TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/24 W261 2167656-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2018
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Entscheidungsdatum

24.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W261 2167656-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin Gastinger, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 18.07.2017, Zahl XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.01.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Gang des Verfahrens:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 17.01.2016 irregulär in Österreich ein und stellte am 20.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 20.01.2016 erfolgte die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers in der Sprache Farsi. Dabei gab der BF an, afghanischer Staatsangehöriger und sunnitischer Moslem zu sein und der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören. Er sei am XXXX in der Provinz Badakhshan geboren. Seinen Fluchtgrund betreffend führte er aus, er liebe es zu lernen, in die Schule zu gehen und sich weiter zu bilden. Nach dem Tod seines Vaters habe er seinen Grund verkaufen und sich mit dem Geld weiterbilden wollen. Sein Onkel habe das jedoch nicht zugelassen und gewollt, dass er arbeiten gehe. Er sei nach Österreich gekommen, um in die Schule zu gehen und zu studieren, das sei der einzige Fluchtgrund.

Am 09.05.2017 stellte das Arbeitsmarktservice Oberpullendorf dem BF eine Beschäftigungsbewilligung als Erntearbeiter für die Zeit von 01.06.2017 bis 12.07.2017 aus.

Am 20.06.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland (in der Folge BFA oder belangte Behörde), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, zwei Männer aus seinem Heimatdorf namens XXXX und XXXX, die einer regierungsfeindlichen Gruppe angehören würden, hätten die Felder der Familie des BF haben wollen. Der Grundstücksstreit habe im Jahr 1391 (entspricht dem Jahr 2012) begonnen. Dieser Streit sei zu Beginn noch nicht so schlimm gewesen, damals hätten sie ein Feld, das der Familie des BF gehört habe, an sich genommen. Als der BF volljährig geworden sei, habe er sich dieses mit Hilfe der Dorfbewohner wieder zurückgeholt. Der Streit sei erst im Jahr 1393 ärger geworden. Als der BF und seine Großmutter am 14.05.1393 (entspricht dem 27.07.2014) am Feld gearbeitet hätten, habe XXXX gesagt, er solle die Großmutter des BF töten, XXXX habe die Großmutter daraufhin mit einem Stein erschlagen. XXXX habe XXXX befohlen, auch den BF zu töten, damit dieser keine Anzeige bei der Polizei erstatten könne. Der BF sei geflüchtet und nach Hause gelaufen, wo er alles seiner Mutter erzählt habe. Die Dorfbewohner hätten sich danach versammelt, um sicherzustellen, dass der BF nicht ermordet werde. Die beiden Männer hätten ihn nach einigen Tagen jedoch wieder schikaniert. Der BF sei in der Folge geflüchtet und erst nach sechs Monaten wieder in sein Heimatdorf zurückgekehrt, als ihn die Dorfältesten wieder ins Dorf zurückgeholt hätten.XXXX und XXXX hätten ihn nicht umbringen können. Neben dem Grundstücksstreit habe der BF auch wegen eines Mädchens Probleme mit XXXX gehabt. XXXX habe sie heiraten wollen, das Mädchen sei jedoch dagegen gewesen und habe den BF heiraten wollen. Am 07.11.2015 seien XXXX, XXXX und weitere Personen in der Nacht in das Haus des BF eingedrungen und hätten das Haus angezündet. Die Nachbarn hätten den BF und seine Familie rechtzeitig gewarnt, das Haus sei jedoch abgebrannt, und sie hätten alles verloren. Der BF habe die Brandstifter nicht gesehen, habe aber keinen Zweifel daran, wer die Täter gewesen seien, darüber hinaus habe er am nächsten Tag einen Ausweis von XXXX gefunden, bei dem es sich um einen Parteiausweis gehandelt habe. Die beiden Männer hätten eine eigene Partei gegründet, die aus zehn bis zwölf Mitgliedern bestanden habe. Die Mutter des BF habe ihm gesagt, sein Leben sei in Gefahr, und es sei besser für ihn, Afghanistan zu verlassen, bevor er getötet werde. Der BF legte Briefe der Dorfbewohner vor, die bestätigen sollen, dass sein Leben in Gefahr sei. Er habe die Täter nicht bei der Polizei angezeigt, da sie in einer Mafiagruppe gewesen seien, viel Geld gehabt und den Dorfvorsteher bestochen hätten. Die Familie des BF sei hingegen arm und habe nichts dagegen machen können. Er sei zwei Mal bei der Polizei gewesen, wo ihm gesagt worden sei, dass er nichts beweisen könne. Nach der Ermordung seiner Großmutter seien XXXX und XXXX sogar festgenommen, aber nach einem Tag wieder freigelassen worden. Im Rahmen der Einvernahme legte der BF Integrationsunterlagen und Unterstützungsschreiben sowie die zitierten Briefe der Dorfbewohner vor.

