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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
KFG 1967 §2 Abs1 Z5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der i GmbH in W, vertreten durch die TRUST Treuhand- und Steuerberatungs GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 38, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 29. Dezember 2016, Zl. RV/7102840/2012, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine GmbH mit Sitz in Wien, die ein Institut für Erwachsenenbildung betreibt, erwarb im Streitjahr 2011 im Wege eines innergemeinschaftlichen Erwerbs ein gebrauchtes Wohnmobil. Bei Befragung durch das Finanzamt gab eine Mitarbeiterin der Revisionswerberin an, das Fahrzeug solle helfen, Kosten für Nächtigungen des in Tirol wohnhaften Geschäftsführers zu sparen, der in Ausübung seiner Tätigkeit viel reise. Es werde auch für Transporte herangezogen, weil die Revisionswerberin in Österreich viele Standorte habe. Stünden keine anderen Räume zur Verfügung, so würden in dem Fahrzeug auch "Einzelcoachings" durchgeführt.
2 Das Wohnmobil der Marke "Fiat Bürstner 2030 i 684" verfügte über vier Sitzplätze. Basismodell war der Fiat Ducato, ein vom Bundesministerium für Finanzen in der Liste der Kleinbusse im Sinne des § 5 der Verordnung BGBl. II Nr. 193/2002 angeführtes Fahrzeug.
3 Strittig ist die - vom Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis bejahte - Frage, ob dem Vorsteuerabzug für den Erwerb des Wohnmobils und für dessen Betrieb im Streitjahr die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 entgegenstand, weil es sich im Sinne dieser Vorschrift - unter Berücksichtigung der dazu erlassenen Verordnung BGBl. II Nr. 193/2002 - um einen Personenkraftwagen oder einen Kombinationskraftwagen handelte. Nach der genannten Verordnung trifft dies u.a. dann nicht zu, wenn das Fahrzeug die in der Verordnung angeführten Merkmale eines "Kleinbusses" aufwies.
4 Letzteres machte die Revisionswerberin im Verfahren vor dem Finanzamt und vor dem Bundesfinanzgericht geltend, wozu sie auf das kastenwagenförmige Äußere des Fahrzeugs sowie darauf verwies, dass es für das Vorliegen eines "Kleinbusses" unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Möglichkeit, damit mehr als sechs Personen zu befördern, nach § 5 der zitierten Verordnung "nicht auf die tatsächlich vorhandene Anzahl der Sitzplätze, sondern auf die auf Grund der Bauart und Größe des Fahrzeuges maximal zulässige Personenbeförderungskapazität" ankomme. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei im Hinblick auf die Größe des verwendeten Basismodells Fiat Ducato der Einbau von mehr als sechs Sitzen jederzeit möglich. Die kraftfahrrechtliche Zulassung als Personenkraftwagen (Fahrzeug der Klasse M 1 gemäß § 3 Abs. 1 KFG 1967) führe nicht zur Versagung des Vorsteuerabzuges.
5 Das Bundesfinanzgericht hielt dem im angefochtenen Erkenntnis entgegen, das Fahrzeug verfüge nur über vier Sitze und die Beförderung von zumindest sieben erwachsenen Personen samt Gepäck sei mit dem Fahrzeug "auch" deshalb nicht möglich, weil dadurch das zulässige Gesamtgewicht überschritten würde. Diese Argumentation stützte das Bundesfinanzgericht auf - der Revisionswerberin zuvor nicht vorgehaltene - Annahmen über "das mittlere Gewicht einer erwachsenen Person in Österreich" mit dem Zusatz, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse "auch eine Gepäckmitnahme" für eine Reise "über einen längeren Zeitraum bzw. eine längere Distanz" möglich sein. Bei einem festgestellten Eigengewicht von 3.035 kg und einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 3.500 kg könne es sich (gemeint: schon im Hinblick auf das anzunehmende Körpergewicht von sieben erwachsenen Österreichern) nicht um einen Kleinbus handeln. Nähere Ausführungen zu dem für das Gepäck zu veranschlagenden Gewicht unterblieben.
6 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, weil die Entscheidung der in ihr zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beförderungskapazität von Kleinbussen folge (VwGH 24.9.2008, 2007/15/0161, VwSlg 8369/F; 25.11.2009, 2009/15/0184, VwSlg 8495/F).
7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, für deren Zulässigkeit ins Treffen geführt wird, das angefochtene Erkenntnis widerspreche der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Eigenschaften eines Kleinbusses. In den Revisionsgründen wird der Argumentation des Bundesfinanzgerichtes u.a. entgegengehalten, die relativ geringe Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes durch das angenommene Gewicht von sieben erwachsenen Personen würde schon dann nicht mehr eintreten, wenn man von einer "Damenrunde" ausginge. Das Bundesfinanzgericht, das den Gesichtspunkt des zulässigen Gesamtgewichts in der "stundenlangen" Verhandlung nie zur Sprache gebracht habe, habe es aber vor allem verabsäumt, das Gewicht der vor Einbau weiterer Sitze zu demontierenden Teile der Innenausstattung des Wohnmobils in Abzug zu bringen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision, zu der das Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen:
9 Die Revision ist zulässig, weil die Argumentation des Bundesfinanzgerichtes der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den notwendigen Merkmalen eines Kleinbusses zwar nicht widerspricht, in dieser Rechtsprechung aber auch nicht Deckung findet. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Kriterien für die Bedachtnahme auf den Gesichtspunkt des zulässigen Gesamtgewichts im hier gegebenen Zusammenhang liegt nicht vor (vgl. zur Revisionszulässigkeit bei Fehlen von Rechtsprechung statt der behaupteten Abweichung davon das Erkenntnis VwGH 6.7.2016, Ra 2016/08/0041, VwSlg 19416/A).
10 Die Revision ist - unter einem vorrangig wahrzunehmenden Gesichtspunkt - auch begründet.
11 Nach der für die Versagung des Vorsteuerabzuges durch das Bundesfinanzgericht - hier im Zusammenhang mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 4 UStG 1994 - maßgeblichen Vorschrift des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von "Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern" stehen, mit im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden, im Gesetz normierten Ausnahmen nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Die Vorschrift ist nur als Beibehaltung eines beim EU-Beitritt Österreichs zum 1. Jänner 1995 bestehenden Vorsteuerausschlusses unionsrechtskonform (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 183, mit Hinweis auf den Beschluss VwGH 15.9.2016, Ra 2016/15/0060). Die zum Beitrittszeitpunkt in der Verwaltungspraxis bestehende Einschränkung, wonach der Ausschluss vom Vorsteuerabzug für "Kleinbusse" mit den in einem Erlass von 1987 umschriebenen Eigenschaften nicht gelte, fand deshalb Eingang in die Verordnung BGBl. II Nr. 193/2002, mit der die Begriffe "Personenkraftwagen" und "Kombinationskraftwagen" auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung in § 12 Abs. 2 Z 2 vorletzter und letzter Satz UStG 1994 näher bestimmt wurden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis VwGH 21.9.2006, 2003/15/0036).
12 Die Revisionswerberin macht geltend, das strittige Fahrzeug sei wegen Größe und Aussehen des verwendeten Basismodells ein "Kleinbus" und damit vom Vorsteuerausschluss ausgenommen, weil es auf die im Streitjahr "tatsächlich vorhandene Anzahl der Sitzplätze" nach § 5 der zitierten Verordnung nicht ankomme.
13 Diesem Argument - behauptete Erfüllung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines "Kleinbusses" - vorgelagert ist jedoch die Frage, ob es Wohnmobilen nicht an Voraussetzungen fehlt, ohne die ein Fahrzeug kein Personen- oder Kombinationskraftwagen sein kann (vgl. sinngemäß zu Rennautos VwGH 28.10.2009, 2007/15/0222, VwSlg 8481/F). Die zitierte Verordnung trifft dazu keine Aussage.
14 Kraftfahrrechtlich sind gemäß § 2 Abs. 1 Z 5 und 6 KFG 1967 (und waren schon beim EU-Beitritt Österreichs gemäß § 2 Z 5 und 6 KFG 1967) unter Personen- und Kombinationskraftwagen im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung nur Kraftwagen zu verstehen, die nach Bauart und Ausrüstung "ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Personen" (Personenkraftwagen) bzw. "dazu bestimmt" sind, "wahlweise vorwiegend zur Beförderung von Personen oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern verwendet zu werden" (Kombinationskraftwagen).
15 Die Kategorisierung nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften - die außer der zitierten Zweckbestimmung auch auf die Zahl der Sitzplätze Bezug nimmt - ist für den Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Ergebnis nicht entscheidend. Maßgeblich ist nach dieser Rechtsprechung aber die wirtschaftliche Zweckbestimmung des Fahrzeuges, wobei es nicht auf den Verwendungszweck im Einzelfall, sondern auf den Zweck ankommt, dem das Fahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt ist (vgl. grundlegend - mit Verweis auf Vorjudikatur zur früher maßgeblichen Unterscheidung zwischen Personen- und Kombinationskraftwagen - VwGH 4.5.1982, 82/14/0005, 0013, 0014, ÖStZB 1983, 34, sowie z.B. nochmals VwGH 28.10.2009, 2007/15/0222, VwSlg 8481/F). Dass die gesetzliche Begriffsbildung des KFG 1967 insoweit, als sie die Zwecke von Personen- und Kombinationskraftwagen betrifft, nicht auch der Verkehrsauffassung entsprechen würde, geht aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht hervor. Zu einer Rechtslage, nach der eine vorzeitige Abschreibung bei Personenkraftwagen ausgeschlossen war, vertrat der Verwaltungsgerichtshof sogar die Ansicht, dies betreffe nur Fahrzeuge, die ihrer typischen Beschaffenheit und Bauart nach "ausschließlich" zur Personenbeförderung eingerichtet seien. Ein Kombinationskraftwagen sei kein solcher "Personenkraftwagen", sondern "eine Mischform zwischen Lastwagen und Personenwagen und damit ein Fahrzeug eigener Art", ein "Mehrzweckfahrzeug" (vgl. VwGH 12.7.1957, 768/56, ÖStZB 1957, 101; 30.4.1964, 1102/62, ÖStZB 1964, 167; 4.2.1970, 420/69, und 24.2.1970, 1180/69, ÖStZB 1970, 112; die Abgrenzung zwischen Personen- und Kombinationskraftwagen verlor mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 645, mit dem zugleich auch der Ausschluss vom Vorsteuerabzug eingeführt wurde, ihre frühere Bedeutung im Einkommensteuerrecht; vgl. dazu 626 BlgNR 14. GP 11 ff).
16 Wohnmobile sind Spezialfahrzeuge, die überwiegend für Schlaf- oder Aufenthaltszwecke ausgestattet sind (vgl. aus der Zeit vor dem EU-Beitritt Österreichs etwa die Verordnung über die Gliederung des Tarifes in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, BGBl. Nr. 368/1987; nunmehr § 2 Abs. 1 Z 28a KFG 1967 in Anlehnung ursprünglich an Anhang II, Teil A Z 5 - Fahrzeuge "mit besonderer Zweckbestimmung" - der Richtlinie 70/156/EWG; siehe auch die Bezeichnung als "Spezialkraftwagen" in § 102 Abs. 10a Z 3 KFG 1967; dies entspricht ihrer Erfassung durch § 2 Abs. 1 Z 22a KFG 1967 - nicht als Personenkraftwagen gemäß Z 5 - vor Einführung der Z 28a). Sie werden von Personenkraftwagen unterschieden, auch wenn sie zum Teil wie diese behandelt werden (vgl. aus der Zeit vor dem Beitritt 57 BlgNR 14. GP 28 zur Einführung des § 2 Z 22a KFG 1967:
"Fahrzeuge, die (...) Aufenthaltsräume befördern, wie bei selbstfahrenden Wohnwagen"; ferner die schon erwähnte Tarifgliederung: Personen- und Kombinationskraftwagen "und" Wohnmobile; aus der Zeit danach außerhalb des Kraftfahrrechts etwa die Unterscheidung u.a. der Wohnmobile von "PKW und LKW im herkömmlichen Sinn" in einer Umsatzsteuervoranmeldungen betreffenden Information des Bundesministeriums für Finanzen, FJ 2008, 115).
17 Da sie weder "ausschließlich" noch "vorwiegend" der "Beförderung" von Personen dienen und auch keine "Mischform zwischen Lastwagen und Personenwagen" sind, werden Wohnmobile von der für Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen (sowie Krafträder) geltenden Vorschrift des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 nicht erfasst. Sind sie "aufgrund ihrer typischen Zweckbestimmung (mobiler Wohnraum) weder Kleinbusse (die typischerweise der Personenbeförderung dienen) noch Klein-LKW (Güterbeförderungszweck)", so führt dies entgegen einer vom Bundesfinanzgericht ins Treffen geführten Literaturstelle (Mayr/Ungericht, UStG4, § 12 Anm. 17, mit hier nicht zielführendem Hinweis auf ein Erkenntnis zu § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 betreffend ein "Hausboot") nicht zum Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994. Es bestätigt vielmehr, dass es sich nicht vorrangig um Fahrzeuge zur Beförderung von Personen oder Gütern und damit nach der Verkehrsauffassung nicht um Personen- oder Kombinationskraftwagen handelt (ähnlich im Ergebnis schon Caganek, ÖStZ 2000, 412). Die zolltarifliche Einordnung in Position 8703 der Kombinierten Nomenklatur widerspricht dem in Bezug auf den Hauptzweck des Fahrzeugs ("hauptsächlich zur Personenbeförderung bestimmt"), doch gelten Wohnmobile - nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System - auch hier nicht als "Personenkraftwagen", sondern als "andere" Fahrzeuge zur Personenbeförderung.
18 Das angefochtene Erkenntnis, das den Ausschluss vom Vorsteuerabzug auf die Fiktion des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 stützt, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 17. Oktober 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130045.L00Im RIS seit
19.11.2018Zuletzt aktualisiert am
16.01.2019