TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 W166 2162198-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §2
VOG §4

Spruch

W166 2162198-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Lorenz & Strobl, Rechtsanwälte, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen betreffend den am 06.10.2015 gestellten Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.06.2018, zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag wird stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von psychotherapeutischer Krankenbehandlung liegen - vorbehaltlich der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - dem Grunde nach vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer brachte am 06.10.2015 einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form der Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Tirol (im Folgenden: belangte Behörde), ein.

Der Beschwerdeführer begründete den Antrag mit sexueller Gewalt, die er in seiner Kindheit und Jugend durch den Leiter der kinderpsychologischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt in dessen Privatordination sowie im LKH Klagenfurt über einen Behandlungszeitraum von acht Jahren erlitten habe. Der Beschwerdeführer habe sich komplett ausziehen müssen, der Arzt habe ihn dann gestreichelt, an seinem Glied und Gesäß herumgespielt - in späteren Jahren bis zur Erektion - und manchmal habe sich der Beschwerdeführer auf seinen Schoß setzen müssen. Anlass für die Therapie sei die Scheidung seiner Adoptiveltern gewesen. Sein Adoptivvater sei gewalttätig gewesen, und habe ihn und seine Adoptivmutter regelmäßig geschlagen.

Die belangte Behörde holte diverse Krankenunterlagen betreffend den Beschwerdeführer ein.

Da die belangte Behörde in weiterer Folge nicht über den gegenständlichen Antrag entschieden hat, brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsanwälte, am 20.06.2017 eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ein.

Der Verwaltungsakt samt der Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 27.06.2017 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 07.05.2018 wurde der Beschwerdeführer zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsanwälte, legte mit Schreiben vom 29.05.2018 ein Konvolut an Unterlagen vor.

Am 11.06.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, und ein Rechtsvertreter teilnahmen.

Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Verhandlung Gelegenheit gegeben, sich zum Verfahren und zum Sachverhalt eingehend zu äußern.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt, dass er jahrelang und regelmäßig von seinem gewalttätigen Adoptivvater körperliche Gewalt in Form von Schlägen erfahren hat, und acht Jahre lang regelmäßig von Primarius Dr. XXXX in dessen Privatordination bzw. im Rahmen von zwei Klinikaufenthalten sexuell missbraucht wurde. Weiters hat der Beschwerdeführer dargelegt, dass er immer wieder im Laufe seines Lebens und nach zwei Suizidversuchen in unregelmäßigen Abständen Psychotherapie in Anspruch genommen hat.

Im Jahr 2015 wurde der Beschwerdeführer von seinen Kindheits- bzw. Jugenderfahrungen eingeholt, entwickelte eine posttraumatische Belastungsstörung und wandte sich um Hilfe an den "Weißen Ring". Seit dieser Zeit ist der Beschwerdeführer in regelmäßiger Psychotherapie bei einem Psychotherapeuten.

Mit Schreiben vom 06.07.2018 legte der Beschwerdeführer einen Befund seines Psychotherapeuten vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, und stellte am 06.10.2015 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Tirol, einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung.

Der Beschwerdeführer wurde im Alter von etwa dreieinhalb Jahren von Adoptiveltern aufgenommen und wurde in seiner Kindheit und Jugend, bis er mit 16 1/2 Jahren von zu Hause auszog, von seinem gewalttätigen Adoptivvater regelmäßig geschlagen.

Im Alter von acht Jahren hat der Beschwerdeführer erfahren, dass er adoptiert wurde. Auf Grund dieses Umstandes, der Gewalttätigkeit des Adoptivvaters, und der Scheidung seiner Adoptiveltern verschlechterten sich unter anderem auch die schulischen Leistungen des Beschwerdeführers und der Aoptivvater schickte ihn zur Behandlung zu Primarius Dr. XXXX .

Zwischen dem achten und dem sechzehnten Lebensjahr war der Beschwerdeführer in Behandlung bei Primarius Dr. XXXX . Anfangs ein bis zwei Mal pro Woche, später in unregelmäßigen Abständen.

Zwei Mal hatte der Beschwerdeführer nach Suizidversuchen einen Klinikaufenthalt in der Neuropsychiatrischen Abteilung für Kinder- und Jugendliche bei Primarius Dr. XXXX .

Von seinem achten bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr wurde der Beschwerdeführer regelmäßig - während seiner Behandlungstermine in der Privatordination und während der Klinikaufenthalte - von Dr. XXXX sexuell missbraucht.

Der Beschwerdeführer musste sich immer wieder nackt ausziehen, auf den Schoss des Arztes setzen und wurde von diesem am ganzen Körper gestreichelt bzw. hat dieser am Glied und Gesäß des Beschwerdeführers herumgespielt, oft bis der Beschwerdeführer eine Erektion bekam.

Der Beschwerdeführer wurde während seiner Kindheit und Jugend Opfer psychischer und physischer Gewalt einerseits durch seinen Adoptivvater und andererseits durch Dr. XXXX .

