TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 W239 2204883-1

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W239 2204881-1/5E

W239 2204883-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2018 zu den Zahlen 1.) XXXX und 2.) XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ( XXXX , geb. XXXX ) reiste zusammen mit seiner Ehegattin, der Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX ), ins österreichische Bundesgebiet ein; sie stellten hier am 18.03.2018 im Rahmen eines Familienverfahrens die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer. Die Beschwerdeführer verfügten laut VIS-Abfrage jeweils über ein von 14.03.2018 bis 13.09.2018 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt am 06.03.2018 von der Vertretungsbehörde der Tschechischen Republik in Jekaterinburg/Russland.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.03.2018 gab die Zweitbeschwerdeführerin an, Diabetes zu haben und Tabletten zu nehmen; beide Beschwerdeführer könnten der Einvernahme aber folgen. In Österreich seien ihr erwachsener Sohn und ihre erwachsene Tochter aufhältig.

Zum gemeinsamen Reiseweg erklärten die Beschwerdeführer übereinstimmend, dass sie ihr Heimatland im März 2018 verlassen und Österreich als Reiseziel gehabt hätten, da sich hier ihre Kinder aufhalten würden. Sie seien über die Ukraine und über ihnen unbekannte Länder nach Österreich gereist. Der Erstbeschwerdeführer erklärte, bereits vor vier Jahren ein Visum für Österreich erhalten zu haben; die Zweitbeschwerdeführerin verneinte die Frage nach einem Visum oder einem Aufenthaltstitel.

Zum Fluchtgrund brachten die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, in der Heimat Probleme mit Kriminellen gehabt zu haben.

Dem Akt ist zu entnehmen, dass der Erstbeschwerdeführer vorerst von 25.03.2018 bis 31.03.2018 stationär in ein näher genanntes Krankenhaus aufgenommen wurde.

In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 11.04.2018 bezüglich beider Beschwerdeführer auf Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestützte Aufnahmeersuchen an die Tschechische Republik.

Mit Schreiben vom 04.06.2018 stimmte die tschechische Dublin-Behörde der Aufnahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO ausdrücklich zu.

Nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters erfolgte am 05.07.2018 die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer vor dem BFA.

Der Erstbeschwerdeführer gab hierbei an, dass es ihm gut gehe und er sich geistig und körperlich in der Lage fühle, die Befragung zu absolvieren. Der Grund, warum er sich von 25.03.2018 bis 31.03.2018 im Krankenhaus aufgehalten habe, sei, dass er sich nicht wohl gefühlt habe; der Arzt habe ein Karzinom festgestellt. Morgen (06.07.2018) müsse er wieder ins Krankenhaus, für wie lange wisse er nicht. In Österreich seien abgesehen von seiner mitgereisten Ehefrau noch seine Tochter und sein Sohn aufhältig. Seine Tochter sei bereits seit 15 Jahren in Österreich und besitze einen Aufenthaltstitel. Sein Sohn sei Asylwerber und sei seit vier Jahren in Österreich. Die Frage nach regelmäßigem Kontakt zu seinen Kindern, die 40 bzw. 43 Jahre alt seien, bejahte der Erstbeschwerdeführer; seit sie in Österreich seien, würden sich ihre Kinder um sie kümmern. Befragt, ob sie in den letzten vier bzw. 15 Jahren, als die Kinder bereits in Österreich gewesen seien, Kontakt zu diesen gehabt hätten, erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass sie ihre Kinder öfters in Österreich besucht hätten. Ihre Kinder hätten selbst Familie und jeweils zwei Kinder. In die Tschechische Republik habe er nie gewollt, er habe nie um ein tschechisches Visum angesucht. Er habe nach Österreich gewollt, weil er hier Verwandte habe. Aufgrund seines gesundheitlichen Problems könne er nicht in die Tschechische Republik. Im Falle einer Überstellung werde es ihm gesundheitlich noch schlechter gehen. Außerdem sei die sprachliche Barriere hier in Österreich nicht so groß, weil ihm seine Kinder hier helfen könnten.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab ebenfalls an, körperlich und geistig in der Lage zu sein, die Einvernahme durchzuführen. Sie sei allerdings Diabetikerin, habe hohen Blutdruck und bekomme dagegen Medikamente. Abgesehen von ihrem Mann würden sich noch ihr Sohn und ihre Tochter in Österreich aufhalten. Als ihre Kinder erfahren hätten, dass sie in Österreich seien, hätten sich diese sofort um sie gekümmert. Sie hätten sie bei den Arztbesuchen unterstützt und auch als Dolmetscher ausgeholfen. Ihre Kinder würden sie besuchen und ihnen Essen vorbeibringen. In den letzten Jahren seien sie in telefonischem Kontakt mit ihren Kindern gestanden. Sie glaube, sie werde eine Außerlandesbringung in die Tschechische Republik aus gesundheitlichen Gründen nicht schaffen. Auch wisse sie nicht, was sie dort machen solle. Beide, ihr Mann und sie selbst, seien krank und würden die Nähe ihrer Kinder benötigen. In der Tschechischen Republik hätten sie niemanden, keiner könne sich um sie kümmern. Über das Land könne sie nichts sagen, da sie nie dort gewesen seien. Es sei eine große Entlastung, wenn man bei den Kindern leben könne. Sie wisse auch nicht, was sie mit ihrem kranken Mann in der Tschechischen Republik machen solle.

