TE OGH 2018/9/25 4Ob66/18m

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Veröffentlicht am 25.09.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der verbundenen Markenrechtssache der Antragstellerin W***** Inc., *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die Antragsgegnerin M***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen der Widersprüche gegen die Marken AT 281318 und AT 281316, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 20. Dezember 2017, GZ 133 R 89/17m, 133 R 90/17h-7, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Die Urkundenvorlage der Antragsgegnerin vom 1. 6. 2018 wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Inhaberin der ua in der Warenklasse 25 eingetragenen (Unions-)Wort-Bild-Marke

Sie widersprach den (österreichischen) Wort-Bild-Marken der Antragsgegnerin

sowie

Das Patentamt gab den Widersprüchen in Bezug auf die Warenklasse 25 (Sportbekleidung) statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marken in diesem Umfang auf. Weiters wies es die Einrede der Antragsgegnerin der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarken als verspätet zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Auch wenn im Bereich der Bekleidungs-/Sportbekleidungsbranche Zeichen, die aus einem Buchstaben/Namen bestehen, gebräuchlich seien und sich die beteiligten Verkehrskreise daran gewöhnt hätten, auf die Zeichen genauer zu achten, als es bei anderen Massenartikeln allgemein üblich sei, sei eine über einen durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad hinausgehende Aufmerksamkeit bei diesen Massenartikeln nicht anzunehmen. Zwischen der ersten angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke bestehe eine bildliche Ähnlichkeit, und zwar eine idente Farb-/Kontrastwahl (weiß auf schwarz) mit einem hochgradig ähnlichen perspektivischen Seiteneffekt. Auch bei der zweiten angegriffenen Marke bleibe das gemeinsame „M“ in der Wahrnehmung (nicht nur aufgrund der gewählten Größe) prägend im Vordergrund. Die übrigen Wortelemente seien in diesem Zusammenhang ohne Relevanz. Das Rekursgericht bejahte daher – ebenso wie schon zuvor das Patentamt – die Verwechslungsgefahr und bestätigte auch dessen Rechtsansicht, dass die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke seitens der Antragsgegnerin verspätet erhoben worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, mit dem sie beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben bzw die Widersprüche abzuweisen, zeigt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

1. Zunächst bemängelt die Antragsgegnerin den Umstand der Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht.

Das Recht aus der Marke ist entgegen der Behauptung des Revisionsrekurses kein Persönlichkeitsrecht, sondern ein geldwertes Immaterialgüterrecht (Ingerl/Rohnke, MarkenG³, § 14 Rz 11; Peukert, Persönlichkeitsbezogene Immaterialgüterrechte?, ZUM 2000, 710 [713]). Der materiell-rechtliche Inhalt (vgl RIS-Justiz RS0109789) des Begehrens im Widerspruchsverfahren betrifft daher keineswegs unmittelbar die Person des Verfahrensgegners (vgl RIS-Justiz RS0007215) und ist folglich rein vermögensrechtlicher Natur. Das Rekursgericht hat den Entscheidungsgegenstand somit zu Recht bewertet (§ 59 Abs 2 AußStrG).

2. Weiters rügt die Antragsgegnerin, ihre Einrede der mangelnden Benützung der Widerspruchsmarke sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Das Patentamt habe ihre Äußerungsfrist gegen den Widerspruch iSd § 29b Abs 1 MSchG zweimal verlängert, und zwar das zweite Mal bis zum 15. 12. 2015, sodass die Einrede in dem an diesem Tag eingebrachten Schriftsatz rechtzeitig sei.

Dieser Einwand ist aktenwidrig. In ihrer innerhalb der vom Patentamt gemäß § 29b Abs 1 MSchG bis zum 10. 10. 2015 erstreckten Äußerungsfrist brachte die Antragsgegnerin am 9. 10. 2010 (fristgerecht) eine Stellungnahme ein. Darin wurde die nach dem eindeutigen Wortlaut des § 29b Abs 1 MSchG nur bis zum Ablauf der (verlängerten) Äußerungsfrist zulässige Einrede der mangelnden Benutzung der widerspruchsbegründenden Marke nicht erhoben, sondern der Antrag auf Abweisung des Widerspruchs auf andere Gründe gestützt. Nachdem die Antragsgegnerin um eine weitere Äußerungsmöglichkeit bis 26. 1. 2016 angesucht hatte, wies das Patentamt diese Anträge am 3. 2. 2016 ab. Die erst in einem Schriftsatz vom 15. 12. 2016 erhobene Einrede war daher eindeutig verspätet.

3. Verwechslungsfähigkeit

3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass der Großbuchstabe M im Modebereich regelmäßig als abgekürzte Größenangabe für die Größe „Medium“ verwendet wird (Berlit, Der Schutzumfang von Buchstabenmarken, WRP 2012, 1342 [1343]; vgl auch BGH I ZR 50/11, Bogner B = GRUR 2012, 930, Rn 32). Der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke kann daher (als beschreibend) nicht für sich, sondern nur in Zusammenschau mit seiner graphischen Gestaltung Kennzeichnungskraft haben (vgl RIS-Justiz RS0066724).