Basierend auf diesen Gewalterfahrungen durch den Adoptivvater und Primarius Dr. XXXX hat der Beschwerdeführer im Jahr 2015 eine "Ohnmachtserfahrung" erlitten, wodurch ihm diese Erlebnisse und verdrängten Gefühle schlagartig ins Bewusstsein kamen.

Der Beschwerdeführer hat eine Posttraumatische Belastungsstörung mit Angst, Hilflosigkeit, Entsetzen, Flashback- und Nachhallerinnerungen, Albträumen und Schlaflosigkeit entwickelt.

Es kann mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer durch mehrere mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen eine schwere Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten hat.

Der Beschwerdeführer bedarf verbrechenskausal einer Psychotherapie.

Die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von psychotherapeutischer Krankenbehandlung liegen vor.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers und zur Antragseinbringung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den Heimaufenthalten und den vom Beschwerdeführer angegebenen Misshandlungen ergeben sich ebenfalls aus dem Akteninhalt und dem ausführlichen Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.06.2018.

Die Feststellungen zu der psychischen Gesundheitsschädigung ergibt sich aus den vorgelegten medizinischen Beweismittel, insbesondere aus dem Befund des den Beschwerdeführer behandelnden Psychotherapeuten vom 05.07.2018.

In dem psychotherapeutischen Befund wird das psychische Leiden des Beschwerdeführers ausführlich, nachvollziehbar und schlüssig dargelegt und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Leid und seine Erlebnisse lange Zeit verdrängen konnte. Durch eine im Jahr 2015 erlittene "Ohnmachtserfahrung" wurde der Beschwerdeführer "getriggert" und die in der Kindheit und Jugend erfahrenen Erlebnisse und die verdrängten Gefühlte kamen ungebremst in sein Bewusstsein wodurch der Beschwerdeführer eine Posttraumatische Belastungsstörung erlitten hat.

Kennzeichnend für die Posttraumatische Belastungsstörung des Beschwerdeführers sind intensive Angst, Hilflosigkeit, Entsetzen, Schlaflosigkeit, das Auftreten von Albträumen sowie Flachback- bzw. Nachhallerinnerungen. Ebenso ist das anhaltende Wiedererleben der traumatischen Ereignisse und eine andauernde Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma assoziiert werden, charakteristisch. Die häufig auftretende Gefühlstaubheit, die niedergeschlagene Stimmung, und der Versuch belastende Gefühle zu vermeiden, führt beim Beschwerdeführer zur Aufgabe von Sozialkontakten und Aktivitäten. Im Befund wird weiters ausgeführt, dass in der Adoptivfamilie Rahmenbedingungen herrschten, die ein gutes und gedeihliches Aufwachsen des Beschwerdeführers sehr erschwerten, und hat der zusätzliche Missbrauch durch Dr. XXXX die Situation für den Beschwerdeführer nochmals erschwert und unerträglich gemacht.

Zusammenfassend hält der Psychotherapeut fest, dass eine psychotherapeutische Behandlung - nach Durchschreiten tiefer Abgründe und schmerzlicher Erfahrungen - in der Folge zu einer Stabilisierung der Persönlichkeit führt.

Auch in der mündlichen Verhandlung konnte sich der Senat anlässlich der Schilderungen des Beschwerdeführers und den Gefühlsregungen die ihn dabei überkamen, davon überzeugen, wie belastend und schmerzvoll die traumatischen Ereignisse der Kindheit und Jugend nach wie vor für ihn sind.

Aus den dargelegten Gründen ist eine Psychotherapie verbrechenskausal notwendig und werden die medizinischen Beweismittel insbesondere der Befund vom 05.07.2018 in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört.

Somit liegt gegenständlich Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 10/2013 i. d.F. BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

§ 8 Abs. 1 VwGVG knüpft bei der Regelung der Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde an die im AVG vorgesehene sechsmonatige Entscheidungsfrist an. Die Entscheidungsfrist beginnt grundsätzlich erst mit Einlangen des Antrages auf Sachentscheidung bei der zuständigen Behörde zu laufen. Für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist der Zeitpunkt ihrer Erhebung maßgeblich (siehe Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, NWV 2013, K 2 und K 4 zu § 8 VwGVG).

Gemäß § 16 Abs VwGVG kann im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen.

Holt die Behörde gemäß Abs. 2 leg.cit. den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Ist die Säumnisbeschwerde zulässig und nicht abzuweisen, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Verwaltungsgericht über (siehe Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, NWV 2013, K 28 zu § 28 VwGVG).

Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer am 06.10.2015 den gegenständlichen Antrag bei der belangten Behörde eingebracht. Am 20.06.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsanwälte, Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG.

Zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde war daher die sechsmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG verstrichen, weshalb sich die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht als zulässig erweist. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG den Bescheid nicht innerhalb von drei Monaten nachgeholt, und legte dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt am 27.06.2017 vor. Somit ist die Zuständigkeit auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Es sind keine Umstände ersichtlich, wonach die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre. In diesem Zusammenhang ist weiters anzumerken, dass sich aus dem Akteninhalt auch nicht ergibt, dass die Ermittlungsverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers oder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht war.

