TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 W253 2134707-1

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W253 2134707-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Jörg C. BINDER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 17.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.05.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei Hazara und schiitischer Moslem. Er stamme aus der Provinz Balkh und habe von XXXX bis XXXX die Grundschule besucht. Der Beschwerdeführer habe fünf Brüder und zwei Schwestern. Vor fünf Jahren sei der Beschwerdeführer illegal in den Iran gereist, weil sein Vater in Afghanistan Probleme mit Taliban-Kämpfern gehabt habe. In XXXX , Iran sei der Beschwerdeführer als Schneider tätig gewesen und habe mit seinem Einkommen seine Familie finanziell unterstützt. Vor fünf Monaten sei der Beschwerdeführer illegal zu Fuß in die Türkei gereist, weil er im Iran ständig Angst vor einer Abschiebung gehabt habe. Von der Türkei sei er schlepperunterstützt mit einem Schlauchboot nach Griechenland gekommen. Daraufhin sei der Beschwerdeführer mit einem Schiff nach Athen gefahren, wobei er von dort über Mazedonien und Serbien weiter nach Ungarn gereist sei. In Ungarn sei der Beschwerdeführer anschließend aufgegriffen worden und ihm seien Fingerabdrücke abgenommen worden. In weiterer Folge sei er mit dem Zug von Budapest nach Österreich gereist.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 19.05.2015 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Ungarn angenommen werde.

Am XXXX richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (in Folge kurz "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Mit Schreiben vom XXXX setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die ungarische Dublin-Behörde darüber in Kenntnis, dass aufgrund nicht fristgerechter Antwort eine Verfristung gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO eingetreten und Ungarn nunmehr zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.

4. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.07.2015 führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, dass er über einen Cousin in XXXX sowie weitere weitschichtige Verwandte in XXXX und XXXX verfüge. Zu diesen Verwandten pflege er einen telefonischen Kontakt. Im Rahmen dieser Einvernahme wurde der Beschwerdeführer über das Dublin-Verfahren informiert. Daraufhin erwiderte der Beschwerdeführer, dass er zwei Tage in Ungarn gewesen sei und man sich dort nicht um die Flüchtlinge kümmern würde.

5. Mit Bescheid vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die "ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, Künstlergasse 11/5, 1150 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

6. Mit Schreiben vom 25.08.2015 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheides vom XXXX und beantragte zudem, ein fachärztliches Sachverständigengutachten [l1]zu seinem psychischen Gesundheitszustand einzuholen. Begründend führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, die Reise nach Europa sei für ihn überaus traumatisierend gewesen, zumal er mit seinem 13-jährigen Cousin unterwegs gewesen sei, welcher in XXXX aufgrund einer ungewollten Verwicklung in eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe Somali auf einem Zuggleis von einem Zug erfasst worden und gestorben sei. Der Beschwerdeführer habe gerade noch überlebt. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, von den ungarischen Beamten misshandelt und geschlagen worden zu sein. Eine Überstellung nach Ungarn sei angesichts seines Gesundheitszustandes und der unzureichenden medizinischen Versorgung unzumutbar und stelle eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK dar.

7. Mit Beschluss vom XXXX erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.

8. Mit Erkenntnis vom XXXX wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es könne die allfällige Verpflichtung der Republik Österreich zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes noch nicht abschließend beurteilt werden. Aufgrund der notorischen Änderung der Lage für Asylwerber in Ungarn seit August 2015 sei die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 widerlegt. Es sei daher notwendig, dass sich das Bundesamt auf der Grundlage von entsprechenden Berichten mit der aktuellen Lage in Ungarn auseinandersetze.

