Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei m***** gmbh, *****, vertreten durch SWS Scheed Wöss Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Haymo Modelhart & Partner, Rechtsanwälte in Linz, und deren Nebenintervenientin K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gerlach Bachinger, Rechtsanwalt in Traun, wegen 23.220,76 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. November 2017, GZ 1 R 152/17d-35, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 16. August 2017, GZ 2 Cg 49/16b-29, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist bei der Beklagten betriebshaftpflichtversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die AHVB/EHVB2005.12 und die Besonderen Bedingungen AH3415.12 und AH3416.12 zugrunde. Die AHVB/EHVB2005.12 lauten auszugsweise:
„Artikel 1
Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?
1. Versicherungsfall
1.1. Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Pkt. 2.) erwachsen oder erwachsen könnten.
...
2.1. Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen (in der Folge kurz „Schadenersatzverpflichtungen“ genannt).
2.1.2 die Kosten der Feststellung und der Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung im Rahmen des Art 5.5.
…
Artikel 5
Bis zu welcher Höhe und bis zu welchem Umfang leistet der Versicherer?
5. Rettungskosten; Kosten
…
5.2. Die Versicherung umfasst ferner die den Umständen nach gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht, und zwar auch dann, wenn sich der Anspruch als unberechtigt erweist.
…
Artikel 7
Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)
1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht
1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;
…
1.3. die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.
…“
Die Besonderen Bedingungen AH3416.12 lauten ua:
„...
1.1. Reine Vermögensschäden, die durch Behinderungen als Folge betrieblicher Tätigkeiten aus Abbruch, Bau, Demontage, Montage, Beladung, Entladung, Lagerung, Reinigung, Reparatur, Service, Überprüfung und Wartung eintreten, sind abweichend von Art 1 AHVB mitversichert.
…
2. Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes
...
Ausgeschlossen bleiben Schäden aus der Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung von Verträgen sowie aus der Nichteinhaltung von Fristen und Terminen.
...“
Die Klägerin brachte über Auftrag der Ehegatten B***** in deren Haus einen monolithischen mineralischen Bodenbelag auf. Wegen eines Fehlers beim Anmischen des Dünnstrichs war der Bodenbelag nicht glatt, sondern von Wellenschlägen und anderen optischen Mängeln durchsetzt. Die Klägerin führte Verbesserungsversuche durch. Letztlich wurde auf Kosten der Klägerin der Bodenbelag von der Nebenintervenientin herausgeschliffen und ein neuer Bodenbelag von einem anderen Unternehmen eingebaut.
Um festzustellen, ob der Bodenbelag nach dem dritten Verbesserungsversuch der Klägerin vertragsgemäß ausgeführt wurde, beauftragten die Hauseigentümer einen Sachverständigen, ein Gutachten über die Oberflächenbeschaffenheit des Bodens zu erstellen. Nach dem Ergebnis des Gutachtens war das Werk nach wie vor mangelhaft. Die vom Sachverständigen erbrachten Leistungen waren notwendig und zu angemessenen 3.086,74 EUR verrechnet.
Aufgrund der Sanierungsarbeiten verlängerte sich das Bauvorhaben um ein Jahr. In diesem Zeitraum setzte der Architekt, der von den Hauseigentümern mit der Abwicklung des gesamten Bauvorhabens, so auch mit der Bauaufsicht, beauftragt worden war, die örtliche Bauaufsicht fort. Dafür fiel ein angemessener Aufwand im Ausmaß von 25 Stunden an, der mit marktüblichen und angemessenen 3.271,04 EUR verrechnet wurde.
Die Hauseigentümer forderten von der Klägerin aufgrund der mangelhaften Bodenverlegungsarbeiten aus dem Titel des Schadenersatzes die Bezahlung näher bezeichneter Aufwendungen von insgesamt 30.785,95 EUR, darin 3.271,04 EUR für die Architektenleistung sowie 3.086,74 EUR für das Sachverständigengutachten. In der Folge einigten sich die Klägerin und die Hauseigentümer auf eine vergleichsweise Bereinigung aller Ansprüche mit einer Abschlagszahlung von 18.919,60 EUR. Der von der Klägerin zur Abwicklung der Schadenersatzansprüche beigezogene Rechtsanwalt verrechnete 4.301,16 EUR.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten 23.220,76 EUR (Abschlagszahlung und Vertretungskosten) sA und brachte vor, dass die von der Klägerin bezahlten Schäden der Hauseigentümer von der Beklagten zu decken seien, weil es sich um Mangelfolgeschäden handle. Außerdem stünde der Klägerin der Ersatz der zur Regulierung (Abwehr) der Schadenersatzansprüche der Hauseigentümer aufgelaufenen Kosten notwendiger anwaltlicher Vertretung zu.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass die Klägerin keine vom Versicherungsvertrag gedeckten Folgeschäden, sondern Ansprüche aus Vertragserfüllung und an die Stelle der Erfüllung getretene Ersatzleistungen abgegolten habe. Diese seien nicht gedeckt, weil durch die „Erfüllungsklausel“ auch jene Schäden ausgeschlossen seien, die zwangsläufig mit der Verbesserung der von der Klägerin geschuldeten Leistung verbunden seien. Die Anwaltskosten seien ebenfalls nicht gedeckt, weil diese keine gedeckten Forderungen betreffen würden und außerdem überhöht verrechnet worden seien.
