Entscheidungsdatum
26.09.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W119 2148358-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: Jemen, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. 1. 2017, Zl 1051575806-150153756/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4. 6. 2018 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 11. 2. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich der am selben Tag durchgeführten durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte der Beschwerdeführer zunächst aus, verheiratet zu sein. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass sein Bruder getötet worden sei, wodurch ein Stammeskrieg die Folge gewesen wäre. Er sei aus diesem Grund verfolgt worden und im August 2014 aus dem Jemen geflüchtet. Der Beschwerdeführer legte seinen jemenitischen Reisepass, seinen Parteiausweis sowie drei Schreiben zum Tod seines Bruders vor.
Der Beschwerdeführer gab anlässlich seiner beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) durchgeführten Befragung am 11. 1. 2017 an, dass seine Ehefrau und seine Kinder weiterhin im Jemen leben würden. Zu seinem Beruf befragt, gab er an, in einem Reisebüro sowie Restaurants und Supermärkten gearbeitet zu haben.
Weiters gab er an, im Jahr 2006 offizielles Mitglied der Oppositionspartei "Islah" geworden zu sein. Er habe in diesem Jahr in seinem Stadtviertel in der Stadt Sanaa die Präsidenten- bzw Gemeindewahlen organisiert und mitgestaltet. Er sei XXXX der Partei für den Sprengel XXXX gewesen. Diese Funktion habe er bis Februar 2011 ausgeübt. Damals habe sich auch sein Bruder XXXX dieser Partei angeschlossen und ihn unterstützt. Zu diesem Zeitpunkt habe der "Arabische Frühling" begonnen und viele Studenten hätten sich den Demonstrationen angeschlossen. Ab Februar 2011 habe er an der Universität in Sanaa sowie an anderen Orten in der Hauptstadt die Demonstrationen organisiert. Im Februar 2011 hätten die Houthi Sanaa eingenommen. Im November 2012 sei es in Sanaa zu Konflikten mit den Houthi gekommen, wobei sein Bruder XXXX getötet worden sei. Dabei sei es um politische, religiöse und ethnische Interessen gegangen. Sein Stamm " XXXX " habe erfolglos mit den Houthi-Stämmen verhandelt. Die Houthi hätten ihm gedroht und ihn verfolgt, weil er sich für die Islah-Partei politisch betätigt habe. Die meisten seiner Parteikollegen seien getötet oder festgenommen worden. Im Juli 2014 hätten die Houthi versucht, die Regierung zu stürzen. Da die Houthi keine Oppositionsparteien geduldet hätten, habe er aus Furcht vor einem Gefängnisaufenthalt die Flucht angetreten.
Die Frage, ob er persönlich vom jemenitischen Staat bedroht worden sei, verneinte er, führte aber aus, dass er indirekt vor den Verfolgungen der Houthi Furcht gehabt habe. Auf die Frage, wie sein Bruder XXXX getötet worden sei, gab er an, dass er von den Houthi in der Nähe seines Elternhauses durch Schüsse am Kopf tödlich verletzt worden sei. Auf die Frage, woher er wisse, dass die Houthi die Täter gewesen seien, gab er an, dass seine Nachbarn und Freunde gesehen hätten, wie sein Bruder mit den Houthi gestritten und anschließend erschossen worden sei. Die Frage, ob er die Tötung seines Bruders nicht persönlich gesehen habe, verneinte er. Er sei mit seinem anderen Bruder zur Polizei gegangen und habe diesen Vorfall angezeigt.
Auf die Frage, ob er im Jemen jemals persönlich konkret verfolgt oder bedroht worden sei, gab er an, dass dies nicht direkt geschehen sei. Aber ein Freund, der sich den Houthi angeschlossen habe, habe ihm gesagt, dass die Houthi über seinen Namen und die Namen anderer Parteimitglieder verfügen würden und angeordnet hätten, alle festzunehmen. Auf die Frage, warum er als XXXX der Islah-Partei von Interesse für die Houthi sein solle, gab er an, dass bereits tausende Angehörige dieser Oppositionspartei in den Houthi-Gefängnissen inhaftiert seien. Dies betreffe nicht nur hochrangige Funktionäre. Sein anderer Bruder namens XXXX habe nichts mit der Politik zu tun. Trotzdem sei er im Juni 2015 durch die Houthi festgenommen und nach drei Tagen freigelassen worden. Sein Bruder sei über ihn befragt worden. Auf die Frage, warum sein Bruder nicht von den Houthi verfolgt worden sei, gab er an, dass es sich dabei nicht um Blutrache handeln würde.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23. 1. 2017, Zl 1051575806-150153756/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Mit Spruchpunkt II. wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jemen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.) Begründend wurde ausgeführt, dass die drei vorgelegten Schreiben zum Tod des Bruders des Beschwerdeführers als glaubhaft anzusehen seien, der Beschwerdeführer aber nicht habe beweisen können, dass dieser von den Houthi ermordet worden sei. Zudem sei die Furcht des Beschwerdeführers vor einer Bedrohung durch die Houthi als nicht glaubhaft anzusehen, weil er kein hochrangiger Funktionär gewesen sei. Damit würden sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben, der gemäß Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK zur Gewährung von Asyl führen würde.
Mit Verfahrensanordnung vom 24. 1. 2017 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.
Gegen den Bescheid des Bundesamtes erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 14. 2. 2017 Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass das Bundesamt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht richtig beurteilt habe. Es wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht beantragt.
Am 4. 6. 2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt als weitere Partei des Verfahrens entschuldigt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer gab zunächst an, die Schule absolviert zu haben, aber sein begonnenes Studium nicht abgeschlossen zu haben. 1998 sei er Mitglied der Islah-Partei geworden. Auf die Frage, wie seine Rolle in der Partei während des "Arabischen Frühlings" ausgesehen habe, gab er an, dass er gegen das Regime und für die Absetzung des Präsidenten protestiert habe. Er sei öfters an Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften beteiligt gewesen. Sein Problem habe mit dem Einmarsch der Houthi begonnen. Er habe einen Freund gehabt, der zu den Houthi übergelaufen sei. Dieser habe ihm gesagt, dass die Houthi Listen über Leute führen würden, die gegen sie demonstriert hätten. Sein Freund habe ihn gewarnt, dass er auch demnächst festgenommen werde, weil sein Name auf einer Liste stünde.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurden dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Länderfeststellungen zur Situation in Jemen übergeben und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt. Eine solche ist jedoch bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist jemenitischer Staatsangehöriger und gehört sowohl der Volksgruppe der Araber als auch der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Er ist verheiratet und Vater von zwei minderjährigen Söhnen. Seine Familie lebt im Jemen. Er lebte in der Stadt Sanaa, besuchte dort die Schule und begann auch ein Studium, das er jedoch nicht abschloss. Er war danach berufstätig und wurde im Jahr 1998 Mitglied der oppositionellen Partei Islah-Partei und im Jahr 2006 XXXX und XXXX . Während des "Arabischen Frühlings" organisierte er Demonstrationen, die sich gegen das Regime und für die Absetzung des Präsidenten gerichtet hatten. Als im Jahr 2014 die Houthi in Sanaa die Kontrolle übernommen hatten, erklärte ihm ein zu den Houthi übergelaufener Freund, dass sich sein Name auf einer Liste befindet und dem Beschwerdeführer wegen seiner Betätigung für eine oppositionelle Partei eine Festnahme und ein Gefängnisaufenthalt drohen würde. Ein Bruder des Beschwerdeführers wurde von den Houthi getötet. Da der Beschwerdeführer somit in das Blickfeld der Houthi geraten ist, entschloss er sich im August 2014 zur Flucht aus dem Jemen und stellte am 11. 2. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Situation im Jemen:
Politische Lage:
Die Republik Jemen bezeichnet sich in ihrer am 15./16. Mai 1991 in einer Volksabstimmung angenommenen Verfassung (geändert am 28. September 1994) als unabhängigen, arabischen, islamischen und republikanischen Staat. Jemen ist Teil der arabischen und islamischen Welt. Staatsreligion ist der Islam (LIPortal 9.2017).