9. Im Rahmen seiner zweiten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11.08.2016 führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, er habe sechs Jahre die Grundschule besucht und in Afghanistan in der Landwirtschaft gearbeitet. Er sei aufgrund seiner Ausreise in den Iran zweimal in Kabul gewesen. Der Vater des Beschwerdeführers habe für die Taliban-Regierung gearbeitet, als die Taliban an der Macht gewesen seien. Genauer dazu befragt gab der Beschwerdeführer an, sein Vater sei aufgrund der Tatsache, dass er der Dorfälteste gewesen sei, gezwungen gewesen zur Stadtpolizei zu gehen. Sein Vater habe von 1375 bis 1380 (laut dem gregorianischen Kalender sohin von 1996 bis 2001) für die Stadtpolizei gearbeitet. Die Eltern jener Kinder, welche im Krieg gegen die Taliban ums Leben gekommen seien, hätten den Vater des Beschwerdeführers beschuldigt für die Taliban zu arbeiten. Darauf hingewiesen, dass sein Vater nach den Angaben des Beschwerdeführers für die Regierung gearbeitet habe, führte der Beschwerdeführer aus, dass er mit "Regierung" die Taliban meine, als sie damals an der Macht gewesen seien. Nunmehr gehe sein Vater Gelegenheitsarbeiten nach und lebe mit seiner Familie im Iran. Vor der Ausreise in den Iran hätten Paschtunen den Beschwerdeführer mit einem Messer verletzt, wobei der Beschwerdeführer im Zuge dieser Schilderung auf eine Narbe auf seinem Nacken zeigte. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, oft bedroht worden zu sein. In Afghanistan sei es üblich, dem ältesten Sohn etwas anzutun. Weiters legte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen vor, unter anderem eine Bestätigung von XXXX , einem Interkulturellen Beratungs- und Therapiezentrum in XXXX demzufolge der Beschwerdeführer unter Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und zusätzlich durch die Dauer des Asylverfahrens sehr belastet sei.

10. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Der Begründung des im Spruch bezeichneten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer keine individuelle persönliche und asylrelevante Bedrohung glaubhaft machen habe können. Er könne seinen Lebensunterhalt in der Stadt Mazar-e Sharif oder Kabul bestreiten.

Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die "ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, Beratungsstelle Wien, Wattgasse 48/3, 1170 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

11. Mit am 06.09.2016 eingelangtem Schreiben erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des gegenständlichen Bescheides und führte im Wesentlichen unter Bezugnahme auf aktuelle Berichte zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan sowie diverser Judikatur aus, dass ihm das Bundesamt ergänzend Fragen zur Situation seines Vaters stellen hätte müssen. Dann hätte er ausführen können, dass sich sein Vater nach Ende des Taliban-Regimes an verschiedenen Orten versteckt aufgehalten habe und aufgrund der Bedrohungssituation nur selten nach Hause gekommen sei. Der Beschwerdeführer würde problemlos durch seine Verfolger ausfindig gemacht werden können, weshalb es ihm nicht zugemutet werden könne nach Afghanistan zurückzukehren. Der Beschwerdeführer fürchte eine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie (infolge seiner Eigenschaft als ältester Sohn seines verfolgten Vaters), seiner hiermit unterstellten politischen Gesinnung, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seines Religionsbekenntnisses. Entgegen den Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verfüge der Beschwerdeführer über einen Cousin in Österreich. Die beiden würden Kontakt pflegen und sich gegenseitig unterstützen.

12. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 13.09.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

13. Mit Telefax vom 25.04.2018 teilte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers mit, dass der Beschwerdeführer sich nicht bei ihnen gemeldet habe, weshalb sie die am XXXX .2016 erteilte Vollmacht zurücklege.

14. Mit E-Mail vom 04.05.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer zum Christentum konvertieren wolle und derzeit den Taufkurs der evangelischen Pfarrgemeinde in XXXX besuche. Die Pfarrerin könne leider nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen. Im Anhang wurde eine seelsorgerliche Stellungnahme vom XXXX .2018 übermittelt.

15. Am 08.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertreterin, welche eine "neue" Vollmacht vom XXXX .2018 vorlegte, und einem Dolmetscher für die Sprache Dari statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen vor. Zudem beantragte die Rechtsvertreterin die stellig gemachte Zeugin XXXX (in Folge kurz "Z1") zum Beweis der Ernsthaftigkeit des Konversionsprozesses des Beschwerdeführers. Schließlich erfolgte in der Beschwerdeverhandlung die Einvernahme dieser beantragten Zeugin.