In den Akten der Beschwerdeführer liegen folgende Dokumente auf:

Den Erstbeschwerdeführer betreffend:

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Ärztlicher Entlassungsbrief vom 30.03.2018

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Arztbriefe Onkologie vom 16.05.2018, vom 29.05.2018, vom 04.06.2018, vom 08.06.2018 und vom 17.06.2018 mit den Diagnosen bei Entlassung: "Adenokarzinom des distalen Ductus hepatocholedochus - ED 12/6 (vermutlich in Russland); Zustand nach Stentimplantation des DHC 12/16 (Russland) und Re-Implantation am 29.03.2018 aufgrund von Stentdislokation, Landesklinikum XXXX ; CT-Thorax, Abdomen (03/18, Klinikum XXXX ): hypodense Leberrundherde - am ehesten SBL-verdächtig; Einleitung einer palliativen Systemtherapie nach Schema Gemcitabin/Cisplatin (Landeskrankenhaus XXXX ), zuletzt Zyklus 1 Tag 8 am 15.05.2018 bzw. Zyklus 2 Tag 1 am 29.05.2018 bzw. Zyklus 2 Tag 8 am 08.06.2018 (postponiert) (ab 2. Zyklus G-CSF-Unterstützung), Fieberhafter Infekt unklarer Genese 06/2018."; angeführt wurde eine im groben gleichbleibenden Medikation. Als weitere Maßnahme wurde eine Wiedervorstellung erbeten "bei rascher AZ-Verschlechterung, Fieber, allgemeinen Infektzeichen".

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Arztbrief vom 27.06. 2018, aus dem hervorgeht, dass der Erstbeschwerdeführer wegen Fieber unter Systemtherapie am 25.06.2018 aufgenommen wurde. Die Diagnose bei Entlassung lautete: "Erneut Fieber bis 40°C unter laufender Systemtherapie ohne klaren Fokus-Verdacht auf Ausschwemmung aus dem GI-Trakt; Adenokarzinom des distalen Ductus hepatocholedochus - ED 12/6 (vermutlich in Russland); Zustand nach Stentimplantation des DHC 12/16 (Russland) und Re-Implantation am 29.03.2018 aufgrund von Stentdislokation, Landesklinikum XXXX ; CT-Thorax, Abdomen (03/18, Klinikum XXXX ):

hypodense Leberrundherde - am ehesten SBL-verdächtig; Einleitung einer palliativen Systemtherapie am 07.05.2018 nach Schema Gemcitabin/Cisplatin (Landeskrankenhaus XXXX ), zuletzt 3. Zyklus, Tag 1 am 29.06.2018 (postponiert) (ab 2. Zyklus G-CSF-Unterstützung)." Als Vordiagnose wurde angegeben: "Sekundäre biliäre Leberzirrhose Child Pugh B; Zustand nach Hepatitis B-Infektion; und Diabetes mellitus Typ II - HbA1c zuletzt 7,6%". Der folgenden Zusammenfassung des Aufenthalts lässt sich zusammengefasst entnehmen, dass der Erstbeschwerdeführer planmäßig zur Fortführung der pall. Systemtherapie stationär aufgenommen wurde. Aufgrund von Fieber (38°C) wurde die Systemtherapie pausiert und mit einer antibiotischen Therapie begonnen. Es kam zur raschen Symptombesserung, bereits am nächsten Tag war der Erstbeschwerdeführer symptomfrei. Der stationäre Aufenthalt zeigte sich im Verlauf unkompliziert, sodass bei rückläufigen Entzündungsparametern am 28.06.2018 eine Fortsetzung der Systemtherapie erfolgen konnte.