Die belangte Behörde wies in weiterer Folge den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 18.07.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab. Weiters erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg. cit., erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg. cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach die belangte Behörde aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg. cit. die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde führte begründend aus, dass der BF keine Gründe glaubhaft machen habe können, wonach er in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche Verfolgung zukünftig zu befürchten habe. Sein Fluchtvorbringen stehe im klaren Widerspruch zu seinen Angaben in der Erstbefragung. Das Vorbringen selbst sei nicht glaubhaft. Der BF sei jung, gesund und arbeitsfähig, von dem eine grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Im Falle einer Rückkehr sei es ihm daher zuzumuten, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben liege nicht vor.

Mit Verfahrensanordnung vom 18.07.2017 teilte die belangte Behörde dem BF mit, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag stellte die belangte Behörde dem BF den Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite.

Mit Eingabe vom 10.08.2017 erhob der BF, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG). Darin brachte er vor, er werde wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. aus politischen Gründen verfolgt. Die Großmutter des BF sei infolge eines Grundstücksstreits von Angehörigen einer bewaffneten Miliz getötet worden, und auch der BF sie mit dem Umbringen bedroht worden. Es bestehe keine Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden. Die belangte Behörde habe das Vorbringen des BF ohne Erklärung, wie sie zu dieser Ansicht gelangt sei, für unglaubhaft befunden. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft. In der Entscheidung seien die in den UNHCR-Richtlinien genannten potenziellen Risikoprofile bezüglich afghanischer Flüchtlinge nicht beachtet worden. Der BF wäre im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes in Gefahr, als "verwestlicht" angesehen zu werden. Die allgemeine Sicherheitslage lasse eine Rückkehr nicht zu. Der BF könne aufgrund der äußerst prekären Situation in seiner Heimatprovinz keinerlei familiäre oder soziale Unterstützung in Afghanistan erwarten.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 14.08.2017 dem BVwG vor, wo dieser am 16.08.2017 einlangte.

Am 16.01.2018 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, zu der der BF persönlich gemeinsam mit seiner Rechtsvertreterin erschien. Die belangte Behörde nahm an der mündlichen Verhandlung entschuldigt nicht teil.

Der BF führte in dieser mündlichen Beschwerdeverhandlung zu seinen persönlichen Verhältnissen aus. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, was er bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA ausgesagt hatte. Das Mädchen, welches XXXX heiraten habe wollen, sei aus Angst, mit diesem zwangsverheiratet zu werden, von zuhause weggelaufen und ins Haus des BF geflüchtet. XXXX habe erfahren, dass sie beim BF sei, woraufhin er mit seinen Freunden das Haus angezündet habe. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung legte das erkennende Gericht dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 21.12.2017 vor. Dem BF wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass auf Grund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Dem BF wurde eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

Der BF gab mit Eingabe vom 22.01.2018, durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme zu den Länderberichten ab, in welcher auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan und die Risikoprofile laut UNHCR Richtlinien hingewiesen wurde.

Mit Schreiben vom 13.07.2018 übermittelte das BVwG den Parteien des Verfahrens die aktualisierten Länderinformationen zu Afghanistan mit Stand 29.06.2018 und räumte diesem die Möglichkeit ein, innerhalb einer bestimmten Frist eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Eingabe vom 02.08.2018 übermittelte der BF, bevollmächtigt vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, eine Stellungnahme, in welcher neben erneutem Hinweis auf die potenziellen Risikoprofile bezüglich afghanischer Flüchtlinge ausgeführt wurde, dass im Falle einer Abschiebung aufgrund der in den aktualisierten Berichten bestätigten katastrophalen Sicherheits- und Wirtschaftslage die akute Gefahr bestehe, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Die Sicherheitslage Kabuls habe sich in den letzten Jahren weiterhin verschlechtert, die Zahl der zivilen Opfer steige. Kabul stelle keinen sicheren Zufluchtsort dar. Die pauschalierte Behauptung, dass man als junger Mann keiner Gefahr ausgesetzt sein könnte, werde auch durch das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 widerlegt, in welcher junge afghanische Männer eher der Gefahr ausgesetzt seien, Opfer von Morden durch terroristische Gruppierungen zu werden. Aus dem Gutachten sei auch deutlich erkennbar, dass ausgerechnet junge Menschen sowohl von der Regierungsseite als auch von der Nicht-Regierungsseite konstant ausgenutzt würden. Menschen, die aufgrund des Aufenthalts im Ausland keine soziale Bindung zum Herkunftsstaat mehr haben würden oder kein (familiäres) Auffangnetz im Herkunftsstaat besitzen würden, seien eher der Gefahr ausgesetzt, in einen dieser Kreise zu gelangen, als Personen, die durchgehend in Afghanistan leben würden.

