TE Vwgh Erkenntnis 2018/10/24 Ra 2018/14/0040

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Veröffentlicht am 24.10.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E19103010;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32011L0095 Status-RL Art12;
32011L0095 Status-RL Art13;
32011L0095 Status-RL Art15;
32011L0095 Status-RL Art18;
32011L0095 Status-RL Art2 litd;
32011L0095 Status-RL Art2 litf;
32011L0095 Status-RL Art2 litj;
32011L0095 Status-RL Art23;
32011L0095 Status-RL Art3;
62009CJ0057 B und D VORAB;
62013CJ0542 M'Bodj VORAB;
62016CJ0652 Ahmedbekova VORAB;
AsylG 1997 §1 Z6;
AsylG 1997 §10;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §34 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §34 Abs2;
AsylG 2005 §34 Abs3;
AsylG 2005 §34 Abs4;
AsylG 2005 §34 Abs6 Z2;
AsylG 2005 §34;
AsylG 2005 §35 Abs5;
AsylG 2005 §35;
EURallg;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/14/0041 Ra 2018/14/0044 Ra 2018/14/0043 Ra 2018/14/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweinzer, über die Revisionen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen die jeweils am 6. Juni 2018 mündlich verkündeten und am 3. Juli 2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes,

1)

W114 2189525-1/8E, 2) W114 2189527-1/8E, 3) W114 2189473-1/7E,

4)

W114 2189522-1/8E und 5) W114 2189519-1/8E, jeweils betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Parteien: 1. A B, 2. C D, 3. E F, 4. G H und 5. I J, alle in X, alle vertreten durch Österreichische Caritaszentrale, p.A. 1170 Wien, Albrechtskreithgasse 19-21), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligten sind Staatsangehörige von Afghanistan. Der Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte sind miteinander verheiratet. Die übrigen mitbeteiligten Parteien sind ihre gemeinsamen in den Jahren 2006, 2009 und 2012 geborenen Kinder.

2 Sämtliche Mitbeteiligte sowie ein weiteres am 1. Jänner 2000 geborenes Kind der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien stellten am 9. November 2015 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Zu dieser Zeit waren alle Kinder minderjährig.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge mit den Bescheiden je vom 12. Februar 2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 ab. Es sprach ferner aus, dass den Mitbeteiligten sowie der am 1. Jänner 2000 geborenen Tochter der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde und erteilte ihnen nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis 12. Februar 2019.

4 Als maßgeblich für die Antragsabweisungen erachtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass das Vorbringen des Erstmitbeteiligten zum behaupteten Grund seiner Flucht aus seinem Heimatland, auf das sich auch die übrigen mitbeteiligten Parteien bezogen hatten, als unglaubwürdig einzustufen sei.

5 Die Mitbeteiligten sowie die weitere Tochter der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien erhoben gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten jeweils Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6 Mit mündlich verkündetem Erkenntnissen vom 6. Juni 2018 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der weiteren im Entscheidungszeitpunkt bereits volljährigen Tochter der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien statt und erkannte ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zu, weil ihr infolge der von ihr mittlerweile angenommenen "westlich orientierten" Lebensweise mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrechtlich relevante Verfolgung im Heimatland drohe.

7 Den mitbeteiligten Parteien wurde mit den in Revision gezogenen - gleichfalls am 6. Juni 2018 mündlich verkündeten und über entsprechenden Antrag am 3. Juli 2018 schriftlich ausgefertigten - Erkenntnissen vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 jeweils der Status von Asylberechtigten zuerkannt sowie gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht in allen Fällen als nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

8 In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht - zusammengefasst und soweit für das Revisionsverfahren wesentlich -

darauf ab, dass die mitbeteiligten Parteien eine asylrechtlich relevante Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat nicht hätten glaubhaft machen können. Insoweit fehle es in ihren Fällen an den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten. Es sei aber der für das Familienverfahren als Bezugsperson dienenden und zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährigen Tochter der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien bzw. der Schwester der dritt- bis fünftmitbeteiligten Parteien der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt worden. Sohin sei auch sämtlichen mitbeteiligten Parteien der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal die in § 34 Abs. 2 AsylG 2005 genannten Gründe für einen Ausschluss von der Zuerkennung nicht vorlägen.