Die Nebenintervenientin der Beklagten beantragte hinsichlich der „Ausgleichsarbeiten und Estrichaufbereitung 3.670,44 EUR“ ebenfalls Klagsabweisung. Diese Arbeiten seien von ihr weder verursacht noch verschuldet worden, sondern zur Mängelsanierung durch die Klägerin erforderliche Vorbereitungsarbeiten gewesen.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 10.458,94 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 12.561,82 EUR sA ab. Es führte rechtlich aus, dass von der Betriebshaftpflichtversicherung nur der Ersatz der Mangelfolgeschäden, nicht jedoch jener von Erfüllungssurrogaten erfasst sei. Bei den Positionen „Architektenleistung“ und „Sachverständigengutachten“ handle es sich um Mangelfolgeschäden, die in keinem Zusammenhang mit dem Leistungsinteresse der Hauseigentümer stünden und auch nicht notwendig gewesen seien, um der Klägerin die Gewährleistung zu ermöglichen. Die Kosten des Rechtsvertreters der Klägerin stünden nach Art 5 AHVB auf einer Bemessungsgrundlage der gesamten Schadenssumme und nicht nur auf Basis der Vergleichssumme zu, weil sich die Vergleichsverhandlungen auf die gesamte Schadenersatzforderung der Hauseigentümer bezogen haben und nach den AHVB auch die Abwehr von unberechtigten Forderungen gedeckt sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die von den Hauseigentümern aufgewendeten Kosten für die Bauaufsicht durch den Architekten sowie jene für das Sachverständigengutachten keine Mangelfolgeschäden seien, die jenseits ihres Interesses an der ordnungsgemäßen Herstellung des Bodenbelags liegen würden. Der Architekt habe die Bauaufsicht in jenem Jahr fortsetzen müssen, um das sich das Bauvorhaben aufgrund der Sanierungsarbeiten verlängert habe. Mit dem Sachverständigengutachten hätten die Hauseigentümer ihr Interesse an der Leistung eines mangelfreien Bodenbelags weiter verfolgt. Die geltend gemachten Vertretungskosten entfielen nicht auf die Feststellung und die Abwehr versicherter Schadenersatzverpflichtungen. Das Klagebegehren sei daher insgesamt nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht sprach über Abänderungsantrag der Klägerin nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zur Klarstellung zulässig sei, ob die von der Klägerin angesprochenen Kosten eines Sachverständigengutachtens und jene für die länger notwendige Bauaufsicht zu den in der Betriebshaftpflichtversicherung gedeckten Schäden zählen.
Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision nicht zuzulassen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Zur allgemeinen Abgrenzung zwischen dem Erfüllungsinteresse und den Mangelfolgeschäden liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung vor (vgl RIS-Justiz RS0081685; RS0081898; RS0114204). Die versicherungsrechtliche Abgrenzung des eigentlichen Leistungsgegenstands kann nur einzelfallbezogen anhand des konkreten Vertrags vorgenommen werden (vgl 7 Ob 46/13k):
2.1. Die Betriebshaftpflichtversicherung deckt keine Ansprüche auf Gewährleistung für Mängel (Art 7.1.1 AHVB), keine Ansprüche auf die Erfüllung von Verträgen und auch nicht die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung (Art 7.1.3 AHVB).