Das BVwG führte am 24.09.2018 eine Auskunft im Strafregister durch, wonach für den BF im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung aufscheint.

Das BVwG führte am selben Tag eine Abfrage im Betreuungsinformationssystem durch, wonach der BF seit seiner Ankunft in Österreich Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

o Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF trägt den Namen XXXX und ist im Dorf XXXX, im Distrikt XXXX in der Provinz Badakhshan geboren. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Zur Identifikation im Verfahren wird das Geburtsdatum mit XXXX festgelegt.

Die Muttersprache des BF ist Dari.

Die Kernfamilie des BF besteht aus seiner MutterXXXX und seinem etwa 11- oder 12-jährigen Bruder XXXX, die weiterhin in Afghanistan leben. Der genaue Aufenthaltsort seiner Familie kann nicht festgestellt werden. Sein Vater starb, als der BF etwa elf oder zwölf Jahre alt war. Ein Onkel väterlicherseits lebt ebenfalls noch in Afghanistan.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF keinen Kontakt mit seiner Familie hat.

Die Familie des BF lebte von der Landwirtschaft und hatte eigene Grundstücke in der Größe von fünf Jirib. Die finanzielle Lage der Familie des BF war vor seiner Ausreise gut.

Der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre lang die Schule und arbeitete in der Landwirtschaft seiner Familie.

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht straffällig geworden.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

Der BF reiste Ende 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 17.01.2016 illegal einreiste und am 20.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

o Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen (betreffend die Gefahr, aufgrund eines Grundstücksstreits sowie des Streits um ein Mädchen verfolgt und getötet zu werden) kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich seit zweieinhalb Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" psychische und/oder physische Gewalt drohen würde.

o Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Jänner 2016 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Er besucht in Österreich die Schule. In seiner Freizeit geht der BF ins Fitness-Center und spielt Fußball. Er arbeitete einen Monat als Erntehelfer und hilft samstags älteren Menschen beim Einkauf. Da der BF keine Arbeitserlaubnis hat, kann er in Österreich nicht arbeiten. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

o Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Badakhshan aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in eine der Städte Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr in eine dieser beiden Städte kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in einer dieser beiden Städte - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er hat eine zwölfjährige Schulausbildung, weiters hat er bereits Berufserfahrung in der Landwirtschaft gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif oder Herat wird nutzen können.

Die Städte Mazar-e Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der BF ist gesund. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in eine der Städte Mazar-e Sharif oder Herat Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation,

Afghanistan in der Fassung vom 29.06.2018:

"...

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

...

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

...

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

...

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

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3.2. Badakhshan

Bekannt als üppig bewachsene Gebirgsprovinz, liegt Badakhshan im Nordosten Afghanistans und grenzt an Tadschikistan, China und Pakistan. Ihre Hauptstadt ist Faizabad. Die Provinz besteht aus 28 Distrikten: Arghanjkhwa, Argo, Baharak, Darayem, Darwaz, Darwaz-e-Balla, Eshkmesh, Fayzabad, Jorm, Keshem, Khash, Khwahan, Kofab, Kohestan, Koran Wa Monjan, Raghestan, Shahr-e-Buzorg, Shaki, Shighnan, Shuhada, Tagab, Teshkan, Wakhan, Warduj, Yaftal-e-Sufla, Yawan, Yamgan, Zebak (UNOCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.h). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf ??982.835 geschätzt (CSO 4.2017). Einer Quelle zufolge ist die Provinz Badakhshan eine Flugstunde von der Provinz Kabul entfernt (Profil 5.2.2018). In Faizabad gibt es einen regionalen Flughafen mit Linienbetrieb.