3.2. Durch die Übernahme des nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteils aus einer Wortbildmarke kann Verwechslungsgefahr nicht abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0066779 [T18, T20, T21], 4 Ob 152/17g; Ingerl/Rohnke, MarkenG³, § 14 Rz 951), sondern nur aus der Übernahme der bildlichen Gestaltung ganz oder in ihren charakteristischen Elementen (4 Ob 74/97d). Das Rekursgericht hat somit vertretbar klangliche und begriffliche Ähnlichkeiten der Marke unberücksichtigt gelassen, sodass eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuG zu originär kennzeichnungskräftigen Buchstaben (T-193/12, „H“; T-425/12, „e“; T-531/12, „T“ T-521/15, „D“) dahingestellt bleiben kann.

3.3. Ob zwischen den Bildelementen zweier Wortbildmarken Verwechslungsgefahr besteht, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren (vgl RIS-Justiz RS0121500; RS0121482), wobei stets der Gesamteindruck der Marke maßgeblich und die dominierenden Zeichenbestandteile besonders zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (RIS-Justiz RS0117324; RS0066753). Ob zwischen zwei Marken danach Verwechslungsgefahr besteht, wirft (von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen) keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0112739; RS0111880).

3.4. Zwar ist richtig, dass der Grad der Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt (RIS-Justiz RS0117324 [T7]). Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Verbraucher beim Kauf von Bekleidung stets eine besonders hohe Aufmerksamkeit aufwenden würden, besteht aber nicht (Ingerl/Rohnke, MarkenG³, § 14 Rz 467 mwN). Eine derartige Aussage enthält auch die von der Antragsgegnerin zitierte Entscheidung EuGH C-214/05 P, Sergio Rossi, nicht.

Richtig ist auch, dass nach BGH I ZR 50/11, Bogner B (= GRUR 2012, 930) Verbraucher an Einbuchstabenmarken im Bekleidungssektor gewöhnt und daher Unterschiede in der grafischen Gestaltung wesentlich stärker zu berücksichtigen seien (Rn 51, 54). Allerdings ging es dort um die originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft des Buchstabens selbst, die hier (siehe zuvor 3.1.) nicht vorliegt.

3.5. Bei nicht kennzeichnungskräftigen Buchstaben gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu schwachen Kennzeichen, dass bereits geringe Unterschiede in der grafischen Gestaltung die Gefahr von Verwechslungen beseitigen können (RIS-Justiz RS0078887 [T4, T7, T13, T14]; 4 Ob 141/13h, Braun II).

Im vorliegenden Fall übernehmen die angegriffenen Marken die wesentlichen grafischen Gestaltungselemente der Widerspruchsmarke, nämlich die Darstellung des sich perspektivisch nach rechts hin verjüngenden M im dunklen Kreis. Die Abweichung in der Schriftart tritt demgegenüber in den Hintergrund. Im Hinblick auf die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren hat das Rekursgericht die Verwechslungsgefahr zwischen den widerstreitenden Zeichen daher vertretbar bejaht.

3.6. Im Hinblick auf die zweite angegriffene Marke (mit dem Zusatz „Martini Sportswear Austria“) widersetzt sich die Antragsgegnerin dem Widerspruch mit dem Argument, sie habe die Widerspruchsmarke nur abgewandelt übernommen.

Dazu ist auszuführen, dass bei vollständiger Aufnahme einer registrierten Marke in eine andere Marke auch dann Ähnlichkeit anzunehmen ist, wenn in letzterer noch weitere Bestandteile vorhanden sind (vgl RIS-Justiz RS0079033). Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsprechung auch in Fällen angewandt, in denen die Marke nur in ihren prägenden Bestandteilen und damit im Kern unverändert in ein anderes Zeichen übernommen wurde (17 Ob 16/07p; vgl auch OPM Om 1/10, Polaris). Dort handelte es sich zwar um Marken mit originärer bzw durch Benutzung erworbener durchschnittlicher Kennzeichnungskraft. Auch bei schwachen Zeichen gilt jedoch nichts anderes, wenn diese innerhalb der Aufnahmsmarke eine selbständig kennzeichnende Stellung behalten und sich durch ihre Position im Zeichen oder durch ihre Größe der Wahrnehmung der Verbraucher aufdrängen und sich in sein Gedächtnis einprägen (EuGH C-20/14, BGW, Rn 40). Dies hat das Rekursgericht hier vertretbar bejaht.

4. Die Antragsgegnerin hat nach ihrem Revisionsrekurs einen weiteren Schriftsatz („Urkundenvorlage“) eingebracht. Dieser Schriftsatz verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0041666; RS0007007) und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

M,

Textnummer

E123199

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00066.18M.0925.000

Im RIS seit

20.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.04.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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