TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 W264 2203280-1

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Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §10 Abs1
VOG §6a

Spruch

W264 2203280-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara JANTSCHER, Ringstraße 13/I, 8330 Feldbach, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Steiermark vom 27.7.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 4.6.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), eingelangt am 4.6.2018, eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach den Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes (VOG).

Antragsbegründend wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer am 6.3.2015 in XXXX von XXXX eine schwere Körperverletzung zugefügt worden sei, indem XXXX dem Beschwerdeführer den rechten Arm verdreht habe und somit eine Totalruptur der SSP-Sehne in der rechten Schulter des Beschwerdeführers verursacht habe. Verwiesen wurde im Antrag auf das Urteil des OLG Graz sowie auf im Antrag näher bezeichnete stationäre Aufenthalte und ambulante Behandlungen des Beschwerdeführers.

1.2. Mit Schriftsatz der Rechtsvertreterin vom 1.6.2018 beantragte der Beschwerdeführer "Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach den Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes und zwar in maximal möglicher Höhe". Beigelegt wurden in der Anlage des Schriftsatzes:

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Ambulanzkarte XXXX XXXX 9.3.2015 bis 24.7.2015

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Arztbrief XXXX vom vierte 20.4.2015 betreffend Operation

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Nachbehandlungsschema

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Arztbrief Rehaklinik XXXX vom 9.7.2015I

In diesem Schriftsatz wurde über das zu Geschäftszahl XXXX vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz geführte Strafverfahren berichtet, welchem sich der Beschwerdeführer als Privatbeteiligter angeschlossen habe, sowie auf das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21.4.2017, Zahl: XXXX , mit welchem der Berufung des XXXX wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe nicht Folge gegeben wurde und das dem privatbeteiligten Beschwerdeführer zuerkannte Teilschmerzengeld auf Euro 8.000,-- herabgesetzt wurde. Dieses Urteil ist dem Schriftsatz vom 1.6.2018 als Anlage angeschlossen.

1.3. Mit Erledigung vom 15.6.2018 wurde dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde im Wege seiner Rechtsvertreterin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die beantragte pauschale Entschädigung für Schmerzengeld gemäß § 1 Abs 1, § 2 Z 10, § 6a iVm § 10 Abs 1 VOG mittels Bescheid abzuweisen. Mitgeteilt wurde darin auch, dass der Antrag auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld aufgrund der Straftat vom 6.3.2015 am 4.6.2018, somit nach Ablauf der Zweijahresfrist, eingebracht wurde und daher die Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs 1 VOG nicht erfüllt seien. Es wurde darin dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, innerhalb von vier Wochen zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen und für den Fall, dass keine Einwendungen einlangen, das Ermittlungsergebnis der Entscheidung zugrunde gelegt werde.

1.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem VOG abgewiesen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass gemäß § 10 Abs 1 Leistungen nach § 2 leg.cit. nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs 1 VOG) gestellt werde. Da die Tathandlungen des XXXX am 6.3.2015 gegen den Beschwerdeführer gesetzt wurden, der Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld am 4.6.2018 bei der belangten Behörde einlangte, sei somit die zweijährige Antragsfrist für die Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach § 10 Abs 1 VOG versäumt und werde der Antrag des Beschwerdeführers auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld abgewiesen.

1.5. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertreterin vom 25.7.2018, bei der belangten Behörde am 30.7.2018 eingelangt, gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu der Erledigung vom 15.6.2018 ab (Datum des Poststempels des RECO-Kuverts: 25.7.2018).

Damit nimmt der Beschwerdeführer Stellung im Rahmen des Parteigehörs und verweist darauf, dass die rechtskräftige Verurteilung erst mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21.4.2017 erfolgt sei. Es könne nicht im Sinne des Gesetzgebers gelegen sein und wäre auch nicht sachgerecht, sohin verfassungswidrig, Ansprüche deswegen zu verwehren, wenn nach langer Verfahrensdauer nicht feststeht, ob überhaupt die Anspruchsvoraussetzung gemäß

