TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/21 W233 2192325-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W233 2192325-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. XXXX FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger des Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2018, Zahl:

1111861300-16055285, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.06.2018 zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG

2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste unter Verwendung eines österreichischen Schengen-Visums in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Seinen Antrag begründete er im Rahmen seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit, dass er im Iran von seiner Stiefmutter geschlagen und gefoltert worden sei. Er sei nach Österreich gekommen, da sein Onkel hier aufhältig sei.

1.3. Mit Schreiben vom 19.10.2016 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass im Sommer 2016 eine Konversion ins Christentum erfolgt sei und legte eine Taufurkunde vom 25.06.2016 vor.

1.4. Im Rahmen seiner Einvernahme am 21.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bestätigte der Beschwerdeführer die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben und brachte ergänzend vor, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran in Lebensgefahr sei, da seine Stiefmutter von seiner Konversion wisse und zu ihm gesagt habe, sie werde ihn persönlich der Polizei aushändigen. Er sei über seinen in Österreich lebenden Onkel mit dem Christentum in Kontakt gekommen und Mitglied der protestantischen Kirche.

1.5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG sowie § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

1.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 22.02.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 22.06.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

1.7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 11.04.2018 fristgerecht Beschwerde.

1.6. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 27.06.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ebenfalls wurden fünf Zeugen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich einvernommen. Das Bundesamt hat sich bereits anlässlich der Vorlage der Beschwerde für die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung entschuldigt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, Stand 09.05.2018, in das Verfahren eingebracht und mit dem vertretenen Beschwerdeführer erörtert.

1.7. Am 16.07.2018 langte am Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

1.8. Der Beschwerdeführer legte im Verfahren folgende Dokumente/Unterlagen vor:

* Kopie Reisepass (AS 7 f);

* Schreiben XXXX (Onkel des Beschwerdeführers) vom 24.06.2016 bezüglich der Fluchtgründe des Beschwerdeführers (AS 47);

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 23.06.2016 (AS 49);

* Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom XXXX (AS 65);

* Kopien Schülerausweis, E-Card, Aufenthaltsberechtigungskarte (AS 71 ff);

* Kopie Taufurkunde vom 25.06.2016 (AS 77);

* Kursbesuchsbestätigung über einen Deutsch Integrationskurs A1 vom 10.11.2017 (AS 151);

* Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs A1+;

* Besuchsbestätigung über den Kurs Bildung für Flüchtlinge (Deutsch, Mathematik, Englisch, IKT, Wertekurs) vom 07.11.2017 (AS 155);

* Amtlich beglaubigte Übersetzung des Personalausweises des Vaters Beschwerdeführers (AS 157 f);

* Beglaubigte Übersetzung einer Vollmacht des Vaters des Beschwerdeführers als Vollmachtgeber an den Onkel des Beschwerdeführers als Vollmachtnehmer über die Obsorge, Betreuung, Erledigung sämtlicher Amtswege sowie Erziehung und schulische Aufsicht des Beschwerdeführers (AS 161 f) samt beglaubigter Übersetzung der Registrierung der Vollmacht im Iran (AS 167 f);

* Übersetzung des Reisepasses des Beschwerdeführers (AS 173 f);

* Übersetzung einer Registrierung der Erlaubnis des Vaters des Beschwerdeführers zu dessen Ausreise aus dem Iran und Einreise nach Österreich (AS 177 f);

* Amtlich beglaubigte Übersetzung des Personalausweises des Beschwerdeführers (AS 181 f);

* Amtlich beglaubigte Übersetzungen von Schulzeugnissen des Beschwerdeführers (AS 197 ff);

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 20.11.2017 (AS 205);

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 16.11.2017 (AS 207);

* Empfehlungsschreiben Christliche Internationale Gemeinde CIG Wien vom 19.11.2017 (AS 211);

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 17.11.2017 (AS 213);

* Fotos Taufe (AS 217 ff);

* Kursantrittsbestätigung Deutschkurs A1+ vom 29.10.2017 (AS 233);

* Sozialpädagogischer Zwischenbericht der Caritas vom 03.11.2017 (AS 241 ff);

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 15.01.2018 (AS 253 f);

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 25.06.2018;

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 12.06.2018;

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 22.06.2018;

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 25.06.2018;

