Entscheidungsdatum
26.09.2018Norm
AVG §13 Abs3Spruch
W170 2199433-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH als Vorsitzenden und die fachkundige Laienrichterin Dr. ZAUNER Anna als Beisitzerin sowie den fachkundigen Laienrichter HR Mag. Herbert KULLNIG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX als stellvertretende Disziplinaranwältin gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres - Senat 3 vom 25.05.2018, Zl.en 44028/5-DK/3/17 und 44047/5-DK/3/17, beschlossen (weitere Partei: XXXX ):
A) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Nach Durchführung eines Disziplinarverfahrens gegen XXXX wurde dieser mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres - Senat 3 vom 25.05.2018, Zl.en 44028/5-DK/3/17 und 44047/5-DK/3/17, mit einer Geldbuße bestraft; das Disziplinarerkenntnis wurde XXXX am 28.05.2018 und der im Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission einschreitenden Stellvertreterin des Disziplinaranwaltes, XXXX , elektronisch am 25.05.2018 zugestellt.
Seitens XXXX blieb das gegenständliche Disziplinarerkenntnis unbekämpft, XXXX erhob hingegen mit Schriftsatz vom 22.06.2018 das Rechtsmittel der Beschwerde hinsichtlich der Art und Höhe der verhängten Disziplinarstrafe.
XXXX ist nicht rechtskundig und schritt im gegenständlichen Verfahren im Auftrag des Disziplinaranwaltes des Bundesministeriums für Inneres, XXXX , BA, MA ein und erhielt von diesem den Auftrag vor der Disziplinarkommission die Interessen des Leiters der Zentralstelle zu vertreten. XXXX wurde von der Disziplinaranwaltschaft im Bundesministerium für Inneres aus verfahrensökonomischen Gründen beauftragt, gegen das Erkenntnis Beschwerde einzubringen. Eine Verhinderung des XXXX wurde nicht einmal behauptet.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 135a Abs. 3 Z 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2018 (in Folge: BDG), hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen, wenn die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt gegen ein Erkenntnis Beschwerde erhoben hat.
Gegenständlich liegt die Beschwerde einer (wenn auch - wie unten zu zeigen ist - nicht beschwerdelegitimierten) Disziplinaranwältin vor, es liegt daher Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG) kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, (1.) wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet und (2.) der zuständige Bundesminister in Rechtssachen in einer Angelegenheit der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 B-VG oder in Rechtssachen, in denen dem Bescheid eines Landesschulrates ein kollegialer Beschluss zugrunde liegt. Gemäß Art. 132 Abs. 5 B-VG - soweit hier relevant - bestimmen die Bundes- oder Landesgesetze, wer in anderen als den in Abs. 1 genannten Fällen wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben kann.
Das bedeutet, dass - abgesehen vom Bundesminister in den Fällen, in denen dem Bund verfassungsrechtlich die Gesetzgebungs- aber nicht die Vollzugskompetenz einer Materie zukommt - nur derjenige, der (denkmöglich) behaupten kann, durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein sowie diejenigen Parteien, denen der (einfache) Gesetzgeber ein Beschwerderecht an das Verwaltungsgericht einräumt, zulässig Beschwerde an dieses ergreifen dürfen.
Gemäß § 103 Abs. 1 BDG sind zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren von den Leitern der Zentralstellen Disziplinaranwälte und die erforderliche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen, gemäß § 103 Abs. 3 BDG hat der Disziplinaranwalt rechtskundig zu sein und gemäß § 103 Abs. 4 BDG wird der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt das Recht eingeräumt, (1.) gegen Bescheide der Disziplinarkommission gemäß Art. 132 Abs. 5 B-VG Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und
(2.) gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Allerdings muss im Verfahren vor der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt gemäß § 243 Abs. 7 BDG nicht rechtskundig sein.
Das bedeutet im Wesentlichen, dass in Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres auch eine nicht rechtskundige Disziplinaranwältin oder ein solcher Disziplinaranwalt einschreiten darf, im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht aber nicht mehr.
2. Dies bedeutet für das gegenständliche Verfahren:
Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerde XXXX als nicht rechtskundige Stellvertreterin des Disziplinaranwaltes XXXX eingebracht.
Jene ist aber aus zwei Gründen unzulässig:
2.1. Einerseits schritt - nach den auf der Stellungnahme des Bundesministers für Inneres vom 19.07.2018, BMI-PA1700/0409-I/1/f/2018 beruhenden Feststellungen - eine Stellvertreterin anstatt dem bestellten Disziplinaranwalt ein, weil dies verfahrensökonomisch erschien; eine Verhinderung des Disziplinaranwaltes wurde weder vom Bundesminister für Inneres noch von der einschreitenden stellvertretenden Disziplinaranwältin behauptet.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber Voraussetzung für das Tätigwerden des Stellvertreters die Verhinderung des Amtsträgers (VwGH 07.04.2016, Ra 2015/08/0216, im dortigen Fall eines Insolvenzverwalters). Das Vorliegen einer solchen Verhinderung haben zwar - so der Verwaltungsgerichtshof weiter - grundsätzlich der Stellvertreter und der Amtsträger (im dortigen Fall: der Insolvenzverwalter) zu beurteilen, es darf aber nur dann, wenn der Amtsträger (im dortigen Fall: der Insolvenzverwalter) verhindert ist, der Stellvertreter tätig werden.