16. Am 17.05.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in welcher er im Wesentlichen ausführte, ihm sei aufgrund seiner Abkehr vom Islam sowie der Hinwendung zum Christentum der Status eines Asylberechtigten in Österreich zuzuerkennen. Es bestehe keine zumutbare interne Schutzalternative in Kabul, zumal die Aufnahmeressourcen in Kabul erschöpft seien und der Beschwerdeführer keinen Zugang zu grundlegender Infrastruktur wie Wohnraum, Erwerbsmöglichkeit oder medizinischer Versorgung hätte. Zudem verwies der Beschwerdeführer auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018.

17. Mit Schreiben vom 03.09.2018 teilte der Beschwerdeführer mit, dass seine Taufe am 22.09.2018 stattfinden werde. Als Beilage wurde eine Bestätigung der Pfarrerin übermittelt, aus welchem hervorgeht, dass die Taufe aus Sicherheitsgründen weder öffentlich stattfinden noch veröffentlicht werde. [l2]

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 17.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am XXXX richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Mit Schreiben vom XXXX setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die ungarische Dublin-Behörde darüber in Kenntnis, dass aufgrund nicht fristgerechter Antwort Verfristung eingetreten und Ungarn nunmehr zuständig zur Durchführung des Asylverfahrens sei. Daraufhin wurde mit Bescheid vom XXXX der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheides und beantragte zudem, ein fachärztliches Sachverständigengutachten zum psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers einzuholen. Mit Erkenntnis vom XXXX wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 nicht zulässig sei. Nach Durchführung der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am 11.08.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Mit am 06.09.2016 eingelangtem Schreiben erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des gegenständlichen Bescheides, woraufhin am 08.05.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Dari stattfand, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen.

1.2. Zum Beschwerdeführer:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX geboren. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem und seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Balkh, Distrikt XXXX , Dorf XXXX . Er hat sechs Jahre die Grundschule besucht und war in der Landwirtschaft seines Vaters tätig. Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter und gesund. Er ist mit der afghanischen Tradition und Lebensweise vertraut.

Mit siebzehn Jahren reiste der Beschwerdeführer illegal von Afghanistan über Kabul in den Iran aus, wo er in XXXX seinen Lebensunterhalt als Schneider bestritt. Aufgrund seines illegalen Aufenthaltes im Iran wurde der Beschwerdeführer einmal nach Afghanistan abgeschoben, wobei er anschließend wieder über Kabul in den Iran reiste. Insgesamt war der Beschwerdeführer bisher zweimal in Kabul.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus seinen Eltern, seinen fünf Brüdern und seinen zwei Schwestern. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers während der Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 bei der Stadtpolizei gearbeitet hat. Nunmehr ist die Kernfamilie des Beschwerdeführers in der Stadt XXXX , im Iran aufhältig. Der Vater des Beschwerdeführers kommt für den Unterhalt der Familie auf, indem er Gelegenheitsarbeiten nachgeht. Es kann nicht festgestellt werden, wann die Kernfamilie des Beschwerdeführers Afghanistan verlassen hat. Der Beschwerdeführer verfügt in Afghanistan über zwei Onkel mütterlicherseits, welche etwa fünf Kilometer von seinem Heimatdorf in Afghanistan entfernt leben.

Zu seinen Freunden in Afghanistan steht der Beschwerdeführer nach wie vor in Kontakt; nicht jedoch zu seiner Kernfamilie.

Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein. Er versteht und spricht alltagstaugliches Deutsch und hat diverse Deutschkurse auf dem Niveau A1 besucht, verfügt jedoch über kein Deutsch-Zertifikat. Zudem hat der Beschwerdeführer beim Projekt " XXXX " teilgenommen, in dessen Rahmen er für einige Stunden mit der Grüninselpflege und Stadtverschönerung betraut war. Der Beschwerdeführer hilft gelegentlich in der Landwirtschaft mit, wobei er keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über drei Verwandte, und zwar über einen Cousin in XXXX , einen Schwager der Ehefrau seines Cousins in XXXX und einen weiteren, weitschichtigen Verwandten in XXXX . Mit ihnen trifft sich der Beschwerdeführer einmal im Jahr.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt war. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Taliban bedroht worden ist oder durch seine Flucht eine oppositionelle Haltung gegenüber den Taliban hat erkennen lassen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Taliban bzw. Paschtunen den Beschwerdeführer mit siebzehn Jahren mit einem Messer angegriffen und versucht haben ihn zwangszurekrutieren.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. dass jeder Angehöriger der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführer wurde als schiitischer Moslem erzogen. In Österreich besucht er regelmäßig den Gottesdienst und ist seit XXXX offiziell Taufwerber in der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX . Sein Tauftermin wurde mit XXXX festgelegt. Der christliche Glaube ist kein wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden. Der Beschwerdeführer würde im Falle der Einreise nach Afghanistan weder seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben weiter nachkommen noch sein derzeitiges Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Einreise nach Afghanistan nach außen zur Schau tragen. Der Beschwerdeführer wäre im Falle der Einreise nach Afghanistan aufgrund seines bisherigen Interesses für den christlichen Glauben keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die afghanischen Behörden und/oder das persönliche Umfeld des Beschwerdeführers von dessen Glaubenswechsel und christlichem Engagement bei einer Rückkehr nach Afghanistan Kenntnis erlangen würden.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan (Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat) Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten ebenfalls nicht festgestellt werden. Er kann dort seine Existenz - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern und auf die Unterstützung seiner Familie zählen. Es kann nicht festgestellt werden, dass er nicht in der Lage ist, in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Diese Städte sind über die dort vorhandenen Flughäfen sicher erreichbar.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht von seinen beiden in Afghanistan aufhältigen Onkeln mütterlicherseits unterstützt werden kann.

1.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen:

1.5.1. Zusammenfassung des Länderinformationsblattes vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2018 (in Folge kurz "LIB"):

1.5.1.1. Zur Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen und in der Provinz Balkh sowie Mazar-e Sharif:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet und im Jahre 2004 angenommen (LIB S. 40).

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie zB Kunduz City und der Provinz Helmand. Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (LIB S. 44).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (LIB S. 44).

Mit Stand September 2016 beeinflussen oder kontrollieren die Taliban rund 10% der Bevölkerung. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (LIB S. 46).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften. Im Jahr 2016 wurden im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (LIB S. 46).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: Intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08.2016 bis 17.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (LIB S. 46).

Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilisten und regierungsfeindlichen Elementen (LIB S. 10). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB S. 6). Im Jänner 2018 fanden in Kabul schwere Anschläge ua auf die Marshal Fahim Militärakademie mit mindestens elf getöteten und weiteren fünfzehn verletzten Soldaten, im Regierungs- und Diplomatenviertel mit mehr als 100 Toten und zumindest weiteren 235 Verletzten, auf die NGO Save the Children, mit zumindest zwei Toten und weiteren zwölf Verletzten und auf das Hotel Intercontinental, mit etwa achtzehn Toten und weiteren zehn Verletzten, statt (LIB S 6. ff).

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan und ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz sowie bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an:

Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (LIB S. 64). Im Zeitraum 01.01.

- 31.08.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB S. 65).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt. Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. So kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz. Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten. Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt. In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt. Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen. Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (LIB S. 65).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste. Balkh ist in Bezug auf Angriffe der Taliban zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte. Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (LIB S. 65 f).

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif wurden am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden. Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben. Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (LIB S. 66).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (LIB S. 66).

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh eröffnet (LIB S. 136).

1.5.1.2. Zur Lage in Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (LIB S. 56 f).

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat. In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum untergebracht werden (LIB S. 208 f).

Kabul verfügt über einen Flughafen; ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (LIB S. 136).

1.5.1.3. Zur Lage in Herat:

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (LIB S. 83).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft. Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB S. 83 f).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv. Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden. In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (LIB S. 84).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (LIB S. 84).

Im Jahr 2012 wurde der neue Terminal des internationalen Flughafens von Herat eröffnet (LIB S. 137).

1.5.1.3. Zur Lage der Hazara in Afghanistan:

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie besiedeln traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat bekannt ist (LIB S. 172).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich gebessert, insbesondere durch Bildung auch ökonomisch und politisch. Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (LIB S. 173).