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Arztbrief Onkologie vom 06.07.2018 und vom 20.07.2018

Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend:

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Ärztliche Bestätigung vom 05.07.2018 aus der hervorgeht, dass insgesamt ein guter Gesundheitszustand besteht. Als Dauerdiagnose ist bekannt: "Diabetes mellitus (Typ II, nicht insulinpflichtig, HBA1c: 7,4% vom 12.06.2018); Hypercholesterinämie [Anm. BVwG: zu hoher Cholesterinspiegel im Blut]; Fettleibigkeit; Verdacht auf leichte Hüftarthrose beidseits ohne Relevanz". Als Dauermedikation wurde Metformin [Anm. BVwG: Arzneistoff der bei nicht insulinabhängiger Zuckerkrankheit und bei Übergewicht verschrieben wird] und Atorvastatin [Anm. BVwG: senkt den Cholesterinwert] verschrieben. Die Flugtauglichkeit wurde als positiv festgestellt.

Beide Beschwerdeführer betreffend:

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Heiratsurkunde

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Geburtsurkunden

Die medizinischen Unterlagen des Erstbeschwerdeführers wurden einer medizinischen Befundinterpretation zugeführt, die der beauftragte Arzt für Allgemeinmedizin am 16.07.2018 schriftlich wie folgt zusammenfasste:

"Bei dem ASt wurde 12/16 in Russland die korrekte Diagnose eines Gallengangskarzinoms gestellt. Im Anschluß daran wurde ebendort am 24.01.2018 eine diagnostische Laparaskopie durchgeführt und am 03.02.2018 eine Gallengansstent zu dessen Offenhalten gelegt. Offenbar kam es dabei zu Problemen, sodass der ASt 03/18 nach Österreich reiste.

Der ASt wurde wenige Tage nach seiner Asylantragstellung in Österreich 03/18 mit einem "Arztbrief von Russland" an der inkologischen Abtlg. Des LKH XXXX vorstellig, worin auf die Fehllage des genannten stents hingewiesen wurde. Es erfolgte noch im gleichen Monat die bioptische Bestätigung der in Russland gestellten Diagnose sowie Entfernung und Ersatz des afunktionellen stents bei Cholestase. Im Anschluss daran konnte die Indikation zur Einleitung einer palliativen Chemotherapie gestellt werden, welche am 07.05.2018 im LKH XXXX begonnen wurde, und welche seit 14.05.2018 im LKH XXXX fortgeführt wird. Darunter entwickelte der Pat. eine "milde" Blutbildsuppression mit Infektneigung und Anämie.

Als weitere Diagnose besteht bei dem ASt u.a. der V.a. hepatale Filialisierung der Tumorkrankheit, eine Milzvergrößerung, ein Z.n. Hepatitis B sowie ein Diabetes mellitus Typ 2. Die Diagnose ‚Leberzirrhose' konnte 06/18 sonographisch nicht bestätigt werden.

Der "Allgemeinzustand" des Pat. wurde zuletzt 97/18 als "weiterhin gut und fieberfrei" beschrieben."

Im Übrigen ergänzte der Allgemeinmediziner in Beantwortung konkreter behördlicher Fragen, dass die Reisefähigkeit des Erstbeschwerdeführers gegeben sei, eine Überstellung nach Tschechien keine Gefahr eines lebensbedrohlichen Zustandes bewirke und seine Abschiebung ab sofort möglich sei. Sämtliche unmittelbar erforderliche medizinische Maßnahmen seien bei dem Erstbeschwerdeführer vor der Überstellung durchgeführt worden. Während der Überstellung sei darauf zu achten, dass der Erstbeschwerdeführer seine Medikation mit sich führe. Nach der Überstellung benötige der Erstbeschwerdeführer Zugang zu seiner oder einer alternativen Medikation sowie zur Weiterverfolgung der Chemotherapie unter fachärztlicher Aufsicht.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 03.08.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Tschechische Republik für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 Z 1 FPG eine Abschiebung der Beschwerdeführer in die Tschechische Republik zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in der Tschechische Republik traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert und nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (MVCR 5.8.2016; vgl. MVCR o.D.a, MVCR o.D.b für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

