TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/18 W119 1316256-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2018
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Entscheidungsdatum

18.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W119 1316256-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. China, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2018, Zl. 770233207-170876043, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, sowie §§ 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 und 46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatangehöriger, reiste am 01.03.2007, unter Umgehung der Grenzkontrolle, illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 05.03.2007 in der Erstaufnahmestelle Ost einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zur Reiseroute befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei am 20.11.2006 von seiner Heimatstadt Wuhan nach Peking und von dort schlepperunterstützt per Bahn nach Moskau gereist. Von Moskau sei der Beschwerdeführer auf dem Landweg auf der Ladefläche von mehreren Lkw über ihm unbekannte Länder nach Österreich gereist.

Zu den Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung auf der Polizeiinspektion Traiskirchen, EAST-Ost, am 05.03.2007 Folgendes an: "In unserem Dorf sollten mehrere Besitzer von Grundstücken und Häusern wegen eines Bauprojektes enteignet werden. Darunter auch meines. Ich besaß 6 Mu Land (1 Mu = 666 m2). Die uns angebotene Entschädigung war uns jedoch zu gering. Wir setzten uns zur Wehr und attackierten den Projektbetreiber, wobei dieser verletzt wurde. Danach musste ich vor der Polizei fliehen."

Bei der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, EAST-Ost, am 12.03.2007 gab dieser an, dass er für seine Schleppung 80.000.- RMB bezahlt habe; 45.000.- RMB habe er selbst gehabt und 35.000.- RMB habe er sich von verschiedenen Freunden ausgeborgt. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er im Jänner 2006 von der Gemeinderegierung hätte enteignet werden sollen, wenngleich die Enteignung von einem privaten Spekulanten betrieben worden sei. Es sei irgendein reicher Chinese aus einer anderen Gegend gewesen. Dieser hätte zuvor der Regierung den Boden um 150.000.- RMB/Mu abgekauft, er selbst sei nur bereit gewesen 30.000.- RMB/Mu Entschädigung zu bezahlen. Sämtliche Bewohner des Dorfes wären betroffen gewesen und hätten 50.000.- RMB/Mu gefordert. Es wären einige Vertreter, darunter auch der Beschwerdeführer, gewählt worden, die mit der Gemeinderegierung verhandelt hätten. Nach erfolglosen Verhandlungen sei die Frist am 20.10.2006 abgelaufen und der Spekulant habe dann Bagger und Abrissmaschinen auf die Grundstücke geschickt, da dort ein großes Bauprojekt gestartet hätte werden sollen. Von den Dorfbewohnern sei bemerkt worden, dass auch der Bauspekulant mit einem luxuriösen Auto vorgefahren sei. Sie seien auf ihn zugegangen, um ihn aufzufordern, die Baumaschinen wieder abzuziehen. Der Spekulant habe die Anliegen der Dorfbewohner ignoriert und sie an die Gemeindeverwaltung verwiesen. Der Spekulant habe gesagt, dass er ein lichtscheues Gesindel auf sie hetzten werde, wenn sie die Grundstücke nicht freigeben würden. Das habe die Dorfbewohner derart zornig gemacht, dass sie gegen den Spekulanten handgreiflich geworden seien. Er habe schwere Verletzungen erlitten und später habe die lokale Sicherheitsbehörde nach den Rädelsführern, zu denen auch der Beschwerdeführer gehöre, gefahndet. Das sei für den Beschwerdeführer Grund genug gewesen, die Flucht zu ergreifen. Auf Nachfragen gab der Beschwerdeführer an, dass 3 oder 4 Dorfbewohner auf den Spekulanten eingeschlagen hätten, der Beschwerdeführer selbst sei nicht dabei gewesen. Der Spekulant sei an der Schulter und am Bein verletzt worden. Im Heimatdorf gäbe es ca. 40 Familien, die die Gemeindeverwaltung aus dem Weg haben wolle. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, warum die Zwangsräumung nicht von der Polizei vorgenommen worden sei, entgegnete er, dass die Polizei dafür nicht da sei und der Spekulant selber für die Räumung habe sorgen müssen. Der Beschwerdeführer schränkte diese Aussage jedoch ein, dass die Polizei nicht eingeschritten sei, weil es noch nicht der letzte Tag der Frist gewesen sei. Der Spekulant habe nicht bis zum Ende der Frist zugewartet, weil der Großteil der Dorfbewohner zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben hätte und nur mehr ganz wenige Verweigerer anwesend gewesen seien. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass es in der VR China keinen Privatbesitz an Grund und Boden gäbe und dass der vom Beschwerdeführer behauptete Verkauf so nicht stattgefunden haben könne, entgegnete dieser, dass der Staat dann den Grund eben nicht verkauft, sondern nur langfristig verpachtet habe. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass in diesem Falle die Pacht von 150.000.- RMB/Mu geradezu astronomisch erscheine, konnte der Beschwerdeführer nicht Stellung nehmen. Der Beschwerdeführer habe das relativ großzügige Angebot für Grund und Haus von insgesamt 210.000 RMB (ca 22.000 Euro) ausgeschlagen, da es ihm zu wenig gewesen wäre. Der Beschwerdeführer gab noch zu bedenken, dass er nicht mehr der Jüngste sei und wenn man in seinem Alter noch eine Frau finden wolle, müsse man dieser schon mehr bieten. Obwohl der Beschwerdeführer den Spekulanten gar nicht angerührt und somit auch nicht verletzt habe, wolle ihn die Regierung einsperren, weil er einer der Wortführer gewesen sei. Ihm werde vorgeworfen, als Unruhestifter mitverantwortlich für die Verletzungen des Spekulanten zu sein und ihn eine mindestens 5-jährige Strafe erwarten würde. Eine Übersiedlung in einen anderen Teil des Landes wäre nicht möglich, da die Polizei mittels Fotos nach ihm fahnde und er überall erkannt werden könne.

