TE OGH 2018/9/26 7Ob26/18a

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Veröffentlicht am 26.09.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeindeverband S*****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH in Altenmarkt im Pongau, und dessen Nebenintervenientin A***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei k***** GmbH, *****, vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, und deren Nebenintervenientin M***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 268.170,77 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2017, GZ 6 R 140/17a-50, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 26. Juli 2017, GZ 1 Cg 13/16b-45, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Es wird das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist ein Gemeindeverband nach dem Salzburger GemeindeverbändeG mit dem Zweck der Errichtung und des Betriebs eines pflegetauglichen Seniorenheims, das in den Jahren 2006 und 2007 neu errichtet wurde.

Der Kläger hatte die Planungsleistungen an die Rechtsvorgänger der Beklagten vergeben. Zu den vereinbarten Leistungen der Beklagten gehörte (ua) die künstlerische und technische Oberleitung ohne örtliche Bauaufsicht. Die örtliche Bauaufsicht oblag der Nebenintervenientin des Klägers. Nach dem Architektenvertrag war die Beklagte aber auch zur Ausführungsplanung und „Durcharbeitung“ aufgrund des genehmigten Entwurfs unter Berücksichtigung der Beiträge der an der Planung beteiligten Sonderfachleute und mit Erstellung aller für die Ausführung notwendigen Angaben verpflichtet. Weiters gehörte zu den Leistungspflichten der Beklagten die „zeichnerische Darstellung des Objekts als Ausführungs- und Detailzeichnung“. Zur vertraglich übertragenen technischen Oberleitung gehörte die Überprüfung und Freigabe von Werkzeichnungen der ausführenden Firmen, also auch der Nebenintervenientin der Beklagten, sowie die letzte Klärung der die Planung ergänzenden konstruktiven Details. Die Beklagte war überdies verpflichtet, für die Einhaltung aller Ö-Normen zu sorgen.

Die Nebenintervenientin der Beklagten erhielt den Auftrag für die Metallbauarbeiten sowie die Arbeiten an Fenstern, Fensterbänken und Fensterumrandungen. Die Leistungen zur Herstellung des Wärmedämmverbundsystems (WDVS) an der Fassade führte die S***** GmbH (in der Folge: S GmbH) aus. Mit der Herstellung des WDVS wurde im November 2006 begonnen.

Die Nebenintervenientin der Beklagten hatte einen Mustererker angefertigt, den die Beklagte abnahm. Die Beklagte hatte vorgegeben, dass bei der Ausführung des Gewerks der Anschluss an die Erkerfenster mit einer Schattenfuge hergestellt werden soll. Sie überließ der
S GmbH die Ausführung der Schattenfuge und diese sollte dafür in Abstimmung mit dem Hersteller und Lieferanten des WDVS eine Lösung finden. Die S GmbH war mit den von der Beklagten vorgesehenen Anschlüssen des WDVS an die Fensterkonstruktion nicht einverstanden und übermittelte der Beklagten einen Ausführungsvorschlag verbunden mit dem Hinweis, dass beim ursprünglichen Detail kein fachgerechter Anschluss möglich sei. Daraufhin wurde dieses Detail von der Nebenintervenientin der Beklagten im Zuge der Musterbesprechung unter Einbeziehung der Beklagten abgeändert.

Bei der Ausführung des WDVS durch die
S GmbH lagen diverse, vom Erstgericht näher beschriebene und schadenstiftende Mängel vor. Insgesamt widersprach die Ausführung mehreren Punkten der Ö-Norm B 6410 (Ausgabe 1. 8. 2004) und den einschlägigen Verarbeitungsrichtlinien. Bei zahlreichen Fensteranschlüssen wurde selbst das von der S GmbH erstellte und von der Beklagten akzeptierte Ausführungsdetail (Profillösung) nicht ausgeführt, sondern lediglich an den Metallwinkeln „überputzt“. Der Umstand, dass bei zahlreichen Anschlüssen an die Fensterkonstruktionen überhaupt keine Aufsteckprofile verwendet wurden und auch vorgesehene Verfugungen nicht erfolgt sind, ist (auch) von der örtlichen Bauaufsicht zu vertreten, die selbst bei nicht täglicher Anwesenheit und Kontrolle diese Ausführungsmängel erkennen hätte können.

