TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 W251 2152955-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2152955-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017, Zl. 1102274509-160079766, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 14.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 15.01.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er von den Taliban als Kämpfer eingezogen werden sollte. Für den Fall der Weigerung sei er von den Taliban bedroht worden, deshalb habe er Afghanistan verlassen.

3. Am 13.10.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass zwei Parlamentsvertreter Krieg gegeneinander geführt hätten. Bei einem Gefecht sei ein Unterstützer eines Parlamentsvertreters getötet worden. Ein Mann der Gruppe des anderen Parlamentsvertreters sei zum Beschwerdeführer gekommen und habe ihm 300.000 Afghani geboten, wenn er den Mord des Mannes gegenüber der Polizei gestanden hätte. Der Beschwerdeführer habe dies jedoch abgelehnt. Der Mann teilte dem Beschwerdeführer mit, dass sie ihn dennoch der Polizei als Täter nennen würden. Am nächsten Tag habe bereits die Polizei mit einem Haftbefehl nach ihm gesucht. Er sei deshalb zu einem Freund nach Mazar-e Sharif geflüchtet und habe schließlich Afghanistan verlassen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungs-würdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der sich am Arbeitsmarkt in Afghanistan integrieren könnte und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass das Verfahren beim Bundesamt nicht den Anforderungen des amtswegigen Ermittlungsverfahrens gemäß § 18 Abs. 1 AsylG genügt habe. So habe es das Bundesamt gänzlich unterlassen Länderberichte zum konkreten Vorbringen des Beschwerde-führers einzuholen. Es habe sich auch nur unzureichend mit der Sicherheitslage in Afghanistan auseinandergesetzt. Dem Beschwerdeführer drohe in Afghanistan staatliche Verfolgung. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer nie in Kabul gelebt und könne nicht mit Unterstützung seiner Familie rechnen.

6. Mit Urkundenvorlage vom 25.01.2018 und 15.03.2018 legte der Beschwerdeführer Unterlagen betreffend seine Integration in Österreich vor.

7. Mit Stellungnahme vom 16.08.2018 zitierte der Beschwerdeführer Länderberichte zur Sicherheitslage in Afghanistan und der Situation von Rückkehrern und setzte sich mit dem Gutachten von Mag. Mahringer auseinander.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.08.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX alias XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache sowie etwas die Sprache Paschtu (AS 10, 60 f; Protokoll vom 30.08.2018 = OZ 10, S. 6).

Der Beschwerdeführer ist traditionell verheiratet und hat vier Kinder (drei Söhne, eine Tochter) (AS 10, 62; OZ 10, S. 11).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kapisa, im Distrikt XXXX , geboren. Er ist im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Kapisa aufgewachsen. Er hat zwölf Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer besitzt Grundstücke, die er bewirtschaftet hat. Er hat aus den Erträgen der Landwirtschaft seinen Lebensunterhalt sowie den seiner Familie bestritten. Der Beschwerdeführer hat davor ein Jahr lang als Verwalter gearbeitet (AS 61; OZ 10, S. 11). Er hat bis zu seiner Ausreise mit seiner Mutter, einem seiner Brüder, seiner Ehefrau und seinen vier Kindern in seinem Heimatdorf in einem Haus gelebt (AS 61, 63; OZ 10, S. 11 f). Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben (AS 62; OZ 10, 13).

Der Beschwerdeführer bzw. seine Familie verfügt noch über ein Haus und Grundstücke in seinem Heimatdorf, die nach wie vor vom Bruder des Beschwerdeführers bewirtschaftet werden (AS 66).

Der Beschwerdeführer verfügt über seine Mutter, einen seiner Brüder, seine Ehefrau sowie seine Kinder in seinem Heimatdorf in Afghanistan. Er hat regelmäßig Kontakt zu ihnen (OZ 10, S. 13). Die Kernfamilie des Beschwerdeführers wird von seinem Bruder in Afghanistan versorgt. Die gesamte noch im Heimatdorf lebende Familie des Beschwerdeführers wird von seinen außerhalb Afghanistans lebenden Brüdern finanziell unterstützt (OZ 10, S. 14).

