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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der E F in S, vertreten durch Mag. Bernd Moser, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, Mühlbachweg 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 25. Mai 1999, Zlen. UVS-3/10.727/10-1999 und UVS-7/10.553/10-1999, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, des Führerscheingesetzes und des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Abspruches über die Verwaltungsübertretung nach § 97 Abs. 4 StVO 1960 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das gegen die Beschwerdeführerin ergangene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 22. Oktober 1998 enthielt folgenden Spruch:
"Frau E F, geb. am, hat am 2.12.1997, um 14.40 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen in Leogang, im Ortsgebiet, auf der unteren Dorfstraße gegenüber der Raika
1.
im beschilderten Halte- und Parkverbot abgestellt,
2.
hat als Fahrzeuglenkerin die Anordnung eines Exekutivorganes, Ihren PKW aus dem 'Halte- und Parkverbot' zu entfernen nicht befolgt,
3. hat als Lenkerin den Führerschein auf Verlangen einem Organ der Straßenaufsicht nicht zur Überprüfung ausgehändigt,
4. hat als Lenkerin den Zulassungsschein auf Verlangen einem Organ der Straßenaufsicht nicht zur Überprüfung ausgehändigt. Dadurch übertretene Verwaltungsvorschriften, verhängte Strafen und entstandene Verfahrenskosten:
1. Übertretung gemäß § 24(1)a StVO S 600,--
2. Übertretung gemäß § 97(4) StVO S 1.000,--
3. Übertretung gemäß § 102(5)a KFG S 500,--
4. Übertretung gemäß § 102(5)b KFG S 500,--
Geldstrafe gemäß § 99(3)a StVO, § 99(3)j StVO
und § 134 KFG
Ersatzfreiheitsstrafe:
1) 20 Std. 2) 34 Std.3) 17 Std. 4) 17 Std.
Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß S 260,--
§ 65 Abs.2 des Verwaltungsstrafgesetzes, das sind
10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich
200 Schilling angerechnet)
Gesamtbetrag S 2.860,--
Sind die Geldstrafen uneinbringlich, so treten an ihre Stelle die Ersatzfreiheitsstrafen. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 1999 teilweise Folge gegeben und Spruchteil 1. des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben. Das Strafverfahren "zu Spruchteil 1" wurde gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG eingestellt. "Zu den Spruchteilen 2. bis 4." wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde folgende Feststellungen:
"Die Beschuldigte stellte am 02.02.1997 um 14:40 Uhr ihren Pkw im Ortsgebiet von Leogang in der Unteren Dorfstraße gegenüber der Raika ab. Dieser Bereich war mit einem Verkehrszeichen 'Halte- und Parkverbot' beschildert. Eine straßenpolizeiliche Verordnung für dieses 'Halte- und Parkverbot' bestand zum damaligen Zeitpunkt aber nicht. Die Beschuldigte wurde vom meldungslegenden Gendarmeriebeamten, der ihr mit einem Dienstfahrzeug entgegenkam, zunächst durch Handzeichen aufgefordert mit ihrem Fahrzeug den Bereich des Halte- und Parkverbotes zu verlassen. Die Beschuldigte hat diese Aufforderungen auch so verstanden, kam ihr aber nicht nach, da sie noch auf eine Kollegin, die etwas zu erledigen hatte, warten wollte. Der Gendarmeriebeamte stellte daraufhin sein Dienstfahrzeug ab, ging zu Fuß zur Beschuldigten und forderte sie nochmals mündlich auf, das Halte- und Parkverbot zu verlassen. Die Beschuldigte erklärte dem Beamten, dass sie noch auf eine Kollegin warten wollte. Es kam dann in weiterer Folge zu weiteren Aufforderungen, wobei der Beamte bei der letzten Aufforderung eine Anzeige androhte. Danach fuhr die Beschuldigte aus dem Halte- und Parkverbotsbereich. Von der ersten Aufforderung des Beamten durch Handzeichen bis zum tatsächlichen Wegfahren der Beschuldigten ist ein Zeitraum von ca fünf Minuten verstrichen. Die Beschuldigte parkte sodann ihr Fahrzeug auf den Kundenparkplatz der Raiffeisenkasse und wurde vom Gendarmeriebeamten aufgefordert Zulassungsschein und Führerschein auszuhändigen. Die Beschuldigte kam dieser Aufforderung nicht nach, sie verlangte vielmehr im Gegenzug vom Beamten dessen Dienstnummer, die er ihr aber nicht bekannt gab."