9 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, die das Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Folge das Vorverfahren eingeleitet. Die Mitbeteiligten haben Revisionsbeantwortungen erstattet.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revisionen erwogen:

11 Zur Begründung der Zulässigkeit der die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien betreffenden Revisionen wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zum "Familienangehörigen" über den Wortlaut hinaus in einer Weise interpretiert werden müsse, sodass auch Eltern eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei und der zwar im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig, aber im Zeitpunkt der Entscheidung volljährig sei, unter diesen Begriff fielen. Würde man die (zu einer anderen Konstellation ergangene) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/21/0230, 0231, wonach mit dem Erreichen der Volljährigkeit eines bei Verfahrensbeginn noch Minderjährigen seine Eltern nicht mehr als "Familienangehörige" anzusehen seien, auch für die gegenständlichen Fälle als maßgeblich erachten, wäre das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Hinsichtlich der dritt- bis fünftmitbeteiligten Parteien stelle sich die Frage, ob Geschwister "Familienmitglieder" im Sinn der Legaldefinition des Familienangehörigen in § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 seien. Dazu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Wenn man aber "iSd klaren Wortlautes" des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 davon ausgehe, dass Geschwister keine Familienangehörigen im Sinn der Legaldefinition seien, würden die minderjährigen dritt- bis fünftmitbeteiligten Parteien den Status des Asylberechtigten nur von ihren Eltern ableiten können. Aufgrund der ex tunc-Wirkung aufhebender Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes - erkennbar setzt dabei das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Prämisse voraus, dass der Verwaltungsgerichtshof dessen Ansicht, wonach den Eltern im Familienverfahren der Status von Asylberechtigten nicht zu gewähren gewesen wäre, teile - falle aber die Grundlage für die Erkenntnisse der übrigen mitbeteiligten Parteien weg. Insofern läge dann eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

12 Die Revisionen erweisen sich aus den von der revisionswerbenden Behörde ins Treffen geführten Gründen als zulässig. Sie sind jedoch nicht berechtigt.

13 Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 2 und § 34 AsylG 2005 (in der Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 56/2018; angemerkt sei jedoch an dieser Stelle, dass die damit erfolgten Änderungen des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 auf die hier zu beleuchtende Rechtsfrage keine Auswirkungen zeitigen) lauten auszugsweise:

     "Begriffsbestimmungen

     § 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1.        ...

     ...

22.        Familienangehöriger: wer Elternteil eines

minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der

Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder

eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten

oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei

Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär

Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie

der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz

zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht

verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits

vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des

Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für

eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft

bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des

Asylberechtigten bestanden hat;

23.        ...

     ..."

     "Familienverfahren im Inland

     § 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1.        einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten

zuerkannt worden ist;

2.        einem Fremden, dem der Status des subsidiär

Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3.        einem Asylwerber

     einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als

Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

     (2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines

Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des

Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit

Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1.        dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3.        gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten

zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status

anhängig ist (§ 7).

     (3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines

Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär

Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen

mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten

zuzuerkennen, wenn

1.        dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3.        gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär

Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung

dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4.        dem Familienangehörigen nicht der Status eines

Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1.        auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer

Bürger sind;

2.        auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des

Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft

oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

14 Zunächst ist anzumerken, dass der in § 34 AsylG 2005 verwendete Begriff des Familienangehörigen - anders als etwa bei der Anwendung des § 35 AsylG 2005, der in seinem Abs. 5 festlegt, wer nach dieser Bestimmung als Familienangehöriger anzusehen ist - im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0355, mwN).

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits dargelegt, dass § 34 AsylG 2005 der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband dient. Ziel der Bestimmungen ist, Familienangehörigen (im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen (vgl. etwa VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0418; 24.3.2015, Ra 2014/19/0063).

16 Ist einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen (vgl. nochmals VwGH Ra 2017/01/0418).

17 Den genannten Zweck bringen schon - worauf der Verwaltungsgerichtshof in seinen Entscheidungen auch ausdrücklich hingewiesen hat - die Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005) unmissverständlich zum Ausdruck. Dort wird zu § 34 AsylG 2005 (auszugsweise) festgehalten (RV 952 BlgNR 22. GP, 54):

"Der vorgeschlagene § 34 - er entspricht im Wesentlichen dem § 10 AsylG 1997 - dient der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband; das durch die AsylG-Nov 2003 geschaffene Regelungssystem ersetzt die so genannte ‚Asylerstreckung'.