* Antrittsmeldung des Kurses Deutsch Basisbildung A2, Integration ab Tag 1 vom 25.06.2018;

* ÖSD Zertifikat A2 vom 10.07.2018.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers, beinhaltend die Befragungen vom 22.06.2016 und 24.06.2016 (Erstbefragungen) sowie vom 21.11.2017 (niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA), den gegenständlichen Bescheid vom 22.02.2018 und die Beschwerde vom 11.04.2018; durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und fünf Zeugen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.06.2018; durch Einsichtnahme in die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen, in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR sowie durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran (Stand 09.05.2018). Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2. Feststellungen:

2.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger des Iran. Er gehört der Volksgruppe der Quashkai an. Seine Identität steht fest.

2.2. Der Beschwerdeführer wurde als schiitischer Moslem im Iran geboren und kam in Österreich mit dem Christentum in Kontakt.

Er ist vom Islam zum Christentum konvertiert, hat in der "Christliche Internationale Gemeinde CIG Wien" einen Taufkurs besucht und wurde am 25.06.2016 getauft. Der Beschwerdeführer ist praktizierender Angehöriger der CIG Wien und aktiv am christlichen Leben beteiligt. Er besucht regelmäßig den Gottesdienst.

Die CIG Wien ist eine Ortsgemeinde der "Freie Christengemeinde - Pfingstgemeinde in Österreich", welche wiederum zu den Freikirchen Österreichs gehört.

2.3. Bei einer Rückkehr in den Iran würde der Beschwerdeführer nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben. Seine im Iran lebenden Familie, insbesondere sein Vater und seine Stiefmutter, wissen von der Konversion.

2.4. Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran auf Grund seiner nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt.

Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam zum Christentum Konvertierten keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

2.5. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG sowie § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

2.6. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über den Iran, mit Stand vom 09.05.2018, gekürzt und bereinigt):

2.6.1. Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

* Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

* Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

* Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

* Spionage für fremde Mächte;

* Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

* Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Das Sondergericht für Geistliche und die Revolutionsgerichte waren besonders empfänglich für Druck seitens der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden, die darauf drängten, Angeklagte schuldig zu sprechen und harte Strafen zu verhängen (AI 22.2.2017).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Justizbedienstete des Ministeriums für Geheimdienste, der Revolutionsgarden und anderer Behörden setzten sich ständig über Bestimmungen hinweg, die die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsah, wie das Recht auf einen Anwalt unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft und das Recht auf Aussageverweigerung. Strafverteidiger erhielten oft keine vollständige Akteneinsicht und konnten ihre Mandanten erst unmittelbar vor Prozessbeginn treffen. Untersuchungshäftlinge befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft und hatten entweder überhaupt keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und ihrer Familie oder nur sehr selten. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel zugelassen. Richter begründeten ihre Urteile häufig nicht ausreichend, und die Justizverwaltung machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich. Die Staatsanwaltschaft nutzte Paragraph 48 der Strafprozessordnung, um Gefangenen einen Rechtsbeistand ihrer Wahl zu verweigern (AI 22.2.2017, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

* "Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.

* "Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 €). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).

Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas-Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch Auspeitschungen werden zum Teil öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt - auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines Abstandsgeldes verzichten (ÖB Teheran 10.2016).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach iStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind allerdings keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 8.12.2016).

Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 10.2016).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, Quellen zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt. Weiters gibt es eine Bestimmung im Strafgesetzbuch, die Richtern ermöglicht, sich auf ihr persönliches Wissen zu berufen, wenn sie Urteile fällen (ICHR 7.12.2010).

2.6.2. Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung zur Vollstreckung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung. So das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Sicherheitskräfte werden nicht als völlig effektiv bei der Verbrechensbekämpfung angesehen und Korruption und Straffreiheit sind weiter problematisch. Menschenrechtsgruppen beschuldigten reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert (US DOS 3.3.2017).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer. Organisatorisch den Pasadaran unterstellt ist die sog. Bassij-Bewegung, ein paramilitärischer Freiwilligenverband, dem auch Frauen angehören. Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst ("Vezarat-e Etela'at") mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfälle und Verletzungen von Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 8.12.2016).

Die "Sepah Pasdaran" (Revolutionsgarden) sind heute die mächtigste Instanz im Iran, sowohl politisch, als auch wirtschaftlich und militärisch. Die reguläre Armee spielt neben den Pasdaran eine sehr sekundäre Rolle. Die Pasdaran sind mit modernsten Waffen ausgerüstet. Sie sind schlagkräftig und entscheiden alle militärischen Fragen, und die reguläre Armee ist dagegen völlig in den Hintergrund geraten. Inzwischen gelten sie auch als die größte wirtschaftliche Macht des Landes. Die Pasdaran bekommen zum einen Konzessionen für alle größeren infrastrukturellen Projekte im Iran. Ob es um Staudämme geht oder um den Straßenbau, den Bau von Häfen oder Flughäfen: An allen Großprojekten sind die Pasdaran beteiligt. Darüber hinaus kontrollieren sie die Häfen und Flughäfen und damit auch den gesamten Markt, Aus- und Einfuhren und vor allem auch den Schwarzmarkt. Sie können Waren ins Land bringen und ausführen, ohne Zoll oder Steuern zu bezahlen. Die Pasdaran sind auch beteiligt an Ölprojekten. Die Pasdaran sind an den Entscheidungen sowohl im Atomstreit als auch in sonstigen politisch wichtigen Angelegenheiten direkt mitbeteiligt. Sie sind sehr stark involviert in das Atomprogramm. Ihre ehemaligen Kommandeure sitzen an den Schalthebeln der Macht. 2005 hat Mahmud Ahmadinedschad, als er zum ersten Mal zum Staatspräsidenten gewählt wurde, die meisten und wichtigsten Schlüsselpositionen mit Kommandanten der Pasdaran besetzt (DW 13.6.2013). Sie sind eng mit der Politik verzahnt und konnten in den vergangenen Jahren ihren wirtschaftlichen Einfluss ausbauen. Sie sind in allen Sektoren aktiv, mit teilweise monopolartigen Stellungen in der Rüstungs- und Bauindustrie, bei Energieprojekten, im Schmuggel von Konsumgütern und im Telekommunikationssektor (DW 13.6.2013, vgl. FH 2016).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis im Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/ enger Mantel oder das Hervorlugen von Haarsträhnen unter dem Kopftuch für eine Verhaftung, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt reichen (ÖB Teheran 10.2016).

2.6.3. Religionsfreiheit

Die Bevölkerung besteht zu ca. 89% Schiiten, 10% Sunniten, Zoroastrier, Juden, Christen, und 1% Baha'i (Länderdaten o.D., vgl. CIA 12.1.2017, ACCORD 9.2015). Im Iran ist der schiitische Islam (Zwölfer-Schia) Staatsreligion. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) ChristInnen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale ChristInnen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Missionarische Tätigkeit - d.h. jegliches nicht-islamisches religiöses Agieren in der Öffentlichkeit - und Konversion vom Islam sind verboten und werden streng geahndet (ÖB Teheran 10.2016, vgl. AA 8.12.2016, US DOS 10.8.2016, FH 2017).

Statistische Daten über missionarische Tätigkeit bzw. deren regionale Aufteilung liegen nicht vor. Es gibt im Iran anerkannte religiöse Minderheiten, deren Vertreter immer wieder betonen, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Anerkannte religiöse Minderheiten sind laut Verfassung Christen, Juden und Zoroastrier. Diese sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Moslems anwesend sind. Beispiel für die rechtliche Diskriminierung anerkannter religiöser Minderheiten ist, dass ihren Angehörigen höhere Positionen im Staatsdienst verwehrt sind und, dass ihnen in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht nicht dieselben Rechte zukommen wie Moslems. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Dennoch sind die hauptsächlichen Akteure von denen eine Verfolgung ausgeht, staatliche Akteure. Der Auswanderungsdruck ist auf Grund der für alle IranerInnen geringeren wirtschaftlichen Perspektiven auch bei den Angehörigen der anerkannten religiösen Minderheiten weiterhin groß (ÖB Teheran 10.2016).

Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der - auch von außen als solche klar erkennbaren - Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich aus unterschiedlichen Gründen penibel an das Verbot. Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften sind angewiesen, Mitgliedskarten mit sich zu tragen, die von Behördenvertretern außerhalb von Gottesdiensten kontrolliert werden (ÖB Teheran 10.2016, vgl. US DOS 10.8.2016).

Anhänger der Baha'i-Glaubensgemeinschaft, Sufis, die Gemeinschaft der Ahl-e Haqq [Yaresan] und andere religiöse Minderheiten konnten ihren Glauben nicht frei praktizieren und wurden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert, u. a. im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt und bei Erbschaftsangelegenheiten. Dies galt auch für Muslime, die zum Christentum konvertiert waren, und für Sunniten (AI 22.2.2017, vgl. FH 2017).

2.6.3.1. Christen

Die christliche Minderheit besteht vor allem aus Armeniern verschiedener Konfessionen. Daneben gibt es noch einige Ostchristen, unter denen die Assyrer die größte Gruppe stellen. Die Christen lebten traditionell vor allem im Nordwesten des Landes, außerdem in Teheran und Esfahan. Nach der Islamischen Revolution zogen viele Armenier nach Teheran, so dass heute 75% von ihnen dort leben. Insgesamt gibt es etwa - je nach Quelle - 100.000 (GIZ 3.2017a, vgl. US DOS 10.8.2016) bis 300.000 christliche Iraner, ihnen stehen zwei Parlamentssitze zu (FIS 21.8.2015, vgl. US DOS 10.8.2016).

Das Christentum im Iran kann in ethnische und nicht-ethnische Christen unterteilt werden. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen und beziehen sich auf armenische und assyrische (oder auch chaldäische) Christen, die eine lange Geschichte im Iran vorweisen und ihre eigenen linguistischen und kulturellen Traditionen besitzen. Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah Regimes. Die Mitglieder sind - wenn auch nicht alle - Konvertierte aus dem Islam. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird berichtet (ÖB Teheran 10.2016, vgl. FIS 21.8.2015, ICHRI 2013). Im Dezember 2015 sollen etwa eine Reihe von Privatwohnungen wegen Weihnachtsfeiern von den Behörden gestürmt und rund zehn Personen festgenommen worden sein. Ende 2015 waren Berichten zufolge mindestens 90 Christen wegen ihres Glaubens bzw. ihrem Übertritt zum Christentum in Haft. Den verhafteten Christen werden, zumindest teilweise, nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Iranische Menschenrechtsgruppen berichteten zudem von einem Anstieg von gewalttätigen Übergriffen in den Gefängnissen im Jahr 2015, welche möglicherweise als Abschreckung gegen einen Übertritt zum Christentum dienen sollte (ÖB Teheran 10.2016). Laut der Gefangenenliste von Open Doors befinden sich mit Stand Dezember 2016 60 Christen in Haft, zwei wurden auf Kaution freigelassen, zwei freigelassen und zehn freigelassen mit Verbot Land zu verlassen (Open Doors 12.2016).

Soweit Christen die Ausübung ihres Glaubens ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinden beschränken, werden sie nicht behindert oder verfolgt. Christlichen Kirchen wurde untersagt, ihre Gottesdienste an einem Freitag und in persischer Sprache abzuhalten. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 8.12.2016, vgl. FIS 21.8.2015, US DOS 10.8.2016). So wurde der Christ Ebrahim Firouzi im Juni 2013 zu 10 Jahren Haft verurteilt, weil er 12.000 Bibeln verteilt und zu Gottesdiensten in sein Haus eingeladen hatte (AA 8.12.2016).

Vor allem evangelikale Christen und Konvertiten sahen sich weiterhin Schikanen und Beobachtung ausgesetzt. Die Behörden verhafteten Christen unverhältnismäßig oft. Viele dieser Verhaftungen passierten während Razzien bei religiösen Zusammentreffen bei denen die Behörden auch religiöses Eigentum beschlagnahmten. Die Behörden verlangen von Kirchengängern Ausweise und hielten muslimische Konvertiten davon ab, assyrische oder armenische Kirchen zu betreten (US DOS 10.8.2016).

2.6.3.2. Apostasie / Konversion zum Christentum / Proselytismus

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2015 bzw. für das erste Halbjahr 2016 dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurde von mindestens 20 Exekutionen im Jahr 2015 wegen "moharebeh" berichtet (ÖB Teheran 10.2016).

Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind 22 Sunniten vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2016, vgl. DIS 23.6.2014).

Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger nicht das Recht, seinen Glauben auszusuchen, zu wechseln oder aufzugeben. Die Regierung sieht das Kind eines muslimischen Mannes als Muslim an und erachtet eine Konversion vom Islam als Apostasie. Obwohl das iranische Strafrecht keine Regelung bezüglich Apostasie beinhaltet, können Richter aufgrund der Scharia Apostasie mit der Todesstrafe belegen. Nicht-Muslime dürfen ihre religiösen Ansichten und Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken, da dies als Missionierung gilt (Proselytismus) und ebenso mit der Todesstrafe bedroht ist. Christen, die vom Islam konvertiert sind, können von staatlichen Behörden bedroht sein, da sie als Apostaten gelten und dies eine Straftat ist (US DOS 10.8.2016, vgl. AA 8.12.2016, ACCORD 9.2015).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Die Regierung vollzieht weiterhin das Verbot des Proselytismus. Die Behörden halten Muslime davon ab, kirchliche Grundstücke zu betreten. Kirchen wurden geschlossen und Konvertiten verhaftet. Evangelikale Gottesdienste bleiben auf Sonntag [Werktag] beschränkt. Christliche Gottesdienste auf Farsi sind verboten. Sicherheitspersonal, das vor den Kirchen postiert ist, führt weiterhin Identitätskontrollen der Gläubigen durch. Offizielle Berichte und die Medien charakterisierten die christlichen Hauskirchen weiterhin als "illegale Netzwerke" und "Zionistische Propagandainstitutionen" (US DOS 10.8.2016).

Im FFM Bericht des Danish Immigration Service wird von mehreren Quellen berichtet, dass sich Konvertiten in Bezug auf ihren Religionswechsel eher ruhig verhalten, um keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu lenken. Wenn aber ein Konvertit z.B. in Hauskirchen aktiv ist oder missioniert, können sich Probleme mit Behörden ergeben. Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros [Geheimdienst] mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. Seit 1990 gab es keinen Fall mehr, indem ein Konvertit wegen Apostasie exekutiert worden wäre. Der letzte Apostasie Fall war jener von Youssef Naderkhani, einem Pastor der Kirche von Iran, der international großes Medienecho hervorrief. Der FFM Bericht berichtet weiter, dass ab 2009-2010, als Naderkhanis Fall aufkam, Gerichte vom Regime unter Druck gesetzt wurden, Apostasieanklagen gegen Konvertiten zu verwenden. Die Gerichte wären aber eher zögerlich gewesen, da Apostasiefälle den religiösen Gerichtshöfen vorbehalten waren. Religiöse Gerichtshöfe waren die einzigen die Apostasiefälle verhandeln durften und demzufolge würde eine Anklage wegen Apostasie nur bei einem konvertierten Kleriker zur Anwendung kommen. Stattdessen würden Gerichte, die nicht den religiösen Gerichtshöfen zuzurechnen sind, Konversionsfälle eher mit Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung als Apostasie bearbeiten. Die einzige größere Änderung seit 2011, wie die Behörden Konvertiten zum Christentum behandeln, scheint darin zu bestehen, dass Apostasie nicht auf christliche Konvertiten anwendbar ist. Die iranischen Behörden gaben offiziell bekannt, dass Hauskirchen in direkter Verbindung mit ausländischen Bewegungen stehen, beispielsweise mit zionistischen Bewegungen oder Organisationen im Ausland, z.B. in den USA. Das Regime sieht die Anstrengungen der evangelikalen Bewegungen als Angriff gegen das iranische Regime an. Als Ergebnis werden evangelikale Kirchen und Hauskirchen als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen. Diese Sichtweise erklärt auch, dass einige Fälle von Konversionen, im speziellen von Führern von Hauskirchen, ebenso Anklagen, die eher politischer Natur sind, beinhalten. In Bezug auf Naderkhani gibt Christian Solidarity Worldwide im FFM Bericht des Danish Immigration Service an, dass laut ihren Informationen Naderkhani weiterhin als Pastor in Rasht tätig ist. Seitdem Naderkhanis Anklage gekippt wurde, gab es keine Apostasieanklage gegen Christen im Iran. Heutzutage sind alle Anklagen gegen Konvertiten und Pastoren/Hauskirchenführer von politischer Natur, immer im Zusammenhang mit Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Spionage, einschließlich Verbindungen zu ausländischen Organisationen und Feinden des Islam. Auch werden Konvertiten häufig mit sehr vagen und weit definierten Anklagen konfrontiert, wie z.B. "Bildung einer illegalen Gruppierung", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch illegale Versammlungen" und anderen Anklagen, die ähnlich unpräzise und eine große Bandbreite an Aktivitäten umfassen können (DIS 23.6.2014).

Die Sicherheitsbehörden zielten weiterhin auf zum Christentum konvertierte Muslime und Mitgliedern von Hauskirchen ab (HRW 12.1.2017, vgl. FH 2017). Zahlreiche zum Christentum konvertierte Personen wurden bei Razzien in Hauskirchen festgenommen, in denen sie friedlich ihren Glauben praktiziert hatten (AI 22.2.2017, vgl. FCO 21.4.2016, FH 2017).

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Identität des Beschwerdeführers wurde bereits vom Bundesamt aufgrund der im Verfahren vorgelegten Dokumente, insbesondere aufgrund des vorgelegten Reisepasses (AS 7 f; Übersetzung AS 173 f) sowie aufgrund der gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers festgestellt und besteht kein Anlass, an der Richtigkeit zu zweifeln.

3.2. Zur Konversion des Beschwerdeführers ist Folgendes auszuführen:

In den Erstbefragungen gab der Beschwerdeführer noch an, er sei schiitischer Moslem (1. EB 22.06.2016; AS 1; 2. EB24.06.2016, AS 37).

Mit Schreiben vom 19.10.2016 brachte der Beschwerdeführer vor, getauft worden zu sein (AS 69) und legte eine Taufurkunde der CIG vor (AS 77).

In seiner Einvernahme vom 21.11.2017 vor dem BFA gab der Beschwerdeführer dann selbst an, er sei Christ, genauer Protestant (EV 21.11.2017, AS 133). Zum Stellenwert des islamischen Glaubens in seinem Leben gab der Beschwerdeführer an, er habe die islamischen Regeln nicht gemocht, sei gezwungen worden, zu beten. Es habe immer einen Zwang gegeben, das habe ihm nicht gefallen. Es sei nichts von Herzen gekommen. Mit dem Christentum sei er zum ersten Mal in Österreich in Kontakt gekommen. Er habe seine Onkel in die Kirche begleitet und habe gesehen, wie liebevoll die Menschen seien. Bereits in seiner Einvernahme konnte der Beschwerdeführer sehr detailliert Fragen zum christlichen Glauben und Protestantismus beantworten, etwa zum Leben Jesus, Martin Luther und dem Unterschied zwischen Protestantismus und Katholizismus. Zu seiner Taufvorbereitung gab er an, keinen Kurs besucht zu haben, jedoch sei ihm erklärt worden, was die Taufe ist (EV 21.11.2017, AS 136 f).

Der Beschwerdeführer legte auch sieben Fotos vor, die ihn offensichtlich bei der Taufe zeigen. Darauf zu sehen ist der Beschwerdeführer in Anwesenheit dreier Männer in einem Fluss, See oder Teich. Einer der Männer trägt ein "I love Jesus" T-Shirt. Zu sehen sind die Männer und der Beschwerdeführer beim Gebet und der Beschwerdeführer, wie er untergetaucht und aus dem Wasser gehoben wird (AS 217 ff).

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer an, er sei durch seinen Onkel zum Christentum gekommen und habe Taufunterreicht gehabt, bevor er getauft worden sei. Sein Onkel sei bei der Taufe dabei gewesen. Er besuche regelmäßig die Kirche. Er gehe einmal in die Jugendgruppe und an Sonntagen gehe er morgens und abends in die Messe. Zur Bedeutung des Islam führte er aus, dieser sei für ihn die Religion des Todes. In seinem Alltag praktiziere er seinen christlichen Glauben, indem er in der Früh und vor jeder Mahlzeit bete. Er versuche auch anderen Leuten, den christlichen Glauben näher zu bringen. Diese Angaben des Beschwerdeführers wurden durch die Aussagen der Zeugen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung bestätigt.

Der Zeuge XXXX gab an, er sei Pastor und Prediger in der Gemeinde. Er bestätigte, den Beschwerdeführer fast immer im Gottesdienst zu sehen. Er bestätigte weiters, dass der Beschwerdeführer einen Taufkurs besucht habe. Der Beschwerdeführer sei ein gläubiger Christ, dies könne man besonders bei der Anbetung sehen (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, S 16 f).

Der Zeuge XXXX gab zusammengefasst an, er sei einer von mehreren Jugendleitern und der Beschwerdeführer sei seit einem Jahr regelmäßig bei ihnen. Er habe sich im letzten Jahr sehr verändert. Er beteiligte sich aktiv an den Gebetsrunden und würde auch selbstständig Gebetswünsche äußern (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, S 18).

Der Zeuge XXXX machte nähere Angaben zum Taufkurs (siehe unten) und gab an, der Beschwerdeführer komme seit einem Jahr regelmäßig zum Gottesdienst. Er habe zwischenzeitlich einen Absturz gehabt und sei nun wieder auf den rechten Weg gekommen. Er versuche, ein wertvolles Mitglied und ehrenamtlicher Mitarbeiter der Gemeinde zu werden (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, S 19 f).

Der Zeuge XXXX gab in der Beschwerdeverhandlung an, er sehe den Beschwerdeführer regelmäßig am Sonntag beim Morgen- und Abendgottesdienst und auch beim Gebetstreffen am Mittwoch. Er führe mit ihm konstruktive und aktive Gespräche und bringe Gebetsanliegen vor. Er habe den persönlichen Eindruck, dass der Beschwerdeführer wirklich an Gott glaube (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, S 22).

Die Zeugin XXXX gab an, sie kenne den Beschwerdeführer seit ca. zwei Jahren. Er sei still, hilfsbereit und sehr respektvoll. Sie würden sich auf Deutsch unterhalten, der Beschwerdeführer mache viele Fortschritte. Gefragt, was sie über seine Religiosität wisse, gab sie an wenig zu wissen. Der Beschwerdeführer sei auf sie zugekommen und hätten sie in der Bibel gelesen. Sie sei ihm dabei aber keine große Hilfe, da sie schon immer konfessionslos sei. Sie wisse, dass er in die Kirche gehe.

Aufgrund dieser Ausführungen ergibt sich Folgendes:

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer als Moslem geboren wurde und nach seiner Einreise in Österreich mit dem Christentum in Kontakt kam, ergeben sich aufgrund seiner diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren.

Ebenso kann die Feststellung, dass der Beschwerdeführer vom Islam zum Christentum konvertiert ist, dass er Beschwerdeführer praktizierender Angehöriger der CIG Wien ist, aktiv am christlichen Leben beteiligt ist und regelmäßig den Gottesdienst besucht, aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren in Zusammenschau mit den damit übereinstimmenden, glaubhaften Aussagen der Zeugen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung getroffen werden.

Insbesondere ist anzumerken, dass die Zeugen übereinstimmend angaben, dass der Beschwerdeführer die Kirche besuche und sich mit dem christlichen Glauben beschäftige. Alle Zeugen aus der kirchlichen Gemeinde gaben an, der Beschwerdeführer sei vor zwei Jahren getauft worden und komme er (zumindest) seit einem Jahr regelmäßig in die Kirche und nehme aktiv am kirchlichen Leben teil. Aufgrund dieser Aussagen kommt der erkennende Richter zu dem Schluss, dass der Entschluss des Beschwerdeführers, zum Christentum zu konvertieren, von einer inneren Überzeugung getragen ist, welche durch die regelmäßige Teilnahme am Leben in der Gemeinde seit zumindest einem Jahr auch für Dritte erkennbar wird. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinen Glauben auch im Falle einer Rückkehr weiter ausleben wollen würde.

Somit kam in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eindeutig zu Tage, dass, insbesondere aufgrund der vollzogenen Taufe, des Interesses des Beschwerdeführers für die christliche Religion und der Regelmäßigkeit der Gottesdienstbesuche und der Teilnahme am Leben in der kirchlichen Gemeinde kein Zweifel daran besteht, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung die Konversion vollzogen hat und dem christlichen Glauben angehört. Der Glaubenswechsel ist als ernsthaft einzustufen. Eine Konversion zum Schein kann in diesem konkreten Fall ausgeschlossen werden.

Es kann daher den Ausführungen der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn diese ausführt, es liege eine eindeutige und unseriöse Scheinkonversion vor, könnten keine inneren Beweggründe für die vermeintliche Konversion festgestellt werden und sei dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Konversion die Glaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen, weswegen auf die Einvernahme von Zeugen verzichtet worden sei.