Die innere Lage des Landes wird immer noch durch die geteilten historischen Erfahrungen geprägt: einerseits britische Kolonialisierung und anschließende sozialistische Einflüsse im Süden, andererseits muslimische Imam-Herrschaft und Stammesgesellschaft im Norden. Insbesondere seit dem Sezessionskrieg 1994 hat sich Jemen auf den Weg einer allerdings schwierigen und nicht unangefochtenen Demokratisierung begeben. Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen dem ehemaligen Nord- und Südjemen bestehen fort. Diese belasten das politische und gesellschaftliche Klima des Landes (AA 4.2016).
2004 begann in der nordjemenitischen Provinz Sa'ada der Huthi-Aufstand. Der Expräsident Ali Abdullah Saleh bekämpfte während seiner Amtszeit bis 2012 den Aufstand. Nach seinem Rücktritt schloss er sich allerdings der Rebellion an, als diese sich ausbreitete. Im Herbst 2014 nahmen die Huthi die Hauptstadt Sana'a ein (Der Standard 23.8.2016). 2015 besetzten die Huthi-Rebellen den Präsidentenpalast und einige Ministerien in Sana'a, lösten Anfang Februar per Dekret das Parlament auf und setzten einen "Obersten Revolutionsrat" als Exekutivorgan ein (AA 4.2016). Präsident Hadi gab am 22.1.2015 eine Rücktrittserklärung ab, nahm diese jedoch Anfang Februar zurück. Nach einem Zwischenaufenthalt in Aden begab er sich nach Saudi-Arabien ins Exil, hält sich jedoch zwischendurch auch in Aden auf (LIPortal 9.2017). Der Krieg im Jemen eskalierte im März 2015, als eine Koalition unter saudi-arabischer Führung im Namen der international anerkannten Regierung unter Präsident Hadi gegen die Huthi-Rebellen intervenierte. Dies hat im ohnehin armen Land zu einer humanitären Katastrophe geführt (ICG 8.2017).
Der Jemen befindet sich derzeit in einer politischen Schwebe. Die Huthi behaupten, das Parlament sei aufgelöst und durch einen Übergangs-Revolutionsrat unter dem Vorsitz von Mohammed Ali al-Huthi ersetzt worden. Die UNO, die USA und der Golf-Kooperationsrat weigern sich jedoch, die Huthi-Herrschaft anzuerkennen (BBC 6.7.2017). Zudem haben Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) und Mitglieder des sogenannten Islamischen Staates (IS) das Chaos ausgenutzt, indem sie Gebiete im Süden eingenommen und ihre Angriffe intensiviert haben (BBC 28.3.2017).
Nach einer Zeit des rasanten Vormarschs hat die Allianz aus Huthi und Saleh-Unterstützern im Juli und August 2015 Territorium im Süden eingebüßt. Seitdem bekämpfen sie die Gegenseite, was in einer Pattsituation endete. Die Allianz hat die Kontrolle über das Gebiet des nördlichen Zaidi-Hochlandes [mehrheitlich von den Zaiditen, einem Zweig der Shi'a bewohnt], das die Hauptstadt Sana'a und die Mehrheit der Bevölkerung des Landes umfasst. Dies hat zu einem angespannten Status Quo geführt, von dem mehrere Konfliktparteien profitieren, der jedoch großes Leid unter den JemenitInnen und zusätzliche Instabilität in der gesamten Region hervorgerufen hat (ICG 11.10.2017).
Führende Politiker und Militärs haben Mitte Mai 2017 in Aden die Bildung einer neuen "Übergangsregierung" für Südjemen verkündet. Damit gibt es im Jemen jetzt drei Regierungen, eine in Sana'a und zwei in Aden. Und ausgerechnet der international anerkannte Präsident Hadi operiert meist aus dem Exil in Riad. Zubaidi, der Anführer der "Bewegung des Südens", machte seine Deklaration zur neuen Regierung im Fernsehen vor einer Flagge der einstigen Demokratischen Volksrepublik Südjemen, vorerst ohne die Unabhängigkeit auszurufen. Nun droht eine Eskalation des Konfliktes zwischen Anhängern Hadis und südjemenitischen Fraktionen, die mit der Sezession liebäugeln. Über den Gräben im Süden ist auch eine Diskrepanz zwischen der Politik Saudi-Arabiens und derjenigen der Vereinigten Arabischen Emirate deutlich geworden. Die beiden Golfstaaten führen eine multinationale Militärkoalition an, welche die Anti-Huthi-Allianz unterstützt. Während Saudi-Arabien vor allem aus der Luft bombardiert und seine Aktivitäten auf die saudisch-jemenitische Grenze fokussiert, haben sich die Emirate der Hafenstädte im Süden angenommen. Zur Unterstützung der Anti-Huthi-Allianz in Aden schickten sie Bodentruppen. Südjemenitische Anführer wie Al Zubaidi haben enge Beziehungen zu den Emiraten entwickelt, während der heute in Riad lebende Hadi von Saudi-Arabien unterstützt wird (NZZ 13.5.2017).
Anlässlich der Gedenkfeiern zum 54. Jahrestages des Aufstandes gegen die Briten am 14.10.2017 verkündete Al Zubaidi die baldige Abhaltung eines Unabhängigkeitsreferendums und die Konstituierung eines Parlamentes mit 303 Abgeordneten, welches alle Regionen des Süden repräsentieren soll (Reuters 14.10.2017, vgl. MEM 15.10.2017). [siehe auch Abschnitt: 3.3. Bewegung des Südens - Al Hirak].
Ex-Präsident Saleh inszenierte am 24.8.2017 eine Groß-Kundgebung in Sana'a anlässlich des 35. Jahrestages der Gründung der "General People's Congress Partei" (GPC). Die Huthi-Führung forderte am Vortag die Einführung des Ausnahmezustandes (ICG 8.2017). In einer Rede stellte Abdulmalik al-Huthi eine "Verschwörung" in den Raum. Saleh antwortet seinerseits mit einer Rede, in der er die Huthi beschuldigte, die 2015 getroffenen Absprachen zur Regierung der kontrollierten Gebiete zu brechen (Der Standard 29.8.2017, vgl. The National 20.8.2017). Hinter der "Verschwörung" stehen die Bemühungen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), des zweit-wichtigsten Mitglieds in der Saudi-Allianz, um einen Waffenstillstand. Die Huthi befürchteten, Saleh könnte diesen am 24. August verkünden (Der Standard 29.8.2017). Auch Al Huthi sagte, dass er bereit sei, auf ein Friedensabkommen mit der Regierung von Herrn Hadi und der von Saudi-Arabien geführten Koalition hinzuarbeiten, das die VAE einschließt, aber nur ein Abkommen, das im Interesse des Landes sei (The National 20.8.2017).
Die Spannungen zwischen den Anhängern der Partei Huthi und Salehs General People's Congress (GPC) blieben nach dem Zusammenstoß vom 25. August in der Hauptstadt Sana'a hoch, obwohl die Führer auf beiden Seiten öffentlich versichert hatten, dass die Allianz fortgeführt wird (ICG 8.2017). Sana'a ist nun zwischen den beiden Lagern aufgeteilt, wobei die Huthi etwa 70% der Hauptstadt und einen Großteil des Nordens halten (AM 3.9.2017).
Ali Abdullah Saleh wurde am 4.12.2017 in der jemenitischen Hauptstadt Sana'a von Huthi-Rebellen getötet. Mit den Houthi, die er einst bekämpfte, war Saleh 2014 eine Allianz eingegangen (Standard 4.12.2017a). Erst am 2.12.2017 hatte Saleh im Fernsehen nach mehr als zweieinhalb Jahren Krieg seine Militärallianz mit den Houthi-Rebellen aufgekündigt und "den Brüdern der benachbarten Staaten" angeboten, eine neue Seite im Verhältnis miteinander aufzuschlagen, wenn die Luftangriffe und die Blockade beendet würden. Houthi-Anführer Abdul-Malik al-Houthi bezeichnete Saleh daraufhin als Hochverräter und Putschisten (Zeit 4.12.2017). Nach anfänglichen Erfolgen in der darauffolgenden bewaffneten Konfrontation zwischen Saleh- und Houthi-Anhängern schien zuerst Saleh zu überwiegen. Am 3.12.2017 wendete sich jedoch das Blatt. Die Houthis begannen ihre Positionen in Sana'a zurückzuerobern, obwohl Saudi-Arabien seine Angriffe aus der Luft intensivierte (Standard 4.12.2017a). Die Gewalt zwischen den Streitkräften der Houthis und Salehs hat nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes in den letzten fünf Tagen bisher zum Tod von mindestens 125 Zivilisten geführt (Guardian 4.12.2017). Der in Saudi-Arabien im Exil lebende international anerkannte Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi gab unterdessen seinen Truppen den Befehl, die Hauptstadt zu stürmen und aus der Hand der Houthis zu befreien (Zeit 4.12.2017). Hadi bot allen, die ihre Unterstützung der Houthis aufgeben und sich zurückziehen, eine Amnestie an (Standard 4.12.2017b).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (4.2016): Jemen - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Jemen/Innenpolitik_node.html, Zugriff 28.9.2017
* AM - Al Monitor (3.9.2017): Are Yemeni rebels imploding?, http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/09/saudi-arabia-yemen-war-rebel-alliance-imploding-washington.html, Zugriff 10.10.2017
* BBC News (28.3.2017): Yemen crisis: Who is fighting whom?, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-29319423, Zugriff 28.9.2017
* BCC News (6.7.2017): Yemen country profile, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-14704852, Zugriff 28.9.2017
* ICG - International Crisis Group (8.2017): Yemen, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/august-2017#yemen, Zugriff 28.9.2017
* ICG - International Crisis Group (11.10.2017): Discord in Yemen's North Could Be a Chance for Peace [Crisis Group Middle East Briefing N°54],
https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/b054-discord-in-yemens-north-could-be-a-chance-for-peace_0.pdf, Zugriff 13.10.2017
* LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2017): Jemen - Staat und Verfassung,
https://www.liportal.de/jemen/geschichte-staat/#c1943, Zugriff 29.9.2017
* MEM - Middle East Monitor (15.10.2017): Southern Yemen leader sees independence referendum, parliament body, https://www.middleeastmonitor.com/20171015-southern-yemen-leader-sees-independence-referendum-parliament-body/, Zugriff 16.10.2017
* The National (20.8.2017): Yemen war: Cracks emerge in Houthis-Saleh alliance,
https://www.thenational.ae/world/yemen-war-cracks-emerge-in-houthis-saleh-alliance-1.621406, Zugriff 9.10.2017
* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (13.5.2017): Drei Regierungen für Jemen,
https://www.nzz.ch/international/separatisten-im-sueden-drei-regierungen-fuer-jemen-ld.1292924, Zugriff 11.10.2017
* Reuters (14.10.2017): Southern Yemen leader sees independence referendum, parliament body,
https://uk.reuters.com/article/uk-yemen-security/southern-yemen-leader-sees-independence-referendum-parliament-body-idUKKBN1CJ06T?rpc=401&, Zugriff 16.10.2017
* Der Standard (23.8.2016): Krieg im Jemen wird zur Sackgasse für die Saudis,
https://derstandard.at/2000043199757/Krieg-in-Jemen-wird-zur-Sackgasse-fuer-die-Saudis?ref=rec, Zugriff 28.09.2017
* Der Standard. Harrer, Gudrun (29.8.2017): Die Zweckehe der jemenitischen Rebellen ist in der Krise, https://derstandard.at/2000063266198/Die-Zweckehe-der-Rebellen-im-Jemen-ist-in-der-Krise, Zugriff 9.10.2017
* The Guardian (4.12.2017): Yemen Houthi rebels kill former president Ali Abdullah Saleh,
https://www.theguardian.com/world/2017/dec/04/former-yemen-president-saleh-killed-in-fresh-fighting, Zugriff 5.12.2017
* Der Standard (4.12.2017a): Jemens Expräsident Saleh tot:
Seitenwechsel wurden zum Verhängnis, https://derstandard.at/2000069031715/Jemen-Ein-Seitenwechsel-zu-viel-wurde-Expraesident-Saleh-zum-Verhaengnis, Zugriff 5.12.2017
* Der Standard (4.12.2017b): Rettungsdienste: In Jemens Hauptstadt Sanaa werden die Leichensäcke knapp, https://derstandard.at/2000069006092/Streit-verschaerft-Jemens-Huthis-sprengen-Haus-von-Expraesident-in-die, Zugriff 5.12.2017
* Die Zeit (4.12.2017): Das Ende eines Machtjongleurs, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-12/ali-abdullah-salih-jemen-ex-praesident-tod, Zugriff 5.12.2017
Sicherheitslage
Die volatile Sicherheitslage und militärische Operationen wirken sich weiterhin auf die Zivilbevölkerung im Jemen aus. Nach Angaben des Global Protection Cluster hat die Anzahl der gemeldeten Luftangriffe im ersten Halbjahr 2017 den Gesamtwert für 2016 überstiegen, mit einer fast Verdreifachung des Monatsdurchschnitts. Die Zahl der vermeldeten bewaffneten Zusammenstöße liegt um 56 Prozent pro Monat höher als 2016. Ta'izz, Sa'ada, Hajjah, Sana'a, Al Jawf und Ma'rib bleiben die von Militäroperationen, Zusammenstößen und Luftangriffen am stärksten betroffen Gebiete (UN-OCHA 14.8.2017). Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) bedauerte zu tiefst den Trend, dass öffentliche Plätze, wie Märkte sowie private Häuser zu Zielen der Konfliktparteien werden. Denn dies steht im Widerspruch zu den grundlegenden Grundsätzen des Kriegsrechts. Das ICRC zeigte sich insbesondere durch das jüngste Muster von Luftangriffen alarmiert, bei denen es wie zuletzt in Ta'izz zu zivilen Opfern gekommen ist (ICRC 8.8.2017).
Die Schwächen der Rechtsstaatlichkeit bestehen landesweit, vor allem aber in den Städten und Orten sowie dem Süden des Landes, wo das Fehlen einer wirksamen Kontrolle durch eine zentrale Behörde ein Machtvakuum schafft, in dem mehrere bewaffnete Gruppierungen und Stammesgruppen um die Kontrolle konkurrieren (GPC 9.2017).
Die von Saudi Arabien geführte Koalition ist wiederholt für Angriffe auf Zivilisten kritisiert worden. Mehr als 8.000 Menschen wurden seit 2015 getötet, darunter mindestens 1.500 Kinder, begleitet von Millionen Vertriebenen. Das verarmte Land wird durch den Konflikt an den Rand einer Hungersnot gedrängt. Ein Cholera-Ausbruch hat seit April 2017 mehr als 1.800 Menschen das Leben gekostet, und laut Vereinten Nationen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz bestehen weitere 400.000 Verdachtsfälle im ganzen Land. Die Vereinten Nationen warnten im Juli 2017 davor, dass 80% der Kinder im Jemen dringend Hilfe brauchten, was die Organisation als "größte humanitäre Krise der Welt" bezeichnete (MEE 17.9.2017).
Im August 2017 kam es zur einer markanten Eskalation der Spannungen zwischen Anhängern der Huthis und jenen des ehemaligen Präsidenten Saleh in Sana'a [die bislang als Verbündete galten]. Überdies nahmen die Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Koalition zu. Die Kämpfe gingen in der Provinz Ta'izz und entlang der saudischen Grenze weiter. In Ta'izz beispielsweise kämpften Huthi und Saleh-Rebellen gemeinsam gegen die Streitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und deren jemenitische Verbündete um die Kontrolle über den Militärstützpunkt Khaled bin Waleed und die umliegenden Gebiete (ICG 8.2017).
Die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Militäroperation im Jemen ist ins Stocken geraten, ohne dass seit Herbst 2015 strategische Erfolge erzielt worden wären, nachdem die saudischen Koalitionstruppen Aden und Teile der Provinz Ta'izz besetzt hatten. Den VAE wird mehr Interesse an der Bekämpfung der zur Muslimbruderschaft zugerechneten Al-Islah Partei (ein saudischer Verbündeter im Jemen) als der Saleh-Houthi-Allianz zugeschrieben. Angesichts der zunehmenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Ländern über den Jemen sehen die Aussichten der Koalition auf einen militärischen Erfolg schwach aus (AM 9.10.2017).
Andere bewaffnete Akteure haben weiterhin die Unsicherheit im Jemen ausgenutzt. Im vergangenen Jahr [2016] haben extremistische Gruppen ihre Präsenz aufrechterhalten und angepasst. Zum Beispiel, nachdem die Al Qaida im April 2016 aus Al Mukalla in der südlichen Provinz Hadramaut vertrieben wurde, ist sie nun in Ta'izz-Stadt aktiv (OHCHR 5.9.2017).
Die jemenitische Menschenrechtsorganisation "SAM" mit Sitz in Genf liefert für 2016 einen Überblick über die Opferzahlen nach Provinzen (siehe Tabelle unten). Die Todesursachen reichen von Beschuss durch Scharfschützen, Bombenangriffen auf Wohngebiete, Landminen auf öffentlichen Straßen und Plätzen, unkonventionellen Sprengvorrichtungen (IEDs) über Terroranschläge und politische Morde bis zu Tod unter Folter und außergerichtliche Exekutionen. Hinzu kamen Luftangriffe durch die von den Saudis angeführte Koalition sowie US-amerikanische Drohnen-Angriffe. Laut SAM waren von den 2950 Getöteten 77% Männer, 6% Frauen und 17% Kinder. Die meisten Opfer, nämlich die Hälfte, gingen auf das Konto der Houthi-Saleh-Milizen, 27% waren Opfer von Luftangriffen der Arabischen Koalitionsstreitkräfte, 12% von terroristischen Gruppen und 5% von US-amerikanischen Drohnen-Angriffen. Die Rest ging auf das Konto der Regierungstruppen oder war Opfer von sozialen Konflikten bzw. ist die Quelle der Gewalt unbekannt (SAM 15.2.2017).