Bei einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt/Außenstelle Wien, am 25.10.2007 gab der Beschwerdeführer an, dass er für seine Ausreise 80.000.- RMB bezahlt habe; 30.000.- RMB seien aus eigenen Ersparnissen und den Rest (50.000.- RMB) habe er sich von verschiedenen Freunden ausgeborgt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab dieser an, dass im Jänner 2006 in seinem Dorf, mit ca 50 Familien, ein Bauprojekt geplant wäre, bei dem Wohnhäuser errichtet würden. Der Dorfvorsteher, namens XXXX, habe vom Staat 150.000.- RMB/Mu bekommen und hätte den Dorfbewohnern nur 30.000.- RMB/Mu als Entschädigung bezahlen wollen. Der Dorfvorsteher habe ihnen eine Frist von Jänner bis Ende Oktober 2006 für die Umsiedelung eingeräumt. Mitte Oktober 2006 sei der Dorfvorsteher mit anderen Personen mit einem Bagger gekommen und sie hätten die Häuser niederreißen wollen. Da der Beschwerdeführer und andere Bewohner dies verhindern hätte wollen, wären sie miteinander in Streitigkeiten geraten, wobei es zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre. In der Folge habe der Beschwerdeführer den Dorfvorsteher verletzt, indem er ihm mit einem Gerät zum Erde auflockern auf den Kopf geschlagen habe, sodass dieser sofort sehr stark geblutet habe. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer davongelaufen und habe sich bis zur Ausreise im November 2006 bei verschiedenen Freunden in der Stadt XXXX versteckt. Der Beschwerdeführer werde von der Polizei mittels Haftbefehl gesucht, da er als Rädelsführer den Abriss der Häuser verhindern hätte wollen. Im Falle einer Rückkehr nach China befürchte er eine Haftstrafe.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 15.11.2007 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.03.2007 gem. § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Volksrepublik China gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht zuerkannt (Spruchpunkt II). Weiters wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Volksrepublik China gem. §10 Abs. 1 Z 2 AsylG ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Die Abweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei und er daher die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht erfülle. Der Beschwerdeführer habe die Geschichte rund um die Enteignung widersprüchlich geschildert und sein Vorbringen weise zu viele Ungereimtheiten auf. Außerdem sei er im Falle der Ausweisung keiner Gefahr einer Verletzung nach Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt. Ebenso wenig würde er als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes fürchten müssen. Das Bestehen einer Gefährdungssituation sei bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint worden. Aus der allgemeinen Lage in China - das Bundesasylamt verwies diesbezüglich auf die im Bescheid angeführten und mit Quellenverweisen versehenen Feststellungen zur allgemeinen Situation in der Volksrepublik China sei keinesfalls abzuleiten, dass jedermann im Falle der Abschiebung einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen werde. Eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzung würde nach den getroffenen Feststellungen in China nicht bestehen.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. 12. 