiye und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Diese Clanfamilien unterteilen sich weiter in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene der Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe, die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (xeer) Verantwortung übernimmt. Diese Gruppe sorgt aber traditionell auch für die Unterstützung von Angehörigen in schwierigen (finanziellen) Situationen. Nur in Mogadischu ist das System soweit erodiert, dass nicht mehr die mag/diya-Gruppe für Unterstützung sorgt, sondern lediglich die Kernfamilie (EASO 8.2014). Die Clans sind politische Akteure, die normalerweise über eigenes Territorium verfügen. Traditionelle Verträge (xeer) werden meist zwischen Mag/Diya zahlenden Gruppen abgeschlossen. Allerdings ist das Clansystem - wie erwähnt - keine exakte Wissenschaft, Koalitionen und Abgrenzungen - auch geographische - sind nur schwer zu erfassen oder gar nicht genau definiert (EASO 8.2014).

[...]

Daneben finden sich in Somalia einige ethnische Minderheiten und ständische Berufskasten, die insgesamt zwischen 15 und 30 Prozent der Bevölkerung stellen (EASO 8.2014). Minderheitengruppen sind u.a. die Bantu (größte Gruppe), Benadiri, Reer Xamar, Bravanese, Swahili, Tumal, Yibir, Yaxar, Madhiban, Hawrarsame, Muse Dheryo, Faqayaqub und Gabooye (USDOS 13.4.2016). Minderheitenclans oder Berufskasten können mit großen Clans in eine Abhängigkeitsbeziehung (shegaat) treten und werden danach - in externen Belangen - als Teil des großen Clans erachtet. Langfristige Allianzen zwischen kleineren und größeren Clans werden gemäß dem traditionellen Recht (xeer) geschlossen. Beide Konstruktionen beinhalten auch den Schutz des kleineren Partners durch den größeren (EASO 8.2014).

Die größte ethnische Minderheit stellen die Bantu (Jareer). Die Bantu leben traditionell als Bauern in und zwischen den fruchtbaren Flusstälern von Shabelle und Jubba. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli und Gobaweyne sind Namen, die den unterschiedlichen Bantu-Gruppen zugeschrieben werden. Manche der Gosha wurden in den Clan der Digil/Mirifle assimiliert. Viele Bantu sprechen Somali (Maay-tiri), manche - etwa Gosha und Mushunguli - pflegen eigene Bantusprachen (EASO 8.2014). Der Begriff Benadiri umfasst mehrere miteinander nicht verwandte Minderheiten in Küstenstädten wie Merka, Baraawe und Mogadischu. Sie sind ethnisch gemischt und haben neben Somali auch Araber, Inder, Perser oder Portugiesen als Vorfahren. Die großen Untergruppen der Benadiri sind die Reer Xamar, Shangaani, Reer Merka und Barawani. Teile der Barawani erachten sich als Angehörige der Digil/Mirifle Tunni. Die Benadiri sprechen Somali und eigene somalische Dialekte; die Barawani einen Suaheli-Dialekt namens Chimini. Aufgrund ihres Status' als Händler waren die Benadiri vor 1991 privilegiert, danach waren sie schutzlos dem Bürgerkrieg ausgeliefert. Viele flohen nach Kenia (EASO 8.2014).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014). Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Die Berufskasten unterscheiden sich kulturell und linguistisch nicht von den Hauptclans, werden aber aufgrund von z.B. Berufen, die als unislamisch bezeichnet werden, als unrein erachtet. Sie werden unter den Oberbegriffen Waable, Sab, Midgaan oder Madhibaan zusammengefasst. Sie bilden die niedrigste Ebene der somalischen Gesellschaft; ihr Anteil wird auf rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Die Berufskasten sind in unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Namen in ganz Somalia zu finden. Klassische Berufe sind: Friseur, Schmied, Metallverarbeitung, Gerber, Schuster, Töpfer und Tischler; außerdem betätigen sich die Waable in der Jägerei, Viehzucht und Landwirtschaft sowie als Beschneiderinnen und als Hebammen. Im Zuge der Urbanisierung nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Waable in den Städten auch neue Arbeitszweige für sich erschließen (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010). Die wichtigsten Gruppen sind:

* Midgaan (Madhibaan, Gabooye; dieser Name wird tw. auch für alle Waable als Oberbegriff verwendet): Jäger, Gerber, Lederverarbeitung, Schuster und andere Berufe; Verbreitung: ganz Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

* Tumaal: ursprünglich Schmiede, jetzt auch in anderen Berufen zu finden. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

* Yibir: Ihnen werden jüdischer Hintergrund und magische Kräfte nachgesagt. Verbreitung: Nord- und Zentralsomalia sowie Städte im südlichen Somalia (EASO 8.2014; vgl. ÖIF 12.2010)

Kleinere Gruppen der Waable sind die Galgale, Gaheyle, Yahhar, Jaaji, Musa Dheryo, Guuleed Hadde, Hawr Warsame, Habar Yaqub, Madgal und Warabeeye. Auch die Boni und Eyle werden manchmal den Waable zugerechnet. Einige der Berufskasten haben ein ähnliches Clansystem wie die somalischen Hauptclans (EASO 8.2014).

Clanschutz bedeutet die Androhung von Gewalt im Falle einer Aggression gegen ein Mitglied durch einen Außenstehenden. Die Möglichkeit, diese Drohung aufrecht zu erhalten ist genauso essentiell wie die Möglichkeit, einem Racheakt durch gemeinschaftliche Zahlung von Kompensation (mag/diya) zu entgehen. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Dementsprechend wenden sich viele Menschen bei Gewaltverbrechen eher an den Clan als an die Polizei. Der Clanschutz kommt aber auf einer sehr niedrigen Ebene der Clan-Hierarchie zur Anwendung. Es reicht also z.B. in Mogadischu nicht, den Hawiye anzugehören, um Clanschutz zu erhalten. Die Zugehörigkeit zu einem dominanten Sub(sub)clan der Hawiye in Mogadischu ist relevanter (EASO 8.2014). Inwiefern Clanschutz heu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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