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass Spruchteil 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aufzuheben und das Strafverfahren in diesem Punkt einzustellen gewesen sei, weil dem Vorschriftszeichen "Halten und Parken verboten" (in dessen Bereich die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug abgestellt hatte) keine Verordnung zugrunde gelegen sei. Hinsichtlich des Spruchteiles 2. sei zum Tatzeitpunkt sowohl für den Beamten als auch für die Beschwerdeführerin selbst davon auszugehen gewesen, dass Letztere ihr Fahrzeug in einem "beschilderten Halte- und Parkverbot" abgestellt habe. Es sei daher objektiv jedenfalls eine Situation vorgelegen, die eine Ordnung des ruhenden Verkehrs erfordert habe. Dies unbeschadet des Umstandes, dass sich nachträglich herausgestellt habe, dass die Verordnung für das Halte- und Parkverbot zum Tatzeitpunkt gefehlt habe. Bezüglich der Spruchteile 3. und 4. sei unbestritten geblieben, dass die Beschwerdeführerin dem Meldungsleger auf dessen Verlangen weder den Zulassungsschein noch den Führerschein ausgehändigt habe. Sie könne sich nicht damit entschuldigen, dass sich der Beamte ihr gegenüber nicht ausgewiesen habe, zumal sie keinen Rechtsanspruch darauf habe, dass ihr der Beamte gleich zu Beginn der Amtshandlung die Dienstnummer bekannt geben müsse. Im Übrigen sei der Gendarmeriebeamte, der Uniform getragen habe und mit einem nach außen erkennbaren Dienstfahrzeug gefahren sei, als solcher sofort zu erkennen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin die zur Zl. 99/03/0138 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Mit dem nach der Beschwerdeerhebung erlassenen, nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Mai 1999 sprach die belangte Behörde bezüglich ihres Bescheides vom 15. März 1999 Folgendes aus:
"Gemäß § 52a Abs 1 VStG wird der Spruch des angeführten Berufungsbescheides dahingehend abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:
'Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung teilweise Folge gegeben und Spruchteil 1. des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben. Das Strafverfahren zu Spruchteil 1 wird gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und werden die Spruchteile 2. bis 4. mit folgenden Maßgaben vollinhaltlich bestätigt:
1. die übertretene Norm zu Spruchteil 2. hat '§ 99 Abs 3 lit j StVO iVm § 97 Abs 4 StVO' zu lauten.
2. die übertretene Norm zu Spruchteil 3. hat '§ 37 Abs 1 Führerscheingesetz - FSG' zu lauten.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat die Beschuldigte zu den Spruchteilen 2. bis 4. neben den erstinstanzlichen Verfahrenskosten (S 200,--) einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von insgesamt S 400,-- zu leisten."
In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde darauf, dass "§ 102 Abs 5 lit a KFG mit Inkrafttreten des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 121/1997, (01.11.1997) aufgehoben wurde. Die Gebotsnorm des § 102 Abs 5 lit a KFG (Mitführungs- und Vorweispflicht des Führerscheines) ist nunmehr in § 14 Abs 1 FSG geregelt. Die diesbezügliche Strafbestimmung findet sich in § 37 Abs 1 FSG, die nunmehr einen Mindeststrafe von 500 S vorsieht. Hinsichtlich der vorgesehenen Höchststrafe (30.000 S) bestehen keine Unterschiede zum Strafrahmen des § 134 Abs 1 KFG".
Mit Beschluss vom 5. August 1999, Zl. 99/03/0138, erklärte der Verwaltungsgerichtshof die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 1999 eingebrachte Beschwerde als gegenstandslos und stellte das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ein, weil die Beschwerdeführerin durch den nunmehr angefochtenen Bescheid klaglos gestellt worden sei.
Über die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 25. Mai 1999 erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass der angefochtene Bescheid "keine überprüfbare Begründung" enthalte. Der "Abänderungsbescheid" hätte zumindest den ursprünglichen Bescheidinhalt rezipieren müssen, wenn schon nicht eine eigene (neue) Begründung gegeben werde. Dem ist zu entgegnen, dass der angefochtene Bescheid die nicht abgeänderten Teile des Bescheides vom 15. März 1999 zwar nicht ausdrücklich, aber doch implizit rezipiert hat. Da es bei verständiger Betrachtung unzweifelhaft ist, dass die nicht abgeänderten Teile dieses Bescheides, und zwar sowohl des Spruches als auch der Begründung, aufrecht erhalten bleiben sollten, bedurfte es auch keiner Wiederholung dieser Teile im angefochtenen Bescheid (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1998, Zlen. 97/03/0258, 98/03/0051).