In der öffentlichen Verwaltung sind Hazara jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Nicht festgestellt werden kann, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit einem Anteil von etwa 10 Prozent in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (LIB S. 173).

In der Vergangenheit wurden die Hazara von Paschtunen verachtet, weil diese dazu tendierten, Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Es kommt zu Diskriminierungen durch Erpressung, illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftungen (LIB S. 172 f).

Im Jahr 2016 wurden zumindest in fünfzehn Vorfällen 82 Hazara in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor entführt. Ua wurden bei einem großen Protestmarsch der Hazara in Kabul im Juli 2016 durch Selbstmordattentäter des IS mindestens 80 Menschen getötet und 250 verletzt (LIB S. 173).

1.5.1.4. Zur Lage der Schiiten in Afghanistan:

Etwa 10-19% der Bevölkerung Afghanistans sind schiitische Moslems. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten (LIB S. 163 f).

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern, manche Paschtunen sind aber über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert. Der ISKP, "Islamischer Staat in der Khorasan Provinz", ein afghanischer Zweig des "Islamischen Staates", verübte 2016 zwei Anschläge auf Schiiten in Kabul, bei denen insgesamt 117 Menschen getötet und 320 weitere verletzt worden sind (LIB S. 164).

1.5.1.5. Rückkehr:

Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden: Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (LIB S. 207 f).

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an (LIB S. 208).

1.5.2. Auszug aus der Anfragebeantwortung zur Lage der Hazara in Afghanistan vom 02.09.2016:

"[...]

Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) bemerkt in ihrem im Februar 2016 erschienenen Jahresbericht zum Jahr 2015, dass sie während des Jahres 2015 einen starken Anstieg bei Entführungen und Tötungen von Hazara-ZivilistInnen durch regierungsfeindliche Kräfte verzeichnet habe. So hätten regierungsfeindliche Kräfte zwischen 1. Jänner und 31. Dezember 2015 mindestens 146 Mitglieder der Hazara-Gemeinde bei insgesamt 20 verschiedenen Vorfällen getötet. Mit Ausnahme eines einzigen Vorfalls hätten sich alle in ethnisch gemischten Gebieten ereignet, die sowohl von Hazara als auch von Nicht-Hazara-Gemeinden besiedelt seien, und zwar in den Provinzen Ghazni, Balch, Sari Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jowzjan und Ghor. UNAMA habe die Freilassung von 118 der 146 entführten Hazara bestätigen können.

13 entführte Hazara seien von regierungsfeindlichen Kräften getötet worden, während zwei weitere in Geiselhaft verstorben seien. UNAMA habe den Verbleib der übrigen Geiseln nicht eruieren können. Die Motive für die Entführungen seien unter anderem Lösegelderpressung, Gefangenenaustausche, Verdacht der Mitgliedschaft bei den Afghanischen Nationalen Sicherheitskräften (ANSF) und Nichtbezahlung illegaler Steuern gewesen. In manchen Fällen seien die zugrundeliegenden Motive unbekannt gewesen.

[...]

In einem Statement vom Juni 2016 äußert sich die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) besorgt über den Anstieg von Entführungen, Geiselnahmen sowie summarischen Hinrichtungen und berichtet von einer bewaffneten Entführung von 25 ZivilistInnen, bei denen es sich Berichten zufolge allesamt um Hazara gehandelt habe. Die Entführten seien in zwei Fahrzeugen im Bezirk Balkh Ab, der nördlichen Provinz Saripul (Sar-e-Pul), unterwegs gewesen. Während vier Frauen und ein älterer Herr wieder freigelassen worden seien, sei der Verbleib der 20 anderen nicht bekannt.

[...]"

1.5.3. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan - Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan vom 12.07.2017:

"[...]

Einzelquellen:

Der lokale Anwalt berichtet folgendes:

Nur wenige Berichte existieren zu der Behandlung von Christen: zu originären Christen gibt es kein Fehlverhalten durch den Staat oder die Gesellschaft (Aufständischengruppen sind davon ausgenommen).

Berichte von Fehlverhalten gegenüber jenen, die zum Christentum übergetreten sind, existieren in sozialen Medien, und nur ganz wenige Fälle passieren in der Öffentlichkeit.

[...]

