TE Bvwg Beschluss 2018/9/20 W201 2177407-2

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2177407-2/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Str. 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in der Folge: BF) reiste spätestens am 01.11.2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der am 03.11.2015 durchgeführten Erstbefragung gab der BF an, seine Eltern seien mit der Familie aus Afghanistan in den Iran geflohen, da die Taliban in der Nachbarschaft Kinder vergewaltigt und entführt hätten. Im Iran seien sie ohne Perspektive gewesen, weil sie dort illegal gelebt hätten und daher nicht arbeiten hätten können. Als sie nach Afghanistan abgeschoben hätten werden sollen, hätten sie sich zur Flucht nach Europa entschlossen.

2. Der BF wurde am 29.09.2017 durch die belangte Behörde hinsichtlich seines Antrages auf internationalen Schutz einvernommen und gab zu seinen Fluchtbegründen an, er sei in Afghanistan geboren und dann mit seiner Familie in den Iran übersiedelt. Dort habe er sechs Jahre als Straßenverkäufer gearbeitet.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG wurde die Frist für eine freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt aus, der BF sei in Afghanistan keine asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens hätten sich auch keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft ergeben. Eigene Fluchtgründe habe der BF nicht geltend gemacht. Für den Fall der Rückkehr stellte das Bundesamt fest, der BF leide an keiner Erkrankung, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Es könnten überdies keine in seiner Person selbst gelegenen Gründe ausgemittelt werden, welche ein Rückkehrhindernis darstellen könnten. Dem Bundesamt seien überdies keine Umstände bekannt, dass in der Republik Afghanistan eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige monetäre Katastrophe vorherrschte, dass das Überleben von Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich infrage gestellt wäre. Bezüglich des Privat-und Familienlebens stellte die belangte Behörde fest, der BF lebe mit seinen Eltern und seinen Brüdern seit November 2015 im österreichischen Bundesgebiet. Über weiteren verwandtschaftlichen Anschluss in Österreich verfüge er nicht. Keinem Familienangehörigen seine Österreich des Status des Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, weshalb auch im Hinblick auf das zu führende Familienverfahren keine andere Entscheidung herbeizuführen gewesen sei.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 14.11.2017 Beschwerde, in der vorgebracht wurde, dass die Ermittlungen und Befragungen durch die belangte Behörde mangelhaft gewesen seien. Überdies drohe dem BF im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan die Zwangsrekrutierungen durch regierungsfeindliche Kräft.

5. Am 22.03.2018 wurde der BF durch das LG Salzburg gem. §§ 15 und 269 (1) StGB unter Vorbehalt der Strafe, Probezeit 3 Jahre, verurteilt. Am 02.05.2018 wurde erstmals die Untersuchungshaft wegen §§ 15, 105 (1), 83 (1) 107 (1,2) und 125 StGB über den BF verhängt.

Am 30.05.2018 wurde der BF aus der Untersuchungshaft entlassen, jedoch am 02.07.2018 neuerlich in Untersuchungshaft genommen.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde gegen den BF gem. § 10 Abs.1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gem § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigestz erlassen (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig ist. Weiters wurde gegen den Bf ein 3-jähriges Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV wurde festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 02.07.2018 verloren hat und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die Ausreise (Spruchpunkt VI).

Begründend führte das Bundesamt aus, eine Besserung des Verhaltens des BF sei nicht anzunehmen, da er sich seit 02.07.2018 neuerlich in Untersuchungshaft befinde. Da der BF nicht bereit sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, sei sein Aufenthalt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Auch die Zukunftsprognose sei negativ. Der BF habe nie ein asylrechtlich relevantes Vorbringen erstattet. Das Bundesamt gehe davon aus, dass bei einer Rückkehr des BF nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sei im öffentlichen Sicherheitsinteresse und im sinne eines geordneten Fremdenwesens geboten.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Zusammengefasst wurde vorgebracht er, der BF müsse weiterhin mit unmenschlicher Behandlung rechnen und sein Leben und seine Gesundheit wären in Afghanistan in größter Gefahr. Der BF habe keine familiären, wirtschaftlichen oder sozialen Bezugspunkte in seinem Herkunftsland, damit wäre ihm zumindst subsisiärer Schutz zu gewähren. Überdies sei die Sicherheitslage in Afghanistan für die zivile Bevölkerung kritisch und gefährlich, was für den BF ebenfalls eine Verletzung von einschlägigen Normen der EMRK zur Folge haben würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht getroffen werden. Der BF macht ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen geltend, indem er auf den Umstand hingewiesen hat, dass seine gesamte engere Familie in Österreich lebe und er selbst bereits in seinem 9. Lj Afghanistan verlassen habe und das Land ihm daher unbekannt sei.

Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens muss - entgegen der Ansicht des Bundesamtes - prima facie davon ausgegangen werden, dass für den BF ein Gefährdungsrisiko besteht und es sich somit um "vertretbare Behauptungen" handelt. Daher war der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W201.2177407.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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