TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/20 99/03/0062

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Veröffentlicht am 20.10.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

FG 1949 §10;
FG 1949 §21;
FG 1993 §48 Z1;
FG 1993 §49 Abs2;
TKG 1997 §124;
TKG 1997 §125 Abs2;
VwGG §27;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/03/0063 E 20. Oktober 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gruber und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der R in N, vertreten durch Dr. Norbert Lehner und Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwälte in 2620 Neunkirchen, Seebensteiner Straße 4, gegen den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Fernmeldegebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, binnen acht Wochen den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung zu erlassen, dass sie zur Entscheidung über die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland in Wien als Fernmeldebehörde I. Instanz vom 26. April 1996, Zl. 20679-15/92, nach der bis zum 1. April 1994 geltenden Rechtslage zuständig ist.

Der Bund (Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. April 1996 wies die Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland in Wien als Fernmeldebehörde I. Instanz den - am 22. Jänner 1992 beim Fernmeldegebührenamt Wien eingelangten - Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 21. Jänner 1992 auf Neuberechnung der Gesprächsgebühren der Fernmeldegebühren-Rechnung 12/91 für die Fernsprechnummer(n) ab und sprach gleichzeitig aus, dass die Voraussetzungen für eine Neubemessung der Gesprächsgebühren nicht vorlägen.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung. Diese wurde an die erstinstanzliche Behörde adressiert und langte laut dem auf ihr angebrachten Eingangsvermerk am 14. Mai 1996 bei der Post und Telekom Austria AG Direktion Wien ein. Mit dem in den Verwaltungsakten erliegenden, offensichtlich von der erstinstanzlichen Behörde stammenden Vorlagebericht vom 15. Mai 1996 wurde "die Angelegenheit ... mit neuem GSt der Gendion zur Entscheidung vorgelegt".

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde macht die beschwerdeführende Partei die Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich ihrer Berufung gegen den angeführten Bescheid geltend.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, weil der Post und Telekom Austria AG hoheitsrechtliche Agenden des Fernmeldewesens nicht übertragen worden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 21 Fernmeldegesetz, BGBl. Nr. 170/1949, lautete:

"(1) Die Entscheidung über die aus den Fernmeldevorschriften entspringenden (gegenseitigen) Rechte und Pflichten der Verwaltung und der Benützer steht den Fernmeldebehörden zu.

(2) Wer sich in seinem aus einer Benützungsordnung entspringenden Rechte auf Benützung der dem öffentlichen Verkehr dienenden Fernmeldeanlage beschwert erachtet, kann dagegen bei der zuständigen Fernmeldebehörde I. Instanz Abhilfe suchen. Die Fernmeldebehörden sind nicht verpflichtet, in die Erledigung solcher Beschwerden einzugehen, die erst nach Ablauf von sechs Monaten seit der behaupteten Rechtsverletzung erhoben werden.

(3) Gegen die Bemessung oder Vorschreibung von Fernmeldegebühren kann die davon betroffene Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung des Zahlungsauftrages der Fernmeldebehörde I. Instanz bei dieser, wenn aber die Gebühr entrichtet worden ist, ohne dass ein Zahlungsauftrag erlassen wurde, binnen zwei Wochen nach der Entrichtung bei der Dienststelle, die die Gebühr bemessen hat, Einspruch erheben. Wird nicht binnen sechs Monaten nach dem Tage des Einlangens bei der Dienststelle dem Einspruch Folge gegeben, so kann die Partei binnen zwei Wochen die Entscheidung der zuständigen Fernmeldebehörde I. Instanz anrufen. Diese Frist ist von der Zustellung des ablehnenden Bescheides, wenn aber ein Bescheid binnen sechs Monaten nicht erlassen wurde, von dem Tage zu berechnen, an dem die sechsmonatige Frist abgelaufen ist.

(4) Wird eine Leistung, die nach der Benützungsordnung zu gewähren ist, nicht, verspätet oder fehlerhaft ausgeführt, so kann der Benützer den ihm nach der Benützungsordnung allenfalls zustehenden Anspruch bei sonstigem Verlust binnen sechs Monaten, nachdem ihm die Tatsachen, auf die er den Anspruch gründet, bekannt geworden sind, bei der zuständigen Fernmeldebehörde I. Instanz geltend machen.

