TE Vwgh Beschluss 2018/10/23 Ra 2018/06/0110

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Veröffentlicht am 23.10.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs2;
AVG §13 Abs5;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/06/0111 Ra 2018/06/0114 Ra 2018/06/0113 Ra 2018/06/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Dr. Bayjones und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, in der Revisionssache 1. der M M,

2.

des Univ.Prof. Dr. H K, 3. der G K, 4. des Ing. Dkfm. C W und

5.

der B W, alle in G und vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 2. Mai 2018, LVwG 50.17-240/2018-36, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz; mitbeteiligte Partei: S GmbH in R, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, weitere Partei:

Steiermärkische Landesregierung, 8010 Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 2. Mai 2018 wurde den von den revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 27. November 2017, mit dem der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Errichtung eines Wohngebäudes mit fünf Wohneinheiten und fünf Kfz-Abstellplätzen sowie für die Durchführung von Geländeveränderungen erteilt worden war, erhobenen Beschwerden keine Folge gegeben. Das Verwaltungsgericht erklärte die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis für unzulässig. Die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an die revisionswerbenden Parteien erfolgte am 15. Mai 2018.

2 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde von einem Mitarbeiter des Rechtsvertreters der revisionswerbenden Parteien am 26. Juni 2018, dem letzten Tag der Rechtsmittelfrist, um 14.30 Uhr (und somit außerhalb der auf der Homepage des Landesverwaltungsgerichts Steiermark kundgemachten Amtsstunden) persönlich beim Verwaltungsgericht eingebracht.

3 Mit hg. Verfügung vom 18. Juli 2018 wurde den revisionswerbenden Parteien die Möglichkeit gegeben, zur Frage der Verspätung der Revision Stellung zu nehmen.

4 In ihrer Eingabe vom 31. Juli 2018 führten die revisionswerbenden Parteien aus, dass durch § 17 VwGVG und § 13 Abs. 2 AVG keine bindenden Vorgaben für die Festsetzung von Amtsstunden festgelegt würden. Die Amtsstunden für den Magistrat Graz und das Bauamt seien auf der Website mit "bis 15.00 Uhr" ausgewiesen. Diese Einreichzeit sei jedoch beim Verwaltungsgericht nicht gegeben. Es wäre sohin durch den Verwaltungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit dieser "Verkürzung der Einreichungsfrist" zu prüfen. Der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Parteien sei davon ausgegangen, dass nach der dargestellten Regelung insbesondere in Baurechtssachen die Amtsstunden der Verwaltungsgerichte mit 15.00 Uhr endeten. In der Einlaufstelle des Landesverwaltungsgerichts Steiermark seien keine Amtsstunden ausgeschrieben. Es bestehe auch keine Möglichkeit der Einsichtnahme in die Website. Seitens des Kanzleipersonals werde kein Hinweis gemacht, dass die Amtsstunden nur bis 12.00 Uhr festgelegt seien. Bei einem entsprechenden Hinweis in der Einlaufstelle hätte die Revision fristwahrend bei der Post eingereicht werden können. Die gegebenen Regelungen bei den österreichischen Verwaltungsgerichten (in der Eingabe wurden unterschiedliche Amtsstunden von vier Landesverwaltungsgerichten zitiert) führten zu sachlich nicht begründeten Unterschiedlichkeiten in der Festsetzung der Amtsstunden. Daran zeige sich eine nicht sachgerechte unterschiedliche Behandlung, "die sich aus der gesetzlichen Grundlage der Ausrichtung nach der Vorinstanz nicht ableiten lässt". Der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Parteien sei sohin einem entschuldbaren Irrtum unterlegen. Die Einreichfrist sei zum Zeitpunkt der Einreichung um

14.30 Uhr noch nicht absolut abgelaufen gewesen. Bei einem Hinweis in der Amtskanzlei wäre eine zeitgerechte Einreichung durch Aufgabe bei der Post noch möglich gewesen. Es werde daher der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gem. § 33 VwGVG" gestellt.

5 § 46 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

     (...)

     (3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des

Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab

Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen

zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den

Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1.        nach Zustellung eines Bescheides oder einer

gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als

unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2.        nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der

Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(...)"

6 Der vorliegend (gemäß § 62 VwGG) anzuwendende § 13 AVG in

der Fassung BGBl. I Nr. 100/2011 lautet:

"Anbringen

§ 13. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

(...)

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

(...)"