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MVCR - Tschechisches Innenministerium (5.8.2016): Procedure for Granting International Protection in the Czech Republic, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/procedure-for-granting-international-protection-in-the-czech-republic.aspx, Zugriff 11.4.2018

-

MVCR - Tschechisches Innenministerium (o.D.a): Course of administrative proceedings for granting international protection, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/course-of-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018

-

MVCR - Tschechisches Innenministerium (o.D.b): Court review of actions and cassation complaints filed against decisions issued during administrative proceedings for granting international protection,

http://www.mvcr.cz/mvcren/article/court-review-of-actions-and-cassation-complaints-filed-against-decisions-issued-during-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018

Dublin-Rückkehrer

In der Tschechischen Republik werden Take charge-Rückkehrer automatisch in ein Aufnahmezentrum gebracht, wo diese gefragt werden, ob ihr Verfahren in der Tschechischen Republik fortgesetzt werden soll.

* Wenn ja, wird der Rückkehrer registriert, der Antrag formell eingebracht und das Verfahren fortgesetzt.

* Wenn der Rückkehrer kein Verfahren in der Tschechischen Republik wünscht, wird dieses formell beendet. Der Rückkehrer könnte beantragen in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden, ansonsten fällt er unter das Femdenrecht.

Im Falle von Take back-Rückkehrern deren vorhergehendes Asylverfahren noch läuft, werden diese in ein Asylzentrum gebracht und das Verfahren wird fortgesetzt.

Take back-Rückkehrer deren vorhergehendes Asylverfahren bereits abgeschlossen ist, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht und gefragt, ob sie einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellen wollen.

* Wenn ja, wird der Rückkehrer erneut registriert und der Antrag auf internationalen Schutz formell eingebracht (gilt als Folgeantrag).

* Wenn kein Asylantrag gestellt wird, wird das Verfahren beendet. Der Rückkehrer könnte beantragen, in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden. Ansonsten steht der Status der Person unter dem Alien Act-Verfahren. Der Rückkehrer könnte beantragen in einem freiwilligen Rückkehrverfahren registriert zu werden, ansonsten fällt er unter das Femdenrecht.

Die Versorgung von Dublin-Rückkehrern in der Tschechischen Republik unterscheidet sich nicht von jener für andere Antragsteller (EASO 24.10.2017).

Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren. Wenn ein vorheriges Asylverfahren eingestellt wurde weil sich der Antragsteller dem Verfahren entzogen hat (z.B. Nichterscheinen zum Interview), wird ein neuer Antrag inhaltlich behandelt. Wenn ein Rückkehrer bereits eine inhaltlich negative Asylentscheidung in der Tschechischen Republik erhalten hat, muss ein Folgeantrag neue Elemente enthalten um zulässig zu sein. Dublin-Rückkehrer haben denselben Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung und Unterbringung wie andere Antragsteller (MVCR 16.8.2016).

Quellen:

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EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.

Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

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MVCR - Tschechisches Innenministerium (16.8.2016), per E-Mail

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Die Zahl unbegleiteter minderjähriger Asylwerber (UMA) ist in der Tschechischen Republik sehr gering. 2015 haben sechs, 2014 sechs und 2013 zwei UMA Asyl beantragt. Sowohl die Bestimmungen des Gesetztes über den sozialen und rechtlichen Schutz von Kindern als auch des Asylgesetzes enthalten Regelungen, um ausreichenden Schutz für UMA zu gewährleisten (EPP 21-22.10.2015).

UMA werden zuerst zur Polizei gebracht und dann wird das Innenministerium verständigt, welches das erste Interview durchführt (Nidos/Caritas International/France Terre d'Asile 1.2015). Laut Asylgesetz beantragt das Innenministerium beim zuständigen Gericht die Bestellung eines gesetzlichen Vormunds, welcher den UMA während des Asylverfahrens vertritt (EPP 21-22.10.2015). Die Vormundschaft wird von einem Mitarbeiter der NGO Organizace Pro Pomoc Uprchlíkúm (OPU) übernommen (Nidos/Caritas International/France Terre d'Asile 1.2015).

Bei Zweifeln am Alter des Antragstellers kann das Innenministerium eine medizinische Altersfeststellung beantragen. Wenn der UMA die Untersuchung verweigert, wird er als Erwachsener behandelt. Die Altersfeststellung wird in der Regel in einem Krankenhaus mittels Handgelenksröntgen durchgeführt (EPP 21-22.10.2015).

