Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Giesinger, Ender, Eberle & Partner Rechtsanwälte OG in Feldkirch, wegen 27.018,48 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Mai 2018, GZ 10 R 19/18x-36, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 27. Dezember 2017, GZ 9 Cg 79/16a-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.725,84 EUR (darin 287,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte von der Beklagten – der vormaligen Verwalterin der im Mit- und Wohnungseigentum ihrer Mitglieder stehenden Liegenschaft – den Ersatz von insgesamt 27.018,48 EUR sA an Kosten für die Sanierung zweier Balkone und zweier Terrassen der Wohnhausanlage. Die Beklagte habe diesen Aufwand aus der Reparaturrücklage beglichen, obwohl die Erhaltungspflicht die jeweiligen Wohnungseigentümer getroffen hätte, worüber die Beklagte die Klägerin hätte aufklären müssen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil vom Obersten Gerichtshof zu klären sei, ob dem Berufungsgericht der von der Revisionswerberin behauptete krasse Fehler bei der Verneinung des Verschuldens der Beklagten unterlaufen sei. Im Hintergrund stehe außerdem die Frage, wie eine Hausverwaltung vorzugehen habe bzw wer die Kosten für eine Mängelbehebung zu tragen habe, wenn Gewährleistungsansprüche der Eigentümergemeinschaft grundsätzlich gegeben seien, das ausführende Unternehmen jedoch nicht mehr existiere.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1.1 Nach § 20 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 trifft den Verwalter die Pflicht, die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer zu wahren und Weisungen der Mehrheit der Wohnungseigentümer zu befolgen, soweit diese nicht gesetzwidrig sind. Eine gesetzwidrige Weisung an den Verwalter ist unbeachtlich (RIS-Justiz RS0083550 [T1]). Bei unklarer Sach- oder Rechtslage und daher nicht offensichtlich rechtswidriger Weisung soll der Verwalter die Weisung befolgen dürfen (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 20 WEG Rz 12; Pittl/Niedrist, Interessenwahrungspflicht und Weisungsgebundenheit des Verwalters, FS Binder 129, 141). Dazu wird vertreten, dass dem – in der Regel nicht rechtskundigen – Verwalter nicht die Rechtsberatung der Eigentümergemeinschaft oder der Wohnungseigentümer zukomme, sein Auftrag sei die auf Organisation des Betriebs und Erhaltung der Liegenschaft gerichtete Geschäftsbesorgung. In diesem Zusammenhang könne er allenfalls verhalten sein, im Zweifel Rechtsauskünfte für die Eigentümergemeinschaft einzuholen (E. M. Hausmann aaO) oder auch die Zuziehung eines Sachverständigen zu veranlassen oder zu empfehlen. Die Last der im Wohnungseigentumsrecht mannigfaltig auftretenden rechtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten könne jedenfalls nicht dem Verwalter aufgebürdet werden (E. M. Hausmann in wobl 2016, 233/83 [Glosse zu 6 Ob 3/14f]).
1.2 Der Verwalter ist Machthaber und hat daher, soweit nicht Sonderregelungen bestehen, auch alle Rechte und Pflichten eines Machthabers nach §§ 1002 ff ABGB (RIS-Justiz RS0013751 [insb T2 und T3]; 5 Ob 98/12s). Die Haftung des Verwalters ist nicht im WEG geregelt, sie richtet sich nach § 1012 ABGB iVm §§ 1293 ff ABGB (Schauer in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht2 § 20 WEG Rz 35). Für den Verwalter gilt der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB (RIS-Justiz RS0083550 [T9]; Schauer aaO). Demnach hat er den typischerweise zu erwartenden Leistungsstandard seiner Berufsgruppe einzuhalten. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dürfen hierbei nicht überspannt werden (Rubin in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1012 Rz 7; vgl RIS-Justiz RS0026584). Der Verwalter ist kein Sachverständiger für diffizile Rechtsfragen und bautechnische Fragen (6 Ob 3/14f = wobl 2016/83 [zust E. M. Hausmann] = EvBl 2016/26 [Rohrer]). Ob ein Verwalter im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RIS-Justiz RS0026584 [insb T17 und T21]). Das gilt auch für die Frage, ob bzw welche Beratungs- und Aufklärungspflichten bestehen (RIS-Justiz RS0106373; RS0026419 [T10 und T15]; vgl RS0119752).