2007, Zl 316.256-1/2E-XVI/48/07, wurde die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG abgewiesen. Begründend wurde zu Spruchpunkt I ausgeführt, dass unter dem Gesichtspunkt der vom Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid bereits aufgezeigten und nachvollziehbar dargestellten Widersprüche des Fluchtvorbringens, auf die vom Unabhängigen Bundesasylsenat verwiesen werde und die zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides gemacht werden können, festzustellen sei, dass die Aussagen des Beschwerdeführers weder kohärent noch plausibel seien. Der Beschwerdeführer habe zweifelsohne widersprüchliche Angaben bezüglich seiner persönlichen Daten (Vermögenswerte) getätigt. Auch in Bezug auf seine Fluchtgründe habe er vorerst angegeben, dass sämtliche Grundstücke der Dorfbewohner zwangsenteignet werden hätten sollen, wobei alle 50 Familien des Dorfes betroffen gewesen wären. Die Enteignung wäre von einem Spekulanten, "irgendeinem stinkreichen Chinesen aus einer anderen Gegend", betrieben worden, welcher vom Staat eine Entschädigungszahlung in der Höhe von 150.000.- RMB pro Mu erhalten habe. Der Beschwerdeführer sowie sämtliche Dorfbewohner seien mit der angebotenen Entschädigungssumme seitens des Bauspekulanten in der Höhe von 30.000.- RMB pro Mu nicht einverstanden gewesen. In der Folge sei es zu Auseinandersetzungen und Handgreiflichkeiten mit dem Spekulanten gekommen, wobei dieser von 3 oder 4 Dorfbewohnern tätlich angegriffen und an der Schulter und am Bein schwer verletzt worden sei. Der Beschwerdeführer sei an der tätlichen Auseinandersetzung selbst nicht beteiligt gewesen, jedoch wäre seitens der lokalen Sicherheitsbehörde nach ihm als einer der Rädelsführer gefahndet worden, weshalb er sich zur Ausreise aus China entschlossen habe. Völlig widersprüchlich gab der Beschwerdeführer in der Niederschrift vom 25.10.2007 vor dem Bundesasylamt an, dass in dem Dorf 40 Familien von der Enteignung betroffen wären. Weiters sei die Enteignung vom Dorfvorsteher und seinem Stellvertreter betrieben worden, wobei der Dorfvorsteher von der Regierung eine Entschädigungszahlung von 150.000.- RMB pro Mu erhalten habe. Hinsichtlich der tätlichen Auseinandersetzungen gab der Beschwerdeführer nun an, dass er selbst den Dorfvorsteher mit einem landwirtschaftlichen Gerät schwer am Kopf verletzt habe und anschließend vor der Polizei geflüchtet sei. Unterlagen oder sonstige Beweise für die Aussagen des Beschwerdeführers würden nicht vorliegen. Der Beschwerdeführer habe es auch verabsäumt, den Antrag auf internationalen Schutz sofort nach seiner Ankunft in Österreich zu stellen. Erst am 5. Tag nach seiner Ankunft in Österreich habe er sich zum Bundesasylamt begeben und dort den Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Im Spruchpunkt II wurde dargelegt, dass das Fluchtvorbringen bereits als nicht glaubhaft qualifiziert worden sei. Somit sei es nicht geeignet, einen Anhaltpunkt für das Vorliegen einer derartigen realen Gefahr zu bieten. Das Bundesasylamt habe aber auch zutreffend unter Verweis auf die herangezogenen und mit Quellenverweisen versehenen Berichte über die allgemeine Lage in der Volksrepublik China keine Anhaltspunkte für das Bestehen einer derartigen realen Gefahr für den Beschwerdeführer vorgefunden.