UMA werden in einer Einrichtung für Kinder ausländischer Staatsangehöriger in Prag untergebracht (Nidos/Caritas International/France Terre d'Asile 1.2015; vgl. OPU o.D.). Dort bietet die NGO Organisation for Aid to Refugees (OPU) einmal pro Woche kostenlose soziale und rechtliche Beratung an. Weiters kann OPU je nach Bedarf psychologische Hilfe und Dolmetscher vermitteln und betreibt eine 24/7-Hotline für UMA. Derzeit ist OPU die einzige NGO, die sich für UMA und die Verbesserung ihrer Betreuungssituation einsetzt (OPU o.D.).

Beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind UMA mit tschechischen Bürgern gleichgestellt. Der Schulbesuch ist für UMA obligatorisch. Bei Bedarf erhalten UMA eine psychologische Betreuung (EPP 21-22.10.2015).

In der Tschechischen Republik werden spezielle Bedürfnisse von vulnerablen Asylwerbern im Interview erhoben. Als Vulnerable gelten UMA, Kinder mit speziellen Bedürfnissen, Opfer von Menschenhandel, Personen mit medizinischen oder psychologischen Bedürfnissen/Traumatisierte und Menschen mit erhöhtem Sicherheitsbedürfnis (EMN 2014). Die Bedürfnisse vulnerabler Personen werden bei der Unterbringung berücksichtigt (AA 11.11.1999).

Quellen:

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AA - Asylum Act (11.11.1999), Stand: 3.4.2016, http://www.mvcr.cz/mvcren/file/asylum-act.aspx, Zugriff 11.4.2018

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EMN - European Migration Network (2014): The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States (veröffentlicht von Europäische Kommission), http://www.emnbelgium.be/sites/default/files/publications/emn_organisation_of_reception_facilities_january_2014_3.pdf, Zugriff 11.4.2018

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EPP - Eastern Partnership Panel on Migration and Asylum (21-22.10.2015): Expert meeting on Unaccompanied Minor Asylum Seekers,

http://www.eapmigrationpanel.org/sites/default/files/files/matrix_compilation_umas.pdf, Zugriff 11.4.2018

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Nidos/Caritas International/France Terre d'Asile (1.2015): Manual and project report - Dublin for Guardians, https://engi.eu/wp-content/uploads/2016/11/Manual-and-project-report-Dublin-for-Guardians.pdf, Zugriff 11.4.2018

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OPU - Organization for Aid to Refugees (o.D.): Unaccompanied minors,

https://www.opu.cz/en/co-delame/pomoc-nezletilym-bez-doprovodu/, Zugriff 11.4.2018

Non-Refoulement

Personen, welche die Bedingungen für internationalen Schutz nicht erfüllen, aber wegen eines Risikos ernster Gefährdung nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, können subsidiären Schutz erhalten (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Czech Republic, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395772.html, Zugriff 11.4.2018

Versorgung

Die Tschechische Republik verfügt zur Unterbringung von Asylwerbern über Empfangszentren, Unterbringungszentren und Integrationsasylzentren. Sie alle unterstehen dem tschechischen Innenministerium und werden von der Refugee Facility Administration verwaltet. Zuerst kommen Antragsteller in ein geschlossenes Reception Center (ReC). ReC gibt es in Zastávka u Brna und am Flughafen Prag Ruzyne. Der Aufenthalt ist dort verpflichtend, es erfolgen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung und eine medizinische Untersuchung. Neben der Unterkunft und Verpflegung gibt es in ReC soziale und psychologische Dienste, medizinische Versorgung etc. Danach kommen Asylwerber bis zum rechtskräftigen Ende ihres Verfahrens in ein offenes Residential Center (RC), in dem sie das Recht auf Unterkunft, Verpflegung, rechtliche und psychologische Hilfe usw., sowie ein Taschengeld haben. Sozialarbeit hat einen hohen Stellenwert. RC gibt es in folgenden Gemeinden: Kostelec nad Orlicí und Havírov. Wenn Asylwerber über Finanzmittel über dem Existenzminimum verfügen, müssen sie sich an den Kosten für Unterkunft und Essen beteiligen. Asylwerber haben unter bestimmten Voraussetzungen das Recht auch außerhalb des Unterbringungszentrums privat zu wohnen. Schutzsuchende können dann auch, wiederum unter bestimmten Bedingungen, für 3 Monate finanzielle Zuwendungen erhalten (MVCR 5.8.2016; vgl. RFA o.D., NIEM 12.2017). Die Bedürfnisse vulnerabler Personen werden bei der Unterbringung berücksichtigt (AA 11.11.1999). Es gibt darüber hinaus noch drei Schubhafteinrichtungen in Belá pod Bezdezem, Vyšní Lhoty und Balková (RFA o.D.; vgl. NIEM 12.2017).