Die Bestimmungen des § 34 sind auf die Ehegatten und minderjährigen, unverheirateten Kinder eines Asylberechtigten oder eines Asylwerbers oder sonst Schutzberechtigten anzuwenden; deren Antrag auf internationalen Schutz wird ex-lege als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes nach den Bestimmungen des § 34 zu behandeln sein.

Ziel der Bestimmungen ist Familienangehörigen (§ 2 Z 22) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, soll dieser allen anderen Familienmitgliedern - im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde - zuerkannt werden.

...

Die Asylverfahren einer Familie sind unter einem zu führen, wobei jeder Antrag auf internationalen Schutz gesondert zu prüfen ist; es erhalten alle Familienmitglieder einen eigenen Bescheid, mit dem über die Asylgewährung oder über die subsidiäre Schutzgewährung abgesprochen wird. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst zeitgleich über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. Diese Vereinfachung und Straffung der Verfahren wird auch im Berufungsverfahren fortgesetzt. (...)"

18 Unter Verweis auf diese Erläuterungen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 25.11.2009, 2007/01/1153 und 1168 bis 1171, zu § 34 AsylG 2005 festgehalten:

"3. Die Bestimmungen des AsylG 2005 über das Familienverfahren im Inland knüpfen damit im Wesentlichen an die Vorgängerbestimmungen im Asylgesetz 1997, wie sie durch die AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, geschaffen wurden, an. Zu diesen Bestimmungen im Asylgesetz 1997 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist, um einen gleichförmigen Verfahrensausgang sicherzustellen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zlen. 2007/01/0532 bis 0535, mwN).

4. Dies trifft auch auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 zu. Die (mit § 10 Abs. 5 Asylgesetz 1997 nahezu wortgleiche) Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005, wonach alle Familienangehörigen entweder den gleichen Schutzumfang erhalten oder alle Anträge ‚als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen' sind, ist daher dahingehend zu verstehen, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist. Ist daher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, so sind entweder alle Anträge zurückzuweisen oder alle Anträge abzuweisen. Diese Gleichförmigkeit des Familienverfahrens, das letztlich der Verfahrensbeschleunigung und somit der Verfahrensökonomie dient (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. September 2009, U 804/09), wird dabei nicht nur durch § 34 Abs. 4 AsylG 2005, sondern auch durch die (mit § 32 Abs. 7 Asylgesetz 1997 im Wesentlichen übereinstimmende) Bestimmung des § 36 Abs. 3 AsylG 2005 zum Ausdruck gebracht, wonach selbst bei nur einer Berufung eines betroffenen Familienmitglieds diese auch als Berufung gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen gilt und keine dieser Entscheidungen dann der Rechtskraft zugänglich ist (vgl. zum Ganzen die insoweit auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 übertragbaren Ausführungen im genannten hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, Zlen. 2007/01/0532 bis 0535; siehe weiters Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 497 f). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 34 Abs. 4 AsylG 2005 - in Fortsetzung der Judikatur zum Asylgesetz 1997 - bereits erkannt, dass bei Aufhebung (nur) eines Bescheides eines Familienangehörigen dies (infolge der ex tunc-Wirkung einer Aufhebung nach § 42 Abs. 3 VwGG) auch auf die Bescheide der übrigen Familienangehörigen durchschlägt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/20/0281)."

19 Auch die Erläuterungen zu der soeben erwähnten Vorgängerregelung des § 10 Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 führen den genannten Zweck ausdrücklich als das durch ihre Schaffung verfolgte Ziel ins Treffen (RV 120 BlgNR 22. GP, 15):

"Der vorgeschlagene § 10 dient der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband und ersetzt die sogenannte ‚Asylerstreckung'. Die Bestimmungen des § 10 sind auf die Ehegatten und minderjährigen, unverheirateten Kinder eines Asylwerbers oder sonst Schutzberechtigten anzuwenden. (...) Die Asylverfahren einer Familie sind unter einem zu führen, wobei jeder Asylantrag gesondert zu prüfen ist; es erhalten alle Familienmitglieder einen eigenen Bescheid, mit dem über die Asylgewährung oder über die subsidiäre Schutzgewährung abgesprochen wird. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass - wenn möglich zeitgleich - über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. Diese Vereinfachung und Straffung der Verfahren wird auch im Berufungsverfahren fortgesetzt. (...)"