1. Gibt es Berichte zu (christl.) Konvertiten und deren Behandlung in Afghanistan?

2. Gibt es Berichte zu gesellschaftlicher Behandlung? Allgemeine Situation der Konvertiten?

3. Gibt es Berichte zu staatlicher Behandlung/Behörde?

3.1. Gibt es Berichte zu Verhaftungen? Gibt es Berichte zu Behandlung in Haftanstalten?

4. Gibt es Berichte zu Benachteiligung beim Zugang zu staatlichen Leistungen/Behörden?

5. Sind Untergrundkirchen der Öffentlichkeit bzw. staatlichen Behörden bekannt?

6. Gibt es Berichte zu Personen, die vom Islam abgefallen sind, sowie deren Behandlung in Afghanistan?

7. Gibt es Berichte zu deren gesellschaftlicher Behandlung? Allgemeine Situation dieser Personen?

8. Gibt es Berichte zu staatlicher Behandlung?

8.1. Gibt es Berichte zu Verhaftungen? Gibt es Berichte zu Behandlung in Haftanstalten?

9. Gibt es Berichte zum Zugang von Personen, die vom Islam abgefallen sind?

10. Gibt es Berichte zur Behandlung von Personen, die sich nicht an die Regel des Islams halten (Kein Fasten des Ramadans, kein Freitagsgebet etc.)? Wie werden sie von der Gesellschaft behandelt?

11. Gibt es unterschiedliche Behandlung in ländlichen bzw. städtischen Gebieten?

12. Sind diese Menschen Sanktionen durch Staat oder Gesellschaft ausgesetzt?

12.1. Existiert in irgendeiner Weise Ungerechtigkeit?

13. Gibt es Gesetze zum Umgang mit Konvertiten/ Personen, die vom Islam abgefallen sind/ Personen, die sich nicht an die Regeln des Islams halten? Z.B. ist dies rechtlich sanktioniert; gibt es gerichtliche oder verwaltungsrechtliche Strafen sowie zivilrechtliche Nachteile? Falls ja, werden diese Gesetze auch tatsächlich angewandt? Wenn ja, in welcher Form? Existieren Statistiken über Anzeigen, Verurteilungsraten und/oder Verfahrensergebnisse?

14. Gibt es Berichte zu Personen, die öffentlich Kritik am Islam geäußert haben?

14.1. Werden diese Menschen bestraft oder werden sie vom Staat beschütz?

14.2. Gibt es regionale Unterschiede - Stadt und Land?

15. Gibt es internationale Organisation in Afghanistan, die sich für Konvertiten bzw. oben genannte Personengruppen einsetzen?

16. Gibt es Zusammenschlüsse von Betroffenen? Was wird hierzu berichtet?

16.1. Gibt es zu allen oben stehenden Fragen Unterschiede zwischen dem städtischen und dem ländlichen Bereich?

17. Bzw. in Gebieten in denen die Taliban oder der IS/Daesh sind?

18. Welche Möglichkeiten der Ausübung der christlichen Religion gibt es in Afghanistan?

19. Hat sich die Lage der christlichen Gemeinschaft verändert?

20. Hat der Staat bzw. die Regierung Maßnahmen zur Verbesserung/Veränderung gesetzt?

21. Sind Rückkehrer aus Europa, besonderem gesellschaftlichen Misstrauen in Bezug auf ihre (gesellschaftliche) Haltung ausgesetzt?

2. [...] Die Behandlung von christlichen Konvertiten in der Gesellschaft:

Jene Menschen, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind, werden nicht gut behandelt; sie werden von den Menschen erniedrigt und in den meisten Fällen würden sie nicht öffentlich zu ihrem Christentum stehen.

Nachdem es keine Anzahl von sich öffentlich bekennenden Christen in der afghanischen Gesellschaft gibt, ist es unmöglich zu beurteilen, wie diese in der Gesellschaft behandelt werden.

3. [...] Die Behandlung von christlichen Konvertiten durch Staat und Behörden:

Es wird immer so getan, als ob sie normal behandelt werden und sie in der Öffentlichkeit nicht schlechter behandelt werden; nichtsdestotrotz werden sie ganz normal wie andere Menschen behandelt. In den meisten Fällen versuchen die Behörden sie gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potentielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden.