Zu Spruchpunkt III hat das bisherige Verfahren keine familiäre Bindung im Sinne dieser Rechtsprechung zu einer hier in Österreich lebenden und zum dauernden Aufenthalt berechtigten Person aufgezeigt noch wurde eine solche vom Beschwerdeführer behauptet. Ein Eingriff in das nach Art 8 Absatz 1 EMRK grundrechtlich geschützte Familienleben des Beschwerdeführers liege so hin nicht vor, weshalb es mangels relevanten Eingriffes einer weiteren von Bundesasylamt rechtsrichtig nicht vorgenommenen Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht bedürft habe.

Im Falle des nach eigenen Angaben am 01.03.2007 illegal nach Österreich eingereisten und asylbehördlich einvernommenen Beschwerdeführers habe das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben bzw. seien solche von diesem auch nicht behauptet worden.

Am 25.07.2017 wurde der Beschwerdeführer von Organen der LPD im Zuge einer Lokalkontrolle betreten, gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und der Behörde vorgeführt, wo er am selben Tag einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.07.2017 gab der Beschwerdeführer an, den zweiten Antrag gestellt zu haben, weil er in Österreich leben und arbeiten wolle. Es gebe keine Änderung seines Fluchtgrundes. Im Fall der Rückkehr befürchte er eine Gefängnisstrafe von 5 bis 10 Jahren, weil er in einen Konflikt im Zusammenhang mit der Enteignung seines Grundstückes verwickelt gewesen sei, wobei er jemanden verletzt habe.

Im Rahmen der Einvernahme am 29.01.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, Buddhist zu sein. Er bestreite seinen Lebensunterhalt durch eine Tätigkeit in einem Chinarestaurant. Er habe keine familienähnliche Beziehung in Österreich. Kenntnisse der deutschen Sprache besitze er nicht, er habe sich aber nach einem kostenlosen Deutschkurs und einen Aufenthaltstitel erkundigt. Er sei bereits seit 10 Jahren hier und wolle in Österreich bleiben.

Im Zuge seiner weiteren Einvernahme am 26.07.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, gesund zu sein. Er habe nach fünf Jahren Grundschule ohne Berufsausbildung als Landwirt gearbeitet. Er sei ledig und habe keine Kinder, seine Eltern seien bereits verstorben, Geschwister habe er eben so wenig. In Österreich bestreite er seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsjobs als Reinigungskraft bei Landsleuten. Er halte sich seit Ende Februar 2007 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Er sei nie kontrolliert worden. Nun sei er von der Polizei festgenommen worden und habe diesen Antrag gestellt, um aus der Haft entlassen zu werden. Er wolle einen Aufenthaltstitel erhalten und hier legal arbeiten dürfen. Im Fall der Rückkehr hätte er in China nichts mehr, weder ein Haus noch eine Arbeit. Er habe kein Familienleben in Österreich, alle seine Freunde und Bekannten seien Chinesen. In der Freizeit sei er oft im Tempel und bete. Er spreche Chinesisch und würde gerne Deutsch lernen. Kurse oder sonstige Ausbildungen habe er nicht absolviert. Er sei weder in einem Verein noch in einer Organisation tätig. Als Integrationsmaßnahme brachte er vor, älteren Frauen über die Straße und jungen Müttern in öffentlichen Verkehrsmitteln beim Einsteigen mit ihren Kinderwägen zu helfen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.07.2018, Zl 770233207-170876043, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 idgF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt V.), wobei gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Darin wurde im Wesentlichen festgestellt, dass der Beschwerdeführer keine neuen Gründe für den Asylantrag geltend gemacht habe, sondern hierbleiben und arbeiten wolle. Er sei gesund und es hätten sich keine maßgeblichen Änderungen ergeben. Zu Spruchpunkt I. wurde ausgeführt, dass es sich um eine entschiedene Sache nach § 68 Abs. 1 AVG handle, weil er bei seinen Einvernahmen beim Bundesamt keine neuen asylrelevanten Fluchtgründe angegeben habe und seit der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Antrag keine neuen Tatsachen entstanden seien, welche für die Erteilung von internationalem Schutz oder subsidiärem Schutz sprechen würden. Da sich weder in der maßgeblichen Sachlage noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung ergeben, stehe die Rechtskraft der Entscheidung vom 19. 12. 2007 über den ersten Antrag einer neuerlichen Entscheidung entgegen. Ferner hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde, ergeben (Spruchpunkt II.) Der Beschwerdeführer halte sich nach Abschluss seines Asylverfahrens seit Dezember 2007 illegal im Bundesgebiet auf und prolongiere seinen Aufenthalt durch das Stellen von unbegründeten Asylanträgen. Er sei bisher in Österreich strafrechtlich nicht angefallen und sei auch kein Opfer von Gewalt geworden, weshalb ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht zu erteilen gewesen sei (zu Spruchpunkt III.). Mangels Familienangehörigen oder beruflicher bzw. sozialer Verankerung im Bundesgebiet und wegen seiner Missachtung der österreichischen Rechtsordnung durch seine illegale Einreise und einer unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit sowie dem Fehlen von Integrationsmaßnahmen und dem beharrlichen illegalen Verbleib als Fremder im Bundesgebiet erscheine eine Rückkehrentscheidung nach § 9 BVA-VG zulässig (Spruchpunkt IV) Diese sei gemäß § 46 FPG zulässig (Spruchpunkt V.).

Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung vom 26.07.2018 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren amtswegig zur Seite gestellt.