Gemäß § 97 Abs. 4 StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erfordert, einzelnen Straßenbenützern für den Einzelfall Anordnungen für die Benützung der Straße zu erteilen, und zwar auch solche, die von den sonstigen diesbezüglichen Bestimmungen abweichen. Diese Anordnungen dürfen
a) nur gegeben werden, wenn ihre Befolgung ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist,
b) nur befolgt werden, wenn dies ohne Gefährdung von Personen oder Beschädigung von Sachen möglich ist.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. j StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer in anderer als der in lit. a bis h sowie in den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b und 4 bezeichneter Weise Gebote, Verbote oder Beschränkungen sowie Auflagen, Bedingungen oder Fristen in Bescheiden nicht beachtet.
Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde hinsichtlich der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Übertretung nach § 97 Abs. 4 StVO 1960 zutreffend davon aus, dass ein Halteverbot gemäß § 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960 an der Stelle, an der die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug abgestellt hatte, mangels Vorliegen einer entsprechenden Verordnung nicht bestand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1982, Zl. 82/02/0137). Da die aufgestellten Verkehrszeichen gemäß § 52 lit. a Z. 13b StVO 1960 für sich allein - ohne Erlassung einer entsprechenden Verordnung - keine Rechtswirkungen zeitigen konnten, vermochten sie entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine Situation zu begründen, "die eine Ordnung des ruhenden Verkehrs erforderte". Dass die im Beschwerdefall erteilte Anweisung des Meldungslegers etwa aus anderen Gründen für die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erforderlich gewesen wäre, kann den der verwaltungsgerichtlichen Prüfung gemäß § 41 Abs. 1 VwGG zugrunde zu legenden Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nicht entnommen werden. Fehlte es solcherart aber am genannten Erfordernis, dann mangelte dem Straßenaufsichtsorgan die Berechtigung zur Erteilung der Anordnung. Die Nichtbeachtung einer unberechtigt erteilten Anordnung vermag aber keine Strafbarkeit nach § 99 Abs. 3 lit. j StVO 1960 zu begründen. Ob das Straßenaufsichtsorgan - subjektiv - der Meinung sein konnte, zur Erteilung der Anordnung berechtigt gewesen zu sein, ist unerheblich.
Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde, sodass der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Abspruches über die Verwaltungsübertretung nach § 97 Abs. 4 StVO 1960 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
In Ansehung der Verwaltungsübertretungen nach § 14 Abs. 1 Z. 1 FSG und § 102 Abs. 5 lit. b KFG 1967 macht die Beschwerdeführerin mangelndes Verschulden geltend. Da sich der Meldungsleger - entgegen § 9 der Richtlinien-Verordnung, BGBl. Nr. 266/1993 - geweigert habe, seine Dienstnummer bekannt zu geben, habe sie annehmen müssen, dass gar kein Gendarmeriebeamter einschreite.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Unbestritten ist, dass der Meldungsleger Uniform getragen hat. Damit war er jedoch eindeutig als Gendarmeriebeamter kenntlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 1991, Zl. 90/03/0282). Allein der Umstand, dass er die Bekanntgabe der Dienstnummer verweigerte, rechtfertigte entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keineswegs den Schluss, dass es sich bei ihm um keinen Gendarmeriebeamten handle. Im Übrigen ist im Verwaltungsstrafverfahren eine gegenseitige Aufrechnung von Verstössen gegen Rechtspflichten nicht vorgesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 1985, Slg. Nr. 11.704/A). Das von der Beschwerdeführerin beanstandete Verhalten des Meldungslegers berechtigte sie - mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die die Befolgungspflicht von der in Rede stehenden Bekanntgabe abhängig machte - nicht, ihrerseits den ihr nach den oben angeführten Bestimmungen obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachzukommen.
Die Beschwerde war daher in Ansehung des Abspruches über die genannten Delikte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Oktober 1999
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Spruch und Begründung Verweisung auf die Entscheidungsgründe der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999030265.X00Im RIS seit
21.02.2002