Index
17 VEREINBARUNGEN GEMÄSS ART. 15a B-VGNorm
B-VG Art15aLeitsatz
Abweisung einer Klage des Fonds Soziales Wien gegen den Bund auf Kostenersatz für die Grundversorgung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder nach der Grundversorgungsvereinbarung; Zulässigkeit vom F-VG abweichender Kostentragungsregeln in Art15a-B-VG-Vereinbarungen; Geltendmachung abweichender Kostentragungsregeln nur durch die Parteien der Art15a-B-VG-Vereinbarung, nicht durch DritteRechtssatz
Abweisung der - zulässigen - Klage des Fonds Soziales Wien als Dritten mangels für den Kläger aus einem Vertrag (Art15a-B-VG-Vereinbarung) zwischen dem Bund und den Ländern ableitbarer Rechte; keine Geltendmachung des finanzausgleichsrechtlichen Anspruchs durch den Kläger mangels einer die Außenwirkung herstellenden Transformation in Rechtsnormen - insbesondere Gesetze.
Zulässigkeit von Regelungen über die Kostentragung iSd §2 F-VG in Vereinbarungen nach Art15a B-VG zwischen Bund und Ländern:
Gemäß §2 F-VG trägt jede Gebietskörperschaft den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt. Die Kosten für die Betreuung von Asylwerbern und sonstigen Fremden, die von der Grundversorgungsvereinbarung (GVV) erfasst werden, wären sonst gemäß Art10 Abs1 Z3 B-VG bzw Art12 Abs1 Z1 B-VG von Bund oder Ländern jeweils allein zu tragen. Insofern enthält Art10 GVV eine abweichende Kostentragungsregel iSd §2 F-VG.
Da diese abweichende Kostentragungsregel nicht in einem Gesetz des zuständigen Gesetzgebers, sondern in einer Art15a-B-VG-Vereinbarung festgelegt ist, stellt sich die Frage, ob eine solche Vereinbarung überhaupt unmittelbar als Grundlage eines solchen - finanzausgleichsrechtlichen - Kostenersatzanspruches in Betracht kommt.
Es steht außer Frage, dass Art15a-B-VG-Vereinbarungen keine Rechte und Pflichten Dritter begründen können, sondern dazu der Transformation bedürfen. Sie binden vielmehr die Vertragspartner (also Bund bzw Länder) untereinander, was bedeutet, dass die Organe der jeweils beteiligten Gebietskörperschaften durch die Vereinbarung gebunden werden.
Art138a B-VG nimmt ausdrücklich vermögensrechtliche Ansprüche von der in diesem Artikel vorgesehenen Feststellungskompetenz des VfGH betreffend Vereinbarungen gemäß Art15a B-VG aus; vermögensrechtliche Ansprüche sind gemäß Art137 B-VG geltend zu machen. Dies setzt voraus, dass Vereinbarungen gemäß Art15a B-VG vermögensrechtliche Ansprüche begründen können.
Es ist nach der Rspr des VfGH auch zulässig, dass Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung im Wege von Vereinbarungen gemäß Art15a B-VG geregelt werden. Solche Art15a-B-VG-Vereinbarungen über Gegenstände der Privatwirtschaftsverwaltung verpflichten letztlich unmittelbar Organe der beteiligten Gebietskörperschaft, sich zu ihrer Erfüllung entsprechender privatrechtlicher Mittel zu bedienen, und sie führen auf diese Weise im Regelfall zu finanziellen Belastungen zumindest einer der beteiligten Gebietskörperschaften. Daraus resultieren vermögensrechtliche Ansprüche, die Gegenstand der Vereinbarung gemäß Art15a B-VG sind und die gemäß Art137 B-VG mit Klage vor dem VfGH geltend gemacht werden können.
Öffentlichen Zwecken dienende Privatwirtschaftsverwaltung stellt nun definitionsgemäß auch die Erfüllung einer Aufgabe iSd §2 F-VG dar, deren Aufwand grundsätzlich jene Gebietskörperschaft zu tragen verpflichtet ist, die die Aufgabe nach der Rechtsordnung zu erfüllen hat. Jegliche Vereinbarung nach Art15a B-VG über die Begründung vermögensrechtlicher Ansprüche zwischen Gebietskörperschaften im Zusammenhang mit der Erfüllung solcher Aufgaben stellt damit in der Regel notwendigerweise auch eine besondere Kostentragungsregel iSd §2 F-VG dar. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass der Verfassungsgesetzgeber, der ausdrücklich davon ausgeht, dass Art15a-B-VG-Vereinbarungen unmittelbar vermögensrechtliche Ansprüche begründen können, gerade den Regelfall derartiger vermögensrechtlicher Ansprüche, nämlich die Kostenübernahme oder sonstige -übertragung iSd §2 F-VG, vom unmittelbaren Anwendungsbereich solcher Art15a-B-VG-Vereinbarungen ausnehmen wollte. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das Instrument der Art15a-B-VG-Vereinbarung gerade eine Koordination in Bereichen ermöglichen sollte, in denen Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung der beteiligten Gebietskörperschaften eng miteinander verzahnt sind. Insofern überträgt Art2 Abs1 Z2 BVG über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes ausdrücklich einen für Art15a-B-VG-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern (oder Ländern untereinander) geltenden Grundsatz auch auf diese besondere Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.
Auch in Verfahren gemäß Art137 B-VG kann der VfGH Rechtsschutz insoweit gewähren, als er die Gültigkeit und in diesem Rahmen auch die Verfassungsmäßigkeit der Art15a-B-VG-Vereinbarung zu prüfen hat, die Grundlage des gemäß Art137 B-VG geltend gemachten Anspruches ist.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies allerdings Folgendes: Berechtigt und verpflichtet werden können aus einer Vereinbarung gemäß Art15a B-VG, die nicht durch Rechtsnormen mit Außenwirkung, insbesondere Gesetze, transformiert wurde, grundsätzlich nur die Vertragspartner; Dritte können aus derartigen Vereinbarungen keine Rechte ableiten. Da im vorliegenden Fall der Fonds Soziales Wien (der zwar eigene Rechtspersönlichkeit besitzt) als Kläger auftritt, steht ihm der geltend gemachte (finanzausgleichsrechtliche) Anspruch nicht zu. Ein solcher finanzausgleichsrechtlicher Anspruch kann auch nicht in einer der Stadt Wien zurechenbaren Weise vom Fonds Soziales Wien geltend gemacht werden. Vielmehr sind die vom Fonds getätigten Ausgaben zur Erfüllung der von der Grundversorgungsvereinbarung erfassten Aufgaben dem Land zuzurechnen und können von diesem als Partner der zugrundeliegenden Art15a Vereinbarung gemäß Art137 B-VG geltend gemacht werden.
Schlagworte
Grundversorgung, VfGH / Klagen, Vereinbarungen nach Art 15a B-VG, Finanzverfassung, Finanzausgleich, KostentragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:A1.2017Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020