Dagegen erhob der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Beschwerde, welche sich gegen die Spruchpunkte I., II., IV. und V., nicht jedoch gegen Spruchpunkt III und VI. des Bescheides, richtete. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit spätestens 05.03.2007 in Österreich aufhalte und er aus denselben Gründen wie bei seiner ersten Antragstellung einen Folgeantrag gestellt habe. Die chinesischen Behörden seien nicht gewillt bzw. imstande dem Beschwerdeführer den notwendigen Schutz zu bieten. Er arbeite in Österreich und verrichte Gelegenheitsjobs, sei hilfsbereit und versuche Deutsch zu lernen; sein Privatleben in Österreich sei zweifelsohne schützenswert. Er habe bereits 11 Jahre im Gastland verbracht und sei strafrechtlich unbescholten. Seine sozialen Bindungen würden jene in seinem Herkunftsland überwiegen, wo er keinerlei soziale Kontakte habe. Dem Beschwerdeführer stehe jedenfalls ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu. Beantragt wurde ua. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist chinesischer Staatsangehöriger und reiste illegal nach Österreich ein, wo er sich hier seit über 11 Jahren aufhält. Er hat nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens verfügt.

Er stellte am 05.03.2007 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er wegen Übergriffen auf den Projektbetreiber im Zuge einer Grundstücksenteignung zugunsten eines Bauprojektes vor der Polizei habe flüchten müssen.

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde letztlich durch Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.12.2007, Zl. 316.256-1/2E-XVI/48/97, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Begründend wurde von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers ausgegangen.

Am 26.07.2017 stellte der Beschwerdeführer anlässlich seiner Festnahme im Zuge einer Lokalkontrolle und Vorführung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, in Österreich leben und arbeiten zu wollen. Eine Änderung seines Fluchtgrundes brachte er nicht vor.

Der arbeitsfähige Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos, im Herkunftsland hat er nach dem Tod seiner Eltern keine Verwandten mehr. Er hat im Herkunftsland seine gesamte Schulbildung absolviert, beherrscht die Landessprache und war - ohne eine Berufsausbildung erhalten zu haben - als Landwirt tätig. In Österreich besitzt er keine Familienangehörigen, jedoch einen Bekanntenkreis, der sich aus chinesischen Staatsbürgern zusammensetzt. Er besucht ab und zu einen Tempel, ist aber kein Mitglied von Organisationen oder Vereinen. Der Beschwerdeführer ist trotz seiner Ausweisung in die VR China im Bundesgebiet geblieben, wo er bislang keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht, sondern seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsjobs in chinesischen Restaurants bestreitet. Er konnte kein Deutsch-Sprachdiplom vorlegen bzw. einen erfolgreich absolvierten Deutschkurs nachweisen und verfügt auch über keine nennenswerten Deutschkenntnisse. Er versucht sich durch persönliche Hilfestellungen für hilfsbedürftige Personen im öffentlichen Verkehr zu integrieren. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass seit dem Abschluss seines ersten Asylverfahrens Umstände eingetreten sind, wonach dem Beschwerdeführer allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in China aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr nach China die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Der Beschwerdeführer leidet an keinen seither aufgetretenen akut lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheiten und befindet sich aktuell auch in keiner medizinischen Behandlung.

In der Beschwerde wurde kein neuer Sachverhalt dargetan.

Zur Situation im Herkunftsland wird festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage.

Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018).

Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018).

International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018).

Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018).

Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018).

Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018).

Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).

Quellen:

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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018

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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018

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DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018

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DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,

http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018

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DZ - Die Zeit (29.1.2018):China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018

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NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018

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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018

2. Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).

Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

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AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,

http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 2.8.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook

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China,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 2.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 28.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 2.8.2017

3. Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Der Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016).

Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016). Der Schutz jugendlicher Straftäter wurde erhöht (ÖB 11.2014).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr über an (AI 22.2.2017). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 15.12.2016).

Auch 2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017).

Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Menschenrechtsaktivisten vermehrt auf Basis der Strafrechtstatbestände der Unruhestiftung oder des Separatismus verurteilt und somit in Strafhaft gesperrt, wobei aufgrund der vagen Tatbestände ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht kreiert werden kann (ÖB 11.2016). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Untergrabung der Staatsmacht", "Anstiftung zum Separatismus" "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", sowie "Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht. Petenten aus den verschiedenen Provinzen werden häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in ihre Heimatregionen zurückgebracht. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das 4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber noch aussteht. Diese Reformen werden von Beobachtern dafür kritisiert, dass sie die Effektivität der Bearbeitung der Petitionen kaum steigern, sondern vor allem dazu dienen, Petitionäre von den Straßen Pekings fernzuhalten (AA 15.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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