Quellen:
* AM - Al Monitor (9.10.2017): Saudis could seek Russian bailout in Yemen,
http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/10/saudi-arabia-bail-out-yemen-conflict-mediation.html, Zugriff 10.10.2017
* GPC - Global Protection Cluster (9.2017): Protection Cluster Strategy - Yemen,
http://www.globalprotectioncluster.org/_assets/files/field_protection_clusters/Yemen/files/protection-cluster-yemen2c-national-strategy-final2c-september-2017.pdf, Zugriff 2.10.2017
* ICG - International Crisis Group (8.2017): Trends and Outlook - Yemen, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/august-2017#yemen, Zugriff 28.9.2017
* ICG - International Crisis Group (9.2017): Trends and Outlook - Yemen, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/september-2017#yemen, Zugriff 9.10.2017
* ICRC - International Committee of the Red Cross (8.8.2017): Yemen:
Airstrikes against civilians are an alarming trend, https://www.icrc.org/en/document/yemen-airstrikes-against-civilians-are-alarming-trend, Zugriff 29.9.2017
* MEE - Middle East Eye (17.9.2017): Dozen Yemeni civilians killed in Saudi-led coalition raid,
http://www.middleeasteye.net/news/dozen-yemeni-civilians-killed-saudi-led-coalition-raid-1833881575, Zugriff 28.9.2017
* OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (5.9.2017): Yemen: An "entirely man-made catastrophe" - UN human rights report urges international investigation, http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=22025&LangID=E, Zugriff 2.10.2017
* SAM (15.2.2017): The Forgotten Land - Report on Human Rights Violations in Yemen during 2016, http://www.samrl.org/wp-content/uploads/2017/03/En-The-Forgotten-Land-Internet-Odd-SAM-for-Rights-Liberties.pdf, Zugriff 3.10.2017
* UN-OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (14.8.2017): Yemen Humanitarian Bulletin Issue 26 | 14 August 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1503325164_1408.pdf, Zugriff 29.9.2017
Sicherheitsbehörden
Die Exil-Regierung hat aufgrund des Einflusses der Houthi-Rebellen nur limitierte Kontrolle über das Militär und die Sicherheitskräfte. Konkurrierende Familien-, Stammes-, Partei- und konfessionelle Einflüsse beeinflussten ebenfalls die Fähigkeit der Exil-Regierung das Militär und die Sicherheitskräfte zu kontrollieren (USDOS 13.04.2016). Die primären staatlichen Nachrichtendienste, die Organisation für Politische Sicherheit (Political Security Organisation - PSO) und das Büro für Nationale Sicherheit (National Security Bureau - NSB), unterstehen zuerst dem Innenminister und dann dem Präsidenten. Die Zusammenarbeit dieser beiden Organisationen bleibt unklar und es gibt keine klaren Definitionen vieler Prioritäten des NSB (USDOS 13.04.2016; vgl. auch: Global Security o.D.). Die PSO ist laut Gesetz dafür zuständig, politische Verbrechen und Sabotageakte aufzudecken und zu verhindern. Die beiden Institutionen sind seit der Übernahme Sanaas unter der Kontrolle der Houthis und des Ex-Präsidenten Saleh (USDOS 13.04.2016). Das NSB arbeitet Hand in Hand mit den Houthis zusammen (AI 17.08.2016). Die Strukturen des NSB und der PSO scheinen aber weitgehend unverändert zu sein (USDOS 13.04.2016).
Auch die Abteilung für Kriminaldienstliche Ermittlungen (Criminal Investigation Division) untersteht dem Innenministerium und führt die meisten Untersuchungen und Festnahmen in Kriminalfällen durch (USDOS 13.04.2016). Der Innenminister kontrolliert außerdem die paramilitärischen Spezialsicherheitskräfte (Special Security Force SSF, ehemals Central Security Forces CSF) - oft zur Kontrolle von Menschenansammlungen eingesetzt -, sowie die Anti-Terror-Einheit. Dem Verteidigungsminister unterstehen außerdem Einheiten zum Einsatz gegen interne Unruhen und in internen bewaffneten Konflikten (USDOS 13.04.2016; vgl. auch: Global Security o.D.). Sicherheitskräfte in Sanaa und anderen von Rebellen kontrollierten Gegenden agierten vermehrt straffrei. Verschiedene Parteien, inklusive der Familie des Ex-Präsidenten Saleh, übten vermehrt informell Einfluss auf die Sicherheitskräfte aus und es wird zunehmend schwieriger, Korruption und Missbräuche in diesen Organisationen strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 13.04.2016).
Die Regierung, die sich im Exil befindet, hat ebenso keine Kontrolle über die Haftanstalten innerhalb des Landes. Die Houthi-Rebellen sollen die meisten Gefängnisse kontrollieren und laut der Exilregierung auch Gefangene freigelassen haben. Der Exilregierung gegenüber loyale Sicherheitskräfte kämpfen gegen die Einheiten der Houthis und des Expräsidenten Saleh. Es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte und ebenso ehemalige Sicherheitskräfte Morde und Menschenrechtsverletzungen begingen und außerhalb des Gesetzes agierten (USDOS 13.04.2016).
Quellen:
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AI-Amnesty International (17.08.2016): Yemen: Huthi authorities must release detained Bahá'ís, end crackdown on minorities, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/08/yemen-huthi-authorities-must-release-detained-bahais-end-crackdown-on-minorities/, Zugriff 27.09.2017
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Global Security (o.D.): Yemen Intelligence Agencies, http://www.globalsecurity.org/intell/world/yemen/index.html, Zugriff 27.09.2016
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USDOS - US-Department of State (13.04.2016): Country Report in Human Rights Practices 2015 - Yemen, https://www.ecoi.net/local_link/322527/462004_de.html, Zugriff 31.08.2016
Houthi (Harakat Ansar Allah)
Die Houthi - offiziell bekannt als Harakat Ansar Allah (Bewegung der Helfer Gottes) - sind eine vom Iran unterstützte, schi'itisch-muslimische militärische und politische Bewegung. Ihre Mitglieder, die sich der Minderheit der Zaiditen des schi'itischen Islam zugehörig fühlen, setzen sich für die regionale Autonomie der Zaiditen im Nordjemen ein. Die Gruppe hat seit 2004 eine Reihe blutiger Aufstände gegen die jemenitische Regierung ausgeführt, die zu einem Sturz des Regimes Anfang 2015 geführt haben. Die Houthi-Bewegung begann als Versuch, die Autonomie der Stämme im Nordjemen aufrechtzuerhalten und gegen den westlichen Einfluss im Nahen Osten zu protestieren. Heute streben die Houthi eine größere Rolle in der jemenitischen Regierung an und setzen sich weiterhin für die Interessen der zaiditischen Minderheit ein. Die Houthi sind für ihre heftige anti-amerikanische und antisemitische Rhetorik bekannt (CEP 31.1.2017).
Die Ziele der Houthi umfassen auch Entschädigungen für die Schäden während der Sa'ada Kriege, die Vertretung innerhalb der Zentralregierung, und die Garantie, dass die Gruppe vor zukünftiger politischer und wirtschaftlicher Marginalisierung geschützt wird. Nicht alle Zaiditen im Jemen identifizieren sich mit der Houthi-Bewegung (CT 2017a).
In den extrem armen Bergregionen des Nordens hatte Hussein Badreddin al-Houthi einen Kult der Zaiditen etabliert, welche sich einem eigenständigen Zweig der Schi'a angehörig fühlen. Der Zaidismus befindet sich für gewöhnlich nicht so sehr in einer religiös motivierten Frontstellung zu den SunnitInnen. Hussein Badreddin al-Houthis Absicht ist es vielmehr gewesen, den Zaidismus wieder politisch auszurichten und für die Autonomie Sa'adas einzutreten. Im ohnehin äußerst armen Jemen ist es um die Region Sa'ada besonders schlecht bestellt. Die ökonomische Kluft im Land ist die Wurzel für den später immer sichtbarer werdenden Konflikt gewesen. Aus der anfangs kleinen kultisch-religiösen Bewegung der Houthi hat sich eine robuste Miliz entwickelt. Deren Ideologie beruht auf einem politischen Islam, der stark mit Anti-Amerikanismus verwoben ist. Auf die Separationsbestrebungen der Houthi sind gewaltsame Auseinandersetzungen mit der jemenitischen Regierung gefolgt (VIDC/Al-Ahmad 13.10.2016).