Nachdem es keine Anzahl zu sich öffentlich bekennenden Christen in der afghanischen Gesellschaft gibt, ist es unmöglich zu beurteilen, wie staatliche Behörden diese behandeln.

[...]

4. Gemäß dem Gesetz haben alle Afghanen - gleich welchen Glaubens - dieselben Bürgerrechte und genießen alle Leistungen, die von staatlichen Behörden angeboten werden; keine staatliche Agentur oder Behörde fragt nach dem Glauben, bevor sie eine öffentliche Leistung anbietet. Damit werden alle Leistungen gleich sowohl an muslimische und als auch nicht muslimischen Afghanen angeboten.

5. Untergrundkirchen, wie der Name schon sagt, sind vor der Öffentlichkeit versteckt; nur wenige Menschen würden über diese informiert sein, aber die staatlichen Behörden wissen über fast alle von ihnen Bescheid.

6. Es gibt fast keine öffentlichen Vorfälle zu der Behandlung von Abtrünnigen, da Abtrünnige in den meisten Fällen - gleich wie Christen - sich nicht öffentlich zu ihrem Glauben bekennen; nichtsdestotrotz gibt es Berichte, dass sie in sozialen Medien ihrem Glauben Ausdruck verliehen haben.

7. Es gibt fast keine öffentlichen Vorfälle, um zu evaluieren, wie sie [Anm.: Abtrünnige] von der Gesellschaft behandelt werden. Aber es ist offensichtlich, dass, sollten sie ihrer Meinung kundtun und sich auf Diskussionen einlassen, um ihren abtrünnigen Glauben vergleichend mit dem Islam zu verteidigen, sie von der Gesellschaft schlecht behandelt werden.

8. Sofern sie sich nicht auf Diskussionen einlassen, die den/ihren Glauben betreffen, welche zu sozialen Unruhen führen, werden staatliche Behörden keine Maßnahmen gegen sie setzen. Sollten sie aber soziale Probleme hervorrufen, indem sie sich auf Diskussionen einlassen, um ihren Abfall vom Glauben zu unterstützen, so werden die staatlichen Behörden ihnen das nicht erlauben und sie belangen.

8a. In Haftanstalten können Behörden [Anm.: Staatsbedienstete] sie nicht schlechter behandeln und tun es auch nicht; aber sollten Abtrünnige mit anderen Häftlingen leben, würden andere Häftlinge schlechte Absichten gegen sie hegen und es gäbe die Möglichkeit Schikane durch andere Häftlinge. Nichtsdestotrotz gibt es keine Berichte zu solchen Vorfällen.

9. Zugang von Abtrünnigen zu staatlichen Leistungen

Ja, sie haben Zugang; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken. Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen.

10. Ja, es gibt viele Menschen, die während des Ramadans nicht fasten und freitags nicht beten.

11. Ja, die Behandlung auf dem Land und der Stadt unterscheidet sich total; es ist eine heiklere Angelegenheit in den ländlichen Gebieten, als in den städtischen Gebieten.

a. Es gibt keine offiziellen Berichte; nichtsdestotrotz kam und kommt es zu Vorfällen: Jene, die nicht während des Ramadans fasten und freitags nicht beten, wird von der Gesellschaft nahegelegt [Anm.: zumindest] das Freitags- und Ramadan-Gebet einzuhalten; die Gesellschaft behandelt dies als kleine Vergehen [Anm.: wörtliche Übersetzung - wenig obszön]. Das Nicht-Fasten während des Ramadans ist eine heiklere Angelegenheit; Vorfälle schlechter Behandlung aufgrund des Nichtfastens durch die Gesellschaft kommen vor.

11. b. Für das Nichtbeten des Freitagsgebetes werden sie nicht bestraft und von den staatlichen Behörden nicht angewiesen, dies zu tun; für das Nichtfasten während des Ramadans würden staatliche Behörden dem Nichtfastenden-des-Ramadan anraten und anweisen den Ramadan einzuhalten. Berichte zu stundenlangen Polizeiverhören mit Nichtfastenden-des-Ramadan existieren, dennoch bestehen keine Berichte zu offizieller Strafverfolgung.