§ 1 VOG vorliegen. Die Bestimmung des § 10 VOG sei verfassungsgemäß auszulegen. Der 1. HS laute, dass Leistungen nach § 2 nur von dem Monat an erbracht werden dürften, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Voraussetzung für eine Leistung nach § 2 sei gemäß § 1 das zu Grunde liegen einer entsprechenden gerichtlich strafbaren Handlung. Dass eine solche vorlag, stand aber erst durch das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21.4.2017 fest, zu welchem Zeitpunkt bereits zwei Jahre seit der Verletzung verstrichen waren, so die Stellungnahme. Bei Betrachtung der historischen Entwicklung der Regelungen in § 10 ergebe sich, dass die Antragsfrist nicht einen gänzlichen Ausschluss oder Verfall von Ansprüchen bewirken sollte, sondern die fristgerechte Antragstellung für die rückwirkende Geltendmachung für Ansprüche nach § 2 Z 1, 7 und 9 erforderlich wäre und nach Ablauf dieser Frist diese Ansprüche nunmehr ab dem auf dem Antrag folgenden Monats zu erbringen wären. Der Anspruch auf Schmerzengeld gemäß § 2 Z 10 VOG und § 6a VOG sei erst mit BGBl 10/2009 - wohl ein Schreibfehler, gemeint BGBl. I Nr. 40/2009 -, sowie mit Wirkung ab 1.6.2009, eingeführt worden und sei demnach bei Einführung der Entschädigung für Schmerzengeld ausdrücklich keine diesbezügliche Antragsfrist vorgesehen. Es könne nur ein Redaktionsversehen sein, dass bei Veränderung des § 10 mit BGBl 58/2013 (mit welchem die Antragsfrist einheitlich mit zwei Jahren geregelt wurden) nun plötzlich im letzten Satz des § 10 Abs 1 nunmehr Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs 5 als keiner Frist unterliegend angeführt seien und damit der Schmerzengeldanspruch aus der Unbefristung herausgefallen wäre. Schmerzengeld sei zivilrechtlich ein Schadenersatzanspruch, für welchen eine dreijährige Verjährungsfrist gelten würde, jedoch gelte diese dreijährige Verjährungsfrist nicht, wenn der Schaden durch eine vorsätzliche gerichtlich strafbare Handlung entstanden sei, so § 1489 ABGB. In der Stellungnahme wird auch festgehalten, dass dem Beschwerdeführer vom Strafgericht mit dem Privatbeteiligten-Zuspruchsurteil der Schmerzengeldbetrag von Euro 8.000,-- zugesprochen worden sei. Es sei nicht sachgerecht und daher verfassungswidrig, dem Opfer eine Entschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz zu nehmen, welcher Anspruch gerichtlich erst in 30 Jahren verjähren würde, weshalb mit Einführung des Entschädigungsanspruches für Schmerzengeld mit "BGBl 10/2009" die diesbezügliche Antragstellung ausdrücklich unbefristet gewesen sei und es für den Entscheider und Befristung in der derzeitigen Fassung des § 10 keine sachlichen Gründe gäbe und dies auch nicht vom Gesetzgeber erklärt und nicht gewollt gewesen sein könne. Der gestellte Antrag bleibe daher aufrecht.

1.6. Diese Stellungnahme wurde im Rahmen der "Beschwerdevorlage" dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt und langte mit dem bezughabenden Fremdakt am 10.8.2018 beim BVwG ein.

1.7. Mit Mängelbehebungsauftrag vom 29.8.2018 wurde der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertreterin aufgefordert, sich binnen Beschwerdefrist zu äußern bzw. allenfalls einen Beschwerdeschriftsatz einzubringen.

1.8. Mit Schriftsatz vom 12.9.2018 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt und der gegenständliche Bescheid wegen Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens vollinhaltlich bekämpft und darin wie in der Stellungnahme vom 25.7.2018 zu den Beschwerdegründen näher ausgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 1.6.2018, beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, am 4.6.2018 eingelangt, eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach den Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes (VOG).

1.2. Am 6.3.2015 wurde der Beschwerdeführer von XXXX am Körper misshandelt und wurde ihm dadurch fahrlässig eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit sowie eine an sich schwere Körperverletzung zugefügt.

Der Täter wurde hinsichtlich den Beschwerdeführer wegen schwerer Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und für schuldig erkannt, dem Beschwerdeführer als Privatbeteiligten Euro 8.000,-- an Schmerzengeld zu bezahlen.