Eine Aufteilung der Agenden auf den Amtsträger (im dortigen Fall: der Insolvenzverwalter) und den Stellvertreter aus Zweckmäßigkeitsgründen ist demnach ebenso unzulässig.
Umgelegt auf das Disziplinarverfahren bedeutet das, dass eine Stellvertreterin nur tätig werden darf, wenn der Disziplinaranwalt verhindert ist. Dies wurde aber nicht einmal behauptet, vielmehr sei die Stellvertreterin bei der Ergreifung der Beschwerde aus verfahrensökonomischen Gründen eingeschritten.
Daher kommt dieser allerdings - eine Bevollmächtigung für den Disziplinaranwalt einzuschreiten hat dieser trotz ausdrücklicher Aufforderung im Mängelbehebungsauftrag des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2018, W170 2199433-1/2Z, nicht nachgewiesen und ist auch der Anschein, im Auftrag gehandelt zu haben, der nicht "im Auftrag" unterschriebenen Beschwerde nicht zu entnehmen - keine Befugnis zu, als Disziplinaranwältin einzuschreiten.
Wenn der Bundesminister für Inneres in seiner Stellungnahme vom 19.07.2018, BMI-PA1700/0409-I/1/f/2018, davon spricht, dass die
Beschwerdeführerin "von der Disziplinaranwaltschaft ... telefonisch
beauftragt" wurde, Beschwerde zu erheben, so handelt es sich hierbei offensichtlich um die - nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - verpönte Aufteilung der Agenden zwischen dem Amtsträger und (hier:) der Stellvertreterin. Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz den Leitern der Zentralstellen gemäß § 103 Abs. 1 BDG die Möglichkeit einräumt, "Disziplinaranwälte" - also mehr als einen solchen - zu bestellen, sodass auch mehr als ein solcher Amtsträger bestellt werden kann.
Insoweit ist auch auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.12.1998, Gz. 98/09/0249, zu verweisen, wo das Verfahren wegen des Nichterfüllens eines Mangelbehebungsauftrages eingestellt wurde, unter anderem weil die Beschwerde im dortigen Verfahren nicht vom Disziplinaranwalt, sondern von seinem Vertreter unterschrieben wurde und die Unterschrift des Disziplinaranwaltes nicht nachgereicht wurde.
Schon alleine aus diesem Grund ist die Beschwerde als von einer nicht zur Beschwerdeergreifung befugten Partei zurückzuweisen.
2.2. Darüber hinaus ist es für das Bundesverwaltungsgericht aber unzweifelhaft, dass die Beschwerdeergreifung der erste Schritt des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und eben kein Teil des Verfahrens vor der Disziplinarkommission mehr ist, da sich die Beschwerde an das Verwaltungsgericht richtet, dessen Verfahrensgegenstand festlegt und eine allfällige Entscheidung im Beschwerdevorverfahren - ohne dass dies einer weiteren Begründung bedarf - vom Beschwerdeführer mit Vorlageantrag dem Verwaltungsgericht vorzulegen ist. Darüber hinaus ergibt sich nur aus der Beschwerde, selbst wenn ein Vorlageantrag ergangen ist, ob diese zulässig ist. Unzweifelhaft ist daher die Beschwerde - entgegen der Ansicht des Bundesministers für Inneres in seiner Stellungnahme vom 19.07.2018, BMI-PA1700/0409-I/1/f/2018 - nicht mehr als Teil des Verfahrens vor der Disziplinarkommission zu sehen und greift diesfalls die Ausnahme des § 243 Abs. 7 BDG nicht mehr.
Es stellt sich aber die Frage, welche Rechtsfolgen die Notwendigkeit des Einschreitens eines rechtskundigen Disziplinaranwalts ab dem Ergreifen einer Beschwerde für ein Verfahren, das sich auf einen Bescheid einer Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres bezieht, zeitigt. Jedenfalls ist die Bestellung (zumindest im Bereich des Bundesministeriums für Inneres) einer nicht rechtskundigen Person zum Disziplinaranwalt nicht nichtig, da dieser jedenfalls die Möglichkeit zukommt, vor der Disziplinarkommission einzuschreiten.
Allerdings ist ein nicht rechtskundiger Disziplinaranwalt auf Grund der systematischen Nähe der einfachgesetzlich eingeräumten Beschwerdebefugnis zur Notwendigkeit der Rechtskunde des Disziplinaranwalts von der einfachgesetzlich eingeräumten Beschwerdebefugnis nicht mitumfasst und ist daher eine von einem nicht rechtskundigen Disziplinaranwalt (jedenfalls im eigenen Namen) erhobene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Dies muss - unbeschadet der unter 2.1. dargestellten Ausführungen - jedenfalls auch für die Stellvertreterin des Disziplinaranwaltes gelten.
Da XXXX eben eine solche nicht rechtskundige (stellvertretende) Disziplinaranwältin ist, ist deren zwar über Auftrag aber doch im eigenen Namen eingebrachte Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
3. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Dies gilt sowohl für die Frage, ob ein Stellvertreter des Disziplinaranwalts aus prozessökonomischen Gründen im eigenen Namen einschreiten darf als auch für die Frage, welche Folgen das Einschreiten eines nicht rechtskundigen Disziplinaranwalts bei der Beschwerdeergreifung zeitigt. Darüber hinaus war aus den Materialien zu den §§ 103, 243 BDG - soweit dies vom Bundesverwaltungsgericht zu sehen war - nichts zu gewinnen.
Schlagworte
Beschwerdelegimitation, Disziplinaranwalt - Zurückweisung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2199433.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.11.2018