20 In Bezug auf Eltern und ihre Kinder enthält nun § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 unterschiedliche Gesichtspunkte. Diese Bestimmung nimmt dabei eine Festlegung vor, die zentral auf jene Person abstellt, von der die Angehörigeneigenschaft abgeleitet werden soll. Danach ist - soweit hier in Rede stehend und für das Revisionsverfahren von Interesse - Familienangehöriger, "wer Elternteil eines minderjährigen Kindes(...) oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde".

21 Ausgehend davon wird aus dem Blickwinkel des Kindes, das die Eigenschaft als Familienangehöriger von seinen Eltern ableiten möchte, auf den Zeitpunkt der Antragstellung - bezogen auf den von ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz - abgestellt. Es muss, um als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu gelten, in diesem Zeitpunkt minderjährig und ledig sein. Dem Eintritt der Volljährigkeit vor dem Entscheidungszeitpunkt kommt in diesem Fall keine Bedeutung zu (vgl. VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0230, 0231).

22 Schon zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Legaldefinition des Familienangehörigen nach dem (damaligen) § 1 Z 6 Asylgesetz 1997 (danach galt als Familienangehöriger im Sinn des Asylgesetzes 1997, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist) darauf abgestellt hat, ob es sich zum Zeitpunkt der Antragstellung um ein unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder Asylberechtigten handelt. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung war bei der Definition des Familienangehörigen daher auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen, was bedeutet, dass die Familienangehörigeneigenschaft für das gesamte Verfahren, auch wenn der Betroffene zwischenzeitig volljährig wird, perpetuiert wurde (vgl. VwGH 28.10.2009, 2007/01/0532 bis 0535). An dieser Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof, wie bereits oben erwähnt, für die gleichgelagerten Regelungen des AsylG 2005 festgehalten.

23 Möchten hingegen Eltern die Eigenschaft als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 für sich beanspruchen, müssen sie nach dieser Bestimmung Elternteil eines minderjährigen Kindes sein. Anders als aus dem Blickwinkel des Kindes wird insoweit nicht festgelegt, dass (irgendein) Antragszeitpunkt maßgeblich wäre. In Bezug auf diese Konstellation ist daher zu folgern, dass es - den allgemeinen Grundsätzen zur Frage folgend, welche Sach- und Rechtslage bei der Fällung einer Entscheidung zur Anwendung zu bringen ist - maßgeblich ist, ob im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen zu bejahen sind. Daraus ist für diesen Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu schließen, dass mit dem Erreichen der Volljährigkeit eines bei Verfahrensbeginn zunächst noch Minderjährigen seine Eltern nicht mehr als "Familienangehörige" zu betrachten sind, ebenso wie eine zwischenzeitige Beendigung der Ehe einem "ursprünglichen" Ehegatten die Eigenschaft als "Familienangehöriger" nimmt (vgl. nochmals VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0230, 0231).

24 § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 sieht allerdings noch eine weitere Unterscheidung vor. Diese ist darin gelegen, dass jene Person, von der die Angehörigeneigenschaft abgeleitet werden soll, entweder ein Asylwerber oder ein Fremder, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sein kann. Diese Unterscheidung setzt sich insofern in § 34 AsylG 2005 fort, als darauf in dieser Bestimmung (mehrfach) Bedacht genommen wird. So lässt schon § 34 Abs. 1 AsylG 2005 durch die Differenzierung in seinen Z 1 bis 3 betreffend das Nennen der Bezugspersonen erkennen, dass insoweit auf die jeweils unterschiedliche Situation der Angehörigen Rücksicht zu nehmen ist. Dies setzt sich schließlich in weiteren Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 fort (und wird auch an anderen Stellen des AsylG 2005 wie etwa in § 8 Abs. 5 deutlich). Im Besonderen ist hier hervorzuheben, dass die Anordnung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005, wonach die Verfahren unter einem zu führen sind, denkmöglich nur im Fall des § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zur Anwendung gelangen kann, weil in den übrigen in § 34 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG 2005 genannten Fällen jenem Fremden, von dem die Angehörigeneigenschaft abgeleitet wird, der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt worden sein muss. Das setzt wiederum denklogisch voraus, dass dessen Asylverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist.