2. Beweiswürdigung:

Die unter II.1.1. getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Antrages auf eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem VOG ergeben sich aus dem unbedenklichen unbestritten Inhalt des vorgelegten Fremdaktes.

Die unter II.1.2. getroffenen Feststellungen zu den strafbaren Handlungen, zu dem Tatzeitpunkt sowie zu der Verurteilung des Täters ergeben sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21.4.2017, Zahl: XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen formellen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991).

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art 130 Abs 4 B-VG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Abs 1 Z 1 dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Aus Art 130 Abs 4, 2. Satz B-VG ergibt sich die Pflicht des Verwaltungsgerichts, in der Sache selbst zu entscheiden, unter anderem dann, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Die mit den Vorgaben des Art 130 Abs 4 B-VG korrespondierende einfachgesetzliche Verfahrensbestimmung ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in § 28 VwGVG zu finden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Ad Spruchpunkt A) Entscheidung in der Sache:

Das Bundesgesetz Verbrechensopfergesetz (VOG) normiert in § 9d Abs 1 VOG, dass das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört, entscheidet. Somit liegt gegenständlich Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 17 VwGVG normiert, dass - soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden sind, welche die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die maßgeblichen materiellen Rechtsgrundlagen sind jene des Verbrechensopfergesetzes (VOG).

Gemäß § 1 VOG sind die in § 3 VOG vorgesehenen Hilfeleistungen zu erbringen, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung mit sich brachte (Abs 1). Wenn die Handlung iSd Abs 1 den Tod eines Menschen zur Folge hatte, dann ist den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, Hilfe zu leisten, wenn sie österreichische Staatsbürger sind und ihnen durch den Tod der Unterhalt entgangen ist

(Abs 4). Hilfe ist ferner den nicht in den Abs 1 und Abs 6 genannten Personen zu leisten, wenn die Handlung nach Abs 1 nach dem 30.6.2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben.

§ 1 Abs 3 VOG sieht vor, dass wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit, Hilfe nur zu leisten ist, wenn dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder durch die Handlung nach Abs 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird.

Die nach dem VOG vorgesehenen Hilfeleistungen werden in §§ 2 ff leg.cit. normiert und sieht dessen Z 10 die Hilfeleistung in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld vor. Die nähere Ausgestaltung dieser Hilfeleistung wird im § 6a Abs 1 VOG normiert:

"Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert".

Beginn und Ende der Hilfeleistungen, Rückersatz und Ruhen anbelangend normiert § 10 Abs 1 VOG wie folgt: "Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf der Frist gestellt, so sind Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs 5 unterliegen keiner Frist".

Gemäß § 16 Abs 13 VOG ist § 6a leg.cit. samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 mit 1. April 2013 in Kraft getreten. § 6a leg.cit. in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs 1 anzuwenden, welche ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden. § 10 Abs 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist hinsichtlich § 2 Z 1, 7 und 9 auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden, und hinsichtlich § 2 Z 10 mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Anträge auf Grund der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt der Fristenlauf mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beginnt.

Der Beschwerdeführer hat Hilfeleistungen in Form einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 2 Z 10 VOG begehrt und langte dieser Antrag bei der belangten Behörde am 4.6.2018 ein. Anspruchsbegründend führte der Beschwerdeführer den Tatzeitpunkt 6.3.2015 an, welche auch im Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Zeitpunkt der Tat genannt ist.

Dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21.4.2017 zufolge wurden die strafbaren Handlungen zum Nachteil des Beschwerdeführers von XXXX am 6.3.2015 verübt.

Zwischen der strafbaren Handlung des XXXX zum Nachteil des Beschwerdeführers am 6.3.2015 und dem Zeitpunkt der Antragstellung (bei der belangten Behörde am 4.6.2018 eingelangt), liegen mehr als zwei Jahre, sodass der Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach Ablauf der im § 10 Abs 1 VOG normierten zweijährigen Antragsfrist bei der belangten Behörde einlangte und somit verfristet war.