Die Höhe des Taschengeldes liegt in den Zentren in denen Essen bereitgestellt wird, bei 1,20 Euro pro Person und Tag. In den Zentren in denen selbst gekocht werden kann, liegt sie bei 4,50 Euro. Die Qualität der Unterbringung wird alle 6 Monate kontrolliert. Unabhängige Überprüfungen durch den Ombudsmann sowie das Gesundheitsamt sind möglich. Tschechien verfügt über etwa 673 Unterbringungsplätze, inklusive jener für Vulnerable und UMA. In den Empfangszentren gibt es Büchereien, Interneträume, Sportplätze, Gelegenheiten zur künstlerischen, handwerklichen und musischen Betätigung, Bereiche für Kinder und Basis-Sprachkurse. In den offenen Unterbringungszentren gibt es zusätzlich Möglichkeiten außerhalb der Zentren, wie etwa Ausflüge (EMN 2014). Nach Ablauf von sechs Monaten ab Antragstellung, haben Asylwerber legalen Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie über eine gültige Arbeitserlaubnis der regionalen Niederlassung des Arbeitsmarktservices der Tschechischen Republik verfügen (MVRC 7.3.2017).

Quellen:

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AA - Asylum Act (11.11.1999), Stand: 3.4.2016, http://www.mvcr.cz/mvcren/file/asylum-act.aspx, Zugriff 11.4.2018

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EMN - European Migration Network (2014): The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States (veröffentlicht von Europäische Kommission), http://www.emnbelgium.be/sites/default/files/publications/emn_organisation_of_reception_facilities_january_2014_3.pdf, Zugriff 11.4.2018

-

MVCR - Tschechisches Innenministerium (5.8.2016): Procedure for Granting International Protection in the Czech Republic, http://www.mvcr.cz/mvcren/article/procedure-for-granting-international-protection-in-the-czech-republic.aspx?q=Y2hudW09Mw%3D%3D, Zugriff 11.4.2018

-

MVCR - Tschechisches Innenministerium (7.3.2017): Information for employers,

http://www.mvcr.cz/mvcren/article/information-for-employers.aspx, Zugriff 11.4.2018

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NIEM - National Integration Evaluation Mechanism (12.2017): Asylum seekers and beneficiaries of international protection in V4 countries,

https://www.clovekvtisni.cz/media/publications/876/file/v4niem-repot-cz-hu-pl-sk-complete.pdf, Zugriff 11.4.2018

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RFA - Refugee Facilities Administration (o.D.): Facilities aministered by RFA of the Ministry of the Interior, http://www.suz.cz/en/, Zugriff 11.4.2018

Medizinische Versorgung

Asylwerber genießen die Leistungen des öffentlichen Krankenversicherungssystems (MVCR o.D.b).

Das tschechische Finanzministerium bezahlt die monatlichen Sozialversicherungsbeiträge für bestimmte Gruppen wirtschaftlich inaktiver Personen, darunter auch Asylwerber (HiT 2015).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen

von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

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HiT - European Observatory on Health Systems and Policies: Health Systems in Transition, Vol. 17 No. 1 2015; Czech Republic, Health system review, 2015,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1441871505_czech-hit.pdf, Zugriff 11.4.2018

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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

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MVCR - Tschechisches Innenministerium (o.D.b): Court review of actions and cassation complaints filed against decisions issued during administrative proceedings for granting international protection,

http://www.mvcr.cz/mvcren/article/court-review-of-actions-and-cassation-complaints-filed-against-decisions-issued-during-administrative-proceedings-for-granting-international-protection.aspx, Zugriff 11.4.2018

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, die Anträge auf internationalen Schutz seien zurückzuweisen, weil gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO die Tschechische Republik für die Prüfung der Anträge zuständig sei.

Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführer ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben.