12. Es gibt keine offiziellen und traditionellen Sanktionen gegen sie [Anm.: Nichtfastende des Ramadans].

12. a. Nein, sie werden keine Schlechterstellung erfahren.

13. Wenn Konvertiten/Atheisten [Anm.: ihren Glauben] veröffentlichen, dann wird der Staat aktiv, um Chaos und Unruhe zu vermeiden; dabei werden Gesetze für solche Verhandlungsverfahren angewendet. Dennoch gibt es keine klaren Bestimmungen für solche Angelegenheiten in den afghanischen Gesetztexten somit kommt es zur Anlehnung an das Sharia-Gesetz, während die Regierung in solchen Fällen noch nicht das Sharia-Gesetz angewendet hat.

14. Wenige solcher Berichte existieren über jene, die den Islam öffentlich kritisiert haben: Es existieren einige solcher Berichte zu derartigen Vorfällen in sozialen Medien.

14. a. Höchstwahrscheinlich werden jene, die den Islam öffentlich kritisiert haben, strafrechtlich verfolgt werden; aber die meisten strafrechtlichen Verfolgungen werden nicht zu einer schnellen und bestimmten Bestrafung führen. Auch ist unklar, ob die strafrechtlichen Verfolgungen dem Schutz oder der Bestrafung dienen. In wenigen Fällen werden die Schuldigen verhaftet und aus dem Land gebracht.

14. b. Selbstverständlich gibt es einen Unterschied zwischen ländlichen und städtischen Gegenden; die städtische Gesellschaft ist flexibler und gleicht in diesen Fällen die Situation aus, während in ländlichen Gebieten die Gesellschaft und Menschen strenger und harscher sind.

15. Obwohl keine Organisationen - die Atheisten/Abtrünnige und Christen unterstützen - existieren, glauben gewisse Menschen, dass Strafen für diese Organisationen anfallen würden, die unter dem Deckmantel von Entwicklungs- und humanitärer Hilfe arbeiten.

16. Wie bereits erwähnt, existieren keine Organisationen, um ihnen Schutz oder öffentliche Sicherheit zu gewähren; dennoch könnten solche Organisationen (wenn überhaupt) durch die Regierung schützen, und könnten ihnen geheimen Schutz gewähren.

17. Ja, die Situation unterscheidet sich in den Regionen in denen IS/Daesh die Kontrolle hat; jeder von den bereits erwähnten Vorfällen wird mit sehr harten Reaktionen durch den sog. IS konfrontiert sein.

18. Ja, religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan frei auszuführen, ihren Gott anzubeten und ihre Religion im Rahmen des Gesetzes in Afghanistan zu leben. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist die First Lady von Afghanistan, die eine Christin ist und als First Lady in Afghanistan akzeptiert ist. Hundertausende Ausländer, die Christen sind, leben und arbeiten in Afghanistan und werden von der afghanischen Gesellschaft akzeptiert. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen viele Einschränkungen im Gegensatz zu originären Christen haben. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion.

19. Ja, die Situation der Christen in Afghanistan hat sich verbessert. Nationale und internationale Medien berichten von einer verbesserten Situation in Afghanistan. [...].

20. Nein, die Regierung hat dahingehend öffentlich keine Maßnahmen gesetzt; dennoch hat die Regierung kein Verbot über deren Aktivitäten ausgesprochen; z.B. haben sie viel [Anm.: Raum für] Propaganda in den unterschiedlichen Medien, z.B. im Radio, auf Websites und sozialen Netzwerken etc.

Einige Beispiele werden hier angeführt und die Regierung hat dies nicht verboten.

21. Rückkehrer/innen aus Europa werden ganz normal behandelt. Manche von ihnen werden sogar bewundert, sowohl von der Regierung als auch von der Gesellschaft - außer es gibt einen Grund für die schlechtere Behandlung.

[...]"

1.5.4. Auszug aus der Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 a-10159 (Situation von Konvertiten, Apostaten etc):

"[...]

1.5.4.1. Vom Islam abgefallene Personen (Apostaten):

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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