Weitere Mängel an der Fassade betreffend Anschlüsse, Isolierungen, Lage der Armierungsgitter und Verklebung der Dämmplatten fallen ausschließlich in das Gewerk der S GmbH als Errichterin des WDVS und der insoweit ebenfalls mangelhaften örtlichen Bauaufsicht der Nebenintervenientin des Klägers, nicht jedoch in den Bereich der von der Beklagten übernommenen Werkleistungen.

Eine Feuchtigkeitsisolierung für die bis 30 cm über dem Erdniveau vorgesehene XPS-Dämmung war im Planungsdetail nicht eingezeichnet. Es lag insofern ein Planungsmangel vor, der allerdings für die Fassadenschäden nicht ursächlich war. Die S GmbH konnte allein aufgrund der von der Beklagten erstellten Leistungsbeschreibung nicht erkennen, welches Fachunternehmen den Abdichtungsanstrich ausführt und es war nicht Aufgabe der S GmbH, diesbezüglich Warnhinweise an die Beklagte zu geben.

Für die fachgerechte Sanierung ist die gesamte Fassadenfläche an allen Seiten des Bauwerks zu sanieren. Die geschätzten Kosten der Sanierung der Mängel betragen 402.256,18 EUR (einschließlich 20 % Umsatzsteuer). Die notwendigen Mängelbehebungsarbeiten lassen sich der mangelhaften Planungsleistung der Beklagten, der mangelhaften Ausführung seitens der S GmbH und den Werkleistungen der Nebenintervenientin der Beklagten nicht im Einzelnen zuordnen. Durch die Sanierung würde sich die technische Nutzungsdauer der Fassade (30 Jahre) erhöhen.

Eine überschlägige Zuordnung der festgestellten Sanierungskosten in den jeweiligen Verantwortungsbereich der einzelnen Professionisten ergibt beim Sanierungsbedarf für die Fensteranschlüsse in der Höhe von 242.984,23 EUR einen Anteil von 5 % für die Nebenintervenientin des Klägers als das mit der örtlichen Bauaufsicht befasste Unternehmen, weil die vereinbarte Ausführung (Aufsteckprofil) nur partiell durchgeführt wurde und dieser Fehler über einen langen Zeitraum erkennbar war.

Die Freigabe des abgeänderten Fensteranschlusses gegenüber dem Erstvorschlag der Nebenintervenientin der Beklagten, wodurch ein schlagregensicherer Anschluss mit dem WDVS nicht möglich wurde, war für den eingetretenen Schaden mitursächlich. Der Planungsmangel betreffend den Fensteranschluss hätte aber lediglich zu punktuellen Wassereintritten geführt, während der Ausführungsmangel selbst derart überwiegt, dass der in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallende Schaden zu vernachlässigen ist. Durch den der Beklagten zuzurechnenden Fehler bei der Freigabe des abgeänderten Fensterbankanschlusses ist kein Totalschaden am Oberputz entstanden, der unabhängig von den vorliegenden Ausführungsfehlern der S GmbH die Sanierung der kompletten Fassade erforderlich gemacht hätte.

„Insgesamt sind der Gesamtschaden und die daraus resultierenden Sanierungskosten – bezogen auf die Gesamtfläche der zu sanierenden Fassade Sanierungsaufwand an der gesamten Fassade des durch den mangelhaften Fensteranschluss verursachten Schadens, zu 10 % auf den durch den mangelhaften Sockel verursachten Schaden und zu 45 % auf allgemeine Fassadenmängel zurückzuführen.“

Dieser Gesamtschaden ist – unter bautechnischen Gesichtspunkten – nicht den von der Beklagten übernommenen Planungsleistungen und der von ihr übernommenen technischen Oberleitung zuzuordnen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten wegen nicht fachgerechter Planung den Ersatz der Kosten für die Fassadensanierung unter Abzug „neu für alt“ im Ausmaß eines Drittels. Der Kläger habe den Schaden erst 2014 erkannt und auch nicht früher erkennen können.