Der Beschwerdeführer verfügt über zwei Brüder in England, einen Bruder in den Niederlanden und einen Bruder in Amerika sowie über eine Schwester in Neuseeland und eine Schwester in Österreich (AS 62; OZ 10, S. 13).

Der Beschwerdeführer hat zumindest grundlegende Ortskenntnisse betreffend Kabul, Herat und Mazar-e Sharif (OZ 10, S. 14).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest 14.01.2016 durchgehend in Österreich auf (AS 10 ff).

Der Beschwerdeführer hat bereits Deutschkurse besucht (Beilage ./C bis ./F) und die ÖSD Deutschprüfung für die Stufe A1 bestanden (Beilage zu OZ 6). Er verfügt jedoch kaum über Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen (Beilage ./B). Er hat von 15.01.2018 bis 20.02.2018 ein Praktikum im Bereich Logistik in einem Lager absolviert (Beilage zu OZ 6).

Der Beschwerdeführer geht keiner regelmäßigen Beschäftigung nach, er lebt von der Grundversorgung. Er hat lediglich zu seinem Praktikumsgeber und seinen Lehrerinnen freundschaftliche Kontakte knüpfen können.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine volljährige Schwester in Österreich zu der er in keinem Abhängigkeitsverhältnis steht.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan weder von einem Bodyguard noch von einem Mitglied der Parlamentsvertretung noch von anderen Personen aufgefordert für 300.000 Afghani den Mord an einem Mann auf sich zunehme. Der Beschwerdeführer wurde nicht für den Tod eines Mitglieds eines Parlamentsvertreters verantwortlich gemacht. Es wurde gegen den Beschwerdeführer kein Haftbefehl ausgestellt, der Beschwerdeführer wird in Afghanistan weder von der Regierung noch von der Polizei noch von anderen Personen gesucht.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer weder eine Verhaftung noch Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität seitens der Regierungskräfte (Parlamentsvertreter, Polizei, etc.) oder durch andere Personen.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hatte in Afghanistan noch nie Kontakt zu den Taliban (OZ 10, S. 18). Er wurde von den Taliban konkret und individuell weder mit der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht noch wurde er zum Beitritt oder zur Zusammenarbeit aufgefordert.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.

Junge Erwachsene bzw. wehrfähige Männer sind allein aus diesem Umstand in Afghanistan keiner Verfolgung aufgrund von drohender Zwangsrekrutierung ausgesetzt.

1.2.3. Der Beschwerdeführer wuchs als Angehöriger der muslimischen Religion sunnitischer Ausrichtung auf. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vom Islam abgefallen ist bzw. religionsfeindlich oder gar spezifisch gegen den Islam auftritt. Der Beschwerdeführer interessiert sich zwar seit ca. Anfang des Jahres 2017 für den christlichen Glauben und besucht sonntags regelmäßig den Gottesdienst. Er ist bisher jedoch nicht zum Christentum konvertiert. Der Beschwerdeführer ist nicht getauft.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der christliche Glaube wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden ist. Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde, noch, dass er sein derzeitiges Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nach außen zur Schau tragen würde.

Die Familie des Beschwerdeführers hat keine Kenntnis vom Interesse des Beschwerdeführers am Christentum. Es kann nicht festgestellt werden, dass die afghanischen Behörden oder das persönliche Umfeld des Beschwerdeführers von seinem in Österreich an den Tag gelegten Interesse am Christentum bei einer Rückkehr nach Afghanistan Kenntnis erlangen würden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines Interesses für den christlichen Glauben psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

1.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder der Zugehörigkeit der Gruppe der aus dem Westen Zurückgekehrten oder weil er Verwandte in Europa hat einer psychischen oder physischen Gewalt ausgesetzt ist.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Provinz Kapisa ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer kann (anfänglich) von seiner in Österreich lebenden Schwester sowie seinen außerhalb Afghanistans lebenden Brüdern finanziell unterstützt werden und kann dann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Er hat keine Sorgepflichten.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018

- LIB 29.06.2018, S. 20).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 29.06.2018, S. 20).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 29.06.2018, S. 24).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 29.06.2018, S. 32).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 29.06.2018, S. 25).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 29.06.2018, S. 25).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB 29.06.2018, S. 25).

Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 29.06.2018, S. 26 ff, 30).

Taliban:

Die Taliban konzentrierten sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" nicht. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 ist auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (LIB 29.06.2018, S. 34).

Die Veränderungen des Konfliktschemas wirken sich auf die Rekrutierungsstrategien der Taliban aus. Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht, Personal mit militärischem Hintergrund oder militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Da das Personal der afghanischen Streitkräfte über diese Fähigkeiten verfügt, versuchen die Taliban diese auf ihre Seite zu ziehen. Aufgrund der Schwerpunktlegung auf militärisches Wissen ist auch das Durchschnittsalter der Rekruten gestiegen (Beilage./III, S. 8).

Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden (Beilage./III, S. 12-13). Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage./III, S. 18). Taliban haben keine Schwierigkeiten beim Zugang zu neuen Rekruten (Beilage./III, S. 8).

Die Taliban nehmen heute vermehrt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gemeinschaften Rücksicht. Die Organisation der Taliban betreibt Zwangsrekrutierung nicht systematisch und Personen, die sich gegen eine Mobilisierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Reaktionen angedroht. Zudem steht eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in sehr beschränkten Ausmaß und in Ausnahmefällen zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, da die Taliban ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten haben. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage./III, S. 19).

Junge Erwachsene bzw. wehrfähige Männer sind allein aus diesem Umstand in Afghanistan keiner Verfolgung aufgrund von drohender Zwangsrekrutierung ausgesetzt.

Kapisa

Kapisa zählt zu den zentralen Provinzen Afghanistans. Die Provinz grenzt im Norden an Panjshir, im Westen an Parwan, im Süden an Kabul und im Osten an Laghman. Im Nordosten der Provinz befinden sich die Vorhügel des Hindukusch-Gebirges und breit bewaldete Gegenden, während der Südwesten felsiger und flacher ist. Die Provinz besteht aus sieben Distrikten und der Provinzhauptstadt Mahmud-i-Raqi/Mahmud-e-Raqi. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 455.574 geschätzt. In der Provinz leben Tadschiken, Ghilzai, Safi, Paschai und Nuristani.

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage in Kapisa

Kapisa war eine der relativ friedlichen Provinzen in Nordostafghanistan, jedoch hat sich die Sicherheitslage in einigen abgelegenen Gebieten der Provinz in den letzten Jahren verschlechtert. Im Rahmen eines von Taliban geführten Aufstandes in Schlüsselprovinzen im Norden und Süden des Landes, versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen die Provinz Kapisa zu destabilisieren. Talibanaufständische sind in abgelegenen und unruhigen Distrikten der Provinz aktiv; ihre Aktivitäten sind:

gezielte Tötungen, Straßenbomben und koordinierte Angriffe auf Sicherheitskräfte, Regierungsbeamte und deren private Anlagen.

Speziell im Winter haben Sicherheitskräfte mit Unterstützung durch die Luftwaffe begonnen Nachtrazzien in unsicheren Gegenden von Kapisa durchzuführen.

In der Provinz Kapisa arbeiten auch Frauen für die afghanischen Sicherheitskräfte.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Kapisa 101 zivile Opfer (34 getötete Zivilisten und 67 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 19% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In Kapisa leben Binnenflüchtlinge, die aus dem Distrikt Tagab aus Sicherheitsgründen flüchten mussten. Mitte März 2018 wurde von ca.

1.300 Personen berichtet, die aus verschiedenen Teilen des Landes (Kapisa, Laghman, Nuristan und Parwan) aufgrund anhaltenden gewaltsamen Konflikts in die Distrikte Mahmud-e-Raqi, Hisa-e-Awal-e-Kohestan und Hisa-e-Duwum-e-Kohestan der Provinz Kapisa geflüchtet sind.