2.1 Nach den Feststellungen kümmerte sich der Mit- und Wohnungseigentümer Dipl.-Ing. R***** schon vor seiner nunmehrigen Bestellung zum Eigentümervertreter gemäß § 22 WEG 2002 faktisch aktiv um die Belange des Hauses, nachdem er bereits maßgeblich mit der ursprünglichen Organisation der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Errichtung des Gebäudes befasst gewesen war. Er bot dem Geschäftsführer der Beklagten an, dieser könne sich in technischen Fragen an ihn wenden, und erteilte ihm auch Informationen aus Zeiten, in denen die Beklagte noch nicht Verwalterin der Liegenschaft war. In der vom Geschäftsführer der Beklagten geleiteten Versammlung der Eigentümergemeinschaft am 23. 5. 2012, in der über die Sanierung von Balkonen und Terrassen gesprochen wurde, vertrat Dipl.-Ing. R***** die Auffassung, dass die Probleme bei den Terrassen auf eine mangelhafte Generalsanierung des Gebäudes im Jahr 2002 zurückzuführen seien (die unter anderem die Erneuerung sämtlicher Abdichtungen und Oberbeläge der Terrassen und Balkone umfasste). Er teilte der Beklagten auch mit, dass die gesamte damalige Generalsanierung einschließlich der Arbeiten an den Terrassen nach einem Sonderschlüssel von der Eigentümergemeinschaft und nicht von den einzelnen Wohnungseigentümern finanziert worden sei. Anlässlich der Versammlung wurde zudem besprochen, dass man Gewährleistungsansprüche gegen das damals tätige Unternehmen nicht mehr geltend machen könne, weil dieses zwischenzeitlich in Konkurs gegangen sei und es laut Auskunft der Wirtschaftskammer Vorarlberg die Firma nicht mehr gebe.
2.2 Es bildet keine auffallende, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund die Beklagte nicht für verpflichtet hielten, den in der Folge in der Eigentümerversammlung einstimmig gefassten Beschluss zu hinterfragen, mit dem die Beklagte beauftragt wurde, eine Begutachtung und Sanierung der Balkone in die Wege zu leiten.
Es entspricht der Rechtsprechung, dass die zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft notwendigen Vor- und insbesondere auch Nach-(folge-)arbeiten in die Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft fallen (RIS-Justiz RS0083228 vgl auch 5 Ob 181/16b; 5 Ob 143/14m; 5 Ob 83/06a ua).
Die – auf den Informationen des technisch ausgebildeten und mit den Vorgängen vertrauten Dipl.-Ing. R***** basierende und damit entgegen der Meinung der Revisionswerberin nicht rein spekulative – Annahme des Geschäftsführers der Beklagten, die Kosten für die Sanierung der schadhaften Terrassen und Balkone werde
– wie die Kosten für die vorangegangene Generalsanierung – die Wohnungseigentümergemeinschaft tragen, ließ sich mit dieser Rechtsprechung in Einklang bringen.
Solange dem Beauftragten Angaben des Auftraggebers über Fakten vollständig und richtig erscheinen dürfen, ist er zur Überprüfung dieser Äußerungen nicht verpflichtet (Rubin in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1009 Rz 33 mwN; RIS-Justiz RS0106940). Dass die Beklagte bzw deren Geschäftsführer erhebliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der von Dipl.-Ing. R***** in der Eigentümerversammlung verbreiteten Informationen gehabt hätte und diese daher in Zweifel hätte ziehen müssen, zeigt die Klägerin nicht auf.
Die Ansicht der Vorinstanzen, der Beklagten sei in der vorliegenden Konstellation keine haftungsbegründende Sorgfaltswidrigkeit anzulasten, ist vertretbar, durfte der Geschäftsführer doch in Bezug auf die Sanierungsmaßnahmen von „abgeleiteten Erhaltungsmaßnahmen“ ausgehen.
2.3 Dahingestellt kann daher bleiben, ob der Sanierungsbedarf der Terrassen bzw Balkone, der sich letztlich auf deren Oberflächen beschränkte, tatsächlich auf eine Mangelhaftigkeit der 2002 durchgeführten Generalsanierung zurückzuführen war, und ob der Eigentümergemeinschaft ein Gewährleistungsanspruch oder vertraglicher Schadenersatzanspruch gegen den seinerzeitigen Werkunternehmer zugestanden wäre, welchen das Berufungsgericht dem (nachträglichen) Zulassungsausspruch zugrundelegte.
3. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, die die Revision zulässig machen würde. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).
Textnummer
E123155European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00112.18F.0924.000Im RIS seit
15.11.2018Zuletzt aktualisiert am
11.06.2019