Gemäß § 10 Abs 1 VOG idF BGBl. I 58/2013 sind Anträge auf Leistungen nach § 2 VOG binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung zu stellen und dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Bei der Pauschalentschädigung für Schmerzengeld (§ 6a VOG) handelt es sich um eine einmalige Leistung, weshalb die Meinung des Beschwerdeführers, es handle sich um ein Redaktionsversehen, wenn § 6a nicht als Ausnahme von der Zweijahresfrist geregelt wurde, nicht geteilt wird. Die Bestimmung des § 10 VOG ist aus Sicht des BVwG klar und lässt weder Auslegungsspielraum, noch besteht ein begründeter Anlass für die Annahme eines Redaktionsversehens. Die Intention des Gesetzgebers bei Normierung der Zweijahresfrist mit dem BGBl. 58/2013 lag in der Vereinheitlichung der Antragsfristen mit der einzigen Ausnahme der psychotherapeutischen Krankenbehandlungen, für welche keine Befristung gilt (siehe Erl. RV 2137 XXIV. GP, 3).

Zu dem Thema der Rechtzeitigkeit des Einlangens der Stellungnahme mit Schriftsatz vom 25.7.2018 ist auszuführen, dass hier das Postlaufprivileg zum Tragen kommt: Dieser Schriftsatz wurde laut unbedenklichem Poststempel des RECO-Kuverts (Zahl: RQ 417753589 AT) als Einschreiben am 25.7.2018 zur Post gegeben, sodass eine fristgerechte Postaufgabe vorliegt, da die Sendung an die zuständige Stelle adressiert war und am letzten Tag der Frist einem Zustelldienst zur Übermittlung übergeben wurde. Auf der im Fremdakt verbliebenen Ausfertigung des Parteiengehörs vom 15.6.2018 ist handschriftlich angemerkt, dass die Abfertigung am 27.6.2018 erfolgte und wird handschriftlich festgehalten: "Frist 25.7.2018". Insofern ist diese Stellungnahme daher rechtzeitig eingebracht.

Im Übrigen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann. Diese Rechtsprechung wird auf das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen - eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen

(§ 24 Abs 1 VwGVG). Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs 2 VwGVG).

Nach § 24 Abs 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art 6 MRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18.7.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs 1 VwGVG besagt, dass das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn das Verwaltungsgericht eine solche für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (VwGH 18.10.2016, 2015/03/0029 mwH). Im gegenständlichen Fall war für die Entscheidung maßgebend, die Rechtzeitigkeit der Antragstellung zu beurteilen. Der Beschwerdeführer hat hierzu bereits im Antrag alle erforderlichen Angaben gemacht und wurden diese durch Einsichtnahme in das Urteil des Oberlandesgerichts Graz bestätigt, sodass Aktenlage für die Entscheidung ausreichte und es zur Klärung der Rechtssache nicht einer mündlichen Erörterung bedurfte.

Expressis verbis des § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Verhandlung durchzuführen, wenn eine solche beantragt wird. Sowohl im Beschwerdeschriftsatz als auch in der Beschwerdevorlage wurde die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt und normiert § 24 Abs 4 VwGVG, dass die Verhandlung entfallen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389 entgegenstehen

(§ 24 Abs 4 VwGVG). Der Verfassungsgerichtshof hat jüngst judiziert, dass der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kein absoluter ist (siehe dazu VfGH 9.6.2017, 1162/2017): "Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und - ihm folgend - des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg. 18.994/2010, 19.632/2012). Angesichts der vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen ist es vertretbar, wenn es im Einklang mit dieser Rechtsprechung von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen hat."

Es muss einem Senat des Bundesverwaltungsgerichts zugebilligt werden, dass sich dieser darüber ein Urteil zu bilden vermag, ob die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Im vorliegenden Fall wurde durch Ermessen des erkennenden Gerichts die Durchführung einer - ohnedies nicht beantragten - Verhandlung nicht als erforderlich erachtet, zumal die Akten erkennen ließen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ist. Daher wurde die Beschwerdesache in einer nichtöffentlichen Sitzung erledigt.

Im gegenständlichen Verfahren konnte daher die mündliche Verhandlung unterbleiben, da eine solche weder beantragt wurde, noch es einer solchen bedurfte, um die gegenständliche Rechtssache zu klären.

Ad Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Es fehlt zwar an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs 1 VOG, jedoch trifft das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung. Es liegt daher keine Rechtsfrage vor, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Antragsfristen, Fristablauf, Schmerzengeld

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W264.2203280.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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