Im Hinblick auf Art. 3 EMRK wurde zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer festgehalten, beim Erstbeschwerdeführer sei eine Tumorkrankheit bei Adenokarzinom des Ductus hepatocholedochus, laufende palliative Chemotherapie st. 05/18 mit "milder" Blutbildsuppression und mehrmaligen, fieberhaften Infekten, sowie Verdacht auf hepatale Filialisierung, zustand nach Hebatitis B-Infektion, Splenomegalie, Diabetes mellitus Typ 2, Prostatahypertrophie und kombinierte, gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits, diagnostiziert worden. Die Zweitbeschwerdeführerin würde an Diabetes mellitus (Typ 2, nicht insulinpflichtig), Hypercholesterinämie, Fettleibigkeit und leichter Hüftarthrose beidseits ohne Relevanz leiden. Im Falle einer Überstellung bestehe nicht die Gefahr, dass die Beschwerdeführer, insbesondere der Erstbeschwerdeführer, in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder sich diese Krankheiten in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtern würden.

Betreffend Art. 8 EMRK wurde ausgeführt, es handle sich gegenständlich um ein Familienverfahren und habe sich für sämtliche Familienangehörige dieselbe aufenthaltsbeendende Maßnahme ergeben. Durch die Außerlandesbringung der gesamten Familie aus Österreich nach Tschechien bleibe die Einheit der Familie gewahrt, weshalb die im gegenständlichen Verfahren getroffene Entscheidung keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens darstelle. Es bestehe zwar ein familiäres Verhältnis zwischen den Beschwerdeführern und den erwachsenen Kindern, sie würden allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern und deren Familien leben und es bestehe zu diesen weder ein finanzielles, noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis.

3. Gegen die Bescheide des BFA erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtmittel der Beschwerde und hielten fest, dass die Bescheide zur Gänze angefochten würden. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde die auf aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Inhaltlich wurde auf das bereits erstattete Vorbringen verwiesen und ausgeführt, dass der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer sehr schlecht sei. Im Falle der Überstellung nach Tschechien drohe ihnen die Gefahr einer unmenschlichen und menschenrechtswidrigen Behandlung. Der Rechtsprechung des EGMR sei zu entnehmen, dass für die Überstellung von vulnerablen Personen eine Einzelfallzusicherung einzuholen sei, die konkrete Angaben über die Versorgung und Unterbringung der betroffenen Personen beinhalte und garantieren müsse. Das BFA habe es unterlassen, eine solche Einzelfallzusicherung einzuholen.

Des Weiteren bestehe ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis der Beschwerdeführer zu ihren in Österreich lebenden Kindern. Diese würden die Beschwerdeführer die ganze Zeit unterstützen. Ohne diese Unterstützung könnten sie nicht überleben. Im Falle der Überstellung in die Tschechische Republik würden die Beschwerdeführer in ein Land gebracht, wo sie weder die Sprache beherrschen würden, noch Verwandte hätten. Der Erstbeschwerdeführer mache zurzeit eine viermonatige Chemotherapie durch. Auch sei vom BFA nicht ermittelt worden, wie sich eine Unterbrechung der Chemotherapie auf die Gesundheit des Erstbeschwerdeführers auswirken werde bzw. ob dieser überhaupt im Stande sei, nach Tschechien überstellt zu werden. Fakt sei, dass sein Gesundheitszustand derart schlecht sei, dass er nicht dazu fähig sei, längere Reisen anzutreten. Zum Beweis dafür werde der Antrag auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens gestellt.

Am 06.09.2018 langte ein Arztbrief Onkologie betreffend den Erstbeschwerdeführer vom 16.08.2018 ein, aus dem hervorgeht, dass der Erstbeschwerdeführer am selben Tag in die häusliche Umgebung entlassen werden konnte. Angemerkt wurde, dass es in weiterer Perspektive wünschenswert wäre, die weiteren therapeutischen Maßnahmen an der zuständigen Abteilung durchzuführen. Weiters wurde auf den zu erwartenden erhöhten Betreuungsbedarf des Erstbeschwerdeführers im Familienkreis hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Beide sind russische Staatsangehörige und reisten unter Verwendung jeweils eines von der Vertretungsbehörde der Tschechischen Republik in Jekaterinburg/Russland ausgestellten Schengen-Visums Typ C, gültig im Zeitraum vom 14.03.2018 bis zum 13.09.2018, in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und stellten im Bundesgebiet am 18.03.2018 im Rahmen eines Familienverfahrens die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Das BFA richtete am 11.04.2018 auf Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 Dublin-III-VO gestützte Aufnahmeersuchen an die Tschechische Republik, welchen die tschechische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 04.06.2018 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO ausdrücklich zustimmte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat Tschechien an.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in der Tschechischen Republik sprechen, liegen nicht vor.

