TE Vwgh Beschluss 2018/10/24 Ra 2018/14/0107

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Veröffentlicht am 24.10.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1P;
E3L E19100000;
E3L E19103000;
E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;

Norm

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
32008L0115 Rückführungs-RL Art13;
32013L0032 IntSchutz-RL Art46;
62001CJ0013 Safalero VORAB;
62010CJ0069 Samba Diouf VORAB;
62017CJ0180 X und Y VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
MRK Art13;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §30;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, in Z, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. April 2018, Zl. W210 2181071- 1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 22. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er zusammengefasst vor, er habe Afghanistan vor 19 Jahren verlassen und sei nach Griechenland gereist, weil er am Krieg gegen die Paschtunen beteiligt gewesen sei und die Taliban 1996 begonnen hätten, die Häuser nach den Kriegsbeteiligten zu durchsuchen. In den Jahren nach dem Krieg seien viele Kriegsbeteiligte von den Taliban getötet worden. Er habe Griechenland nach 14 Jahren aufgrund der dortigen schlechten Lage verlassen.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 24. November 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 9. April 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2018, E 2051/2018-17, dem Verwaltungsgerichtshof über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 16. Juli 2018, E 2051/2018- 10 zur Entscheidung abgetreten wurde.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, dass das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot keine Prüfung der Voraussetzungen des § 8 AsylG im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erlaube. Zudem sei der Asylwerber darauf angewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof der Revision die aufschiebende Wirkung zuerkenne. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof stelle daher keinen "wirksamen Rechtsbehelf" im Sinne des Art. 46 VerfahrensRL iVm Art. 47 GRC dar. Diesbezüglich erfolgte auch der Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge eine näher genannte Vorlagefrage an den Gerichtshof der Europäischen Union richten. Zudem seien die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts mit den Feststellungen zur Situation im Heimatland des Revisionswerbers nicht vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht habe die individuelle Situation des Revisionswerbers nicht "den Länderberichten" gegenübergestellt und die Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative anhand veralteter Quellen durchgeführt. Das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers anhand den aktuellen Berichten zu würdigen. Es weiche von - näher genannter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Beweiswürdigung ab. Das BFA und das Bundesverwaltungsgericht hätten es unterlassen, den in der niederschriftlichen Einvernahme bezeichneten Kommandanten auszuforschen und einzuvernehmen. Dieses Beweismittel stelle ein taugliches Beweismittel dar, um die Teilnahme des Revisionswerbers an den Kampfhandlungen zu beweisen.

8 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Insofern der Revisionswerber in der Zulassungsbegründung vorbringt, das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot und das Revisionssystem würden Art. 47 GRC verletzen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof stelle daher keinen "wirksamen Rechtsbehelf" (iSd Art. 46 VerfahrensRL iVm Art. 47 GRC) dar, ist auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Revisionsmodell sowohl mit Art. 47 GRC als auch mit Art. 13 EMRK in Einklang steht (vgl. VwGH 12.10. 2018, Ra 2018/14/0097; 6.7.2016, Ra 2016/01/0113, 0114, jeweils mwN; EGMR 10.5.2012, A.L. gegen Österreich, Nr. 7788/11, RNr. 73; VfSlg. 18.222/2007; EuGH 28.7.2011, C-69/10, Samba Diouf, RNr. 54 mit Hinweis auf EuGH 11.9.2003, C-13/01, Safalero).

9 Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall mittels Beschwerde angerufen worden ist und entschieden hat, hindert die Zurückweisung der Revision gegen das angefochtene Erkenntnis somit nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - von der Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 4.8.2016, Ra 2016/18/0123; 14.9.2016, Ra 2016/18/0081 bis 0082).

10 Im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen, das Fehlen der automatischen aufschiebenden Wirkung einer (außerordentlichen) Revision bewirke einen Verstoß gegen die unionsrechtlich gebotene Effektivität des Rechtsschutzes, ist auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache X,Y, zu verweisen, in dem der Gerichtshof festgehalten hat, dass Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die für ein Rechtsmittel gegen ein die Rückkehrentscheidung bestätigendes Erkenntnis eines Gerichts keine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes vorsieht (EuGH 26.9.2018, X,Y, C-180/17).

11 Ausgehend davon sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, dem Europäischen Gerichtshof - wie vom Revisionswerber angeregt - die in der Revision angeführten Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

12 Soweit die Revision sich gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0157, 0158, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht dargelegt.

13 Im Übrigen begegnet die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber finde - als gesunder erwerbsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung - in Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, auf Grundlage der im Zeitpunkt des Erkenntnisses vorliegende Berichtslage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs keinen Bedenken (vgl. etwa VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0266 mwN).

14 Mit dem übrigen Zulässigkeitsvorbringen macht der Revisionswerber Verfahrensmängel geltend, ohne dabei deren Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun.

Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel hinsichtlich der Aktualität der Länderberichte und der Einvernahme des Kommandanten - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 2.8.2018, Ra 2018/19/0225, mwN).

Soweit die Revision rügt, das BVwG hätte den in Wien lebenden Zeugen M.A. befragen müssen, um die Fluchtgeschichte des Revisionswerbers zu bestätigen, liegt, insoweit das Bundesverwaltungsgericht keine Vernehmung des Zeugen im Hinblick auf die behauptete Teilnahme des Revisionswerbers an Kampfhandlungen in den Jahren 1990/91 vorgenommen hat, ein Verfahrensfehler vor, dessen Relevanz in der Revision allerdings nicht aufgezeigt wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul angenommen, wo die vom Revisionswerber behauptete Bedrohung durch die Taliban nicht gegeben ist.

15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 24. Oktober 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62017CJ0180 X und Y VORAB
EuGH 62001CJ0013 Safalero VORAB
EuGH 62010CJ0069 Samba Diouf VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140107.L00

Im RIS seit

14.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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