Militärische Operationen in Kapisa

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien; dabei wurden unter anderem Anhänger der Taliban und des IS getötet und manchmal ihre Anführer.

Luftangriffe wurden durchgeführt; dabei wurden Taliban-Kommandanten getötet. Es kommt zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Kapisa

Talibanaufständische sind in abgelegenen und unruhigen Distrikten der Provinz aktiv.

Regierungsfeindliche Gruppierungen - zu denen Taliban und IS zählen - sind in folgenden Distrikten aktiv: Tagab, Alasay und Najrab. In Tagab haben die Taliban 2016 ein Fernsehverbot ausgesprochen und 2017 Frauen aus dem Distrikt-Bazar verbannt. Afghanische Sicherheitskräfte betonten, dass sie im Distrikt-Bazaar von Tagab vor Ort wären und dass das Frauen-Verbot nicht implementiert werden würde bzw. weiterhin zurückgewiesen bleibe.

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kapisa keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle registriert.

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt (LIB 29.06.2018, S. 46).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (LIB 29.06.2018, S. 46).

Kabul ist durch einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB 29.06.2018, S. 47, 221 f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (LIB 29.06.2018, S. 47).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 29.06.2018, S. 48).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungs-institutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (LIB 29.06.2018, S. 49).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 29.06.2018, S. 49).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (LIB 29.06.2018, S. 49).

Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Sie liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (LIB 29.06.2018, S. 65, 222).

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat 15 administrative Einheiten. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden.

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 29.06.2018, S. 65).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North), sowie auch das Camp Shaheen (LIB 29.06.2018, S. 66).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 29.06.2018, S. 67).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (LIB 29.06.2018, S. 67).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (LIB 29.06.2018, S. 67).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 29.06.2018, S. 67).

Herat

Herat-Stadt ist die Provinzhauptstadt der Provinz Herat, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von

506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (LIB 29.06.2018, S. 101, 222 f).

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 29.06.2018, S. 101).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (LIB 29.06.2018, S. 101).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 29.06.2018, S. 102).

Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 29.06.2018, S. 103).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 29.06.2018, S. 103).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 29.06.2018, S. 104).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Dem Iran wird nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 29.06.2018, S. 104).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 29.06.2018, S. 104).

Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84,7-89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus (LIB 29.06.2018, S. 264).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam (LIB 29.06.2018, S. 264; Beilage ./VI).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (LIB 29.06.2018, S. 266).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion. Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (LIB 29.06.2018, S. 265).

Apostaten, Konvertiten

Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie (LIB 29.06.2018, S. 264). Das Strafgesetzbuch ermöglicht den Gerichten jedoch Fälle, die weder im Strafgesetz noch in der Verfassung explizit erfasst sind, darunter Blasphemie, Apostasie und Konversion, gemäß dem Scharia-Recht der Hanafi-Rechtsschule und den sogenannten "hudud"-Gesetzen, die Vergehen gegen Gott umfassen würden, zu entscheiden (Beilage ./VI). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen um sienen Konfessionswechsel zu widerrufen. Für Männer gilt Enthauptung als angemessene Strafe, für Frauen lebenslange Haft. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (LIB 29.06.2018, S. 264).

Die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, ist eine andere als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen ist mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen sind (Beilage ./VI).

Für gebürtige Muslime ist ein Leben, ohne den Islam zu praktizieren oder sogar dann, wenn sie "Apostaten" bzw. "Konvertiten" sind, in der afghanischen Gesellschaft möglich. Solche Personen sind in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren. Gefährlich wird es dann, wenn öffentlich bekannt werde, dass ein Muslim aufgehört habe, an die Prinzipien des Islam zu glauben (Beilage ./VI). Eine Person wird nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt. Auch für strenggläubige Muslime kann es legitime Gründe geben religiösen Zeremonien fernzubleiben. Personen im städtischen Raum ist es möglich, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten. Es gibt auch Unterschiede je nach ethnischer und religiöser Gruppe. So haben Schiiten mehr Freiheit zu entscheiden, zu welchem Mullah sie gehen möchten und damit auch in Bezug auf die Frage, ob sie in die Moschee gehen wollen und gegebenenfalls in welche Moschee. Bei Sunniten werde in stärkerem Ausmaß erwartet, dass sie zumindest eines der fünf Gebete am Tag in einer Moschee verrichten (Beilage ./VI).