(5) Gegen die Entscheidung der Fernmeldebehörde I. Instanz kann die Partei, welche die Entscheidung der Fernmeldebehörde angerufen hat, binnen zwei Wochen die Berufung an die oberste Fernmeldebehörde ergreifen."

Gemäß § 10 leg. cit. waren Fernmeldebehörden das Bundesministerium für Verkehr, Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung als oberste Fernmeldebehörde (Fernmeldebehörde II. Instanz) und die dieser unterstehenden Post- und Telegraphendirektionen als Fernmeldebehörden I. Instanz.

Gemäß § 48 Z. 1 Fernmeldegesetz 1993, BGBl. Nr. 908, trat mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (1. April 1994) das Fernmeldegesetz, BGBl. Nr. 170/1949, ausser Kraft. § 49 Abs. 2 Fernmeldegesetz 1993 sah vor, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verwaltungsverfahren nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen sind.

§ 124 Telekommunikationsgesetz, BGBl. I Nr. 100/1997, ordnet an, dass mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (1. August 1997) das Fernmeldegesetz 1993 außer Kraft tritt. § 125 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz enthält folgende Übergangsbestimmung:

"Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verwaltungsverfahren, wie insbesondere das Verfahren zur Vergabe einer dritten Konzession zur Erbringung des reservierten Sprachtelefondienstes mittels Mobilfunk, sind nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen."

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass am 1. April 1994 anhängige Verwaltungsverfahren betreffend die Bemessung oder Vorschreibung von Fernmeldegebühren im Sinne des § 21 Abs. 3 (und 5) Fernmeldegesetz, BGBl. Nr. 170/1949, nach der bis zum 1. April 1994 geltenden Rechtslage zu Ende zu führen sind.

Weder die Übergangsbestimmungen des Fernmeldegesetzes 1993 noch die des Telekommunikationsgesetzes noch andere Bestimmungen dieser Gesetze änderten etwas daran, dass die belangte Behörde auch noch nach dem 1. August 1997 als "Oberste Fernmeldebehörde" zur Entscheidung über anhängige Berufungen der vorliegenden Art zuständig ist.

Die in der Stellungnahme der belangten Behörde vom 11. August 1999 geäußerte Meinung, dass die Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz nur das Verfahren zur Vergabe einer dritten Konzession zur Erbringung des reservierten Sprachtelefondienstes mittels Mobilfunks betreffe, findet im klaren Wortlaut dieser Bestimmung (arg.: "insbesondere") keine Deckung.

Auf dem Boden der somit maßgebenden Rechtslage wäre von der belangten Behörde als der obersten Fernmeldebehörde über die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 26. April 1996 abzusprechen gewesen. Die Ausführungen in den Stellungnahmen der belangten Behörde vom 18. Juni 1999 und 11. August 1999, dass die Post und Telekom Austria AG nicht zur Bescheiderlassung zuständig sei, gehen an der Sache vorbei. Die belangte Behörde scheint zu übersehen, dass in der Säumnisbeschwerde sie selbst und nicht die Post und Telekom Austria AG als belangte Behörde bezeichnet wurde.

Da die Berufung gegen den genannten Bescheid jedenfalls bereits am 15. Mai 1996 bei der erstinstanzlichen Behörde einlangte und die belangte Behörde darüber bisher nicht entschieden hat, ist die am 23. Februar 1999 zur Post gegebene Säumnisbeschwerde im Grunde des § 27 VwGG zulässig.

Die Voraussetzungen zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde in der Sache selbst (§ 42 Abs. 4 VwGG) sind gegeben, weil die belangte Behörde innerhalb der ihr mit Verfügung vom 3. März 1999 (zugestellt am 16. März 1999) gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid nicht erlassen hat.

Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG hat es der Verwaltungsgerichtshof für zweckmäßig erachtet, sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung der im Spruch ersichtlichen strittigen Rechtsfrage zu beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Oktober 1999

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999030062.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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