Badakhshan ist reich an Bodenschätzen wie Gold, Rubinen und Lapislazuli. Im Jänner 2018 berichtete eine Quelle, dass zahlreiche Bergwerke von bewaffneten Männern und Kämpfern illegal genutzt werden (Pajhwok 7.1.2018). Badakhshan gehört zu den Provinzen, in denen Opium angebaut wird (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Während der Taliban-Herrschaft 1996-2001 war Badakhshan die einzige Provinz, die nicht unter Kontrolle des Taliban-Regimes fiel. Dennoch ist in den letzten Jahren die Anzahl der Taliban in einigen Distrikten der Provinz gestiegen. Einer Quelle zufolge werden die Distrikte Warduj, Jorm, Baharak und Yaftal-e-Sufla teilweise von den Taliban kontrolliert (Profil 5.2.2018). Auch ist der an Warduj angrenzende Distrikt Yamgan unter Kontrolle der Taliban (Gandahar 12.2.2018; vgl. Tolonews 25.5.2017). Bewohner/innen dieser beiden Distrikte sind auf der Suche nach Schutz in den Distrikt Baharak geflohen (Gandhara 12.2.2018). Der Distrikt Warduj war in den letzten Jahren stark umkämpft - die Kontrolle über den Distrikt wechselte mehrmals zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften (TD 9.2.2018). Badakhshan zählte - Quellen zufolge - sowohl im April 2017 (Khaama Press 28.4.2017) als auch im Februar 2018 (Gandhara 12.2.2018) zu den relativ instabilen Provinzen im Nordosten Afghanistans, einer Region, die in den letzten Jahren eine Zunahme der durch Taliban verursachten Gewalt erlebt hat (Gandhara 12.2.2018; vgl. Khaama Press 28.4.2017; Xinhua 9.3.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 75 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 61 zivile Opfer (21 getötete Zivilisten und 40 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 64% der Zahl ziviler Opfer im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Badakhshan

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um in einigen Gebieten der Provinz gegen die Taliban, den IS und andere aufständische Gruppierungen vorzugehen (TN 28.2.2018; vgl. Eurasiareview 20.2.2018; Arab News 15.2.2018; Xinhua 13.2.2018; VA 8.2.2018; Tolonews 15.6.2017). Ebenso werden Luftangriffe durchgeführt (Firstpost 5.2.2018; vgl. Tolonews 14.2.2018; TD 9.2.2018; Khama Press 11.10.2017), bei denen zum Beispiel auch ein Ausbildungscamp der Taliban zerstört wurde (USDOD 7.2.2018; vgl. LWJ 8.3.2018; Tolonews 9.3.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden in der Provinz Zusammenstöße zwischen dem IS und den Streitkräften gemeldet, während zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 keine vom IS verursachten Vorfälle registriert wurden (ACLED 23.2.2018).

Anfang 2018 waren Verhandlungen zum Bau eines militärischen Stützpunkts der chinesischen Armee in Badakhshan im Gange (Lobe Log 7.2.2018; vgl. Strategy Page 17.2.2018; TD 5.1.2018; TD 9.2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Badakhshan

Neben den Taliban werden ausländische Kämpfer, deren Zahl auf 200 geschätzt wird, als ein weiterer Unsicherheitsfaktor gesehen. Diese ausländischen Kämpfer stammen aus Usbekistan, China (Uigurische Muslime) (Gandahar 12.2.2018) und Tadschikistan (Gandahar 12.2.2018; vgl. Xinhua 13.2.2018). Die Taliban bauen u.a. Netzwerke von privat finanzierten Medresen und Moscheen in der Region auf (AAN 29.1.2018).

Die Präsenz des IS ist umstritten: Quellen zufolge zählt auch der IS einige Anhänger in den Gebieten Badakhshans (TN 28.2.2018; VA 8.2.2018; TD 5.1.2018). Einer anderen Quelle zufolge gibt es keine Angaben, welche die Präsenz des IS in der Provinz bestätigen. Die Anwesenheit des IS in der Provinz wird als schwach bezeichnet (TD 18.5.2017). Außerdem sind andere aufständische Gruppierungen wie die East Turkistan Islamic Movement (ETIM), die mehrheitlich aus chinesischen Uiguren besteht, aktiv (Gandhara 12.2.2018). Im Laufe des Jahres 2017 und auch im Jänner 2018 haben sich zahlreiche Taliban dem Friedensprozess in Badakhshan angeschlossen (Pajhwok 9.1.2018).

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3.5 Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

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Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff:

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

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3.13 Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

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Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

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3.35 Erreichbarkeit

Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Verkehrsunfälle sind in Afghanistan keine Seltenheit; jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, hohe Geschwindigkeiten und Nachlässigkeit der Fahrer während der Fahrt (KT 17.2.2017; vgl. IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen sowie Zusammenstöße zwischen letzteren und den Sicherheitskräften entlang einiger Straßenabschnitte gefährden die Sicherheit auf den Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kandahar-Uruzgan (Pajhwok 28.4.2018), Ghazni-Paktika (Reuters 5.5.2018), Kabul-Logar (Tolonews 21.7.2017) und Kunduz-Takhar (Tolonews 12.5.2017).

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Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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