Im zuständigen Mitgliedstaat Tschechien herrschen keine systemischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes, auch nicht hinsichtlich Unterbringung und medizinischer Versorgung; es besteht auch keine reale Gefahr einer Zurückschiebung, ohne Möglichkeit, Rechtsschutz zu erlangen.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leiden, die einer Überstellung in die Tschechische Republik aus gesundheitlichen Gründen entgegenstehen.

Beim Erstbeschwerdeführer wurde eine Tumorkrankheit bei Adenokarzinom des Ductus hepatocholedochus, laufende palliative Chemotherapie st. 05/18 mit "milder" Blutbildsuppression und mehrmaligen, fieberhaften Infekten, sowie Verdacht auf hepatale Filialisierung, zustand nach Hebatitis B-Infektion, Splenomegalie, Diabetes mellitus Typ 2, Prostatahypertrophie und kombinierte, gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits, diagnostiziert.

Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an Diabetes mellitus (Typ 2, nicht insulinpflichtig), Hypercholesterinämie, Fettleibigkeit und leichter Hüftarthrose beidseits ohne Relevanz.

Die Überstellbarkeit der Beschwerdeführer, im Sinne der Reisefähigkeit, ist gegeben. Beim Erstbeschwerdeführer wurde eine Systemtherapie und eine Aszitespunktion durchgeführt. Des Weiteren wurden ihm Medikamente verschrieben und er wurde in die häusliche Umgebung entlassen. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenso medikamentös eingestellt. Die Behandlungsmöglichkeiten, die vom Erstbeschwerdeführer benötigte Therapie mit entsprechender Begleitmedikation sowie die Medikation der Zweitbeschwerdeführerin bestehen in der Tschechischen Republik und es ist bei Inanspruchnahme dieser Möglichkeit nicht davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin im Falle einer Überstellung nach Tschechen verschlechtert.

Besonders intensiv ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Seit rund 15 Jahren ist die erwachsene Tochter, seit etwa vier Jahren der erwachsene Sohn der Beschwerdeführer in Österreich aufhältig, beide haben eigene Familien. Die Tochter ist im Besitz eines Aufenthaltstitels, der Sohn ist Asylwerber. Die Beschwerdeführer leben mit ihren erwachsenen Kindern nicht im gemeinsamen Haushalt und nehmen Leistungen des Grundversorgungssystems in Anspruch. Die Beschwerdeführer haben zu ihren erwachsenen Kindern daher keine besonders intensiv ausgeprägten familiären Bindungen und stehen auch in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen.

2. Beweiswürdigung:

Auf Grund der vorliegenden Treffer in der VIS-Datenbank steht fest, dass die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich am 18.03.2018 jeweils über ein gültiges Schengen-Visum Typ C (Gültigkeitszeitraum: von 14.03.2018 bis 13.09.2018), ausgestellt von der tschechischen Vertretungsbehörde in Jekaterinburg/Russland, verfügten.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführer seitens der Tschechischen Republik ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der tschechischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Für den konkreten Fall ist insbesondere relevant, dass den Länderfeststellungen eindeutig zu entnehmen ist, dass Asylwerber die Leistungen des öffentlichen Krankenversicherungssystems genießen, und, dass das tschechische Finanzministerium die monatlichen Sozialversicherungsbeiträge u.a. auch für Asylwerber bezahlt, weshalb festgestellt werden konnte, dass die vom Erstbeschwerdeführer benötigte Therapie mit entsprechender Begleitmedikation sowie die Medikation der Zweitbeschwerdeführerin auch in der Tschechischen Republik zugänglich ist.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen, aus der vom BFA in Auftrag gegebenen Befundinterpretation vom 16.07.2018 sowie aus den Angaben der Beschwerdeführer. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen hinsichtlich privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführer in Österreich basieren auf Auskünften aus dem Zentralen Melderegister, aus dem Betreuungsinformationssystem, aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführer.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 5 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

§ 10 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet is

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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