25 Im Fall des § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 - das Asylverfahren der betroffenen Fremden ist noch nicht abgeschlossen - können somit in Bezug auf das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern im Antragszeitpunkt sämtliche hier in Rede stehenden Varianten der Legaldefinition erfüllt sein. Aus dem Blickwinkel des im Antragszeitpunkt minderjährigen (und ledigen) Kindes ist es als Familienangehöriger seiner asylwerbenden Eltern anzusehen; aus dem Blickwinkel der Eltern sind sie jeweils als Elternteil eines asylwerbenden minderjährigen Kindes zu qualifizieren.

26 Wird aber ein Kind während des Verfahrens volljährig, führt dies dazu, dass die Beurteilung, ob das Kind als Familienangehöriger seiner Eltern anzusehen ist, sich weiterhin nach dem Zeitpunkt der Antragstellung (des Kindes) richtet. Geht man aber vom Blickwinkel der Eltern aus, würden sie nicht mehr als Familienangehörige jenes Kindes, das während des Verfahrens Volljährigkeit erlangt, anzusehen sein; maW: sie würden diese Eigenschaft während des laufenden Verfahrens verlieren.

27 Wie bereits erwähnt verfolgt der Gesetzgeber mit den Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 in erster Linie das Ziel der Verfahrensbeschleunigung (daran ändert auch nichts, dass diesem Verfahren - insbesondere zufolge § 35 AsylG 2005 - auch eine die Familienzusammenführung betreffende Komponente zuzuschreiben ist, vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611, mwN). Davon, dass ihm bei der Schaffung des § 2 Abs. 1 Z 22 und des § 34 AsylG 2005 jene unterschiedlichen Konstellationen, die verschiedene Ausgangslagen beinhalten, nicht bewusst gewesen wären, kann angesichts der diese unterschiedlichen Ausgangslagen in den Blick nehmenden Formulierungen nicht ausgegangen werden.

28 In § 34 AsylG 2005 wird lediglich allgemein von "Familienangehörigen" (wie oben dargelegt im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) gesprochen. Für die Anwendung des § 34 AsylG 2005 ist es somit hinreichend, dass (und solange) zumindest ein Fall des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 gegeben ist. Dass es zur Anwendbarkeit des "Familienverfahrens" in Bezug auf das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern im Fall des § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 notwendig wäre, dass sämtliche auf das Verhältnis von Eltern und Kindern abstellende Konstellationen gegeben sein müssten, kann § 34 AsylG 2005 nicht entnommen werden.

29 § 34 AsylG 2005 enthält sowohl verfahrensrechtliche als auch materiellrechtliche Anordnungen. Dafür, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Verfahrensführung einerseits und das nach dieser Bestimmung zu verleihende Recht andererseits den Begriff des Familienangehörigen unterschiedlich hätte verstanden wissen wollen, gibt es keine Hinweise. Vielmehr ergibt sich aus der gesetzlichen Anordnung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005, dass immer dann, wenn eine Entscheidung im Rahmen des Familienverfahrens zu treffen ist, unter den Voraussetzungen der § 34 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 (je nach Sachlage können danach auch einzelne Familienangehörige von der Schutzgewährung im Weg des Familienverfahrens ausgenommen sein) sämtlichen Familienangehörigen der gleiche Schutzumfang zuzuerkennen ist, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Demgemäß ist der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bislang auch nicht davon ausgegangen, dass in bestimmten Konstellationen bloß die für die Verfahrensführung maßgeblichen Bestimmungen des Familienverfahrens anzuwenden wären, nicht aber auch die auf die Stellung als Familienangehöriger Bezug nehmenden (und sich systematisch an derselben Stelle findenden) materiellrechtlichen Bestimmungen (vgl. etwa VwGH 28.10.2009, 2007/01/0532 bis 0535; in diesem Erkenntnis wurde gerade nicht eine auf unterschiedliche Blickwinkel gegründete Betrachtung vorgenommen).