Zu Spruchpunkt A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes (VOG) lauten:

Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1 Abs. 1 Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. (...)

Hilfeleistungen

§ 2 Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

(...)

2.

Heilfürsorge

a) Ärztliche Hilfe

(...)

Heilfürsorge

§ 4 Abs. 1 Hilfe nach § 2 Z 2 ist nur für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu leisten. Opfer, die infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 eine zumutbare Beschäftigung, die den krankenversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet, nicht mehr ausüben können, sowie Hinterbliebene (§ 1 Abs. 4) erhalten Heilfürsorge bei jeder Gesundheitsstörung.

Abs. 2 Die Hilfe nach § 2 Z 2 hat,

1.

wenn das Opfer oder der Hinterbliebene einer gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, freiwillig krankenversichert ist oder ein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung besteht, der zuständige Träger der Krankenversicherung,

2.

sonst die örtlich zuständige Gebietskrankenkasse zu erbringen. Die im § 2 Z 2 angeführten Leistungen gebühren in dem Umfang, in dem sie einem bei der örtlich zuständigen Gebietskrankenkasse Pflichtversicherten auf Grund des Gesetzes und der Satzung zustehen.

Für Schädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu entrichtende gesetz- und satzungsmäßige Kostenbeteiligungen einschließlich Rezeptgebühren sind nach diesem Bundesgesetz zu übernehmen.

Abs. 2 a) Eine Übernahme von Kosten nach Abs. 2 letzter Satz ist bis zu einem Rechnungsbetrag von 100 Euro pro Antragsteller in voller Höhe möglich, sofern der ursächliche Zusammenhang mit der Schädigung glaubhaft ist.

Abs. 3 Der Bund ersetzt einem im Abs. 2 Z 2 genannten Träger der Krankenversicherung die entstandenen Kosten, einem im Abs. 2 Z 1 genannten Träger der Krankenversicherung die Kosten, die über den ihnen erwachsenden Kosten liegen, hätten sie die Leistungen auf Grund eines anderen Bundesgesetzes und der Satzung zu erbringen gehabt. Ferner ersetzt der Bund den Trägern der Krankenversicherung einen entsprechenden Anteil an den Verwaltungskosten.

Abs. 4 Haben Opfer oder Hinterbliebene die Kosten der Heilfürsorge selbst getragen, so sind ihnen diese Kosten in der Höhe zu ersetzen, die dem Bund erwachsen wären, wenn die Heilfürsorge durch den Träger der Krankenversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes erbracht worden wäre.

Abs. 5 Erbringt der Träger der Krankenversicherung auf Grund der Satzung dem Opfer oder dem Hinterbliebenen einen Kostenzuschuß für psychotherapeutische Krankenbehandlung infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1, so sind die Kosten für die vom Träger der Krankenversicherung bewilligte Anzahl der Sitzungen, die das Opfer oder der Hinterbliebene selbst zu tragen hat, bis zur Höhe des dreifachen Betrages des Kostenzuschusses des Trägers der Krankenversicherung zu übernehmen. Sobald feststeht, dass der Träger der Krankenversicherung einen Kostenzuschuss erbringt, kann vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auch eine Direktabrechnung der Kosten mit dem Psychotherapeuten unter Bevorschussung des Kostenzuschusses des Trägers der Krankenversicherung vorgenommen werden, in diesem Fall ist der geleistete Kostenzuschuss vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zu vereinnahmen. Eine Kostenübernahme bis zum angeführten Höchstausmaß erfolgt auch, sofern der Träger der Krankenversicherung Kosten im Rahmen der Wahlarzthilfe erstattet.

(...)

Gemäß § 10 Abs. 1 VOG dürfen Leistungen nach § 2 nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist.

Gemäß § 10 Abs. 2 VOG endet die Hilfeleistung, wenn sich die für die Hilfeleistung maßgebenden Umstände ändern, nachträglich ein Ausschließungsgrund (§ 8) eintritt oder nachträglich hervorkommt, dass die Voraussetzungen für eine Hilfeleistung nicht gegeben sind.

(...)

Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (VwGH vom 19.03.2014, Zl. 2013/09/0181 mit Hinweis E 18.1.1990. 89/09/0060).

Auf Grundlage der medizinischen Beweismittel und unter Einbeziehung des als wahrscheinlich anzusehenden Ereignisse wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer verbrechenskausal an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet.

Es kann daher mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer durch mehrere mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlungen eine psychische Gesundheitsschädigung erlitten hat.

Aus den dargelegten Gründen liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von psychotherapeutischer Krankenbehandlung - dem Grunde nach - vor.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden und dem gegenständlichen Antrag stattzugeben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Gesundheitsschädigung, Kausalität, Kostentragung, psychologischer
Befund, VerbrechensopferG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W166.2162198.2.00

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten