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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Regelung der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Steiermark betreffend Kompensation von Beitragsrückständen mit zustehenden Leistungen mangels gesetzlicher GrundlageSpruch
§21 Abs2 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Steiermark, beschlossen in der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark vom 15. Dezember 1969, in der Fassung der Beschlüsse der Vollversammlung vom 10. Dezember 1975 und vom 12. Dezember 1985, war gesetzwidrig.
Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Beschluß vom 25. Juni 1996, Z A33/96, stellt der Verwaltungsgerichtshof den Antrag, "§21 Abs2 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Steiermark, Beschluß der Vollversammlung vom 15. Dezember 1969, als gesetzwidrig aufzuheben."
Dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine bei ihm anhängige Beschwerde eines Arztes gegen einen Bescheid des Beschwerdeausschusses bei der Ärztekammer für Steiermark vom 1. Dezember 1994 zugrunde, der einen Bescheid des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Steiermark vom 26. Juli 1994 bestätigt, mit welchem dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag hin eine einmalige Krankenbeihilfe unter Abzug der für das Jahr 1993 aushaftenden "Kammerbeitragsschuld" zuerkannt worden war.
1.2. Zur Präjudizialität der bekämpften Vorschrift bringt der Verwaltungsgerichtshof vor, daß sich der im Verfahren vor ihm bekämpfte Bescheid auf §21 Abs2 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Steiermark stütze. Diese Bestimmung gibt der Verwaltungsgerichtshof wieder wie folgt:
"Für den Fall, daß der beitragspflichtige Kammerangehörige mit der Entrichtung des Kammerbeitrages in Verzug geraten ist, ist jedoch die fällige Beitragsschuld von den beanspruchten und gewährten Leistungen abzuziehen, wem immer diese Leistungen zustehen."
1.3. Gegen die bekämpfte Vorschrift hegt der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken, daß weder die Bestimmungen des ÄrzteG 1984 über die Leistungen des Wohlfahrtsfonds (§§63 bis 74) noch die Bestimmungen über die "Kammerbeiträge" - nämlich die Kammerumlagen (§§56 und 58) sowie die Beiträge zum Wohlfahrtsfonds (§§57, 58, 75 bis 78) - vorsehen, daß von zuerkannten Leistungen bestehende Umlagen- bzw. Beitragsschulden abzuziehen seien. Gemäß §82 ÄrzteG seien zwar "auf Grund der §§57, 58 und 62 bis 81" nähere Vorschriften "u.a. über die Höhe ... der vorgesehenen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu treffen". Ein verfassungskonformes Verständnis dieser Vorschrift gebiete es aber offenbar, unter "näheren Vorschriften" nur solche zu verstehen, die zumindest im Ansatz bereits im Gesetz vorgesehen seien, wovon in Ansehung der bekämpften Vorschrift jedoch keine Rede sein könne.
Es wäre auch sachlich nicht zu rechtfertigen, von dem einem Kammerangehörigen zustehenden Anspruch auf eine Leistung etwa aufgrund einer konkreten Notsituation offene Schulden gegenüber der Kammer in Abzug zu bringen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, daß die in §103 ASVG vorgesehene Aufrechnung zwischen Leistungen und geschuldeten fälligen Beiträgen nur bis zur Hälfte der Leistung zulässig sei. Im übrigen verbiete sich aufgrund der genannten Sachlichkeitserwägungen selbst dann, wenn man davon ausgehe, daß eine Aufrechnung im Sinne des §1438 ABGB auch im Bereich des öffentlichen Rechts ohne besondere gesetzliche Regelung in Betracht komme und im vorliegenden Fall wegen der Gleichartigkeit der Rechtsdurchsetzung der einander gegenüberstehenden Forderungen auch zulässig wäre, die Annahme, daß die angefochtene Verordnungsbestimmung eine Durchführungsverordnung zu dem analog anzuwendenden §1438 ABGB sei.
Ginge man davon aus, daß eine gesetzliche Regelung dazu ermächtige, von zuerkannten Leistungen des Wohlfahrtsfonds offene Umlagen- und Beitragsschulden zur Gänze abzuziehen, bestünde dagegen - wie auch gegen die auf diese Ermächtigung gestützte angefochtene Verordnungsbestimmung - das Bedenken des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz wegen krasser Unsachlichkeit, letzteres vor allem im Hinblick auf die in Ansehung des Anlasses der Leistung nicht differenzierende Regelung.
2. Die Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark hat eine Äußerung erstattet, in welcher sie zum Antrag des Verwaltungsgerichtshofes wie folgt Stellung nimmt:
"Die Satzungen des Wohlfahrtsfonds - und damit auch deren §21 Abs2 - finden ihre gesetzliche Grundlage in §82 Ärztegesetz, welcher seine derzeitige Form durch die Ärztegesetz-Novelle, BGBl. 229/1969, erhielt. Auslösendes Moment für diese Novelle war, wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 1261 Blg NR XI. GP., 9 ergibt, das Erkenntnis des VfGH vom 2. Juli 1968, G5/68. Darin wurden mit der Begründung, daß damit die gesamte Beitragsregelung dem Verordnungsgeber überlassen werde und eine dem Art18 B-VG widersprechende bloß formalgesetzliche Delegation vorliege, weil sich der Gesetzgeber nur auf allgemeine Grundsätze beschränkt und eine eingehende Regelung unterlassen habe, Vorschriften des Ärztegesetzes aufgehoben. Die Neuregelung des Ärztegesetzes wurde vom VfGH mit Erkenntnis VfSlg 10389 überprüft und deren §48 (nunmehr §82) als für die Satzungen des Wohlfahrtsfonds hinreichend determiniert angesehen. In diesem Erkenntnis wurden auch zentrale Bestimmungen der Satzungen des Wohlfahrtsfonds und der Beitrags- und Umlagenordnung in Prüfung gezogen, wobei der VfGH sich nicht zur Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens veranlaßt sah.
Die bereits genannten Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 1261 Blg NR XI. GP, führen auf Seite 10 zu Punkt 9 und 10 u.a. aus: 'Es sind nunmehr die einzelnen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen im Gesetz selbst und nicht wie früher in den Satzungen der Ärztekammern angeführt. Durch die Determinierung der Leistungen im Gesetz - diese bildet das notwendige Korrelat zu der Festsetzung der Beiträge - wurde auch dem Erfordernis des Art18 B-VG Rechnung getragen und dem Verordnungsgeber der Inhalt und der Rahmen der von ihm zu erlassenden Satzungen in eindeutiger Weise vorgezeichnet. Darüber hinaus erschien es im Interesse der Rechtssicherheit geboten und auch von der Ärzteschaft erwünscht, daß mit der Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen eine Anwartschaft bzw. ein Anspruch auf bestimmte Leistungen verbunden ist.'
Der Gesetzgeber geht also eindeutig von einer Korrelation zwischen den zu erbringenden Leistungen und der Festsetzung der Beiträge aus. Zu keinem anderen Zweck als der kontinuierlichen Mittelaufbringung zur Sicherstellung der gesetzlich garantierten Leistungen dient aber die vom VwGH in Prüfung gezogene Aufrechnungsregelung des §21 Abs2 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds. Sie steht insbesondere mit §57 Abs1 Ärztegesetz im Einklang. Daß eine Aufrechnung im Sinne des §1438 ABGB auch im Bereich des öffentlichen Rechts ohne besondere gesetzliche Regelung (hier im Ärztegesetz) in Betracht kommt (VwSlg 1936 A/1951, 13398 A/1991), räumt der VwGH selbst ein.
Zu den vom VwGH angestellten Sachlichkeitsüberlegungen und seiner Bezugnahme auf §103 und §329 ASVG sei bemerkt, daß das Ärztegesetz in §77 bestimmt, daß die Satzung bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlaß der Fondsbeiträge vorsehen kann. Dieser Regelung wurde in §13 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds Rechnung getragen, sodaß also durchaus ein Instrumentarium zur Abfederung sozialer Härtefälle und von Notsituationen zur Verfügung steht.
Ungeachtet des Grundsatzes, daß auch im Bereich des öffentlichen Rechts eine Aufrechnung im Sinne des §1438 ABGB ohne besondere gesetzliche Regelung in Betracht kommt, ist dem Umstand der Kompensation und der Orientierung am Sachlichkeitsgebot in den Satzungen des Wohlfahrtsfonds sowie in der Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark Rechnung getragen worden. Der in Prüfung gezogene §21 Abs2 der Beitrags- und Umlagenordnung ist zwingend im Zusammenhang mit §13 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds und §15 der Beitrags- und Umlagenordnung zu beurteilen. Unter Berücksichtigung des im §57 Ärztegesetz grundgelegten Ansatzes, eine Sicherstellung der Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds zu gewährleisten, ergibt sich für den Verordnungsgeber keine andere Möglichkeit, als die Beitragsaufbringung in unmittelbare Abhängigkeit zur Leistungsausschüttung zu stellen.
Auch wenn in der in Prüfung gezogenen Bestimmung des §21 Abs2 Beitrags- und Umlagenordnung keine ausdrückliche Grenze für eine Kompensation gezogen wird, so ergibt sich - ausgehend vom §77 Ärztegesetz, im Verbund mit §13 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds und mit §15 Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark ein ausgewogenes und sachlich gerechtfertigtes Instrumentarium für Fälle wie den vorliegenden Anlaßfall sowie eine ausreichende Möglichkeit, bei Härtefällen bzw. Notsituationen sachbezogen vorzugehen.
Wenn also ein Kammerangehöriger bei entsprechenden Umsatz- und Einkommensverhältnissen und dauerndem Zahlungsrückstand sich auf die Einschränkung der Kompensationsmöglichkeit berufen möchte, so steht ihm dies zwar frei. Es ist jedoch im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot und den Gleichbehandlungsgrundsatz bezogen auf sämtliche übrigen Kammerangehörigen mehr als fraglich, ob diesem Begehren Rechnung getragen werden kann. Es hat sich daher der Verordnungsgeber für den Weg entschieden, im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die angesprochene Kompensation sachlich gerechtfertigt werden kann oder nicht.
Angesichts der Tatsache, daß jeder von dieser Situation betroffene Kammerangehörige Anträge auf Stundung, Ermäßigung oder Nachsicht bzw. auch Ratenzahlung stellen kann, scheint aus Sicht des Verordnungsgebers eine ausdrückliche Grenze der Kompensation in der Bestimmung des §21 Abs2 Beitrags- und Umlagenordnung der Ärztekammer für Steiermark für entbehrlich.
Aus all den genannten Gründen stellt die Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark daher den Antrag, dem Verordnungsprüfungsantrag des VwGH nicht näherzutreten und §21 Abs2 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds nicht als gesetzwidrig aufzuheben."
3.1. Mit Beschluß vom 26. Juni 1997 modifizierte der Verwaltungsgerichtshof seinen ursprünglichen Antrag dahin, daß die von ihm bekämpfte Verordnungsbestimmung nunmehr in der Fassung der Beschlüsse der Vollversammlung vom 10. Dezember 1975 und vom 12. Dezember 1985 angefochten werde. Außerdem beantragte er die Feststellung, daß der bekämpfte §21 Abs2 der Satzungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Steiermark gesetzwidrig war. Die im Antrag vom 25. Juni 1996 vorgetragenen Bedenken wurden weiter aufrechterhalten.
3.2. Anstelle der zur Abgabe einer Äußerung zum modifizierten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes aufgeforderten Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark erstattete der Präsident der Ärztekammer für Steiermark in einem "Für die Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark" gefertigten Schriftsatz - ohne allerdings eine diesbezügliche Beschlußfassung der Vollversammlung nachzuweisen - eine Äußerung, in welcher er mitteilte, daß die im Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1997 vertretene Rechtsmeinung auch derjenigen der Ärztekammer für Steiermark entspreche; im übrigen werde auf die seitens der Ärztekammer für Steiermark (gemeint offensichtlich: der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark) erstattete Äußerung zum ursprünglichen Antrag hingewiesen, deren Ausführungen aufrechterhalten werden.
4. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
4.1. Am 15. Dezember 1969 beschloß die Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark die "Satzung über die Einrichtung und den Betrieb eines Wohlfahrtsfonds". Diese Satzung wurde in den Mitteilungen der Ärztekammer für Steiermark, Sondernummer Mai 1970, kundgemacht. Ihr §21 lautet wie folgt:
"§21 Waisenversorgung
(1) Waisenversorgung gebührt bei Vorliegen der für die Kinderbeihilfe festgelegten Voraussetzungen.
(2) Die Waisenversorgung beträgt bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres:
a)
für jede Halbwaise 20 v. H. (4 Punkte)
b)
für jede Vollwaise 30 v. H. (6 Punkte)
ab dem 20. Lebensjahr bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres und im Falle des §19 Abs2 litb, solange der Zustand andauert:
a)
für jede Halbwaise 25 v. H. (5 Punkte)
b)
für jede Vollwaise 35 v. H. (7 Punkte)
der Alters- oder Invaliditätsversorgung, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt seines Ablebens gebührt hat oder gebührt hätte.
(3) Sind mehrere Waisen vorhanden, darf die Waisenversorgung insgesamt das Zweifache der Alters- oder Invaliditätsversorgung nicht übersteigen."
Eine der vom Verwaltungsgerichtshof bekämpften Verordnungsvorschrift ähnliche Bestimmung findet sich im §16 der Satzung. Dieser lautet wie folgt:
"§16
(1) Aus den Mitteln des Wohlfahrtsfonds sind den Kammerangehörigen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu gewähren.
(2) Für den Fall, als der beitragspflichtige Kammerangehörige mit der Entrichtung des Kammerbeitrages in Verzug geraten ist, ist jedoch der unberichtigt aushaftende Beitragsteil auf die beanspruchten und gewährten Leistungen anzurechnen."
4.2. Mit Beschluß der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark vom 12. Dezember 1973, kundgemacht in den Mitteilungen der Ärztekammer für Steiermark Nr. 2, Februar 1974, wurde in §16 Abs2 der Satzung das vierte Wort "als" durch das Wort "daß" ersetzt.
4.3. Mit Beschluß der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark vom 10. Dezember 1975 wurde u.a. der §16 Abs2 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1976 geändert. Er hatte danach den folgenden, in den Mitteilungen der Ärztekammer für Steiermark Jänner 1976 kundgemachten, Wortlaut:
"(2) Für den Fall, daß der beitragspflichtige Kammerangehörige mit der Entrichtung des Kammerbeitrages in Verzug geraten ist, ist jedoch der unberichtigt aushaftende Beitragsteil auf die beanspruchten und gewährten Leistungen anzurechnen, wem immer diese Leistungen zustehen."
4.4. Nach der Abänderung der Satzungen des Wohlfahrtsfonds durch den Beschluß der Vollversammlung vom 12. Dezember 1985, kundgemacht im Journal (Mitteilungen der Ärztekammer für Steiermark 5) Mai 1986, mit welchem u.a. die Bezeichnung des §16 in §21 umgeändert wurde, hatte der (neue) §21 der Satzungen, kundgemacht im Journal (Mitteilungen der Ärztekammer für Steiermark) Nr. 6a/1986, den folgenden Wortlaut:
"§21 Leistungsanspruch, Beitragsschuld, Verminderung der Leistung
(1) Aus den Mitteln des Wohlfahrtsfonds sind den Anspruchsberechtigten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu gewähren.
(2) Für den Fall, daß der beitragspflichtige Kammerangehörige mit der Entrichtung des Kammerbeitrages in Verzug geraten ist, ist jedoch der unberichtigt aushaftende Beitragsteil auf die beanspruchten und gewährten Leistungen anzurechnen, wem immer diese Leistungen zustehen."
4.5. In der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark vom 15. Dezember 1994 wurden Änderungen "der Satzungen des Wohlfahrtsfonds" beschlossen. Diese Änderungen wurden im ÄrzteJOURNAL 5/1995, S. 13, kundgemacht. In der Einleitung der Kundmachung wurde angeordnet, daß die Änderungen mit 1. Jänner 1995 in Kraft treten. ArtI Z2 der Kundmachung hat folgenden Wortlaut:
"§21 Abs2 lautet:
Für den Fall, daß der beitragspflichtige Kammerangehörige mit der Entrichtung des Kammerbeitrages in Verzug geraten ist, ist jedoch die fällige Beitragsschuld von den beanspruchten und gewährten Leistungen abzuziehen, wem immer diese Leistungen zustehen."
5. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
5.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).
5.2. Der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfte Bescheid vom 2. Dezember 1994 stützt sich auf §21 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Steiermark. Diese Vorschrift stand zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark vom 12. Dezember 1985 und damit in der Fassung in Geltung, welche der Verwaltungsgerichtshof mit seinem, seinen ursprünglichen Antrag modifizierenden Beschluß vom 26. Juni 1997 angefochten hat. Die bekämpfte Vorschrift ist daher präjudiziell, weshalb sich der modifizierte Antrag als zulässig erweist.
5.3. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes sind begründet. Im ÄrzteG findet sich keine Vorschrift, welche als Grundlage der bekämpften Verordnungsbestimmung herangezogen werden könnte.
Wohl bestimmt §82 ÄrzteG, daß aufgrund der §§57, 58 und 62 bis 81 nähere Vorschriften "über die Aufbringung der Beiträge, die Verwaltung der Fondsmittel, die Zusammensetzung des Verwaltungsausschusses, des Beschwerdeausschusses, die Tätigkeit des Überprüfungsausschusses und schließlich über die Höhe, die Festlegung der Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung der vorgesehenen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu treffen" sind. Aber weder dieser Vorschrift noch den in ihr bezogenen ist irgendein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß der Verordnungsgeber berechtigt wäre vorzusehen, von Mitgliedern des Wohlfahrtsfonds der Satzung gemäß zustehenden Leistungen allenfalls rückständige Beiträge im Aufrechnungswege in Abzug zu bringen. Dazu kommt, daß die - ebenfalls in §82 ÄrzteG genannte - Vorschrift des §58 leg.cit. lediglich vorsieht, daß rückständige Beiträge (und Umlagen) nach dem VVG eingebracht werden können. Hieraus schließt der Verfassungsgerichtshof, daß hinsichtlich der Einhebung der Fondsbeiträge eine abschließende Regelung vorliegt. Angesichts des Fehlens einer eine Kompensation ausdrücklich zulassenden gesetzlichen Vorschrift - es findet sich auch keine Verweisung auf §1438 ABGB - bleibt damit für die Ermöglichung der Verrechnung von Beitragsrückständen mit zustehenden Geldleistungen im Verordnungswege kein Raum, zumal dafür im Hinblick auf Art18 B-VG die gesetzliche Normierung des zulässigen Ausmaßes einer Kompensation und der Umstände, unter welchen sie Platz greifen soll, erforderlich wäre.
Auch die Bestimmung des §64 Abs4 ÄrzteG, derzufolge dann, wenn im Einzelfall die Beiträge "nicht das zur finanziellen Sicherstellung der vorgesehenen Leistungen erforderliche Ausmaß" erreichen, die Satzung bestimmen kann, "ob und in welchem Umfang diese Leistungen dem tatsächlich geleisteten Beitrag angepaßt werden", trägt die angefochtene Verordnungsbestimmung nicht. Diese Vorschrift stellt nämlich erkennbar darauf ab, daß einerseits vorgeschriebene Beiträge tatsächlich geleistet werden und daß andererseits die Summe der sich aufgrund der auf den je konkreten Fall angewendeten Beitragsordnung ergebenden Beiträge jenes Maß nicht erreicht, das nach den Bestimmungen der jeweiligen Satzung Vorraussetzung für das Entstehen bzw. die Deckung bestimmter Ansprüche ist.
Es mangelt der bekämpften Verordnungsbestimmung somit an der gesetzlichen Deckung. Es war daher allein schon deshalb auszusprechen, daß sie - sie ist mit Wirkung von 1. Jänner 1995 außer Kraft getreten (siehe oben Punkt 4.5.) - gesetzwidrig war.
6. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VerfGG.
7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Antrag, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Präjudizialität, Ärzte, Ärzte VersorgungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:V87.1996Dokumentnummer
JFT_10029071_96V00087_00