Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, in der Rechtssache der Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Juli 2018, W271 2201763-1/3Z, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nach dem BFA-VG (Mitbeteiligter: M Y in L, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0276, mwN).
5 Selbst wenn Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage fehlt, wird dann die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht begründet, wenn ein Revisionswerber der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung nicht argumentativ entgegentritt (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2017/21/0253, Rn. 9, mwN; vgl. in diesem Sinn auch VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, Rn. 28).
6 Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht behauptet, die in erster Linie zur Bescheidaufhebung geäußerte Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts sei unzutreffend. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bringt in Bezug darauf zur Zulässigkeit der Revision (lediglich) vor, das Bundesverwaltungsgericht sei deswegen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abgewichen, weil der Inhalt des von dieser Behörde mit dem beim Bundesverwaltungsgericht in Beschwerde gezogenen Bescheid erlassenen Spruchpunktes VI. unklar sei und mit der Begründung im Widerspruch stehe. Der Spruch des Bescheides sei einer Berichtigung zugänglich, weshalb er vom Bundesverwaltungsgericht auch schon vor Berichtigung im zu berichtigenden Sinn zu lesen gewesen wäre.
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Dagegen kommt eine Umdeutung (oder auch Ausweitung) eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht. Ist somit der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu. Selbst ein Widerspruch der Begründung zum Spruch ist unerheblich, wenn nach dem Wortlaut des Spruchs eines Bescheides über dessen Inhalt kein Zweifel herrschen kann. Eine über den formalen Spruchinhalt hinausgehende Gesamtbetrachtung von Spruch und Begründung findet somit ihre Grenze dann, wenn der formale Spruchinhalt durch Ausführungen im Begründungsteil nicht ergänzt bzw. komplettiert wird, sondern mit diesem in Widerspruch gerät (vgl. VwGH 29.9.2015, 2013/05/0164, mwN).
9 Dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Einschätzung betreffend den in seiner Formulierung nicht zweifelhaften Spruchpunkt VI. des mit Beschwerde bekämpften Bescheides von diesen Leitlinien abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf.
10 Die Revision, die - wie bereits erwähnt - die auf diese Einschätzung gegründete weitere rechtliche Beurteilung nicht bekämpft, erweist sich vor diesem Hintergrund als unzulässig. Sie hängt nämlich infolge dessen, dass betreffend die in erster Linie vom Bundesverwaltungsgericht erstattete Begründung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt wird und sie sohin die angefochtene Entscheidung zu tragen vermag, von der sonst in der Revision aufgeworfenen Rechtsfrage, die sich auf die - nach dem Gesagten hier aber nicht als entscheidungsmaßgeblich anzusehende - Eventualbegründung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht, nicht ab. Letzteres gilt auch für die Frage, ob die Anwendung der hier in Rede stehenden Bestimmung eine (hier ohnedies erhobene) Beschwerde voraussetzt, weil das Bundesverwaltungsgericht - unabhängig vom Verständnis dieser Bestimmung - fallbezogen jedenfalls seine Zuständigkeit zur Behebung des fraglichen Ausspruches der Behörde zu Recht bejahen durfte. Anderes wird im Übrigen auch in der Revision, die insoweit in der Begründung für ihre Zulässigkeit nur eine Frage in den Raum stellt, ohne die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zu bekämpfen, nicht behauptet (und zudem auch nicht in den Revisionsgründen, deren Ausführungen sich in ihren Formulierungen bloß theoretischer Natur darstellen).
11 Sohin war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 2018
Schlagworte
Spruch und BegründungIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200469.L00Im RIS seit
20.11.2018Zuletzt aktualisiert am
28.12.2018