Die Nebenintervenientin des Klägers schloss sich dessen Standpunkt an und verwies darauf, dass sie selbst weder für eine mängelfreie Ausführung noch für die Einhaltung technischer Vorschriften hafte. Sie habe sich auf die fachgerechte Planung und Ausführung der Arbeiten verlassen dürfen.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wandte – soweit noch wesentlich – ein, dass sie ihre Leistungen dem damaligen Stand der Technik entsprechend ausgeführt habe. Mängel an der Fassade seien auf Ausführungsfehler zurückzuführen. Die ausführenden Unternehmen hätten ihren Warnpflichten nicht entsprochen. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch sei verjährt. Der Kläger hätte zur Schadensursache früher Nachforschungen anstellen müssen und nicht bis 2015 zuwarten dürfen.

Die Nebenintervenientin der Beklagten schloss sich deren Standpunkt an und wandte ein, sie habe die Bauelemente nach vorangegangener Bemusterung und Freigabe der Ausführungspläne produziert. Für den Übergangsbereich Fenster/Fassade sei das Fassadenbauunternehmen verantwortlich gewesen. Selbst für einen Laien seien schon bis Ende Juli 2012 Risse feststellbar gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den eingangs – zusammengefasst – wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende weitere Feststellungen:

Die (vorwiegend) an der Westfassade aufgetretenen Schäden am WDVS traten allmählich auf. Bei den Fensterkonstruktionen konnte der Schaden ca 3 bis 4 Jahre nach der Fertigstellung des WDVS durch das Auftreten kleinerer Risse erkannt werden; diese vergrößerten sich im Lauf der Zeit sukzessive. Für einen Laien waren die Mängel der Fassadenkonstruktion durch größere Risse und Putzablösungen 5 Jahre nach der Errichtung erkennbar. Die Risse und die Putzablösungen waren mit freiem Auge zu sehen. Ein baufachlicher Laie konnte die Ursache der Rissbildung nicht aus Eigenem ermitteln, hiefür wäre die Expertise eines Fachmanns und eine Bauteilöffnung erforderlich gewesen.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass ein allfälliger Schadenersatzanspruch verjährt sei. Dem Kläger als bautechnischem Laien seien bereits 3 bis 4 Jahre nach Fertigstellung des WDVS kleinere Risse erkennbar gewesen und diese hätten sich bis 5 Jahre nach der Fertigstellung, also bis zum Jahr 2012, soweit vergrößert, dass es zu Putzablösungen gekommen sei. Dem Kläger sei es zumutbar gewesen, innerhalb der nächsten 3 Jahre, also bis 2015, allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen das Ausmaß der Mängel, deren Ursache und den Verursacher soweit zu bestimmen, um bis längstens Ende 2015 eine Feststellungsklage zu erheben. Der Kläger habe ohnedies bereits am 30. 11. 2015 die Klagsführung beschlossen, die Klage aber erst im Februar 2016 und damit verspätet erhoben. Ein Schadenersatzanspruch sei aber auch materiell nicht berechtigt, weil die Beklagte die festgestellten Schäden nur zum Teil und in einer ihr nicht zurechenbaren Weise verursacht habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es erledigte die Beweisrüge betreffend die Feststellungen zur Verjährung nicht, weil es auf der Grundlage österreichischen Sachrechts der Ansicht des Erstgerichts dahin folgte, dass der Gesamtschaden unter bautechnischen Gesichtspunkten nicht den von der Beklagten übernommenen Planungsleistungen und der von ihr übernommenen technischen Oberleitung zuzuordnen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage zu klären gewesen sei. Die Frage des anzuwendenden Rechts sei von der Vertragsauslegung abhängig und die Beurteilung der Haftung nach § 1302 ABGB von den festgestellten Tatsachen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte und deren Nebenintervenientin erstatteten jeweils eine – ihnen freigestellte – Revisionsbeantwortung jeweils mit dem Antrag die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

1.1. Die Parteien haben einen Architektenvertrag abgeschlossen, dessen charakteristische Leistung in Österreich zu erbringen war, und in dem (ua) ausdrücklich die Anwendung von Bestimmungen des österreichischen Schadenersatzrechts, namentlich der §§ 1299 f ABGB, vereinbart war.