Sofern sich Personen, die vom Islam abgefallen sind nicht auf Diskussionen einlassen, die den/ihren Glauben betreffen, welche zu sozialen Unruhen führen, werden staatliche Behörden keine Maßnahmen gegen sie setzen. Sollten sie aber soziale Probleme hervorrufen, indem sie sich auf Diskussionen einlassen, um ihren Abfall vom Glauben zu unterstützen, so werden die staatlichen Behörden ihnen das nicht erlauben und sie belangen (Beilage ./V, S. 4).

Abtrünnige haben weiterhin Zugang zu staatlichen Leistungen, denn es existiert kein Gesetz oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken (Beilage ./V, S. 5).

Wenn Konvertiten/Atheisten jedoch ihren Glauben veröffentlichen, wird der Staat aktiv, um Chaos und Unruhe zu vermeiden (Beilage ./V, S. 6). Im afghanischen Strafgesetzbuch existiert keine Definition von Apostasie (LIB 29.06.2018, S. 264).

Christen und Konversion zum Christentum

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist offen feindlich. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. Die Taliban haben ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien. Nichtmuslimische religiöse Gemeinschaften sind weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung, Schikanierung und mitunter auch Gewalt betroffen (Beilage ./VI).

Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen. Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (LIB 29.06.2018, S. 269). Die religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Beschränkungen, denen Christen in Afghanistan unterworfen sind, gestalten sich nicht anders als für andere Gruppen mit Meinungen, Weltansichten, politischen Überzeugungen und Glaubensvorstellungen, die als Abfall vom Islam wahrgenommen werden könnten. Ebenso wie Personen mit säkularen Ansichten, Atheisten und nichtgläubige Afghanen müssten auch Christen ständige Selbstzensur üben und könnten sich wegen drohender Angriffe nicht zu ihrem Verhältnis zum bzw. ihrer Sicht auf den Islam äußern (Beilage ./VI).

Christliche Konvertiten werden vom Staat und von Behörden ganz normal wie andere Menschen behandelt. In den meisten Fällen versuchen die Behörden sie gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potentielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (Beilage ./V, S. 5).

Gemäß dem Gesetz haben alle Afghanen - gleich welchen Glaubens - dieselben Bürgerrechte und genießen alle Leistungen, die von staatlichen Behörden angeboten werden; keine staatliche Agentur oder Behörde fragt nach dem Glauben, bevor sie eine öffentliche Leistung anbietet. Damit werden alle Leistungen gleich sowohl an muslimische und als auch nicht muslimischen Afghanen angeboten (Beilage ./V, S. 4).

Medizinische Versorgung

Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (LIB 29.06.2018, S. 319).

Wirtschaft:

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 29.06.2018, S. 311).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 29.06.2018, S. 312).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 29.06.2018, S. 324 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 29.06.2018, S. 326 f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 29.06.2018, S. 327 f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 29.06.2018, S. 328).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 29.06.2018, S. 329 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 29.06.2018, S. 330).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 29.06.2018, S. 330).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer, auf Grund dieses Merkmals, oder Afghanen die Verwandte in Europa haben, in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./VI (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister, Schengener Informationssystem - Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 - Beilage ./II; Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban in Afghanistan vom 29.06.2017 - Beilage ./III; Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018 - Beilage ./IV; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan vom 12.07.2017 - Beilage ./V; ACCORD Anfragebeantwortung zu Konversion und Christentum in Afghanistan vom 01.06.2017 - Beilage ./VI) und Beilage ./A bis ./F (Bestätigung der evangelikalen Gemeinde Baden vom 29.08.2018 - Beilage ./A;

Bestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 05.06.2018 - Beilage ./B; Kursbesuchsbestätigung Deutsch A2 vom 07.02.2018 - Beilage ./C;

Deutschkursbestätigung A0 vom 24.02.2017 - Beilage ./D;

Deutschkursbestätigung A0 vom 04.05.2017 - Beilage ./E;

Deutschkursbestätigung A1 vom 04.10.2017 - Beilage ./F) sowie in die mit Urkundenvorlage vom 25.01.2018 (OZ 5 - Beilagen: ident mit Beilage ./D bis ./F) und vom 15.03.2018 (OZ 6 - Beilagen: ÖSD Zertifikat A1 bestanden vom 07.02.2018; Praktikumsbescheinigung vom 15.01.2018 bis 20.02.2018) vorgelegten Urkunden sowie in die Stellungnahme vom 16.08.2018 und in die damit vorgelegten Berichte (OZ 9).

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schulbildung und seine Berufserfahrung) sowie zu seinem derzeitigen Familienstand gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Dass der Beschwerdeführer noch über seine Mutter, einen Bruder, seine Ehefrau sowie seine Kinder in seinem Heimatdorf verfügt und regelmäßig Kontakt zu ihnen hat, ergibt sich aus seiner diesbezüglich schlüssigen Aussage in der Beschwerdeverhandlung (OZ 10, S. 13).

Die Feststellungen zu den Aufenthaltsorten der Geschwister des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichgebliebenen Angaben im Verfahren (AS 62; OZ 10, S. 13). Dass die außerhalb von Afghanistan lebenden Brüder des Beschwerdeführers die Familie im Heimatdorf finanziell unterstützen, ergibt sich aus den diesbezüglich plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (OZ 10, S. 14).

2.1.2. Dass der Beschwerdeführer bzw. seine Familie noch über ein Haus und Grundstücke in seinem Heimatdorf verfügt, die von seinem Bruder nach wie vor bewirtschaftet werden und dieser die Frau des Beschwerdeführers und seine Kinder versorgt, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt angegeben hat, dass seine Frau und seine Kinder von der Ernte in Afghanistan leben und sein Bruder sich um sie kümmert (AS 66). Auch in der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er noch ein Haus und Grundstücke in Afghanistan hat und sich sein Bruder um seine Frau und seine Kinder kümmert (OZ 10, S. 14). Das Gericht geht daher davon aus, dass die Grundstücke des Beschwerdeführers nunmehr von seinem Bruder bewirtschaftet werden und dieser daraus den Unterhalt für die Familie im Heimatdorf bestreitet.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zumindest grundlegende Ortskenntnisse über Kabul, Mazar-e Sharif und Herat verfügt, ergibt sich aus seiner Aussage, dass er zwar noch nicht in diesen Städten gelebt hat, er jedoch in Mazar-e Sharif 5-10 Tage, in Herat 10 Tage verbracht hat und in Kabul schon sehr oft gewesen ist (OZ 10, S. 14).

Die Feststellungen zur Einreise sowie das Datum der Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.1.3. Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, S. 14 ff) sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Beilage ./A bis ./F).

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen nicht verstanden und nur in Stichworten auf Deutsch gesprochen hat (OZ 10, S. 15). Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration) des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.

Dass der Beschwerdeführer über eine Schwester in Österreich verfügt, ergibt sich aus seinen diesbezüglich gleichgebliebenen Angaben (AS 63; OZ 10, S. 16). Eine etwaige ausgeprägte Abhängigkeit des Beschwerdeführers zu seiner Schwester konnte jedoch nicht erkannt werden:

Der Beschwerdeführer hat zwar telefonischen Kontakt zu seiner Schwester in Österreich und er hat sie bereits besucht. Sie wohnen jedoch nicht gemeinsam in einem Haushalt (OZ 10, S. 16). Allein aus dem aufrechten Kontakt kann keine Abhängigkeit und feste Beziehungsintensität abgeleitet werden. Weitere Umstände, die auf eine Abhängigkeit des Beschwerdefü

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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