Zum Taufkurs und zur Taufe ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme zwar angab, keinen Taufkurs besucht zu haben, jedoch auch sagte, dass ihm erklärt worden sei, was die Taufe ist (EV 21.11.2017, AS 136). Dies stimmt im Wesentlichen mit den Angaben der Zeugen zum Inhalt des Taufkurses überein. Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer an, vor der Taufe Taufunterricht erhalten zu haben (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, AS 13).

Der Zeuge XXXX bestätigte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dass der Beschwerdeführer vor ca. zwei Jahren einen Taufkurs besucht habe. Zum Ablauf gab er an, die Täuflinge hätten Skripten zu bearbeiten und würden dann die Kenntnisse, teilweise auch in Einzelgesprächen, überprüft werden. Als Mitglied der Freikirche Österreichs hätten sie strenge Vorgaben (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, S 17). Auch der Zeuge XXXX gab an, der Beschwerdeführer habe vor etwa zwei Jahren einen Taufkurs besucht (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, S 18).

Der Zeuge XXXX führte zum Taufkurs näher aus, dass er die Taufkurse seit 2002 näher leite. Es gebe einen schriftlichen Taufkurs mit ca. 30 bis 40 Seiten. In diesen würde sämtliche Bibelstellen, die sich auf die Taufe beziehen, aufscheinen und seien diese von den Täuflingen zu ergänzen. Dadurch seien die Täuflinge gezwungen, sich mit der Bibel auseinanderzusetzen. Auf diesen schriftlichen Taufkurs folge ein mündliches Seminar. Im Falle des Beschwerdeführers sei dieses in Beisein des Onkels erfolgt, der übersetzt habe (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, S 19). Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer am 25.06.2016 getauft worden sei, jedoch frühestens am 31.05.2016 nach Österreich gekommen sei, gab der Zeuge an, es sei nicht das Ziel des Taufkurses, Theologen auszubilden. Sie würden sich jedoch bemühen, in der Nacharbeit das Wissen zu vermitteln, damit der Glaube sich verinnerliche (Verhandlungsprotokoll 27.06.2016, S 20).

Zusammenfassend kann aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers sowie der damit übereinstimmenden, glaubwürdigen Angaben der Zeugen im Verfahren in Zusammenschau mit der vorgelegten Urkunde (AS 77) und den vorgelegten Fotos (AS 217 ff) festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einen Taufkurs besucht hat und am 25.06.2016 getauft wurde.

Die Feststellungen zur CIG Wien werden aufgrund der Angaben des als Zeugen geladenen Pastors getroffen (Verhandlungsprotokoll 27.06.2018, S 17). Ebenso ist aus dem vorgelegten Empfehlungsschreiben des Pastors vom 24.06.2018 ersichtlich, dass die CIG eine Ortsgemeinde der "Freie Christgemeinde - Pfingstgemeinde in Österreich" ist, welche wiederum zu den Freikirchen Österreichs gehört. Mit der Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die Anerkennung der Anhänger des Bundes der Baptistengemeinden, des Bundes Evangelikaler Gemeinden, der ELAIA Christengemeinden, der Freien Christengemeinde - Pfingstgemeinde und der Mennonitischen Freikirche in Österreich als Kirche (Religionsgesellschaft) vom 28.06.2013, BGBl. II Nr. 250/2013, wurden die Anhänger dieser Gemeinden als Kirche mit der Bezeichnung "Freikirchen in Österreich" anerkannt. Mit dem Status als anerkannte Kirche oder Religionsgemeinschaft kommt den Freikirchen in Österreich die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu.

3.3. Aufgrund der glaubwürdigen, stringenten Angaben des Beschwerdeführers kann festgestellt werden, dass dessen Familie im Iran von seiner Konversion erfahren hat. Bereits in der Einvernahme vor dem Bundesamt führte der Beschwerdeführer aus, seine Stiefmutter habe erfahren, dass er und seine Onkel zum Christentum konvertiert seien und habe gedroht, ihn im Falle einer Rückkehr der Polizei auszuhändigen (EV 21.11.2017, AS 135). Dieses Vorbringen wiederholte er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, wo er glaubhaft angab, seine Stiefmutter habe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten