TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/20 98/01/0474

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Veröffentlicht am 20.10.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AVG §63 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der am 1. September 1976 geborenen N M in G, vertreten durch Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Triester Straße 34, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. April 1998, Zl. 202.764/0-III/09/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Asylgesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. April 1998 wies der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung der Beschwerdeführerin vom 11. April 1998 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. März 1998, mit dem der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Z. 1 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden war, gemäß § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG als verspätet zurück. In der Begründung führte der unabhängige Bundesasylsenat aus, das Bundesasylamt (Außenstelle Linz) habe den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 30. März 1998 gemäß § 6 Z. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen, wobei gemäß § 8 AsylG festgestellt worden sei, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Asylwerberin in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Dieser Bescheid sei der Beschwerdeführerin am 2. April 1998 an der Adresse 2640 Hart, H. Gasse, durch Hinterlegung gemäß § 17 des Zustellgesetzes zugestellt worden. Die Beschwerdeführerin habe gegen den Bescheid mit Schriftsatz vom 11. April 1998 Berufung erhoben, wobei dieser Schriftsatz erst am 13. April 1998 zur Post gegeben worden und am 14. April 1998 beim Bundesasylamt eingelangt sei. In der Berufung sei die oben genannte Adresse angeführt worden. In dieser Berufung, in der unter anderem die Verfassungswidrigkeit des § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG gerügt und die Einleitung eines diesbezüglichen Gesetzesprüfungsverfahrens angeregt worden sei, sei vorgebracht worden, dass das Rechtsmittel trotz der Überschreitung der im § 32 AsylG vorgesehenen Frist fristgerecht eingebracht sei, weil § 32 AsylG verfassungswidrig sei und deshalb die Rechtsmittelfrist des AVG zur Anwendung komme. Gemäß § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG könne gegen Bescheide, mit denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§ 4 und 5 leg. cit. wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sind, nur binnen zwei Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden. Gemäß § 33 Abs. 2 AVG sei, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag falle, der nächste Werktag letzter Tag der Frist. Dementsprechend sei im Fall der Beschwerdeführerin (die Zustellung des angefochtenen Bescheides sei am Donnerstag, dem 2. April 1998, erfolgt) der letzte Tag der Berufungsfrist Montag, der 6. April 1998, gewesen, sodass die Berufungseinbringung am 13. April 1998 verspätet gewesen sei. Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin selbst in ihrer Berufung davon ausgehe, dass die zweitägige Berufungsfrist des § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG überschritten worden sei, wobei sie diese Überschreitung auch ausschließlich mit der Verfassungswidrigkeit des § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG begründe, stelle sich die ausdrückliche Einräumung des Parteiengehörs hinsichtlich der Verspätung der Berufung als entbehrlich dar, wodurch auf Grund der dargestellten konkreten Umstände kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 28. September 1998 zur Post gegebene und beim Verwaltungsgerichtshof am 30. September 1998 eingelangte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u.a., kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 4. Februar 1999 (BGBl. I Nr. 41/1999), hat der Verfassungsgerichtshof die im § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG enthaltene Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" als verfassungswidrig aufgehoben. Weiters hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die aufgehobene Gesetzesstelle nicht mehr anzuwenden sei, wovon - so ausdrücklich die Entscheidungsgründe - ua. die bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anhängigen Verfahren erfasst sind. Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet das, dass der hier angefochtene Bescheid und das ihm zu Grunde liegende Verwaltungsverfahren gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG im Lichte der durch den Entfall der Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" im § 32 Abs. 1 AsylG bereinigten Rechtslage zu prüfen sind. Maßgeblich ist daher gemäß § 23 AsylG der die Berufungsfrist regelnde § 63 Abs. 5 AVG. Nach dessen erstem Satz ist die Berufung binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Da die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung ausdrücklich betonte, diese sei trotz Überschreitung der in § 32 AsylG vorgesehenen Frist "dennoch fristgerecht eingebracht" und in ihrer Beschwerde der Feststellung der belangten Behörde, der Bescheid der Behörde erster Instanz sei am 2. April 1998 durch Hinterlegung gemäß § 17 des Zustellgesetzes zugestellt worden, kein sachverhaltsbezogenes Vorbringen entgegenhält, legt der Verwaltungsgerichtshof diese Feststellung der belangten Behörde über den Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides als frei von relevanten Verfahrensmängeln seiner weiteren Beurteilung zu Grunde.

Unbestritten ist weiters die Feststellung der belangten Behörde, die Berufung sei am 13. April 1998 zur Post gegeben worden.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen erweist sich die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, die Berufung sei verspätet gewesen, als unrichtig. War der Beschwerdeführerin nämlich für die Einbringung ihrer Berufung nach § 63 Abs. 5 AVG eine Frist von zwei Wochen eingeräumt, so war die am elften Tag nach der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides eingebrachte Berufung nicht verspätet, die Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung demnach rechtswidrig.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010474.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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