Der Sprecher der Houthi und Mitglied des Politbüros der Ansar Allah, Mohammed Al-Bukhaiti definierte die Houthi als nationale Bewegung, die sich den Prinzipien des arabischen Nationalismus und des Pan-Islamismus verpflichtet fühlt. Laut Al-Bukhaiti war der konfessionelle Aspekt nie ein Thema bei der Entscheidung, mit wem man sich verbündet. Es ist zwar ein Teil dessen, so Al-Bukhaiti, wer wir sind, aber es spielt eine untergeordnete Rolle und ist kein entscheidender Faktor. Was wir mit dem Iran oder der Hisbollah oder der Hamas und dem Islamischen Dschihad gemeinsam haben, so Al-Bukhaiti, ist, dass wir eine gemeinsame Haltung gegenüber Israel und den USA haben, und dass wir mit allen politischen Akteuren in der Region zusammenarbeiten werden, die den regionalen Entwürfen der USA entgegenstehen (AJ 2.10.2014).
In den nördlichen Gebieten, die traditionell unter zaiditischer Kontrolle standen, gab es Berichte über fortgesetzte Bemühungen der Houthi, ihre religiösen Bräuche auch Nicht-Zaiditen aufzuzwingen, unter anderem durch ein Musikverbot und die Forderung, dass Frauen eine Voll- Verschleierung tragen müssen. Es gab Berichte über Houthi-Rebellen, die Imame in sunnitischen Moscheen dazu drängten, vorgeschriebene Predigten zu halten. Darüber hinaus drängten Houthi angeblich Gläubige in sunnitischen Moscheen dazu, politische Petitionen zu unterzeichnen, um gegen die saudi-arabisch geführte Militärkampagne gegen die Houthi-Saleh-Rebellen zu protestieren. Medien berichteten, dass Houthi-Milizen einige Moscheen, wie die Tawhid-Moschee in Ta'izz, verwüsteten (USDOS 15.8.2017).
In Sana'a und anderen von den Houthi und ihren Verbündeten kontrollierten Gebieten wurden Kritiker und Oppositionelle sowie Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Angehörige der Religionsgemeinschaft der Baha'i willkürlich festgenommen und inhaftiert. Viele von ihnen fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer. Häufig wurden sie von bewaffneten Männern, die der Ansarullah, dem politischen Flügel der Houthi, angehörten, zu Hause oder an ihren Arbeitsplätzen abgeholt oder an Kontrollpunkten und öffentlichen Orten wie Moscheen ohne Haftbefehl oder Angabe von Gründen festgenommen. Wohin sie gebracht wurden, blieb unklar. Viele der Häftlinge wurden an inoffiziellen Orten, wie z. B. in Privatwohnungen, festgehalten, ohne dass ihnen der Grund für ihre Haft genannt wurde oder sie Gelegenheit bekamen, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung gerichtlich prüfen zu lassen. Jeglicher Kontakt zu einem Rechtsbeistand oder Gericht blieb ihnen verwehrt. Einige der Inhaftierten wurden an geheimen Orten festgehalten und waren Opfer des Verschwindenlassens. Die von Houthi kontrollierten Behörden weigerten sich, die Inhaftierungen zu bestätigen, Auskunft über die Häftlinge zu erteilen oder ihnen Kontakt zu ihren Rechtsbeiständen und Familien zu gewähren. Einige Häftlinge wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt. Im Februar 2016 berichtete eine Familie, sie habe gesehen, wie ihr Verwandter von Strafvollzugsbediensteten in der Hafteinrichtung der Staatssicherheit in Sana'a geschlagen worden sei (AI 22.2.2017).
Das Al Jazeera Centre for Studies, eine 2006 geschaffene Denkfabrik des in Doha ansässigen arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera, veröffentlicht im Juni 2016 einen Bericht, der beschreibt, wie die Houthis zunehmend in die Führungsstrukturen der jemenitischen Armee vorgedrungen seien und Dienstältere auf weniger wichtige Plätze verdrängt hätten. Viele Soldaten und Offiziere der Armee, die den Putsch der Houthis und deren kampflose Übernahme der staatlichen Institutionen abgelehnt hätten, hätten sich gedemütigt gefühlt. Daher hätten viele hochrangige Armeemitglieder, insbesondere Südjemeniten, die Hauptstadt verlassen. Nachdem Präsident Mansur Hadi im Februar 2015 nach Aden geflohen sei, sei auch die Abwanderung der Armeeoffiziere noch einmal angestiegen. Diese letzte Welle habe die Struktur der Armee verändert, und es hätten sich Lücken in der Führung sowie bei der Handhabung verschiedener Waffensysteme aufgetan. Viele Experten, Ingenieure und Techniker hätten sich nicht den Houthis angeschlossen. Einige Tage nach der Flucht von Präsident Mansur Hadi nach Aden habe sich das Militär im Feld eindeutig auf der Ebene der administrativen Führung geteilt. (Al-Jazeera Centre 30.06.2016)
Quellen:
* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Yemen, http://www.ecoi.net/local_link/336490/466110_en.html, Zugriff 3.10.2017
* AJ - Al Jazeera (2.10.2014): Q&A: What do the Houthis want? [Interview mit Mohammed al-Bukhaiti, Sprecher der Huthi], http://www.aljazeera.com/news/middleeast/2014/10/qa-what-do-houthis-want-2014101104640578131.html, 9.10.2017
* Al-Jazeera Centre for Studies: Yemen's Warring Parties: Formations and Dynamics, 30. Juni 2016,
http://studies.aljazeera.net/en/reports/2016/06/yemens-warring-parties-formationsdynamics-160630100544525.html
* CEP - Counter Extremism Projekt (31.1.2017): Houthis, https://www.counterextremism.com/sites/default/files/threat_pdf/Houthis-01312017.pdf, 10.10.2017
* CT - Critical Threats (2017a): al Houthi Movement, https://www.criticalthreats.org/organizations/al-houthi-movement, Zugriff 11.10.2017
* USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Yemen, http://www.ecoi.net/local_link/345243/489037_de.html, Zugriff 11.10.2017
* VIDC - Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation. Al-Ahmad, Safa (13.10.2016): Tagungsbericht zu: Jemen - Krise, Revolte, Krieg,
http://www.vidc.org/fileadmin/Bibliothek/DP/Foto_Veranst/veranstaltungen_MS/Jemen_13.10.16/Jemen_13_10_16_Kurzbericht_final.pdf, Zugriff 10.10.2017
Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP)
Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (eng.: AQAP) ist ein Zusammenschluss von Al-Qaida-Kämpfern in Saudi-Arabien und der früheren Al-Qaida im Jemen. Der Jemen ist das wichtigste Operationsgebiet. Hier versucht die AQAP, landesweit durch gezielte Anschläge auf regierungsnahe Einrichtungen und Sicherheitsbehörden sowie im Kampf gegen die schi'itischen Huthi das Land zu destabilisieren und an Einfluss zu gewinnen. Neben regionalen Aktivitäten setzt sie einen weiteren Schwerpunkt bei der Durchführung von internationalen Anschlägen. Seit Jahresbeginn festigt auch der sog. Islamische Staat (IS) mit diversen Ablegern seine Präsenz in Jemen. Dies bedeutet für die AQAP, dass sie ihre Vormachtstellung als dschihadistischer Hauptakteur im Jemen gegenüber dem sog. IS verteidigen muss. Ein Zusammenschluss von AQAP und IS ist wenig wahrscheinlich; aber eine Abwanderung von AQAP-Kräften zum IS ist möglich (BND o.D.).
AQAP ist im gesamten Jemen vor allem in den südlichen und zentralen Regionen des Landes tätig. In vielen dieser Provinzen regiert AQAP kleinere Gebiete mit Shari'a-Gerichten und einer schwer bewaffneten Miliz. AQAP versucht, durch die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung und die Integration in die lokale Bevölkerung, einschließlich der Anpassung an die lokalen Regierungsstrukturen, eine Anziehungskraft auf die jemenitische Bevölkerung auszuüben. Das Hauptziel der AQAP besteht darin, die Juden und Christen von der arabischen Halbinsel zu vertreiben und das islamische Kalifat und die Shari'a-Herrschaft zu etablieren, welche die abtrünnigen Regierungen zuvor abgeschafft haben. Bei der Verfolgung dieser Ziele setzt sich die AQAP für eine gewaltsame Interpretation des Dschihad ein. Als formaler Bestandteil der al-Qaida stehen die Ideologie und Praktiken der AQAP im Einklang mit den weiter gefassten Zielen der al-Qaida, nämlich auf eine globale islamistische Herrschaft hinzuarbeiten (CEP 4.1.2017)
In einem Interview für das eigene Propaganda Medium namens "Al Malahem Media" äußerte sich der Anführer der AQAP, Qasim al Raymi, am 30.4.2017 ausführlich zu den Zielen und zur Politik der Organisation. Für Raymi steht es außer Frage, dass die Huthi und der ehemalige Präsident Saleh Aggressoren sind, die eliminiert und getötet werden müssen. Obwohl die Huthi auf amerikanische Schiffe vor der Küste Jemens gefeuert haben, argumentiert Raymi, dass sie mit den USA, dem Hauptfeindbild, unter einer Decke stecken. Die saudischen und emiratischen Streitkräfte sind hierbei die ausländischen Stellvertreter der USA. Da die AQAP es als ihre Pflicht sieht, im Kampf gegen die Huthi die Kräfte zu vereinigen, ist auch ein Waffenstillstand mit der [sunnitischen] Hadi-Regierung für Raymi denkbar, allerdings unter zwei Bedingungen: das Ende der ausländischen Intervention unter der Führung der USA sowie die Bildung eines Gelehrtengremiums, welches die Gesetzgebung und Politik des Landes im Sinne der Anwendung der Shari'a überprüft. Die Al-Qaida versucht, eine breitere und tiefere Unterstützung für ihre dschihadistische Sache im Jemen und anderswo zu erreichen. AQAP und andere Al-Qaida-Zweige haben dieses Konzept entwickelt und argumentieren, dass nur durch eine angemessene Konsultation mit anerkannten Autoritäten neue islamische Regierungen gebildet werden können. Dieser Bottom-up-Ansatz für den Dschihad ist populistischer als der Top-Down-Autoritarismus des Islamischen Staates. Dem entsprechend sieht Raymi die afghanischen Taliban als Vorbild der praktischen Politik (LWJ 2.5.2017).
Al-Qaida nutzte die Wirren von 2015, um weite Teile der Provinzen Abyan, Shabwa und Hadramaut einzunehmen und zu kontrollieren. Gemeinsam mit verbündeten Stämmen eroberte sie Anfang April Mukalla, mit 300.000 Einwohnern fünftgrößte Stadt des Landes und Hauptstadt der südöstlichen Provinz Hadramaut, und erbeutete große Waffenarsenale und viel Geld. Außerdem übernahm al-Qaida dort zusammen mit ihren Alliierten die Verwaltung. Auf die Kritik der USA an dieser Entwicklung reagierte die Koalition, indem Truppen der Vereinigten Arabischen Emirate und deren lokale Verbündete die Stadt im April 2016 zurückeroberten. Doch Al-Qaida schien sich schon vor der Offensive weitgehend zurückgezogen zu haben und erlitt nur geringe Verluste. In den umliegenden Gegenden und Provinzen dagegen blieb die Organisation stark und konnte ungestört von der Koalition operieren. Al-Qaida profitierte davon, dass die jemenitischen Einheiten der Anti-Huthi-Koalition sie nicht als Feind betrachteten, weil sie teils gemeinsam mit ihnen gegen die Huthi vorging (SWP 7.2017).
Jemenitische Streitkräfte begannen Anfang August 2017 eine Militäroperation, um die AQAP aus der Provinz Shebwa zu vertreiben. Obschon die jemenitischen Streitkräfte am 4.8.2017 von einem Sieg sprachen, behaupteten Einheimische, dass die AQAP-Kämpfer das Gebiet schon vor der militärischen Operation evakuiert hätten (ICG 8.2017).
Quellen:
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BND - Bundesnachrichtendienst [Deutschland] (o.D.): Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel,
https://www.bnd.bund.de/DE/Themen/Lagebeitraege/IslamistischerTerrorismus/Unterpunkte/AlQaidaArabischeHalbinsel_node.html, Zugriff 2.10.2017
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CEP - Counter Extremism Projekt (4.1.2017): Al-Qaeda in the Arabian Peninsula (AQAP),
https://www.counterextremism.com/sites/default/files/threat_pdf/Al-Qaeda%20in%20the%20Arabian%20Peninsula%20%28AQAP%29-01042017.pdf, Zugriff 10.10.2017
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ICG - International Crisis Group (8.2017): Trends and Outlook - Yemen, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/august-2017#yemen, Zugriff 28.9.2017
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LWJ - FDD's Long War Journal (2.5.2017): AQAP leader discusses complex war in Yemen,
https://www.longwarjournal.org/archives/2017/05/aqap-leader-discusses-complex-war-in-yemen.php, Zugriff 12.10.2017
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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik. Steinberg, Guido (7.2017): Saudi-Arabiens Krieg im Jemen [SWP aktuell Nr. 51], https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A51_sbg.pdf, Zugriff 2.10.2017
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Justizwesen ist nominell unabhängig, jedoch anfällig für Beeinflussung durch politische Fraktionen. Die Behörden haben eine schlechte Bilanz, was die Durchsetzung von juristischen Urteilen angeht, besonders wenn es sich um Verurteilungen von Stammesführern oder bekannten politischen Personen handelt. Durch das Fehlen eines effektiven Gerichtswesens greift die Bevölkerung häufig auf tribale Formen von Justiz oder Gewohnheitsrecht zurück, besonders seit der Einfluss der Regierung schwächer wird. Der Krieg im Jemen behindert teilweise den Betrieb einiger Kommunal- und richterlicher Ämter, obwohl das Justizministerium auch unter dem Einfluss der Huthi weiterarbeitet (FH 2017).