7 Nach der gemäß § 13 AVG im Internet (www.lvwg-stmk.gv.at) bekanntgemachten Kundmachung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark sind die Amtsstunden dieses Gerichts mit Montag bis Freitag von 8:30 bis 12:00 Uhr festgelegt. Ferner wird darin festgehalten:

"Innerhalb dieser Zeit ist eine Kontaktaufnahme (per Telefon, Fax, Mail) mit dem Landesverwaltungsgericht oder die Abgabe von Schriftstücken möglich. Sollten Sie Ihren Schriftsatz außerhalb der Amtsstunden eingebracht haben, gilt dieser Schriftsatz erst nach Beginn der Amtsstunden am nächsten Werktag als eingelangt und wird erst ab diesem Zeitpunkt behandelt werden. Dies gilt auch für fristgebundene Eingaben, Bekanntmachungen und Verständigungen gemäß § 8 Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz 2012."

8 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelten Anbringen, sofern die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält, als noch am selben Tag eingebracht. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen mit der Wirkung zum Ausdruck bringt, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten (VwGH 14.10.2015, Ra 2015/17/0039, mwN).

9 Nichts anderes gilt - unter denselben Voraussetzungen - für jene Fälle, in denen Anbringen beim Verwaltungsgericht persönlich eingebracht werden.

10 Entsprechend der zitierten Kundmachung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, an deren Gesetzmäßigkeit aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofes entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien keine Bedenken bestehen, gelten Schriftstücke, die außerhalb der Amtsstunden abgegeben (und auf diesem Wege eingebracht) werden, erst nach Beginn der Amtsstunden am nächsten Werktag als eingelangt. Das Verwaltungsgericht hat damit die mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme von Schriftstücken, die außerhalb der Amtsstunden abgegeben werden, im Sinne des § 13 Abs. 5 AVG hinreichend zum Ausdruck gebracht.

11 Da die am 26. Juni 2018, dem letzten Tag der Revisionsfrist, nach Ende der Amtsstunden eingebrachte Revision somit erst am 27. Juni 2018 als eingelangt gilt, ist sie verspätet (vgl. VwGH 5.11.2015, Ra 2015/02/0204, mwN, zu einem vergleichbaren Fall betreffend die Einbringung der Revision per Telefax).

12 Die von den revisionswerbenden Parteien erwähnten unterschiedlichen Amtsstunden des Magistrates Graz, des Bauamtes und verschiedener Landesverwaltungsgerichte sind für die Frage der Verspätung der Revision nicht maßgeblich, weil es gegenständlich lediglich auf die Amtsstunden bzw. die diesbezüglich kundgemachte zeitliche Beschränkung der Entgegennahme von Anbringen durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark im Sinne des § 13 Abs. 5 AVG ankommt (vgl. auch VfSlg. 19849/2014).

13 Mit ihrem Vorbringen, "in der Einlaufstelle" des Landesverwaltungsgerichts Steiermark seien keine Amtsstunden ausgeschrieben, bestreiten die revisionswerbenden Parteien nicht, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 AVG (Bekanntmachung der Amtsstunden "im Internet" und "an der Amtstafel") vorliegen. Ein zusätzlicher Hinweis des Kanzleipersonals auf die Dauer der Amtsstunden, wie ihn die revisionswerbenden Parteien vermissen, ist gesetzlich nicht normiert.

14 Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung, es bestehe "keine Möglichkeit der Einsichtnahme in die Website". Sollte sich jedoch auch dieses Vorbringen auf die Gegebenheiten in der Einlaufstelle des Landesverwaltungsgerichts Steiermark beziehen, ist dem zum einen zu entgegnen, dass keine rechtliche Verpflichtung des Verwaltungsgerichts besteht, dritten Personen in der Einlaufstelle einen Internetzugang zu ermöglichen, zum anderen, dass die revisionswerbenden Parteien gar nicht behaupten, dass ihr Rechtsvertreter bzw. sein Mitarbeiter bei der Einbringung der vorliegenden Revision ein entsprechendes Begehren geäußert hätte.

15 Zu dem sich angesichts der Verspätung der Revision als zulässig erweisenden Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsfrist ist auszuführen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (VwGH 26.2.2015, Ra 2014/22/0092, mwN).

16 Im Hinblick auf die zitierte, inhaltlich eindeutige Kundmachung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark hätte der Parteienvertreter nicht darauf vertrauen dürfen, dass bei persönlicher Einbringung der Revision am letzten Tag der Revisionsfrist, jedoch außerhalb der Amtsstunden des Verwaltungsgerichts, die Revision als rechtzeitig eingebracht gelte.

17 Dass den revisionswerbenden Parteien an der Versäumung der Revisionsfrist kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten ist, wurde mit dem Wiedereinsetzungsantrag somit nicht dargetan.

18 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der im Übrigen auf eine unrichtige Rechtsgrundlage (§ 33 VwGVG) gestützt wurde, war somit gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

19 Die Revision war dementsprechend gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 23. Oktober 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018060110.L00

Im RIS seit

20.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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