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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Versagung der Erteilung von Einreisetiteln für die Ehegattin und die minderjährigen Kinder eines in Österreich asylberechtigten afghanischen Staatsangehörigen mangels Feststellungen betreffend das anzuwendende fremde Recht hinsichtlich der Anerkennung einer nach islamischem Recht geschlossenen EheRechtssatz
Indem das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne weitere Begründung und entgegen der stRSpr des OGH und des VwGH davon ausgeht, dass "jedweder Verweis auf eine nach Sharia-Recht geschlossene Ehe ins Leere gehen muss, da das gesamte Eherecht der Sharia [...] in toto dem ordre public widersprechend zu betrachten ist", verkennt es die maßgebliche Rechtslage zur Gänze. In der angefochtenen Entscheidung bleibt auch gänzlich offen, wie und aufgrund welcher Ermittlungsschritte das BVwG zu seinen (im Übrigen völlig pauschal gehaltenen) Ausführungen zum relevanten ausländischen Recht kommt. Es finden sich dazu keine (Quellen-)Angaben. Zudem setzt sich das BVwG nicht einmal, abseits der Erwähnung im Zuge der Sachverhaltsschilderung, mit den von den Beschwerdeführern vorgelegten Berichten auseinander. Auch unterlässt das BVwG jeglichen Bezug zum konkreten Sachverhalt - seine Ausführungen zur Unterwerfung der Ehefrau unter die Gewalt des Ehemannes, zur Zwangsehe sowie zur Viel-Ehe gehen angesichts des insoweit unstrittig vorliegenden Sachverhalts ins Leere.
Die Rechtsauffassung des BVwG, dass das gesamte islamische Eherecht "in toto dem ordre public widersprechend" sei, würde im Übrigen darauf hinauslaufen, dass eine nach islamischem Recht geschlossene Ehe unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalles niemals anzuerkennen wäre.
Zu diesem, §6 IPRG einen denkunmöglichen Inhalt unterstellenden Ergebnis kommt das BVwG, weil es unterlässt, das anzuwendende fremde Recht in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festzustellen, und an die Stelle einer, den anerkannten Grundsätzen juristischer Argumentation entsprechenden Auslegung des im vorliegenden Fall einschlägigen Rechts und seiner Anwendung auf den konkreten Sachverhalt pauschale Behauptungen über "das gesamte Eherecht der Sharia" setzt, denen jeglicher rechtlicher Begründungswert fehlt.
Zuspruch eines Streitgenossenzuschlags.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Privat- und Familienleben, Ehe und VerwandtschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:E1805.2018Zuletzt aktualisiert am
19.11.2018