2.2. In der Betriebshaftpflichtversicherung ist demnach grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen Leistung versichert (RIS-Justiz RS0081685 [T4]). Die Versicherung erstreckt sich auch nicht auf Erfüllungssurrogate (RIS-Justiz RS0081685 [T1]). Der Versicherungsschutz umfasst bei der Berufshaftpflichtversicherung nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht (RIS-Justiz RS0081898). Dagegen sind Schadenersatzansprüche, soweit sie das Erfüllungsinteresse betreffen, vom Versicherungsschutz nicht umfasst; innerhalb des Erfüllungsinteresses liegende Vermögensschäden sind also von der Basisdeckung ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0081685 [T2]).
3.1. Das von den Hauseigentümern eingeholte Sachverständigengutachten diente der Ermittlung der noch vorhandenen Mängel und der demnach von der Klägerin noch durchzuführenden Verbesserungsarbeiten. Es handelte sich daher um einen Vermögensschaden, der einerseits als Teil des Erfüllungsvorgangs nicht gedeckt und andererseits durch Art 1.1. der Besonderen Bedingungen AH3416.12 nicht eingeschlossen ist. Eine Deckungspflicht der Beklagten besteht daher insoweit nicht.
3.2. Gleiches gilt für den Aufwand für die örtliche Bauaufsicht durch den Architekten, die die Sanierungsarbeiten der Klägerin begleitete und sich daher ebenfalls als ein Teil des Erfüllungsvorgangs darstellt. Dass diese Bauaufsicht auch der Überwachung von Maßnahmen diente, die nicht mit der Mängelbehebung durch die Klägerin verbunden waren, hat diese nicht behauptet und eine Tatsachengrundlage für den Einschluss nach Art 1.1. der Besonderen Bedingungen AH3416.12 ist ebenfalls nicht erkennbar.
4. Die Klägerin stützt sich weiters auf die Ansicht des Erstgerichts, bei den Kosten für den Sachverständigen und die Bauaufsicht handle es sich „unproblematisch um Mangelfolgeschäden“, weil diese „in keinem Zusammenhang mit dem Leistungsinteresse“ stünden. Daraus ist für die Kläger deshalb nichts zu gewinnen, weil das Erstgericht damit nur eine nicht zu teilende Rechtsansicht äußert, der eine entsprechende Tatsachengrundlage fehlt.
5. Entgegen der Ansicht der Klägerin widerspricht die Verneinung der Deckungspflicht auch nicht den Entscheidungen 7 Ob 147/07d und 7 Ob 114/08b. Der Entscheidung 7 Ob 147/07d lag insofern ein abweichender sekundärer Risikoeinschluss zugrunde als dort ganz allgemein reine Vermögensschäden mitversichert waren, während dies hier nach Art 1.1. der Besonderen Bedingungen AH3416.12 nur eingeschränkt für die dort genau bezeichneten Schäden gilt, deren Vorliegen die Klägerin nie konkret behauptet hat. Auch die Entscheidung 7 Ob 114/08b betrifft keine dem Art 1.1. der Besonderen Bedingungen AH3416.12 entsprechende Bedingungslage.
6.1. Nach Art 5.2. AHVB/EHVB 2005.12 umfasst die Versicherung auch die den Umständen nach gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht, und zwar auch dann, wenn sich der Anspruch als unberechtigt erweist. Die Auslegung dieser Klausel nach dem Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers (RIS-Justiz RS0050063) ergibt, dass dieser Versicherungsschutz nicht die Kosten der Feststellung und Abwehr jeglicher Ansprüche umfasst, sondern nur jener, die grundsätzlich von der Deckungspflicht des Versicherers umfasst sind (vgl 7 Ob 31/16h). Nach der Bedingungslage besteht nämlich kein vernünftiger Grund für die gegenteilige Annahme, dass die Kostendeckung für die Anspruchsfeststellung und -abwehr weiter reichen soll als das materiell gedeckte Risiko.
6.2. Das Erstgericht hat das Begehren auf Ersatz näher bezeichneter, von der Klägerin im Zusammenhang mit der Mängelbehebung an die Hauseigentümer erbrachter Leistungen mangels Deckungspflicht der Beklagten bereits rechtskräftig abgewiesen, was auch deren Berücksichtigung im Rahmen der Kostendeckung für die Anspruchsfeststellung und -abwehr ausschließt. Die noch strittigen Kosten für das Sachverständigengutachten und die Bauaufsicht sind ebenfalls nicht gedeckt, womit ein Ersatz der Kosten der Rechtsvertretung zur Gänze ausscheidet.
7.1. Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht, das gesamte Klagebegehren abgewiesen. Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
7.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
Textnummer
E123153European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00041.18G.0926.000Im RIS seit
15.11.2018Zuletzt aktualisiert am
29.04.2019