30 Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass nach Art. 13 und Art. 18 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Weiteren kurz: StatusRL) in Verbindung mit den Definitionen der Begriffe "Flüchtling" und "Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz" in Art. 2 lit. d und f dieser Richtlinie der in ihr vorgesehene internationale Schutz grundsätzlich (nur) allen Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen zu gewähren ist, die eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe haben oder tatsächlich Gefahr laufen, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden. Die StatusRL sieht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus an andere Drittstaatsangehörige oder Staatenlose als die soeben genannten nicht vor (vgl. EuGH 4.10.2018, C-652/16, Ahmedbekova und Ahmedbekov, Rn. 47 f.). Die StatusRL sieht weiters eine Erstreckung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus auf die Familienangehörigen der Person, der die Eigenschaft oder der Schutzstatus zuerkannt worden ist, nicht vor. Aus Art. 23 dieser Richtlinie geht nämlich hervor, dass diese den Mitgliedstaaten nur aufgibt, ihr nationales Recht so anzupassen, dass die in Art. 2 lit. j der Richtlinie angeführten Familienangehörigen der anerkannten Person, wenn sie die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht selbst erfüllen, bestimmte Vorteile genießen, die der Wahrung des Familienverbands dienen, wie etwa die Ausstellung eines Aufenthaltstitels und der Zugang zu Beschäftigung oder Bildung (vgl. nochmals EuGH C-652/16, Rn. 68).

31 Der EuGH hat zudem bereits entschieden, dass die in Art. 3 StatusRL enthaltene Klarstellung, dass jede günstigere Norm mit dieser Richtlinie vereinbar sein muss, bedeutet, dass diese Norm die allgemeine Systematik oder die Ziele der Richtlinie nicht gefährden darf. Insbesondere sind Normen verboten, die die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen zuerkennen sollen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen. Das gilt u.a. für Normen, die diese Eigenschaft oder diesen Status Personen zuerkennen, die unter einen der in Art. 12 der StatusRL genannten Ausschlussgründe fallen (vgl. wiederum EuGH C-652/16, Rn. 71, unter Hinweis auf EuGH 18.12.2014, C-542/13, M'Bodj; 9.10.2010, C-57/09 und C-101/09, B und D).

32 Allerdings ist Art. 3 StatusRL nach dem (bereits mehrfach genannten) Urteil des EuGH vom 4. Oktober 2018, C-652/16, dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat gestattet, in Fällen, in denen einem Angehörigen einer Familie nach der mit dieser Richtlinie geschaffenen Regelung internationaler Schutz gewährt wird, die Erstreckung dieses Schutzes auf andere Angehörige dieser Familie vorzusehen, sofern diese nicht unter einen der in Art. 12 der Richtlinie genannten Ausschlussgründe fallen und sofern ihre Situation wegen der Notwendigkeit, den Familienverband zu wahren, einen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweist (sh. Pkt. 3 des Tenors des Urteils C-652/16 sowie Rn. 72 bis 74 der Begründung).

33 Vor diesem Hintergrund stellen sich die im Sinn des Art. 3 StatusRL gegenüber den Vorgaben der StatusRL für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des (fallbezogen aber nicht in Rede stehenden) Status des subsidiär Schutzberechtigten günstigeren Regelungen des § 34 AsylG 2005 mit der StatusRL als vereinbar dar.

34 Das Gesagte bedeutet für die hier vorliegende, das Verhältnis von Eltern und Kindern betreffende Konstellation des § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, in der sämtliche Fremde den Antrag zur selben Zeit gestellt haben und zu dieser Zeit das Kind noch minderjährig war, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die mitbeteiligten Parteien zu Recht die Vorschriften für das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 umfänglich zur Anwendung gebracht hat.

35 Zu ergänzen bleibt in diesem Zusammenhang lediglich, dass dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zwar beizupflichten ist, dass die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 nicht das Verhältnis der dritt- bis fünftmitbeteiligten Parteien zu ihrer Schwester erfasst. Wie die Behörde aber in den Revisionen selbst erkennt, schließt § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 eine nach den Bestimmungen des Familienverfahrens erfolgte Zuerkennung des Status von Asylberechtigten an die Eltern im Fall minderjähriger lediger Kinder - was auf die dritt- bis fünftmitbeteiligten Parteien zutrifft - nicht aus, dass auch diesen wiederum im Weg des Familienverfahrens der Status von Asylberechtigten in Ableitung von ihren Eltern zuerkannt werden kann.

36 Bereits nach dem Gesagten erweisen sich die Revisionen als unbegründet, weshalb sie aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren, ohne dass auf die weiteren in den Revisionsbeantwortungen aufgeworfenen Fragen hätte eingegangen werden müssen.

Wien, am 24. Oktober 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62016CJ0652 Ahmedbekova VORAB
EuGH 62009CJ0057 B und D VORAB
EuGH 62013CJ0542 M'Bodj VORAB
EuGH 62016CJ0652 Ahmedbekova VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140040.L00

Im RIS seit

14.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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