1.2. Das Berufungsgericht ist aufgrund dieser Sachlage von einer (schlüssigen) Rechtswahl der Parteien iSd Art 3 Abs 1 EVÜ (§§ 11 Abs 2, 35 Abs 1 IPRG) auf österreichisches Recht ausgegangen. Gegen diese Rechtsansicht wenden die Parteien im Revisionsverfahren nichts ein, sondern gehen weiterhin übereinstimmend von der Maßgeblichkeit österreichischen Sachrechts aus.

1.3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts steht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang, wonach die übereinstimmende Berufung der Parteien auf eine bestimmte Rechtsordnung als schlüssige
– hier vor der Verfahrenseinleitung getroffene – Rechtswahl gewertet werden kann (vgl RIS-Justiz RS0040169; RS0128685), was insbesondere dann gelten muss, wenn das Parteiverhalten – wie hier – jeden Zweifel an der schlüssigen Wahl österreichischen Sachrechts ausschließt (vgl 1 Ob 138/97v = SZ 70/145 = RIS-Justiz RS0108114). Es ist daher materiell-rechtlich von österreichischem Recht auszugehen.

2.1. Aus § 1302 ABGB leitet die Rechtsprechung ab, dass mehrere Werkunternehmer, die mangelhaft geleistet haben, bei Unaufklärbarkeit der Verursachung solidarisch haften, wenn sich die einzelnen Anteile am Schaden nicht exakt abgrenzen lassen (2 Ob 82/06g mwN; 7 Ob 24/13z; vgl auch RIS-Justiz RS0022703).

2.2. Das Berufungsgericht hat – insoweit in Übereinstimmung mit dem Erstgericht – das Klagebegehren (allerdings allein) mit der Begründung abgewiesen, dass diejenigen Fehler, die die Beklagte zu vertreten hat, deshalb nicht zu deren Ersatzpflicht führen, weil „als abschließender Sachverhalt fest(stehe), dass der Gesamtschaden unter bautechnischen Gesichtspunkten nicht den von der Beklagten übernommenen Planungsleistungen und der von ihr übernommenen technischen Oberleitung zuzuordnen (sei)“.

2.3. Diese Rechtsansicht der Vorinstanzen widerspricht letztinstanzlicher Judikatur. Der erkennende Senat hat nämlich bereits in seiner Entscheidung 7 Ob 24/13z klargestellt, dass Verursachungsanteile nicht auf der Grundlage „technischer Gegebenheiten“ ideell gewichtet werden können und „Feststellungen“ zu „bautechnischen Gesichtspunkten“ keine rechtsrelevante Tatsachengrundlage bilden. Vielmehr kommt es bei richtiger rechtlicher Betrachtung (nur) darauf an, ob die Mangelhaftigkeit der Leistungen mehrerer Werkunternehmer kumulativ zum Schaden beigetragen hat und gegebenenfalls, ob sich die Schadensanteile exakt abgrenzen lassen.

3. Die rechtsrelevanten Feststellungen des Erstgerichts zur Frage der Schadensverursachung durch die einzelnen mitwirkenden Unternehmer und der möglichen Abgrenzung der einzelnen Schadensanteile, also der jeweiligen Schadensfolgen der jeweils zu vertretenden Fehler, sind nicht widerspruchsfrei:

Einerseits steht fest, dass die Freigabe des abgeänderten Fensteranschlusses durch die Beklagte für den eingetretenen Schaden mitursächlich war, jedenfalls zu punktuellen Wassereintritten geführt hätte und sich die notwendigen Mängelbehebungsarbeiten den Planungsleistungen der Beklagten, den Arbeiten der S GmbH und den Werkleistungen der Nebenintervenientin der Beklagten nicht im Einzelnen zuordnen lassen. Andererseits stellte das Erstgericht fest, dass der in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallende Schaden zu vernachlässigen sei und es konnte hinsichtlich der Nebenintervenientin des Klägers betreffend die Schäden durch die mangelhaften Fensteranschlüsse einen 5 %-Anteil feststellen. Diese erstinstanzlichen Feststellungen begründen Zweifel daran, ob das Erstgericht – von der richtigen Rechtsansicht ausgehend, also unter Ausklammerung bautechnischer Gesichtspunkte – nicht doch in tatsächlicher Hinsicht Schadensanteile hätte abgrenzen können. Insoweit wären klarstellende und widerspruchsfreie Feststellungen durch das Erstgericht notwendig. Für eine Aufhebung beider Entscheidungen der Vorinstanzen besteht aber derzeit keine Notwendigkeit, weil sich der insoweit bestehende weitere Klärungsbedarf (prozessökonomischer) erübrigen könnte, wenn das Berufungsgericht die Beweisrüge zum zweiten, vom Erstgericht herangezogenen Abweisungsgrund, nämlich der Verjährung des Schadenersatzanspruchs, erledigt:

4.1. Die Verjährungsfrist wird durch die Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen in Gang gesetzt (RIS-Justiz RS0034374; RS0034951). Die Kenntnis des Sachverhalts, der den Grund des Entschädigungsanspruchs darstellt, beginnt erst, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt wurde, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anstellen hätte können (RIS-Justiz RS0034524). Sobald sich dem Geschädigten die Möglichkeit bietet, ist ihm schon vor Kenntnis der genauen Höhe seines Schadens die Erhebung einer Feststellungsklage abzuverlangen, um die Unterbrechung der Verjährung zu bewirken (RIS-Justiz RS0034524 [T40]).

4.2. Hat der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände, so beginnt die Verjährungszeit grundsätzlich nicht zu laufen. Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihr Bekanntsein im Allgemeinen nicht zu ersetzen (7 Ob 93/02f mwN; RIS-Justiz RS0034603). Nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur darf sich der Geschädigte allerdings nicht einfach passiv verhalten (RIS-Justiz RS0065360 [insbesondere T7]). Ausnahmsweise kann in Einzelfällen, sofern eine Verbesserung des Wissensstands nur so möglich und dem Geschädigten das Kostenrisiko zumutbar ist, auch – nach einer gewissen Überlegungsfrist – die Einholung eines Sachverständigengutachtens als Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten angesehen werden (7 Ob 96/10h mwN). Ein solcher Fall liegt hier auf der Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen vor:

4.3. Demnach waren bei den Fensterkonstruktionen ca 3 bis 4 Jahre nach der Fertigstellung des Dämmsystems, also bis spätestens Ende 2011 kleinere Risse erkennbar, die sich dann sukzessive vergrößerten. Die größeren Risse bzw Putzablösungen waren auch für einen Laien bis (spätestens) 2012 mit freiem Auge erkennbar. Dass die Ursache solcher Mängel die Expertise eines Fachmanns erfordert und die Einholung eines Gutachtens angesichts der Kosten einer Fassadensanierung auch wirtschaftlich sinnvoll ist, lag sofort auf der Hand. Die Verjährungsfrist begann daher auf Basis des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts Ende 2012 zu laufen, womit ein Schadenersatzanspruch des Klägers nach einem Beschluss auf Klagsführung bereits im November 2015 bei Klageerhebung dann erst im Februar 2016 verjährt wäre.

5. Daraus folgt im Ergebnis:

5.1. Das Berufungsgericht wird bei seiner neuerlichen Entscheidung die Beweisrüge betreffend die erstgerichtlichen Feststellungen zur Verjährung zu erledigen haben. Erweist sich diese als nicht berechtigt, ist ein allfälliger Schadenersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten verjährt und die Klagsabweisung aus diesem Grund zutreffend.

5.2. Sollte sich der Verjährungseinwand als nicht berechtigt erweisen, werden dem Erstgericht klarstellende und widerspruchsfreie Feststellungen dahin aufzutragen sein, welche von der Beklagten zu vertretenden Mängel ursächlich für aufgetretene Fassadenschäden waren und ob sich der daraus resultierende Schaden exakt abgrenzen lässt. Trifft letzteres nicht zu, haften die mehreren Werkunternehmer, die mangelhaft geleistet haben, solidarisch.

5.3. Zur Klärung dieser Punkte war der Revision in ihrem Aufhebungsantrag stattzugeben.

5.4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E123177

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00026.18A.0926.000

Im RIS seit

19.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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