TE Vwgh Erkenntnis 2018/10/17 Ra 2017/13/0051

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Veröffentlicht am 17.10.2018
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §25 Abs1 Z1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der G Rechtsanwälte GmbH in W, vertreten durch die TPA Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 62-64, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 18. Mai 2017, Zl. RV/7102081/2009, betreffend Dienstgeberbeitrag samt Säumniszuschlägen für die Jahre 2005 bis 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei ist eine die Rechtsanwaltschaft ausübende GmbH mit Rechtsanwälten als unwesentlich (zu jeweils weniger als 17%) beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern.

2 In einem Außenprüfungsbericht vom 4. April 2009 vertrat die Prüferin die Ansicht, die in den Betrieb der GmbH organisatorisch eingegliederten Gesellschafter-Geschäftsführer hätten "Vorgaben des Arbeitgebers hinsichtlich Arbeitsinhalt und Arbeitsumfang" zu erfüllen und die Kriterien eines steuerlichen Dienstverhältnisses seien auch im Hinblick auf die dafür erforderliche Weisungsunterworfenheit erfüllt.

3 Unter Hinweis auf diesen Bericht erließ das Finanzamt Bescheide, mit denen es die Revisionswerberin für die Streitjahre 2005 bis 2007 zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen (samt Säumniszuschlägen) für die Gesellschafter-Geschäftsführer heranzog.

4 In der Berufung vom 7. Mai 2009 gegen diese Bescheide brachte die Revisionswerberin u.a. vor, die Geschäftsführer seien auf Grund der mit ihnen abgeschlossenen Geschäftsführungsverträge weisungsfrei. Hinzu komme noch die "gesetzliche Weisungsfreistellung" der an der Gesellschaft beteiligten Rechtsanwälte "bei der Mandatsausübung" durch die berufsrechtliche Sonderbestimmung des § 21c Z 10 RAO. Die in den Geschäftsführungsverträgen vereinbarte Weisungsfreiheit gehe darüber aber noch hinaus. Die Geschäftsführer seien "minderheitsbeteiligte Geschäftsführer ohne gesellschaftsvertragliche Sperrminorität", weshalb es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - anders als in den Fällen des § 22 Z 2 zweiter Teilstrich und des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 - nicht nur auf die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus, sondern auch auf die Weisungsunterworfenheit ankomme.

5 Das Finanzamt erließ keine Berufungsvorentscheidung und legte die Berufung im Juni 2009 dem unabhängigen Finanzsenat vor, der sie unerledigt ließ.

6 Am 4. Mai 2017 fand vor dem inzwischen zuständig gewordenen Bundesfinanzgericht die mündliche Senatsverhandlung über die nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung statt.

7 In dieser Verhandlung berief sich der Vertreter der Revisionswerberin zum Beleg dafür, dass es auf den Anstellungsvertrag ankomme und danach keine Weisungsgebundenheit gegeben sei, auf die in der Zwischenzeit ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 2016, 2013/15/0202, und (eine Rechtsanwälte-GmbH betreffend) vom 24. November 2016, 2013/13/0046.

8 Der Vertreter des Finanzamtes gab an, im Hinblick auf diese Judikatur liege "keine DB-Pflicht für diese Rechtsanwälte GmbH" vor.

9 Der Senat zog sich zur Beratung und Abstimmung zurück. Danach verkündete die Vorsitzende "den Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt".

10 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung nur in einem die Bemessung der Beiträge betreffenden Nebenpunkt Folge. Es bejahte das Vorliegen von Dienstverhältnissen - und damit die Beitragspflicht gemäß § 41 Abs. 2 FLAG 1967 - nicht auf Grund der in der Berufung bestrittenen ursprünglichen Annahme des Finanzamtes, die Geschäftsführer seien weisungsunterworfen, sondern deshalb, weil die Geschäftsführer auf Grund des Gesellschaftsvertrages vom Oktober 2004 weisungsfrei gewesen seien, womit - bei unstrittiger Eingliederung der Geschäftsführer in den geschäftlichen Organismus der GmbH - ein Fall einer gesellschaftsvertraglichen Sonderbestimmung im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 vorliege und gemäß § 47 Abs. 2 (dritter Satz) dieses Gesetzes ein Dienstverhältnis anzunehmen sei. Auf die Ausführungen der Revisionswerberin über die Geschäftsführungsverträge sei "somit nicht mehr einzugehen" gewesen.

11 Das angefochtene Erkenntnis enthält auch Bemerkungen zum "mündlich geäußerten Vorwurf der steuerlichen Vertretung der Bf. nach Verkündung der Senatsentscheidung am 4. Mai 2017 (Anmerkung:

eine solche Verkündung fand nach dem Inhalt der Niederschrift nicht statt), dass sie keine Möglichkeit zur Stellungnahme (ergänze: zu) dieser BFG-Rechtsansicht gehabt habe". In diesen Bemerkungen zu einem in der Niederschrift nicht festgehaltenen Wortwechsel wird der Standpunkt vertreten, von einem "Überraschungsmoment" könne "keine Rede sein". Die Revisionswerberin habe § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 in der Berufung selbst erwähnt, und "weitere Ausführungen" dazu, "weshalb" diese Bestimmung nicht anwendbar sein solle, seien "den Schriftsätzen" der Revisionswerberin trotz der langen Verfahrensdauer "bis dato nicht zu entnehmen".

12 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, weil "beispielsweise im VwGH-Erkenntnis vom 24.11.2016, Ro 2014/13/0040, bereits auf die Problematik der Voraussetzungen der Anwendbarkeit von § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 eingegangen" worden sei.

13 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit in ihr u.a. ins Treffen geführt wird, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob die "aus dem Berufsrecht zitierte" Erwähnung der "mandatsbezogenen" Weisungsfreiheit im Gesellschaftsvertrag zur Annahme von Dienstverhältnissen im Sinne des § 47 Abs. 2 dritter Satz in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 führen könne.

14 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die Revision ist schon aus dem hier wiedergegebenen der in ihr dafür vorgebrachten Gründe zulässig. Das vom Bundesfinanzgericht zitierte Erkenntnis enthält keine Ausführungen zur steuerrechtlichen Relevanz von Bedachtnahmen auf § 21c RAO im Gesellschaftsvertrag einer Rechtsanwälte-GmbH.

17 Die Revision ist auch begründet.

18 Ein Dienstverhältnis ist nach § 47 Abs. 2 dritter Satz EStG 1988 "weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich im Sinne des § 22 Z 2 beteiligt ist, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b vorliegen."

19 § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 lautet:

"§ 25. (1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:

1.        a)

     (...)

b)        Bezüge und Vorteile von Personen, die an

Kapitalgesellschaften nicht wesentlich im Sinne des § 22 Z 2 beteiligt sind, auch dann, wenn bei einer sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisenden Beschäftigung die Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen, auf Grund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmung fehlt."

20 Der aktenkundige Gesellschaftsvertrag der Revisionswerberin enthält folgenden - im Verfahren bis zur angefochtenen Entscheidung nie zur Sprache gebrachten - Abschnitt:

"VI. Geschäftsführung und Vertretung

(1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Gesellschafter, die Rechtsanwälte sind, sind zu Geschäftsführern zu bestellen (§ 21c Zif 2 RAO).

(2) Andere Personen als Rechtsanwalts-Gesellschafter dürfen nicht zu Geschäftsführern bestellt werden, Prokura darf nicht erteilt werden (§ 21c Zif 9a RAO).

(3) Die Geschäftsführer sind einzelvertretungsbefugt (§ 21c Zif 9 RAO).

(4) Die Geschäftsführer sind verpflichtet, die Geschäfte der Gesellschaft in Übereinstimmung mit dem Gesetz, diesem Gesellschaftsvertrag, sowie den Beschlüssen der Gesellschafter gemäß der Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts zu führen. Die Ausübung des Mandats durch den der Gesellschaft angehörenden Rechtsanwalt ist nicht an eine Weisung oder eine Zustimmung der Gesellschafter (Gesellschafterversammlung) gebunden (§ 21c Zif 10 RAO)."

21 Das Bundesfinanzgericht hat den vierten Absatz dieses Vertragsabschnittes - unter Weglassung des Gesetzeszitates - festgestellt und rechtlich dahingehend gewürdigt, dass es sich dabei um eine "gesellschaftsvertragliche Sonderbestimmung" im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 handle, mit der die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer "außer Kraft" gesetzt und "konkret vereinbart" worden sei, "dass die Geschäftsführer nicht an eine Weisung der Gesellschafter gebunden sind". Es sei "somit der ausdrückliche Wille der Bf." gewesen, dass "die o.a. Gesellschafter-GF schon bereits aufgrund dieser Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag nicht weisungsgebunden sondern weisungsfrei sind - sonst hätte es dieser gesonderten Vereinbarung gar nicht bedurft".

22 § 21c Z 10 RAO lautet:

"10. Am Kapital der Gesellschaft muss Rechtsanwälten die Mehrheit und bei der Willensbildung ein bestimmender Einfluss zukommen. Die Ausübung des Mandats durch den der Gesellschaft angehörenden Rechtsanwalt darf nicht an eine Weisung oder eine Zustimmung der Gesellschafter (Gesellschafterversammlung) gebunden werden."

23 Der zweite Satz dieser Bestimmung geht auf das Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz 1999, BGBl. I Nr. 71, zurück und wurde in der Regierungsvorlage wie folgt begründet (1638 BlgNR 20. GP 17):

"Der neue letzte Satz der Z 10 soll die völlige Unabhängigkeit des Rechtsanwalts-Gesellschafters bei der unmittelbaren Mandatsausübung im Hinblick auf die gebotene Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Klienten und dem konkret tätig werdenden Rechtsanwalt sicherstellen."

24 Mit der Behauptung, die der gesetzlichen Vorschrift entsprechende Formulierung im Gesellschaftsvertrag habe eine Weisungsbindung der Geschäftsführer "außer Kraft" gesetzt, und es habe dieser "gesonderten Vereinbarung (...) bedurft", um diesen "ausdrücklichen Willen" der Revisionswerberin zur Geltung zu bringen, verstößt das angefochtene Erkenntnis, wie die Revisionswerberin mit Recht geltend macht, gegen das auch vom Bundesfinanzgericht zu beachtende Überraschungsverbot im Abgabenverfahren (vgl. dazu das - Geschäftsführerverträge einer Rechtsanwälte-GmbH betreffende - Erkenntnis VwGH 31.1.2018, Ra 2016/15/0014). Die Revisionswerberin war zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen herangezogen worden, weil das Finanzamt ihre Gesellschafter-Geschäftsführer für weisungsgebunden hielt. Streitthema des Verfahrens war die in der Berufung behauptete Weisungsfreistellung durch die Geschäftsführungsverträge. Der vom Bundesfinanzgericht neu herangezogene Gesichtspunkt einer - mit steuerrechtlich gegenteiliger Wirkung - in einer gesellschaftsvertraglichen Sonderbestimmung normierten Weisungsfreiheit wurde im Verfahren weder vom Finanzamt noch vom Bundesfinanzgericht zur Sprache gebracht, obwohl sich die Revisionswerberin in der Berufung auf das Fehlen einer "gesellschaftsvertraglichen Sperrminorität" berufen (und zur Unanwendbarkeit des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 damit auch ein Vorbringen erstattet) hatte. Wenn das Bundesfinanzgericht in seinen Bemerkungen zu dem in der Niederschrift nicht festgehaltenen Wortwechsel darlegt, es sei nicht verpflichtet, die Parteien zu seiner Rechtsansicht zu hören, so ist es auf die Ausführungen zur Vertragsauslegung in dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 31. Jänner 2018 zu verweisen (vgl. dazu schon VwGH 2.9.2009, 2005/15/0035).

25 Die Argumentation des Bundesfinanzgerichtes ist aber auch gedanklich nicht nachvollziehbar, weil sie die der Vertragsbestimmung zugrunde liegende gesetzliche Anordnung - schon in der Wiedergabe der Vertragsbestimmung - ausblendet. Im Ergebnis trifft die Argumentation schon deshalb nicht zu, weil sich die gesetzlich angeordnete und inhaltsgleich im Gesellschaftsvertrag festgehaltene Weisungsfreiheit nur auf einen Teilbereich der Tätigkeit, nämlich auf die unmittelbare Ausübung des Mandats, bezieht. Die Revisionswerberin führte daher auch in der Berufung ins Treffen, die in den Geschäftsführungsverträgen vereinbarte Weisungsfreiheit gehe über die gesetzlich angeordnete hinaus.

26 Ergänzend ist anzumerken, dass als "gesellschaftsvertragliche Sonderbestimmung" zur Beseitigung der Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen (§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988), auch eine speziell darauf abzielende Klausel in einem Gesellschaftsvertrag in Betracht käme. Gedacht war bei der Einführung der Regelung - im Sinne des im vorliegenden Fall der Argumentation in der Berufung zugrunde liegenden Verständnisses bei Doralt, EStG12, § 25 Tz 35 - an Sperrminoritäten. Die Änderung in § 25 EStG 1972 diente nach der Regierungsvorlage (850 BlgNR 15. GP 18) der "Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten" im Verhältnis zur gleichzeitig eingeführten Regelung für mit mehr als 25% beteiligte Personen in § 22 EStG 1972. Mit der Kombination der beiden Regelungen reagierte der Gesetzgeber im Abgabenänderungsgesetz 1981, BGBl. Nr. 620, auf ein Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes zum Fehlen der Weisungsbindung des Geschäftsführers "auf Grund der Höhe seines Geschäftsanteiles oder auf Grund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmung (Sperrminorität)" (VwGH 9.12.1980, 1666, 2223, 2224/79, VwSlg 5535/F; um den Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft ging es auch in dem dort zitierten Aufsatz von Schmitz, ZAS 1966, 7 (12 ff)).

27 Eine unter § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 subsumierbare gesellschaftsvertragliche Sonderbestimmung liegt im Revisionsfall aber jedenfalls nicht vor, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

28 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Oktober 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130051.L00

Im RIS seit

19.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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