Nach ihrem Exil im Jahr 2015 und im Laufe des Jahres verlor die von Hadi geführte Regierung die Kontrolle über einen Großteil des Gerichtssystems an die Rebellen der Huthi-Saleh-Allianz, die diese Institutionen weiterführte. Die Verfassung sieht zwar eine unabhängige Justiz vor, diese wird allerdings durch Korruption, politische Einmischung und mangelnde juristische Ausbildung geschwächt. Die gesellschaftlichen und politischen Beziehungen der Richter und gelegentliche Bestechung beeinflussen die Urteile. Vor dem Ausbruch des Konflikts haben die mangelnde Kapazität der Regierung und die teilweise mangelnde Durchsetzungsbereitschaft der Gerichte, insbesondere außerhalb der Städte, die Glaubwürdigkeit der Justiz weiter untergraben. Kriminelle bedrohten und schikanierten Angehörige der Justiz, um den Ausgang der Verfahren zu beeinflussen (USDOS 13.04.2016).
Vor dem Gesetz sind Angeklagte unschuldig bis ihre Schuld bewiesen ist. Gerichtsverhandlungen sind im Allgemeinen öffentlich, aber Gerichte können aus Gründen der "öffentlichen Sicherheit oder Moral" geschlossene Verhandlungen abhalten. Richter nehmen aktiv an der Befragung der Zeugen und des Angeklagten teil und urteilen über Kriminalfälle. Angeklagte haben das Recht bei ihrer Gerichtsverhandlung anwesend zu sein und sich mit einem Anwalt zu beraten. Der Angeklagte kann ebenfalls Zeugen, die gegen ihn aussagen, befragen und konfrontieren und außerdem selbst zu seiner Verteidigung Zeugen oder Beweise vorbringen. Die Regierung muss laut Gesetz in schweren Kriminalfällen einen Anwalt für mittellose Angeklagte zur Verfügung stellen, wobei dies in der Vergangenheit nicht immer geschehen ist. Grundsätzlich haben Angeklagte und deren Anwälte Zugang zu relevanten Beweisen und Anwälten wird ermöglicht, Klienten und Zeugen zu befragen sowie Beweise zu prüfen. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Angeklagte können weder zu einer Zeugenaussage noch zu einem Schuldgeständnis gezwungen werden. Es gibt außerdem ein spezielles Staatssicherheitsgericht, welches unter anderen Bedingungen arbeitet und Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführt. Dieses Gericht garantiert den Angeklagten nicht dieselben Rechte wie die ordentlichen Gerichte. Anwälte bekommen oft nicht ausreichend Zugang zu den Anklagepunkten, Beweismitteln oder Gerichtsakten. Das Fehlen von Geburtsregistern erschwert die Altersfeststellung, woraufhin die Gerichte Jugendliche wie Erwachsene verurteilen, auch zum Tode (USDOS 13.04.2016).
Zudem gibt es Stammes-Gerichte, in denen Stammesrichter, meist neutrale und respektierte Scheichs, auf Basis des Stammesrechts Urteile fällen, manchmal auch in Kriminalfällen. Die Behörden beschuldigen unter Stammesrecht Verurteilte meist nicht formell, sondern klagen sie vielmehr öffentlich an. Stammesrechtliche Verhandlungen konzentrieren sich häufig eher auf den sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft als auf Bestrafung. Die Urteile haben dasselbe Gewicht wie Gerichtsurteile, teilweise sogar ein stärkeres, weil die Stammesgerichte oft als glaubwürdiger als die als korrupt und abhängig geltenden Gerichte angesehen werden (USDOS 13.04.2016).
Quellen:
* FH - Freedom House (2017): Freedom in the World 2017 - Yemen, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/yemen, Zugriff 2.10.2017
* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Yemen,
https://www.ecoi.net/local_link/337264/480030_de.html, Zugriff 2.10.2017
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung verbietet Folter und ähnliche andere Missbräuche. Es gibt Bestimmungen, dass Folter mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden kann, aber das Gesetz bietet keine genaue Definition von Folter. Bevor die Regierung ins Exil ging, gab es Berichte, dass Sicherheitskräfte der Regierung Menschenrechtsverletzungen, Folter und Misshandlungen an Inhaftierten begangen haben (USDOS 13.04.2016). Auch die Houthi-Rebellen begehen Menschenrechtsverletzungen und wenden exzessiv Gewalt an der jemenitischen Bevölkerung an, wie Folter und Inhaftierungen und die Verwendung von scharfer Munition gegen Teilnehmer von Protesten (AI 24.02.2016).
Quellen:
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AI - Amnesty International (24.02.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Yemen, https://www.ecoi.net/local_link/319695/466531_de.html, Zugriff 31.08.2016
-
USDOS - US-Department of State (13.04.2016): Country Report in Human Rights Practices 2015 - Yemen, https://www.ecoi.net/local_link/322527/462004_de.html, Zugriff 31.08.2016
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Bevölkerung im Jemen litt weiterhin unter den Auswirkungen von bewaffneten Konflikten und Gewalt sowie anderen schweren Menschenrechtsverletzungen und Missbräuchen. Luftangriffe und Beschuss trafen wiederholt Gebiete, die von Zivilisten besiedelt waren. Die Menschen sahen sich anhaltenden Schwierigkeiten ausgesetzt, weil der Zugang zu Nahrungsmitteln und anderen Grundbedarfsgegenständen, Gesundheitsfürsorge und Bildung eingeschränkt oder gar nicht möglich war. Zwangsumsiedlungen und Bewegungseinschränkungen, verstärkt durch das Vorhandensein von Scharfschützen oder Landminen, betrafen unmittelbar Zivilpersonen und verursachten Todesfälle, Verletzungen, Zerstörung von Eigentum, Verlust der Lebensgrundlagen und die Verhinderung des Zugangs zu lebenswichtigen Dienstleistungen. Zivilisten, die sich kritisch äußerten oder sich den Konfliktparteien auf andere Weise widersetzten, waren Schikanen, Einschüchterungen, Inhaftierungen und gelegentlich Folter und Tötungen ausgesetzt. Frauen, Kinder, religiöse und soziale Minderheiten, Flüchtlinge und Binnenvertriebene waren unverhältnismäßig stark betroffen (UN-HRC 13.9.2017; vgl. SAM 15.2.2017).